Ganymed - Lupanar

  • Kaum war Terpander gegangen, , zog sich Hairan einen Zipfel seines Umhangs über den Kopf und trat auf die Straße, um nachzusehen, was die Aufregung zu bedeuten hatte.
    Der Lärm und der Brandgeruch kamen ganz aus der Nähe, und nun sah der Parther auch dicke Qualmwolken.
    Einer der gefürchteten Brände in der Subura!
    Er näherte sich gemessenen Schrittes dem Ort des Geschehens, und als er näher kam, wurde es Gewissheit:: Das Lupanar Ganymed brannte. Es herrschte ein fürchterliches Chaos - verletzte Lupos , vielleicht auch Tote, Urbanici, Vigiles, Schaulustige und Neugierige; schwelende Trümmer und noch immer standen Teile des Hauses in Flammen.
    Hairan verschränkte sie Arme und sah eine Weile zu.
    Dann erkannte er einen der Männer, es war Kyriakos, der Besitzer des Lupanars. Er schleppte sich voran
    und hielt sich gekrümmt, versuchte jedoch den Vigiles etwas zu erklären.
    Hairan näherte sich, seine schwarzen Augen auf Kyriakos geheftet, und als Kyriakos aufhörte, zu sprechen, tippte er ihm auf die Schulter.
    "Chaire, mein Freund!",sagte er :
    " Eigentlich hatte ich vor, deine Dienste in Anspruch zu nehmen, aber ich habe den Zeitpunkt anscheinend schlecht gewählt."
    Schlecht ist das Stichwort dachte Hairan,in so miesem Zustand habe ich Kyriakos noch nie gesehen. Der Parther ärgerte sich ein wenig, dass er jetzt um sein Vergnügen kam.


    " Hätte es nicht gereicht, einfach die Dekoration umzugestalten?", fragte er und grinste über seinen eigenen Witz.

  • Lurco hörte dem Mann aufmerksam zu, während er ihn einen Moment stützte. Scheinbar war er weit schlimmer verletzt gewesen, als es den Anschein hatte. In seinen Augen brannte es regelrecht, ob das nur das spiegelnde Feuer, Hass, Übelkeit oder eine Mischung aus allem war, konnte Lurco nicht beurteilen.


    Das was der Mann erzählte war hochinteressant, wovon er sprach war nichts geringeres als ein Rattenweg. Einen Weg den jene nehmen konnten, die das Tageslicht und die Urbaner scheuten. Nun Wissen war Macht, nichts wissen machte auch nichts. Er würde das Wissen für sich behalten, wer wusste schon, wann er es noch einmal benötigte? Gleich jedenfalls um in das Haus von Kyriakos zu kommen.


    Lurco nickte knapp als Zeichen das er verstanden hatte.


    "Kyriakos ich gehe rein und schaue ob ich dort noch jemandem helfen kann. Sag meinem Kollegen Scato wo ich hin bin. Das ist die Bohnenstange da hinten", erklärte Lurco und deutete auf Scato.


    Mit den Worten war er auch schon verschwunden und machte sich auf die Suche nach dem nächstbesten Straßenablauf. Dort angekommen ging er in die Hocke, wuchtete die Abdeckung hoch und wälzte sie zur Seite. Nur anheben und hineinschlüpfen war nicht möglich. Man würde das Gewicht nicht halten können und sich selbst den Schädel einschlagen. Zudem sah er so, wo sein Einstieg gewesen war.


    Lurco kletterte in die nasse, klamme Feuchte der Cloaca Maxima hinab. Der Name war Programm, die große Kloake roch genau so, wie es ihr Name versprach. Nun den Duft edlen Parfüms durfte man hier unten nicht erwarten. Lurco kämpfte einen Moment lang seinen Brechreiz herunter, dann schritt er mit vorsichtigen Schritten so schnell es ihm möglich war.


    Er dankte dem Erbauer der Kloake, dass er einen Fußweg eingerichtet hatte. Trotz allem war der ganze Weg eine Herausforderung an sich, Lurco fühlte sich als ob seine Augenbrauen und seine Lunge in Flammen standen, nachdem er weit genug in den Kanal hineingegangen war.


    Nach wenigen Metern gab es angeblich ein Loch durch dass man in den Küchenboden des Lupanars hochschauen konnte. Was waren wenige Meter? Lurco wich mit einem Rückwärtssprung einem Seitenfluss aus und wartete einem Moment, bis dies Stelle passierbar war.


    Endlich sah er das besagte Loch! Nun die Beschreibung konnte man im Zusammenhang mit einem Lupanar auch völlig falsch verstehen. Lurco schaute hinauf, das Loch war mit einer Art Holz abgedeckt. Verständlich. Er stemmte sich dagegen, schob den Deckel beiseite und befand sich tatsächlich in der Küche des Lupanars.


    Der Urbaner verharrte einen Moment auf dem Küchenboden um sich zu orientieren. In der Küche war es noch erstaunlich kühl, dass Feuer musste an einem anderen Ort im Lupanar ausgebrochen sein. Lurco machte sich auf den Weg in den brennenden Puff hinein. Python lag keine zehn Meter entfernt auf dem Boden. Er hatte Glück, dadruch das er bewusstlos in sich zusammengesackt war, war der große Mann noch nicht erstickt.


    Lurco wälzte ihn auf den Bauch, schob ihm die eigenen Arme unter den Armen durch, so dass er den Koloss rücklings hinter sich herschleifen konnte. Es dauerte eine Weile, aber dann hatte er Phyton zu dem Loch im Küchenboden gezerrt. Dass der Mann ehemaliger Gladiator war, so wie er einst im Lupanar angepriesen worden war, glaubte Lurco sofort. Er wog gefühlt mehr als ein Ochse und hatte die gleiche Muskelmasse.


    Umsichtig ließ er den Riesen durch das Küchenbodenloch in die Kloake hinab, um ihm dann einen Augenblick später zu folgen. Dort wuchtete er den Kerl wieder auf gleiche Weise hoch und zerrte ihn langsam aber unaufhörlich Richtung Ausgang. Es dauerte seine Weile und ganz ließ es sich nicht vermeiden, dass sie beide etwas von dem Seitenfluss abbekamen. Aber lieber stinkend am Leben, als wunderbar duftend am Ende.


    Vor dem Eingang musste Lurco eine Pause einlegen, ehe er es nach mehreren Anläufen schaffte, Phyton nach oben zu wuchten und durch den Straßenablauf auf die Straße zu hieven. Sein Rücken schmerzte höllisch und er hockte sich neben den riesigen, ohnmächtigen Kerl aufs Straßenpflaster.


    Phyton wurde auf die Seite gewälzt, falls sich dieser übergeben musste, dass er nicht an seinem eigenen Erbrochenen erstickte. Er bekam einige Ohrfeigen, in der Hoffnung dass er langsam aber sicher wieder zu sich kam.


    "Wach auf, na los komm zu Dir", rief Lurco neben ihm und rüttelte an seiner Schulter.




    ****




    Gullideckel:
    https://de.wikipedia.org/wiki/…tia_Antica_Gully_Hole.jpg


    Kanalisation:
    https://lh5.googleusercontent.…ZlHV5gsMWLzhjifIV9Tc8EGss


    Seitenfluss in der Kanalisation:
    https://www.ancientpages.com/w…019/12/cloacamaxima09.jpg

  • Scato hatte Satibarzanes das Röckchen zerrissen, um einen Druckverband daraus zu fertigen. Das war nicht der Weisheit letzter Schluss, aber die starke Blutung war so erst einmal gestillt.


    "So", sagte er im Tonfall eines zuversichtlichen Medicus, der genau wusste, dass alles gut werden würde. "Die Blutung ist gestillt, dein Kreislauf ist stabil. Trink später viel Wasser mit Salz. Wenn du an Tierblut vom Schlachter gelangen kannst, trinke auch das. Das gilt für jeden hier, der Blut verloren hat. Der Rest liegt in den Händen der Götter."


    Er schenkte Satibarzanes ein aufmunterndes Lächeln und wandte sich dem nächsten Patienten zu, als er bemerkte, wie Lurco und der Optio aneinander gerieten. Oh nein. Verstehen konnte Scato die Worte nicht, aber er konnte sich den Inhalt ungefähr denken. Auch, wenn Lurco Recht hatte - musste er das denn sagen?! Im ungünstigsten Falle kostete es ihn Kopf und Kragen! An Gerechtigkeitssinn hatte es Lurco noch nie gemangelt, eigentlich die beste Eigenschaft eines Urbaners. Aber ob der Optio es als solchen erkennen würde? Scato runzelte besorgt die Stirn, dann kümmerte er sich weiter um den Patienten.


    Als er wieder nach Lurco sah, war er verschwunden.

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    Kälte ... Luft. Unendlich langsam hob der Mann, den man Python nannte, die Lider. Er konnte nichts sehen und hören, seine Augen und Ohren waren offenbar verbrannt. Jeder Atemzug schmerzte wie ein Schwelbrand in seiner Brust. Schwach griff er nach der Hand, die ihn sanft schlug, um sie zu halten. Ein wortloses 'Danke'. Ob es gut war, dass er in diesem Zustand überlebt hatte, wusste er noch nicht, aber jemand hatte sein Leben riskiert, um seines zu retten. Er drückte die Hand ein wenig, dann verließ ihn die Kraft.



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    Als der Medicus sich um den Jungen kümmerte, musste er mit Erstaunen feststellen, dass Nymphis quicklebendig war und putzmunter. Er lächelte dem Mann freundlich zu, so, wie er es gelernt hatte. Er zeigte keinerlei Scheu. "Salve, schöner Mann", wisperte der Sechsjährige leise mit einem langsamen Augenaufschlag, der nicht in ein so junges Gesicht passen wollte. "Bist du ein Vigil?"



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    Dafür, dass soeben seine berufliche Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ruiniert worden war und dafür, dass ein Messer seinen Unterarm durchstoßen hatte, schaute Satibarzanes glücklich drein. Die Kunden wie auch seine eigenen Kollegen benahmen sich ihm gegenüber oft wie Tiere. Das erste Mal seit vielen, vielen Jahren, war ihm heute Menschlichkeit wiederfahren, als ein Vigil ihn rettete, ein Miles ihm anbot, die Rechnung beim Medicus zu übernehmen und ein weiterer seinen Arm versorgte. Satibarzanes hielt diese Gedanken fest wie einen kostbaren Schatz.



    Kyriakos


    Der Miles war tatsächlich verschwunden, um einen letzten Rettungsversuch zu unternehmen! Kyriakos hatte damit gerechnet, dass er den Eingang nur pro forma in Erfahrung bringen wollte, doch er hatte sich getäuscht. Erstaunt sah er ihm nach, als ihn plötzlich jemand von der Seite ansprach.


    "Chaire", erwiderte er den Gruß. "Ein Kunde erscheint nie ungelegen." Insbesondere, wenn Kyriakos vor dem Ruin stand. Selten hatte er jeden einzelnen Sesterz so dringend benötigt, wie heute und er war es gewohnt, auch in der größten Not zu funktionieren. Den Spott überhörte er daher geflissentlich. Er wandte sich dem Mann zu und musterte ihn, um seine Vorlieben abzuschätzen. "Wenn du es rustikal magst, ist der Zeitpunkt sogar gut gewählt." Er wies auf die Lupos, die aussahen, wie ein paar verstreute Vogelscheuchen - bis auf Castor und Pollux, die nicht nur gut gelaunt, sondern auch kerngesund waren. "Bedien dich oder wünschst du eine Beratung?" Er meinte, den Mann schon einmal im Ganymed hatte begrüßen dürfen, aber aufgrund des Rauchs brannten seine Augen und er konnte nicht gut sehen.

  • Tatsächlich hatte Eireann ihren Kopf gesenkt, während sie in unmittelbarer Nähe ihres Dominus stand. Ihre mit Ruß verschmierten und leicht abgefackelte Strähnen bildeten eine Art Vorhang, hinter dem sich die Dunkelhaarige verstecken könnte. Zumindest hatte es der Medicus aufgegeben sie verarzten zu wollen. Sie war nicht verletzt. Nicht äußerlich, nein. Ihre inneren Wunden würden früher oder später vernarben. Und dann wäre sie wiederhergestellt.


    Noch immer zeichneten ihre Finger wirre Muster in ihre Handfläche. Wohl um sich selbst zu beruhigen und mit dem soeben erlebten fertig zu werden. Zumindest brach sie nicht zusammen und weinte hysterisch. Was eigentlich ihr gutes Recht war. Doch die Keltin hielt sich aufrecht und ihren Kopf vorsichtig erhoben.


    Bis ihr Blick ihn striff. Unwillkürlich zuckte Eireann zusammen. Sie kannte ihn. Den Parther der sich soeben an den Lupanarsbesitzer heran gepirscht hatte. Nicht persönlich. Aber sie hatte ihn gesehen. In einer ihrer traumähnlichrn Visionen war er ihr erschienen. Damals hatte das Bild keinen Sinn ergeben. Doch jetzt sah die Dunkelhaarige mit einem mal völlig klar.


    “Die Raubkatze kommt zur Schlange. Die Schriften vernichtet. Das Lebenswerk in Flammen.“
    Völlig ruhig entwichen diese Worte den Lippen der Silurerin. Der Wahn schien aus ihren Augen verschwunden zu sein. Als sie sich dem Parther und Kyriakos näherte. Wobei sie den Parther regelrecht mit ihrem Blick fokussierte.

  • Hairan schüttelte bedauernd den Kopf.
    Kyriakos schien sich nicht mehr an seine - Hairans - Vorlieben zu erinnern, was zweifellos an dem hier herrschenden Chaos lag.
    Etwas verächtlich musterte er die schmutzigen Lupos.
    Was glaubte Kyriakos von seiner Person ? Dass er einen dieser Jammergestalten an einer Hauswand nehmen würde wie ein Tier ?
    Jetzt seufzte der Parther, holte einen Denar aus seinem Beutel und drückte ihn in Kyriakos' Hand :
    "Such später einen sanften jungen Lupo aus - wo ist eigentlich dieser Kleine abgeblieben, heißt er nicht Evenor ? -
    und kommt zu mir nach Hause. Wo ich lebe, weißt du ja, es ist nicht weit von hier. Ach ja, den kleinen Flötenspieler kannst du auch mitbringen, etwas musikalische Untermalung kann nichts schaden."

    Hairans Hand auf Kyriakos' Schulter wurde schwerer:
    "Und bitte nur zweimal klopfen, sonst denke ich, es handle sich um einen Ratsuchenden."
    Der Parther sprach sanft und spöttisch.


    Dann hob er den Kopf und sah das Mädchen.
    Sie war rußverschmiert und schmutzig, aber zweifellos sehr hübsch , wenn man sie erst einmal eine Stunde abgeschrubbt hatte.
    Sie starrte ihn an und sagte deutlich : “Die Raubkatze kommt zur Schlange. Die Schriften vernichtet. Das Lebenswerk in Flammen.“


    Hairan als magos wußte sofort, was er vor sich hatte: Eine Frau mit einem daimon. Und auch wenn seiner Meinung nach die meisten dieser Unglückseligen nur Unsinniges von sich gaben, wurde doch sein Interesse geweckt:
    Viele Leute glaubten, solche Menschen hätten Verbindung zu den Göttern.
    Vielleicht käme sie für sein Geschäft in Frage.


    Hairan war Eireann schon einmal flüchtig begegnet, doch in diesem Moment erkannte er sie nicht, so wenig wie sie ihn.


    Hairan selbst hatte sich durch Bart und Kleidung ein würdigeres Aussehen gegeben, und diese Sklavin - sie trug einen Halsring - , die nun vor ihm stand, war nur noch ein Schatten der fröhlichen jungen Frau während der Lupercalia.)*


    Hairan machte eine kurze Kopfbewegung zu Eireann hin.
    "Ist das deine Sklavin, Kyriakos ? Ich kauf sie dir ab. Du wirst gerade wenig mit ihr anfangen können",
    sprach er.



  • Kyriakos umschloss den Denar mit der Faust und es gelang ihm nicht, die Gier und Freude in seinem Gesicht ganz zu verbergen. Diese wertvolle Münze würde er nicht mehr loslassen, bis er einen Platz gefunden hatte, sie sicher zu verwahren, notfalls würde er sie herunterschlucken. Der herablassende Blick des Kunden machte ihn rasend. Als ob irgendjemand hier etwas dafür könnte, dass sie aussahen wie ein Haufen Landstreicher! Aber wie immer schluckte er seine Empfindungen völlig herunter und seine Worte ließen nichts von dem gekränkten Stolz erahnen. Sie klangen unverändert freundlich, wozu der Denar in seiner Faust wesentlich beitrug.


    "Wärst du vor einer Stunde gekommen ... hätte ich auf deine Frage Ja geantwortet. Und sie wäre dein gewesen." Kyriakos hatte Mühe, halbwegs aufrecht zu stehen und sich nicht seinen abgründig schmerzenden Magen zu halten. Jeder Atemzug war eine Qual, weshalb ihm zwischendurch immer mal wieder die Luft weg blieb. "Sie gehört dem Optio der Urbaner. Evenor sitzt da drüben. Er wird in einem besseren Zustand in deinem Haus erscheinen. Er ist sehr hübsch und sehr anschmiegsam ... nur etwas dreckig im Moment."


    Man erkannte den jungen Lupo nur, wenn man ihn gut kannte, da er mit dem Rücken zum Betrachter mit dem Kopf an einer Mauer lehnte, während Nicon auf ihn einredete. Langsam dämmerte Kyriakos, wer der Kunde war. Dieser Wahrsager! Kein Wunder, dass er sich für das Unsinn stammelnde Wrack interessierte, das sich zu ihnen gesellte. Was Kyriakos betraf, so hatte er inzwischen jeden Glauben an das Göttliche verloren. Allerdings schmeichelte ihm der Titel der Schlange.


  • Waren Eireanns Finger bis vor kurzem noch in nervösen Zuckungen gefangen. So wirkte sie mit einem mal völlig ruhig und innerlich gefestigt. Dies jedoch war nur eine dünne Schutzschicht. Ein falsches Wort oder eine unbedachte Berührung und Eireanns Schutzpanzer würde augenblicklich zerbröckeln.


    Während ihr Blick die Szenerie in sich aufnahm. So als sähe sie das Bildnis der Zerstörung und der Raub der Flammen zum ersten mal.
    Als ihr Blick den Magos striff. Hob dieser seinen Kopf an und erwiederte ihren Blick. Sodass ein feines Lächeln über Eireanns Lippen huschte. Er hatte sie also bemerkt.


    Dann war es die Stimme des Lupanarsbesitzer, die Eireanns Ohr streichelte und das feine Lächeln auf ihren Lippen intensivierte sich.
    “Lügenzunge. Sprich deine Worte mit Bedacht. Dein Obdach wurde soeben ein Raub der Flammen. Wer weiß, vieleicht bist du der nächste.“
    Unheilverkündend mutete der Klang in Eireanns Stimme an. Während sie hoch aufgerichtet und mit erhobenem Kopf vor den beiden Männern stand.

  • „Schade!“, Hairan wiegte bedauernd den Kopf. Das Mädchen mit dem daimon gehörte also einem Römer.
    Nach Hairans Meinung gingen viele Römer zu sentimental mit ihren Unfreien um, aber dieser Optio der Urbaner schien seiner Sklavin ihren Platz gründlich gezeigt zu haben, denn sie war wirklich in einem schlechtem Zustand. So etwas respektierte Hairan.


    Was ihn störte, war das Wort „Urbaner“. Wahrsagerei und Astrologie waren zwar nicht strafbar, aber Schadenszauber war ein Delikt und veneficium ein Kapitalverbrechen, sofern die Opfer daran starben. Hairan ging daher Ordnungshütern so weit es ihm möglich war, aus dem Weg.


    „Dann bis nachher, Freund Kyriakos. Ob du Evenor dreckig oder sauber mitbringst, überlass ich deinem Geschmack“
    Hairan grinste über seinen Witz. Leider war Kyriakos heute nicht zu Scherzen aufgelegt. Hairan konnte dessen Kummer sogar nachvollziehen, denn auch er hatte einst alles verloren, was er besaß und sein Besitz war weit wertvoller als ein Lupanar gewesen.


    Nun schaute die Sklavin mit dem daimon dem Parther und dem Griechen direkt in die Augen und sagte: “Lügenzunge. Sprich deine Worte mit Bedacht. Dein Obdach wurde soeben ein Raub der Flammen. Wer weiß, vieleicht bist du der nächste.“


    Hairan sah es ihr ihre Drohung nach. Gerade sprach ihr daimon aus ihr, und sie war nicht bei Sinnen.
    Er beschloss sich mit einem Brief an jenen Optio, den kyrios dieser Unwürdigen, zu wenden. Vielleicht ergab sich eine Möglichkeit, die junge Frau entweder zu erwerben oder zu mieten.
    Hairan entgegnete dem Blick des Sklavenmädchens und machte beiläufig mit der linken Hand die Geste der fica, das Abwehrzeichen gegen den bösen Blick, indem er seinen Daumen zwischen Zeige- und Mittelfinger durchsteckte:


    „Wie ist der Name deines dominus, Weib ?“ , herrschte er Eireann an.

  • Lurco kämpfte sich zurück auf die Beine. Ein Bursche namens Igurtha musste noch im Haus sein, laut dem Besitzer des Ganymed Kyriakos. Er hatte selbst kurz durchatmen müssen, aber jetzt ging es wieder. Lurco klopfte Phyton auf die Schulter.


    Er hoffte, dass sich bald jemand des Mannes annahm, aber so recht glaubte er nicht daran. Phyton hatte keinen Euterbonus, er war einfach ein stinknormaler Kerl, für den sich die meisten nicht interessierten. Er hatte für den Mann getan, was er konnte. Nun musste er sich um Igurtha kümmern.


    Erneut stieg Lurco in die stinkende Kloake hinab und bahnte sich seinen Weg ins Lupanar. Die Suche nach dem Loch war diesmal unnötig. Er beeilte sich, schmutziger konnte er eh nicht mehr werden. Als er über sich das Loch sah, kletterte Lurco zurück in die Küche des Lupanar.


    So langsam stieg auch hier die Hitze. Lurco hoffte für den Mann, dass er nicht irgendwo in den Flammen lag, dann war alles zu spät. Vorsichtig bahnte er sich einen Weg durch das teilweise zerstörte Haus. Er musste sich anstrengen bei dem Rauch, Russ und den Lichtverhältnissen überhaupt etwas erkennen zu können. Angestrengt lauschte Lurco in das Gebäude. Er hörte nichts, kein Stöhnen, kein Rufen oder Jammern. Alles was er hörte waren die Flammen.


    Zur gegenüberliegenden Seite des Gebäudes schaffte er es nicht. Die Flammen waren zu stark, die Hitze schlug ihm wie eine Wand entgegen. Langsam wich er vor ihnen zurück. Viel Zeit blieb ihm nicht mehr, wo war der Kerl bloß? Hinter der Flammenwand? Dann war er längst verloren. Nach ihm rufen würde nichts nützen, wer wusste ob dann das Dach runterkam.


    Lurco schaute in jede Ecke die er entdeckte und zu der er Zugang bekam - nichts. Er starrte in die Flammen und zog sich langsam Richtung Küche zurück. Von dort aus konnte er rufen.


    "Igurtha?", rief er in Richtung des Flammeninfernos.
    "IGURTHA?", wiederholte er lauter.


    Einen Augenblick konnte er ihm noch geben, ewig konnte Lurco nicht warten. Ihm rannte die Zeit davon.

  • Zitat

    Original von Hairan
    Nun schaute die Sklavin mit dem daimon dem Parther und dem Griechen direkt in die Augen und sagte: “Lügenzunge. Sprich deine Worte mit Bedacht. Dein Obdach wurde soeben ein Raub der Flammen. Wer weiß, vieleicht bist du der nächste.“


    Hairan sah es ihr ihre Drohung nach. Gerade sprach ihr daimon aus ihr, und sie war nicht bei Sinnen.
    Er beschloss sich mit einem Brief an jenen Optio, den kyrios dieser Unwürdigen, zu wenden. Vielleicht ergab sich eine Möglichkeit, die junge Frau entweder zu erwerben oder zu mieten.
    Hairan entgegnete dem Blick des Sklavenmädchens und machte beiläufig mit der linken Hand die Geste der fica, das Abwehrzeichen gegen den bösen Blick, indem er seinen Daumen zwischen Zeige- und Mittelfinger durchsteckte:


    „Wie ist der Name deines dominus, Weib ?“ , herrschte er Eireann an.


    Als der Parther die Geste gegen den bösen Blick vollführte, wurde die Dunkelhaarige von einem kehligen Lachen geschüttelt. Während ihr glühender Blick unter ihren verfilzten Strähnen abwechselnd den Parther und den Griechen fixierte.
    “Ihr werdet euch an meine Worte erinnern. Wenn es dann nicht bereits zu spät ist.“
    Kicherte die Keltin. Bevor sie ihren Blick abwandte. Wenn auch nur für einen äußerst kurzen Wimpernschlag.
    Schließlich trat sie direkt auf den Griechen zu und bettete ihre Handfläche auf seine Brust; wenn er es gestattete.
    “Alles was du berührst wird ein Raub der Flammen. Wird vernichtet. Sieh dich vor mein Sohn.“
    Bei diesen Worten blickte die Silurerin dem Griechen tief in die Augen. Und ihre Mimik war eine regungslose Maske. Sollte man Eireanns Worte ernst nehmen? Oder sollte man es darauf ankommen lassen? Unterm Strich war es des Griechen alleinige Entscheidung was er tat.


    Die scharfe Stimme des Parthers ließ Eireanns Blick äußerst langsam in seine Richtung gleiten. Beinahe so als müsste sie sich überlegen ob er es wert war von ihr angeblickt zu werden.
    “Appius Furius Cerretanus ist sein Name. Der Optio der Cohortes Urbanae.“
    Dann begann die junge Frau zu schwanken und streckte haltesuchend ihre schmalen Hände aus. Offenbar hatte sie der daimon in diesem Augenblick verlassen. Denn die Dunkelhaarige war äußerst blass, während ihr Körper von einem unaufhörlichen zittern befallen wurde. Zum Glück hatte sie nicht ihren festen Stand eingebüßt.

  • [Blockierte Grafik: https://www.minpic.de/k/abzt/g6lc5/Iugurtha


    Seit Iugurtha denken konnte, hatte er um jeden Bissen Nahrung kämpfen müssen. Hunger und Husten waren seine ständigen Begleiter. Iugurthas Körper hatte in den froststarren Nächten dazu gedient, anderen, denen es genau so elend ging, die Schlafnester zu wärmen, er hatte Schmerzen erlitten, die er nicht verstand, nur um einen weiteren Tag zu überleben, damit sein Martyrium des nachts weiterging. Tag um Tag, Nacht um Nacht, Winter um Winter.


    Als Kyriakos den dürren, kranken und zerschundenen Jungen vor zwei Jahren von der Straße ins Ganymed lockte, schlief Iugurtha das erste Mal in einem Bett und aß seine erste heiße Puls mit Fleischbrühe. Schmerz und Demütigung blieben, aber Krankheit und Hunger sanken auf ein erträglicheres Maß. Noch immer war es nicht sein eigenes Bett und noch immer lag er nicht allein, doch sein Leben wurde kalkulierbar. Kyriakos versprach ihm, wenn er gut arbeitete, würde Iugurtha, sobald er zu alt für diese Arbeit sei, wie Python als Beschützer sein Essen verdienen dürfen und einen eigenen Strohsack in der Kammer erhalten, in der die älteren Lupos wohnten, während er und die anderen Kinder im Keller eingesperrt hausten, wenn niemand ihrer Dienste bedurfte, damit sie nicht davonliefen. Igurtha hielt weiter durch, wartete auf die Zukunft, wuchs und machte Klimmzüge und Liegestütze, wie Python es ihm gezeigt hatte, damit er stark genug sein würde, wenn der Tag kam, an dem er nicht mehr für die Kunden lebte, sondern für die Knaben, die seines Schutzes bedurften. Und vielleicht auch eines Tages für sich.


    Nun lag Iugurtha reglos vor der Wand. Es hatte nur einer Sekunde bedurft, die er zur falschen Zeit am falschen Ort war, um die zarte Flamme der Hoffnung für immer auszupusten. Die Klinge eines Dolches hatte seinen rechten Lungenflügel kollabieren lassen und der heiße Rauch das finstere Werk endgültig vollstreckt. An der Wand, wo Iugurthas Leichnam gesessen hatte, ehe Atticus sie bei der Untersuchung hatte umgestoßen, war rechts und links mit Blut etwas gezeichnet, was im dichten Rauch nicht zu erkennen war. Man würde warten müssen, bis das Feuer gelöscht war, um die Zeichnung zu identifizieren. Vor den schlaffen Händen lag auf dem Boden ein Vogelschädel.


    Als Lurco seinen Namen rief, antworteten ihm nur das Rauschen der Flammen und das Knacken des verbrennenden Gebälks.



  • Hairan streckte die Hand aus, um zu verhindern, dass die Sklavin zu Boden stürzte. Sie war blass und zitterte und schien jetzt nur ein verwirrtes, ängstliches Mädchen zu sein.


    Hairan hätte ihr gerne nephentes, mit Opium versetzen Wein, gegeben, um sie ruhiger und zugänglicher zu machen, aber er konnte nicht wagen, sie mit in sein Haus zu nehmen. Schließlich war sie Eigentum eines Römers und ihr dominus, Appius Furius Cerretanus, war laut der Auskunft von Kyriakos anwesend.


    Was er noch wissen wollte, konnte er auch so erfahren.


    „Bleib auf deinen Füßen stehen !“, knurrte er sie anund heftete seinen kalten Blick auf sie:
    „Beantworte mir meine Fragen, Weib : Wie heißt du, woher kommst du und wie lange schon sucht dich der Weissagedaimon heim?“


    Ein Optio kann mit der Frau nichts anfangen, dachte Hairan, aber ich kann es.

  • Kyriakos wich nicht, als die Frau ihre Hände auf seine Brust legte, und weiteres Unheil verkündete. Unnachgiebig stand er wie ein Fels und erwiderte ihren Blick. Niemals zu weichen gehörte zu seinen anerzogenen Prinzipien.


    Kyriakos kapitulierte nicht.
    Kyriakos wiederholte sich nicht.
    Kyriakos zeigte keine Schwäche.
    Weder bat er um Hilfe, noch äußerte er Klage.
    Weder bedauerte er sein Schicksal, noch das eines anderen.
    Aufrecht und den Blick nach vorn gewandt ging der Spartiate, selbst mit verkrüppelten Füßen noch.
    Schritt um Schritt ging er weiter.


    "Und wenn am Ende alles zu Asche wird, was ich berühre, so werde ich aufrecht durch die Asche gehen und meine graue Krone mit Stolz tragen. Ich fürchte deine Götter nicht, Sklavin. Denn ich bin mein eigener Gott."


    Damit löste er ihre Hände von seiner Brust und der Wahrsager nahm sich ihrer an. Wut war das einzige, was blieb und auch diese schluckte er Kyriakos nun herunter, um handlungsfähig zu bleiben. Mit Asche auf Haut und Haar wandte er sich seinem brennenden Lupanar zu. Und dort, wie von dem Feuer ausgespien und freigegeben, um dem Aschegott einen Diener zu geben, lag Python. Kyriakos schloss einen Moment die Augen. Dann ging er zu ihm. Vor seinem verbrannten Kopf sank er auf die Knie. Er musterte die entstellten Züge und sah, wie der mächtige Brustkorb sich langsam hob und senkte. Er fragte sich, ob er Python erlösen sollte.


    Lebe in Schande, Kyriakos, aber lebe ...


    Die letzten Worte seines Peinigers an ihn.
    Sein Urteil und sein Fluch, menschengemacht.
    Denn auch er hatte sterben wollen.


    Eine zeitlang kniete Kyriakos nur da und schaute zu, wie Python atmete. Dann streckte er eine Hand in Richtung der Zwillinge aus, die sich all die Zeit tatenlos an der Mauer herumdrückten und unter den Urbanern und Vigiles nach künftigen Kunden Ausschau hielten und leise über sie sprachen.


    "Ein Eimer Wasser und eine Löschdecke", tönte heiser Kyriakos´ Befehl.


    Auch Python würde leben.
    Sie würden gemeinsam den Weg ihres Fluches gehen.

  • Zitat

    Original von Kyriakos
    Kyriakos wich nicht, als die Frau ihre Hände auf seine Brust legte, und weiteres Unheil verkündete. Unnachgiebig stand er wie ein Fels und erwiderte ihren Blick. Niemals zu weichen gehörte zu seinen anerzogenen Prinzipien.
    "Und wenn am Ende alles zu Asche wird, was ich berühre, so werde ich aufrecht durch die Asche gehen und meine graue Krone mit Stolz tragen. Ich fürchte deine Götter nicht, Sklavin. Denn ich bin mein eigener Gott."


    Damit löste er ihre Hände von seiner Brust und der Wahrsager nahm sich ihrer an. Wut war das einzige, was blieb und auch diese schluckte er Kyriakos nun herunter, um handlungsfähig zu bleiben. Mit Asche auf Haut und Haar wandte er sich seinem brennenden Lupanar zu.


    Noch immer wirkte das Lächeln auf den Lippen der Keltin unheilverkündend. Und intensivierte sie da nicht den Druck ihrer Hände gegen seine Brust?
    “Du bist ein stolzer Krieger, mein Sohn. Doch ein jeder Krieger kann mit den richtigen Waffen geschlagen werden. Mögest du sicher auf deinen Wegen gehen. Ohne zu straucheln.“
    Ohne jegliche Emotion entwichen diese Worte den Lippen der vom daimon besessenen Sklavin. Während sie ihre Finger langsam zurück zog und ein merkwürdiges Zeichen auf die Stirn des Griechen zeichnete. Dann blickte sie ihm schweigend nach, als er sich seiner zerstörten Zukunft näherte. Konnte man da etwa Mitleid auf Eireanns Gesicht erkennen? Und das nachdem er ihr diese Gräuel angetan hatte?



    Noch immer ruhte Eireanns Blick auf der Gestalt des Griechen, der vom Feuerschein, wie von einen Heiligenkranz umstrahlt wurde. Schließlich sog Eireann zitternd die rauchgeachwängerte Luft ein und geriet ins taumeln. Mit großen Augen kehrte die Keltin in die Gegenwart zurück und blickte sich gar panisch um. Doch niemand schien ihr merkwürdiges Verhalten mitbekommen zu haben. Niemand bis auf den Parther, dessen Finger sich um ihr Handgelenk geschmiegt hatten, um sie vor einem eventuellen Sturz zu bewahren.
    Als er seine Finger zurück zog, blinzelte Eireann verwirrt zu ihm empor. Denn eine Erinnerung an Worte oder Taten hatte sie nie. Dazu müsste sie weiser und geübter sein. Wie es ihre Mutter war. Hart schluckte die Keltin bei diesen Gedanken und verscheuchte diese Erinnerung. Dann erst richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf den Älteren und lauschte seinen Worten.
    “Meine Mutter gab mir den Namen Eireann. Der Iulier nannte mich dagegen Livia.“
    Emotionslos entwichen diese Worte ihren Lippen. Während sie ihre Finger zusammen krampfte, um die dröhnenden Kopfschmerzen zu verdrängen, die in ihren Schläfen tobten.
    “Ich bin in Caerwent geboren. Die Römer nennen meine Heimat Venta Silurum.
    Da blitzte doch tatsächlich Stolz in Eireanns Augen. Bevor sie leise wimmerte und ihre Augen für einen kurzen Augenblick fest zusammen presste.
    “Diese... diese Visionen.. sie kommen und gehen. Ich kann dieses sehen nicht steuern. Man sagt wenn man die Jungfräulichkeit verliert ist man nicht mehr in der Lage visionär zu sehen. Bei mir haben sich die Visionen verstärkt und überfallen mich hinterrücks.“
    Erschöpft ließ Eireann schließlich ihren Kopf hängen und biss sich auf die Unterlippe.

  • Iugurtha antwortete nicht, Lurco lauschte angestrengt über das Zischen der Flammen hinweg. Nichts. Die Hitze griff auf die Küche über und zwang ihn Stück für Stück zum Rückzug. Wer immer dieser Mann war, der hier elendig verbrannt war, Lurco schickte ein Gebet zu den Göttern, dass sein Leid nicht unnötig lang oder grausam gewesen war. Als die Hitze unerträglich wurde, zog er sich zurück und ließ sich durch das Bodenloch in die Kloake hinab.


    Stinkend und stickig war es hier immer noch, aber im Gegensatz zum Lupanar war es hier angenehm kühl. Lurco lief ein Stück die Kloake entlang hinab in Richtung Ausgang. Er stockte blieb stehen und hockte sich auf ein einigermaßen trockenes Plätzchen. So verschnaufte er einige Minuten in denen er darüber nachdachte, ob er umkehren sollte. Der Mann war tot, es gab keine Chance das er überlebt hatte.


    Lurco schaute in den dunklen Gang, der wie ein gähnender Rachen eines Ungeheuers in der Schwärze verschwand. Verschlungen vom Abwasser, nun er konnte hier in den Sack hauen, nichts wäre einfacher als das. Niemand wusste wohin er gegangen war und er selbst wusste nicht, wohin dieser Gang führte. Er dachte einen Moment an Scato, ihr Haus, ihre Taberna und ihren gemeinsamen Traum der dort oben mit dem Lupanar abgefackelt war.


    Irgendwie hatte das ganze Geschehen nichts damit zu tun und doch zeigte es alles. Ihr erster Einsatz als Miles, beinahe versaut durch das Sklavensubjekt Eireann. Und der zweite Einsatz sah nicht besser aus. Vielleicht sah er die Dinge wirklich zu eng und der Optio hatte Recht. Dann hatte er zwangsläufig Unrecht und sollte die Dinge lockerer sehen.


    Er hatte eine andere Vorstellung von den Cohortes gehabt. Schäfer für eine durchgeknallte Sklavin war sicher nicht sein Traumberuf gewesen. Aber jeder wie es ihm beliebte, was spielte da richtig oder falsch noch für eine Bedeutung?


    Lurco stieß sich von der Mauer ab und trabte müde zu dem Ausgang. Auch wenn die ganze Welt ein verlogener Scheißhaufen war, Scato verdiente eine ehrliche Ansage. Müde strich er sich über das Gesicht und kletterte nach oben.


    Frische Luft... oder jedenfalls das was er dafür hielt.
    Lurco konnte sich nicht erinnern, dass Atmen einmal derart wohltuend gewesen war. Er schaute sich kurz um, immerhin hatte er nicht gelöscht, sondern eigenmächtig jemanden aus den Flammen gerettet. Das wurde wenn es herauskam sicher als Befehls- und Arbeitsverweigerung gewertet.


    Lurco hielt nach Scato Ausschau, er versorgte gerade die Verletzten. Erschöpft lief er zu ihm.


    "Da hinten liegt auch noch einer, ziemlich verbrannt. Ob er es schafft kann ich Dir nicht sagen. Alles in Ordnung bei Dir?", hakte Lurco freundlich nach und hockte sich auf die Fersen.

  • Lurco musste sich einen Moment gedulden. Scato fertigte gerade aus weiteren zerissenen Kleidungsstückchen und Wasser feuchte Kompressen zum Kühlen für die verbrannten Hautstellen. Die verteilte er an die Lupos.


    "Immer nass halten", mahnte er. "Wenn es antrocknet, wird das Lösen schmerzhaft und die Wunde noch schlimmer. Kühle, so lange es dir angenehm ist, danach weiß ich auch nicht weiter ... wir bräuchten einen Medicus. Aber das Kühlen von Brandwunden ist auf jeden Fall erstmal wichtig." Dann wandte er sich wieder Lurco zu, der ihn auf ein weiteres Brandopfer hinwies. "Zeig mal, wo er liegt. Ahhh, au weia, ich sehe ihn ... mit mir ist alles in Ordnung. Und selbst? Wo warst du überhaupt?"


    Der Lupanarbesitzer machte sich offenbar schon daran, den Verletzten zu versorgen, aber besser war, wenn Scato auch noch mal schaute. Er zog kurz an Lurcos Arm, damit er mitkam, während er loseilte. Das sah wirklich nicht gut aus.

  • Lurco begleitete Scato und blieb vor Phyton stehen. Der Mann sah alles andere als gut aus, ob er es schaffen würde, wusste er nicht. Nun niemand hatte nach ihm geschaut und das obwohl Kyriakos einem der Virgiles bescheid gesagt hatte. Er war den Flammen überlassen worden, Lurco wusste nicht ob er dem Mann einen Gefallen erwiesen hatte oder ihn verdammt hatte. Das Gleiche spiegelte sich in Kyriakos Gesicht.


    Scato hatte sich gut gemacht bei der Verpflegung der Verwundeten, dass musste Lurco ihm lassen. Aber ob er bei Phyton noch etwas ausrichten konnte? Leider kannte auch die Heilkunst ihre Grenzen. Und Feuer war ein gnadenloser Gegner.


    "Ihn hat es verdammt hart erwischt. Löschen, so wie es der Optio befohlen hat. Wir müssen nachher mal in einer ruhigen Minute unter vier Augen reden. Aber nicht hier, wo uns jeder hören kann. Das geht fremde Ohren nichts an. Mit mir ist nichts in Ordnung, drum reden wir", antwortete Lurco ehrlich.

  • Zitat

    Original von Kyriakos
    "Und wenn am Ende alles zu Asche wird, was ich berühre, so werde ich aufrecht durch die Asche gehen und meine graue Krone mit Stolz tragen. Ich fürchte deine Götter nicht, Sklavin. Denn ich bin mein eigener Gott.".


    Hairan zog eine Augenbraue hoch. Er erkannte Hybris, wenn er ihr begegnete: Kyriakos schmähte die Götter.
    Hairan lächelte fast bedauernd.
    Mein armer Freund, dachte er, für dich wird es niemals eine Krone geben, sondern nur Asche, und darin watest du sozusagen schon bis zu den Knien.



    Hairan hörte der Sklavin zu. Eine Barbarin natürlich, ihm blieb auch nichts erspart.
    Als sie den Zusammenhang ihrer Visionen mit Jungfräulichkeit erwähnte, schüttelte er den Kopf und sagte : „Manchmal ist die kultische Reinheit gemeint, das hat mit Jungfräulichkeit nicht immer etwas zu tun. Aber davon verstehst du nichts.“


    Die Sklavin hatte einen daimon, aber weder Kenntnisse noch Kontrolle über ihn. Um so besser, die Kontrolle würde er, Hairan, haben . Wenn er Eireann denn in die Finger bekäme.
    Er war entschlossen, ihrem Herren zu schreiben.


    Mittlerweile gab es entschieden zu viele Urbaner um sie her.
    Hairan, der ihnen keinesfalls auffallen wollen, beschloss zu verschwinden.


    Er interessierte sich wenig für das Wohl anderer Menschen , und obwohl er mit seinen Pflanzenkenntnissen durchaus hätte helfen können,zog er vor, zu schweigen: Es war ein zu kurzer Sprung von Heil- zu Gifttränken, und die Urbaner würden diese Schlussfolgerung zweifellos ziehen.


    Der Parther zog seinen Umhang fester um seinen Körper und machte wortlos sich auf den Heimweg,


  • Schweigend und mit großen Augen lauschte die Keltin den Worten des Parthers. Sie würde nicht verstehen? Hatte er das gerade wirklich gesagt? Noch immer prasselten die Flammen und der stickige Rauch hing wie eine schwere Decke über ihrer aller Köpfe.
    “Dieses... dieses... sehen... es ist gefährlich.“
    Murmelte die Keltin mit erschöpfter Stimme und strich sich eine ihrer angesengten Strähnen aus der Stirn. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, wie sich der Parther zwischen den am Boden liegenden und kauernden menschlichen Körpern hindurch schlängelte und im nächsten Moment aus ihrem Sichtfeld verschwand.


    Dann spürte auch Eireann wie sich die Welt um sie herum zu drehen begann und ihre Beine unter ihr nachgaben. Tonlos sackte die Keltin zu Boden und krabbelte vorsichtig hinüber zu einer der Häuserwände, gegen die sie sich erschöpft lehnen konnte. Bliebe nur die Frage wo sie heute die Nacht verbringen sollte. Hatte ihr Dominus mit Furia Stella gesprochen und war sie in der Casa Furia wieder willkommen? Fragen über Fragen die Eireanns pochendes Köpfchen marterten . Während sie ihren Kopf gegen die Häuserwand presste und erschöpft die Augen schloss. Das sie sich neben einigen Lupos befand, nahm die Keltin schon gar nicht mehr wahr.

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