Scato hatte Terpander nun schon ein paar Tage nicht gesehen. Er wusste, dass der Grieche zu der Zeit, in der sein Herr Dienstschluss hatte, gern vor der Castra herumlungerte, um zu sehen, ob er ihn nicht abpassen konnte. Scato schmeichelte diese Angewohnheit, auch wenn er sie natürlich ganz einfach auch hätte befehlen können. Aber das hatte er nicht getan, Terpander wartete von sich aus. Jeden Tag hatte Scato für ihn zwar keine Zeit, aber ungefähr aller drei Tage eben doch, so dass sie sich für ein Gespräch trafen und gegenseitig auf den neuesten Stand der Dinge brachten. Manchmal gingen sie gemeinsam etwas essen oder eine Runde spazieren. Heute hatte Scato vor, Terpander zu einer gebratenen Lukanerwurst einzuladen und schaute vor der Porta Praetoria, wo sein Sklave denn blieb.
[vor der Castra] Ein Geschenk von Tiberios
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<< [vor der Castra] Terpander und Tiberios
Na endlich! Terpander hatte drei Tage warten müssen, ehe es ihm endlich gelang, seinen Dominus an der Porta Praetoria abzupassen. Jedes Mal hatte er die drei Schriftrollen bei sich getragen, die Tiberios für Scato kopiert hatte.
"Salve, Dominus", grüßte Terpander und verneigte sich leicht. "Ich trage ein Geschenk von Tiberios bei mir. Er gedachte, dir mit der Abschrift eine Freude zu bereiten, da du wohl sehr gütig zu ihm gewesen warst. Ich habe mich gut mit ihm unterhalten, er ist ein kluger junger Mann mit zumeist vernünftigen Ansichten. Bittesehr."
Damit hielt Terpander Scato die drei Schriftrollen hin.
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"Tiberios hat was?" Scato hatte die Worte natürlich genau verstanden, er war schlichtweg überrumpelt. Er hatte versucht, mit dem jungen Sklaven innerlich abzuschließen. Im Alltag der Castra und dem Trubel um den Hauskauf war es ihm auch ganz gut gelungen. Nach dem Dienst war er meist mit Lurco beschäftigt, der es verstand, ihm die Freizeit zu versüßen und abends sank Scato todmüde und glücklich in sein Bett. Nun aber schwirrte ihm erneut der Kopf. Er wickelte die erste Schriftrolle aus und versank förmlich in der filigranen, gleichmäßigen Handschrift. Wunderschön, eine Manifestation der Harmonie.
"Wie viel Mühe er sich gegeben hat", hauchte Scato und bekam einen Ständer. Er kam nicht einmal dazu, den Inhalt zu beachten, weil er so in der Handwerkskunst versank. Die Vorstellung, wie die gepflegten Hände von Tiberios die Feder hielten und über das Blatt gleiten ließen, hatte etwas merkwürdig Erregendes an sich. Er drückte die Abschrift an sein Herz und blickte mit sanft geröteten Wangen in die Ferne, während in seinem Kopf die Schreibfeder zwischen Tiberios´ Fingern zu seinem besten Stück wurde, das zart umschlossen und streichelnd über weiße Haut geführt wurde.
Dann wurde die sanfte Rötung seines Gesichts zu einem Feuerrot. Bösartig starrte Scato das Pergament an. "Auf dieser Schrift muss irgendein verschissener Zauber liegen, das ist doch nicht normal!" Er drehte den Papyrus um, hielt ihn gegen die Sonne, roch daran und kostete sogar eine Ecke. "Es ist schließlich nur eine Rolle mit irgendeiner Abschrift. Lurco soll sich das sogenannte Geschenk anschauen, er weiß sicher Rat. Und im Gegensatz zu diesem fiesen kleinen Griechen ist er nicht wandelbar und unfassbar wie eine Wolke am Himmel, sondern er ist beständig an meiner Seite und jeden Tag einfach der, der er ist. Tiberios braucht sich gar nicht einbilden, dass ich noch einmal auf seine Masche hereinfalle."
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Terpander wartete, bis Scato mit seiner Tirade fertig war. Er ahnte ja, was los war, er kannte seinen jungen Herrn lange genug.
"Papyrus ist eine teure Angelegenheit, insbesondere für einen Sklaven", gab er daher ruhig zu bedenken. "Auch wird Tiberios für eine so wertvolle Abschrift nicht die billigste Tinte verwendet haben. Zudem musste er sich das Original besorgen und in seiner Freizeit für die Abschrift arbeiten. Einen Zauber hätte er billiger und mit weniger Aufwand haben können. Wenn ich dir einen Rat geben dürfte, Dominus, würde ich empfehlen, die Abschrift in Ruhe durchzulesen und dann zu entscheiden, ob du sie behalten möchtest oder ob ich sie zurückbringen soll."
Letzteres fände er einen Jammer. Allerdings war Scato bei aller Intelligenz nicht immer logisch in seinen Handlungen. Er bekam ein Geschenk und hatte nichts Besseres zu tun, als sich darüber aufzuregen und dem Schenkenden böse Absichten zu unterstellen.
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"Nein, wir machen das andersherum", entgegnete Scato, der nichts von Terpanders Beschwichtigungen hören wollte. "Du erhältst die Aufgabe, die Papyri überprüfen zu lassen und mir darüber Bericht zu erstatten. Wenn auf ihnen ein Fluch lasten sollte, wird Tiberios dafür büßen." Damit reichte er ihm die Abschrift zurück.
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"Wie du wünschst, Dominus."
Terpander verwahrte die Schreiben sorgfältig in den dazugehörigen Rollen, damit sie beim Transport geschützt blieben. Sonderlich begeistert war er von der Idee nicht, zumal er keine Ahnung hatte, von wem oder wie er so etwas untersuchen lassen sollte! Er beschloss nach dem Abschied von Scato, erst einmal eine Runde spazieren zu gehen, um darüber nachzudenken.
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