Eine kleine Nachtübung

  • Niemanden war am Vortag entgangen was am Exerzierplatz vor sich ging. Ohne viel geheimnistuerei hatten sich die Optios dreier Centurie und auch mehrere Milites daran gemacht diverse Gegenstände auf dem Exerzierplatz zu platzieren.


    Hauptsächlich waren es zusammengezimmerte Hindernisse. Einige waren hoch wie zwei Männer, andere sollten einen wackeligen Übergang über eine Furt darstellen.


    Nun war es finstere Nacht. Die wenigen Fackeln die am Platz aufgestellt waren erhellten das Gelände notdürftig und das flackern der Flammen machte Umrisse zu schemenhaften Gestalten, fast unmöglich wirklich einzuschätzen wie hoch wie lang oder wie breit etwas war.


    Appius kam in Formation mit der dritten Centurie am Exerzierplatz an und befahl anzuhalten.


    " Wenn es bis jetzt noch niemanden klar ist.....dies wird eine Übung. Es soll euch helfen konzentriert zu bleiben, das Gleichgewicht zu halten und auch gleichzeitig etwas für eure fetten Ärsche zu tun.
    Hat jemand etwas anderes vor?" Der Tonfall hatte etwas bedrohliches an sich was nun jene dazu anregen sollte den Kasper in der Kiste zu lassen.

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    Aha, dafür also die Unordnung auf dem Exerzierplatz. Scato wünschte, er hätte den verteilten Gegenständen bei Tageslicht mehr Aufmerksamkeit geschenkt, aber er war zu sehr mit seinen eigenen Wehwehchen beschäftigt gewesen, um sich groß darum zu kümmern. Dass er nun nicht wusste, was ihn erwartete, war die gerechte Strafe. Als Cerretanus ihre fetten Ärsche erwähnte, knuffte Tarpa unauffällig Ramnus, das Schwergewicht des Contuberniums. Ramnus aber sagte keinen Mucks, sondern schaute unglücklich. Er ahnte vermutlich, dass heute jedes Pfund auf seinen Rippen zehn Mal so schwer wiegen würde. Scato hingegen freute sich. Da er körperlich das Gegenteil von Ramnus war, rechnete er sich aus, eine gute Figur zu machen und hob siegesgewiss das Kinn.


    "Nichts anderes vor, Optio", verkündete er, da Cerretanus gefragt hatte. "Bereit zum Schleifen."


    Scato war immer noch der Überzeugung, dass Cerretanus von Maro ausgebildet worden war, zumindest hatte der Optio genau so eine Freude daran, die realen oder vermeintlichen Mängel der Milites in wenig schmeichelhafte Worte zu kleiden und sie leiden zu lassen. Er musste das bei Gelegenheit überprüfen.

  • Lurco war in Reih und Glied den anderen gefolgt, so wie es sich gehörte. Auf dem Exerzierplatz angekommen, stellte ihr Optio klar, dass es sich um eine Übung handelte. Lurco atmete erleichtert auf. Die Übung nahm er ernst, vor allem da sie mitten in der Nacht stattfand und man kaum etwas sah. Dennoch war er froh, dass nicht mitten in der Nacht irgendeine Katastrophe losgebrochen war. Und falls doch, hätte er auch nichts daran ändern können. Die Übung von Cerretanus würde sie auf eine solche Situation vorbereiten.


    Lurco unterdrückte den Drang zu Gähnen und versuchte angestrengt etwas in der Dunkelheit zu erkennen. Die verteilten Fackeln warfen nur ein spärliches Licht. Besser als nichts, denn wer sich in Rom auskannte wusste, dass die Straßen und besonders die schmalen Gassen nachts in tiefster Finsternis lagen. Dagegen war diese Beleuchtung gerade zu Luxus.


    Als der Optio geradezu bedrohlich fragte, ob sie etwas anderes vorhatten, sagte keiner ein Wort außer Scato.


    "Bereit", pflichtete auch Lurco und rief sich die Erklärung von Cerretanus ins Gedächtnis.


    Ihr Optio hatte Recht, sie mussten jederzeit Einsatzbereit und konzentriert sein. Heute war der erste Schritt auf dem Weg dorthin. Lurco wappnete sich innerlich und machte sich bereit.

  • " Und um euch nun ein wenig Ansporn zu geben, der ja vorausgesetzt wird, wird das ganze zeitlich begrenzt sein." er hob dabei eine kleine Sanduhr hoch.
    " Ist sie leer und jemand noch nicht hier macht den ganzen Spass von vorne."


    " Miles Ramnus. Bitte der Herr. Leg was vor." Mit einer einladenden Geste machte er Ramnusbklar dass es ernst gemeint war.


    " Ach...und wenn jemand bemerken sollte dass, nur im Fall des Falles, Ramnus irgendwo Probleme haben sollte, was ich natürlich nicht annehme, so ist dieser angehalten ein wenig nachzuhelfen. Vllt dort und da ein kleiner Schubs....."

  • [Blockierte Grafik: https://www.minpic.de/t/a90a/cxkenRamnus


    Ramnus rannte los wie ein Mastbulle auf Angriffskurs. Er war ein Berg an Muskeln und dazu mästete Lurco ihn auch noch ständig mit Lukanerwürsten, die deutliche Spuren hinterlassen hatten, weil Ramnus bei Essen nicht Nein sagen konnte oder wollte. Er war ein wahrer Brecher geworden, der sich nun mit einem Klimmzug brutal hochzerrte und sich kraftvoll über das erste Hindernis wälzte, dessen Holz unter ihm erbebte, aber hielt. In der Castra Praetoria wurde nur Qualitätsware verbaut. Ramnus donnerte weiter, das nächste Hindernis war irgendwas zum darunter durchkriechen. Da es dort eng wurde, sahen die anderen aus der Distanz, wie die Konstruktion wackelte, weil Ramnus sie an einer Engstelle kurzerhand mit dem Rücken aushob. Die ersten Hindernisse machte Ramnus sich gut, aber das Tempo war sehr hoch für den Anfang, weil er sich vor dem Optio und vor seinen Kameraden keine Blöße geben wollte. Ob er das durchhalten würde, war fraglich und der Sand rieselte ...


    Scato schaute zu Lurco rüber. Sollten sie eigentlich alle gleichzeitig losrennen oder drehte Cerretanus die Sanduhr für jeden einzeln um? Hatten sie jetzt, weil sie gebannt Ramnus anstarrten, den Start verpasst?

  • Breit grinsend erwiderte Appius den fragenden Blick. Bedächtig stellte er die Sanduhr auf den gepflasterten Platz ab und rannte nun ebenfalls los.
    Das erste Hindernis war als Mauer gedacht. Ca. eineinhalb Mal höher als ein durchschnittlicher Mann es war.
    Appius streckte sich, zwei Schritte vom Hindernis entfernt und stieß sich kraftvoll aus dem Beinen ab.
    Beide Hände umfassten die obere Kante der "Mauer" und mit dem übrig gebliebenen Schwung hatte er ein Bein auf halber Höhe ansetzen können. Dadurch konnte er wieder mit Kraft aus dem Bein abfedern und das andere auf die obere Kante legen.
    Der Rest war einfach nur Übungssache.


    Nächstes Hindernis. Sehr flach und lang gezogen. Hier müsste man bäuchlings durchkriechen.
    Ramnus hatte gerade das Ende dieses Hindernisses erreicht als auch schon Appius nach ihm wieder aufrecht stehen könnte.
    " Na komm schon. Du wirst das überstehen. Und verausgabt dich nicht" schnarrte er dem Miles zu und war auch schon vor ihm auf dem Balken der sich einige Fuß vom Boden abhob.


    Schwankend, immer wieder mit den Armen das Gleichgewicht wieder herstellen, trippelte der Furier darüber und wartete am Ende. " Hop, Hop." Das nächste Hindernis war wieder eine Wand. Jedoch hätte diese eine Höhe von 2 Männern.


    " Ramnus. An die Wand. Hände zusammen als Steighilfe."
    Der schwergewichtige Miles begeiff den Sinn und stellte sich mit dem Rücken an die Wand, beugte leicht die Knie und bildete mit den Händen einen Steigbügel.
    Appius Stig mit einem Fuß in den "Bügel" und zog sich hoch während Ramnus ihn von unten her anschob.


    Auf der Kante blieb appius sitzen, beugte sich seitwärts und streckte einen Arm nach unten. Sein Blick richtete sich zu den anderen die teilweise immer noch da standen und zusagen.


    " Ärsche bewegen. Los. Gl ich wie Ramnus hier an der Wand macht es der nächste."

  • "Wir haben gepflegt den Start verpasst", stöhnte Lurco, stieß Scato an damit ihm sein Kumpel folgte und rannte los.


    Hindernis eins war eine übermannshohe Mauer, den Göttern sei Dank hatten ihre Sandalen Nägel unter den Sohlen. Je höher das Hindernis war, dass man überwinden wollte, je schneller musste man Anlauf nehmen ohne vor dem Hindernis abzubremsen. Und genau das tat Lurco. Er rannte so schnell er konnte auf die Mauer zu. Er stieg mit seinem Sprungbein auf Kniehöhe gegen die Wand, drückte sich mit seiner ganzen Kraft nach oben, umfasste den Mauerrand und zog sich nach oben in die Stützposition. Lurco überwand die Mauer und lief weiter.


    Das nächste Hindernis musste nicht in der Höhe, sondern auf dem Boden überwunden werden. Lurco ließ sich fallen, und fing sich mit den Armen und den Füßen ab. Er presste sich so flach er konnte an den Boden, aber nicht zu flach um noch schnell vorran zu kommen. Dabei hielt der den Kopf und den Hintern weit unten und kroch unter dem Hindernis hindurch.


    Die dritte Etappe bestand aus einem Balken, der ihr Gleichgewicht testete. Lurco näherte sich dem Hindernis langsam, sprang auf den Balken und setzte bewusste einen Fuß vor den anderen. Hier war das Motto, wer schnell sein wollte - musste langsam laufen. Im Gänseschritt und mit ausgestreckten Armen absolvierte er auch dieses Hindernis.


    Das letzte Hindernis hatte es in sich. Eine erneute Mauer aber noch höher als die erste. Lurco blieb stehen, schätzte die Höhe ab und rannte los was seine Beine hergaben. Ohne abzubremsen sprang er mit dem Sprungbein die Mauer an, drückte sich schnell mit dem Sprungbein nach oben und schleuderte das andere Bein nach hinten um einen weiteren Schritt nachsetzen zu können. Gleichzeitig griff er nach der Mauerkante. Vergebens, die Mauer war zu hoch.


    Also nochmal das Ganze von vorne. Lurco benötige vier Anläufe, dann bekam er endlich die Mauerkante zu fassen. Er zerrte sich mit seinen verbliebenen Kräften und grimmigen Gesichtsausdruck nach oben. Dort wartete er auf Scato, oder einen anderen Kameraden um ihn über die Mauer zu helfen.

  • Scato versuchte, in der Dunkelheit zu erkennen, was der Optio da mit dem Dickerchen anstellte. Er hörte, wie Cerretanus dem Kameraden Mut machte, was Scato anständig fand. Dann half er ihm sogar eigenhändig, aber die Details verloren sich in der Dunkelheit. In Scatos Vorstellung versuchte Cerretanus, der zwar groß, aber eher drahtig als kräftig gebaut war, mit wackeligen Knien, den riesigen Ramnus irgendwie über das Hindernis zu schieben. Was tatsächlich geschah, war nicht auszumachen, aber den Geräuschen und herumrennenden Schemen nach zu urteilen, hatten die beiden es irgendwie über das Hindernis geschafft. Ein Stoß riss Scato aus seinen Betrachtungen, als Lurco zusammen mit den anderen Kameraden an ihm vorbeipreschte und mit Anlauf über das erste Hindernis sprang, es sah sogar aus, als wäre er dazu an der Wand hochgelaufen! Hatten sie doch tatsächlich den Start verpasst.


    Scato bremste vor dem Hindernis scharf ab, ging in die Knie und katapultierte sich aus dem Stand nach oben. Scatos Finger erreichten die Kante gerade so. Einige Augenblicke hing er nur da und ächzte, weil eine rechtwinklige Kante sich beschissen festhalten ließ. Rechts und links von ihm kletterten die Kameraden wie Spinnen leichtfüßig hinauf, während er da noch baumelte. Da er ein Leichtgewicht war, konnte er sich am Ende trotz miserabler Technik hochzerren, bis er das Knie über die simulierte Mauer bekam.


    Dann machte er beim Rennen etwas Zeit wieder wett, ebenso beim Kriechen, auch wenn er immer noch Letzter war. Vor ihm kroch Stilo, der es am Vorabend mit dem Trinken übertrieben hatte und noch besoffen war, als Cerretanus sie aus dem Bett geschmissen hatten. Wenigstens den wollte Scato überholen, doch das ging nicht während der Hindernisse, die eine lineare Formation erzwangen, wie den folgenden Tunnel. Beim Kriechen war Scato schnell, aber das nützte ihm nichts mit Stilo vor sich. Dann kam die ultimative Katastrophe. Ein Balken!


    "Darf ich fix überholen?", fragte Scato und wollte sich vorbeidrängeln.


    "Nichsss da!" Stilo versperrte ihm mit dem Arm den Weg. "Du bllleibssst weg." Umständlich kletterte Stilo auf den Balken. Er fiel nicht herunter, brauchte aber lange, um alle vier Gliedmaße auf den Balken zu verfrachten. Die anderen waren schon außer Sicht, als Stilo sich schwankend aus der Hocke in den Stand drückte. "Langsssam und konsssenriead!", lallte er und eierte in schlurfenden Schritten vorwärts. Er fuchtelte mit beiden Armen und glich sein Wanken obendrein mit der Hüfte aus.


    "Wenn das jetzt Alarm gewesen wäre!", schimpfte Scato und riss sich vor Wut zwei Haarbüschel aus, weil er wegen dem Suffkopf der Letzte war.


    "Bllleib ruhich", empfahl Stilo, während er stehen blieb und mit den Armen ruderte. "Essssisss nnnur `ne Übung!"


    "Aber es hätte auch Ernst sein können!" Scato hopste auf den Balken und drängelte von hinten, wobei er absichtlich mit dem Balken wackelte, damit Stilo herunterfiel und platz machte, doch dessen Caligae schienen trotz seines Wankens festzukleben. Nach einer Ewigkeit sprang Stilo vom Ende des Balkens und klatschte in den Dreck. Scato sprang neben ihn und zog ihn wieder hoch. "Mach jetzt!", quiekte er. Den Gedanken, Stilo zu überholen, verwarf er, weil er sich inzwischen sicher war, dass der Kamerad das Ende des Parcours nicht erreichen würde und keinesfalls durften sie jemanden zurücklassen.


    Es folgte die wackelige Simulation einer Furt. Bretter und Kisten standen hier auf Steinen oder Töpfen, so dass sie hin und her kippten, wenn man sich darauf stellte, wie es auch bei Steinen bei einer Flussüberquerung geschehen konnte. Scato stöhnte gequält. Stilo würde sich hier die Beine brechen. Der war klug genug, einfach zwischen den Hindernissen hindurchzutorkeln, während Scato von Brett zu Brett hopste. Nach diversen weiteren Hindernissen kam ein Wall des Todes. Unglücklich schaute Scato die riesige Mauer hinauf. Allein kam niemand dort drüber, dafür brauchte es mindestens zwei Mann, besser mehr. Schon für nüchterne Leute verhieß dieser Wall Unheil und Verderben und Scato hatte Stilo an der Hacke.


    "Lehn dich da mit den Händen an die Wand", kommandierte er und verfrachtete ihn in eine passende Position. "Das tut jetzt weh, aber du bist selber Schuld!" Stilo musste sich als Treppe benutzen lassen, Scato latschte an ihm hoch, was mit den genagelten Sohlen der Caligae nicht gerade angenehm sein würde, doch Stilo sagte nichts. Kaum saß Scato auf der Mauer, sackte Stilo zusammen. Wunderbar.


    Scato nahm rittlings Platz auf der Mauer und drehte sich zu den anderen, die da schon saßen. "Mann am Boden", meldete er korrekt, obwohl es alle gesehen hatten. Von der Sache her fand er das gar nicht so übel, denn so konnten sie üben, einen Verletzten durch schwieriges Gelände abzutransportieren, sofern der Optio nicht entschied, die Übung abzubrechen.

  • Gerade eben als der Optio der Centurie ein Hindernis überspringen wollte kam die Meldung von Scato. Abgelenkt durch diese blieb Appius mit dem Fuß am Hindernis hängen und purzelte wie ein Anfänger über dieses.
    Die Flüche die nun zu hören waren waren in keinster Weise Jugendfrei doch im Dialekt, wie er in Noricum gebräuchlich war, kaum zu verstehen.


    Appius rappelte sich hoch, klopfte den Staub von seiner Tunika und betrachtete kurz die Schürfwunde an seinem Bein. Nicht der Rede Wert dachte er sich und ging ohne hast zurück.
    Ramnus schnaufte vorbei und wäre ebenfalls fast gestürzt weil er den Kopf nach hinten drehte um zu sehen was da los war.


    " Weitermachen. Nicht stehen bleiben." wurde er von Appius angeschnauzt.


    " Soooo. Was gibts da tolles?" erkundigte sich Appius und betrachtete den am Boden liegenden Miles.


    " Na. Was verloren? Oder zu müde um weiter zu machen?" dabei stubste er Stilo mit dem Fuß an.
    " Scato. Meldung, bitte."
    Seelenruhig stand Appius weiter neben dem Miles und wartete gespannt was Scato ihm nun erzählen würde.

  • Stilo hob das Gesicht aus dem Dreck. Mit roten, verquollenen Augen glubschte er nach oben. Als er den Optio erkannte, versuchte er, sich wieder auf die Beine zu stemmen. Er schaffte eine halbwegs sitzende Position, indem er an der Mauer lehnte. "Bissschen müde", lallte er.


    Scato ließ sich von der Kante baumeln und dann fallen. In einer Mischung aus Wut und Scham schaute er auf den Trunkenbold hinab. Jetzt musste er auch noch einen Kameraden anschwärzen. Er ging neben ihm in die Hocke und prüfte sein Bewusstsein, indem er ihn aufforderte, ihm in die Augen zu schauen. Stilo schaffte es mit schiefem Blick. "Wie heißt du? Kannst du sagen, wo du hier bist?"


    "Mil...miles Iullusss ... Tilliusssssstilo", brachte der Patient mühsam, aber korrekt hervor. "Dritte Ssssenturie, Cohorsss XII urbana. Aufffm ... Egsersierplads."


    "Jahr?"


    "870 ab urbe condita."


    Immerhin. Scato fiel keine Möglichkeit ein, Stilos Hintern zu retten und wenn er ehrlich war, wollte er das auch gar nicht. Der Blödmann hätte sie alle aufgehalten und gefährdet, wenn die Übung keine Übung gewesen wäre, sondern blutiger Ernst. Er hob einen Zeigefinger, dem Stilo mit den Augen folgen sollte, aber das bekam er nicht hin. Seine Augen fielen wieder zu, der Kopf sank an die Wand. So stand Scato auf und machte Meldung.


    "Der Patient ist ansprechbar und räumlich und zeitlich orientiert. Das Bewusstsein ist teilweise getrübt, die Aussprache verwaschen, der Gleichgewichtssinn augenscheinlich gestört. Eine Alkoholintoxikation, den Symptomen und dem Geruch nach zu urteilen", meldte Scato. "Da hilft nur in Seitenlage packen, warmhalten und ausnüchtern lassen, außerdem sehr viel Wasser und Sauerkrautsaft."


    Mit Ausnüchtern kannte er sich ja aus.

  • " Und besoffen. Um deine Diagnose fachlicher zu gestalten."


    " Miles Stilo. Aufstehen. Zurück auf Anfang. Du gehst nicht über los."
    Appius streckte seinen Arm aus und zog den restalkoholisiterten Mann hoch.


    " Und das im Laufschritt. Und alle anderen das gleiche in hellblau. Zurück auf Anfang. Ihr habt nun die ehrenvolle Aufgabe dem Kameraden zu helfen den Parcours zu meistern. Wie ihr das anstellt ist mir egal."


    " Und wenn ihr durch seid schaffst du, Scato, den Mann auf die Krankenstation und stellst ihn wieder her. Wer saufen kann kann auch Dienst machen. Und das wird er heute noch ganz sicher."


    Stilo sollte nicht glauben nun bedauert zu werden und sich vllt beim Latrinenoutzen ausruhen zu können. Im Gegenteil er wurde heute normalen Dienst machen. Die Wache auf der Mauer ist da ein guter Platz.

  • Lurco ließ sich von der Mauer rutschen, griff Stilo hinten in den Kragen und zerrte ihn auf die Beine, ehe er ihn unterhakte und mit ihm zurück zum Anfang lief.


    "Reiß Dich jetzt zusammen, ehe wir hier den Rest der Nacht und den ganzen Tag auf dem Platz verbringen können. Konntest Du Dich nicht wenigstens vernünftig ausnüchtern? Scheiße Stilo echt, wenn Rammy den Parkour noch dreimal laufen musst, weiß Du wo Du landest. Frag mal Tarpa, der bekommt Dich auch ohne Garum runter. Los jetzt", raunte Lurco ihm zu und schliff den Kameraden mehr mit, als dieser selbst lief.


    Gemeinsam mit Stilo ging Lurco zurück zur Anfangsposition.


    "Bereit oder nicht, los gehts. Es geht hier um die Ärsche von uns allen. Also mach Deinem Namen mal alle Ehre", verlangte Lurco und rannte mit Stilo los, der torkelnd Schritt halten musste, im eisernen Griff von Lurco.

  • " So, ihr Möchtegern Milites. Wer kann mir sagen warum ihr hier seid? Und ich meine nicht diesen Moment. Denn daran bin ich schuld. Nur wenn ich mir euch so ansehe nehme ich gern Schild auf mich.
    Und zwar die Schuld aus Kindern, Mädchen und Hirten ordentliche Mitglieder der Cohortii Urbanae zu machen."


    Selbst hatte er sich in die Schlange eingegliedert und begann selbst mit dem Parcours.


    " Fehlt euch der Atem weil ich keine Antwort bekomme" brüllte er einen der Milites von hinten an.

  • Lurco ließ Stilo nicht los und trieb ihn weiter.


    "Um uns zur Einsatzfähigkeit zu drillen Optio. Wir waren zu festgefahren in unserem Alltag, aber wir müssen jederzeit einsatzbereit sein. Wir sind bequem geworden. Heute hat es mitten im Ausnüchtern Stilo erwischt. An jedem anderen Tag hätte es jeder andere von uns sein können, aber nicht dürfen", antwortete Lurco über sich selbst zerknirscht.


    Den Arschtritt heraus aus ihrer Bequemlichkeit hatten sie sich redlich von Cerretanus verdient.

  • Scato schaute geknickt, als Cerretanus seine in bester Strebermanier vorgetragene Anamnese auf den Kern der Sache herunterbrach: Stilo war besoffen. Asper, der in der Nähe stand, presste die Lippen zusammen, um nicht lachen zu müssen. Der betrunkene Kamerad gab sich indes alle Mühe, so viel wie möglich selbst vorwärts zu kommen, aber ohne Hilfe die Hilfe von Lurco, der ihn an der Tunika mitzerrte, hätte er es nicht geschafft. Dass er heute in diesem Zustand Dienst schieben musste, war nicht einmal eine Strafe, sondern pure Gerechtigkeit. Dass heute kein freier Tag war, hatte Stilo schließlich schon gestern Abend gewusst, als er sich hatte volllaufen lassen. Beim Klettern fragte Scato sich, ob Cerretanus ihn nun eigentlich in die Rubrik Kind, Mädchen oder Hirte steckte. Seine Gedanken wurden unterbrochen, als Lurco auf die Frage des Optios eine Antwort gab, die genau so streberhaft war wie seine eigene zuvor, nur mit weniger Fachbegriffen gespickt.


    "Wir sind hier, weil wir es wollen", rief Scato seine eigene Antwort, während er erneut über den Balken balancierte. "Wir sind hier für Rom und den Kaiser!"


    Und um einen ehrenhaften Grund vorschieben konnte, nicht heiraten zu müssen, aber das sprach er besser nicht aus. Im Stillen war er der Überzeugung, dass er nicht der Einzige sein konnte, der so dachte.


    Scato ließ Ramnus vor dem nächsten Hindernis mit einer einladenden Geste überholen. Nicht, weil er so freundlich war, sondern weil Ramnus nun genau hinter Stilo war. Allein, wenn Ramnus einen Schritt näher stand, als angemessen wäre, bekamen die meisten die Flatter. Als Stilo sich klein machen wollte, um durch den Tunnel zu kriechen, merkte er, dass etwas nicht stimmte. In dem Moment, als er sich umdrehte, tat Ramnus gerade so, als würde er sich mit dem kleinen Finger etwas aus den Zähnen pulen. Die Geste verfehlte ihre Wirkung nicht - Stilo flutschte direkt hinter Lurco blitzschnell in den Tunnel.


    "Ich hasse Tunnel", maulte Ramnus und kroch hinterher. Wie beim letzten Mal musste er das Hindernis mit dem Rücken anheben, um überhaupt hineinzupassen. Während er beim Robben schnaufte und grollte, dass es von den engen Wänden wiederhallte, musste Stilo Todesangst ausstehen.

  • Lurco hatte ganz schön mit Stilo zu kämpfen, nicht weil dieser sich wehrte, sondern weil er sich anfühlte wie ein nasser Sack, den er über den Übungsplatz hieven musste. Die Antwort von Scato hatte ihre Berechtigung, sie waren alle freiwillig hier, nur an der Tages- beziehungsweise Nachtzeit hätte er etwas gefeilt. Trotzdem hatte Ceretanus Recht, genauso wie Scato. Sie mussten Tag und Nacht fit sein.


    Hinter sich hörte Lurco Rammy anwalzen und Stilo bekam auf einmal Beine. Direkt vor dem Tunnel ging er zu Boden und flog regelrecht durch das Hindernis. Lurco drehte sich breit grinsend zu Rammy um und klopfte ihm auf die Schulter.


    "Mach Dir keine Sorgen Rammy, ich kann Dein Ungehagen verstehen. Bei Deiner Statur kannst Du ganz leicht im Tunnel festklemmen, da nützen Dir dann Deine Bärenkräfte auch nichts. Stilo kann das nicht nachvollziehen, an ihm ist ja kaum was dran", versuchte Lurco seinen Kumpel die Angst vor dem Tunnel zu nehmen.


    Lurco wartete ab, bis Ramnus den Tunnel passierte hatte, um ihn in der Enge nicht zu bedrängen. Nicht das der Hüne noch Panik bekam. Als Rammy den Tunnel passiert hatte, robbte Lurco direkt hinterher.


    "Gut gemacht Ihr beiden", feuerte er Stilo und Ramnus an.

  • Als die ersten Strahlen der Sonne über die Krümmung der Erde flossen hatten alle den Parcours bewältigt. Selbst die Alkoholleiche von Stilo, nur durch Hilfe Lurcos, erreichte das Ziel.


    Dass Lurco nicht passend geantwortet hatte, dieser hatte genau jenes geantwortet was Appius überhaupt nicht hören wollte, ließ der Furier ohne Beachtung. Lurco hatte dies durch seine Unterstützung für Stilo gut gemacht.


    " Milites. Aufgepasst. Als kleiner Hinweis möchte ich euch stecken dass sich dies immer wieder wiederholen könnte. An jedem Tag zu jeder Zeit. Ihr werdet wohl selber wissen was ich euch nun sagen möchte."
    Appius machte eine kurze Pause und betrachtete den Horizont über dem sich bereits ein kleines Segment der Sonne blicken ließ.


    " Für jetzt ist Mal Schluss. Macht euch frisch. Putzt eure Sachen. Und jene die Dienst haben sollen sich darauf vorbereiten bzw noch ein Auge zu machen bis es soweit ist."


    Sein Blick blieb dabei auf Stilo liegen. Soweit appius den Dienstplan im Kopf hatte musste der Miles gegen die Mittagszeit auf die Mauer. Was der mit der Zeit nun anzufangen pflegte war dem Furier egal sofern er immer noch nicht in der Lage war aufrecht zu stehen.


    " Vale, Milites." Appius salutierte zum Abschluss als Zeichen dass die Männer abtreten könnten.

  • Scato antwortete gemeinsam mit seinen Kameraden mit dem militärischen Gruß, dann verließen sie in geordneter Formation den Exerzierplatz. Die Übung hatte Spaß gemacht, bis auf den blöden Suffkopp, wegen dem sie bis zum Erbrechen dem Parcours hatten folgen müssen. Ramnus würde voller blauer Flecke sein dank des Tunnels, den er wegen Stilo hundert Mal hatte passieren müssen. Scato blinzelte gegen die aufgehende Sonne. Sie hatten tatsächlich die ganze Nacht auf dem Exerzierplatz verbracht. Er schaute nach den anderen, die alle fürchterliche Augenringe hatten und zehn Jahre älter wirkten als sonst. Für die meisten würde das Frischmachen aus einer lieblosen Katzenwäsche bestehen, um möglichst wenig der verbliebenen Schlafenszeit zu verschwenden.


    Nur Scato musste vorher noch Stilo zum Valetudinarium bringen, auch wenn er sich die Antwort der Leute dort denken konnte - viel Wasser uns Sauerkrautsaft trinken, hinlegen und ausnüchtern lassen. Eimer bereitstellen. Das Warmhalten erübrigte sich mit aufsteigender Sonne, der Tag würde wieder brütend heiß werden. Scato zwinkerte Lurco an einer Weggabelung freundlich zu, packte Stilo, der sich klammheimlich ins Bett verdrücken wollte, am Gürtel und brachte ihn zum Valetudinarium, bevor er selbst ins Wasser hopsen und dann ins Bett klettern würde.


    Valetudinarium - Der Suffkopp >>

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