Vale, Vale Roma! - Wir sind dann mal weg, der Sonne entgegen!

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    Auch ich hatte natürlich alles Wichtige dabei. Angefangen von einigen Schriftstücken, meiner Post, die zum Glück noch rechtzeitig in die Casa Decima gefunden hatte. Ich würde ja ein wenig Zeit haben um zu schreiben, worauf ich mich eigentlich auch freute. Auch das Abenteuer, das ja bereits schon hier in Rom begann, denn man hörte aus den Tiefen der Stadt schon das Geschrei der Fuhrleute, die sich nun eilen musste, um vor dem – sich mehr und mehr erhebenden Licht des Tages – wieder aus der Stadt heraus zu kommen, was eigentlich auch nie so recht einfach war. Durch einigen Trubel nächtlich verstopfter Straßen hindurch und vorbei an einer handfesten Rauferei zweier Karrenfahrer, erreichten wir schließlich ruhigeres Gebiet bei Forum Romanum, wo mir der Nasir seinen Handelsposten als ansässig erklärt hatte. Doch es stellte sich dann heraus, dass dies nur ein recht repräsentativ anmutender Ort war, der nur über einen einzigen mittelgroßen Empfangsraum verfügte und wir musste noch ein Stück weiter zum Forum Boarium, wo wir dann schon den Sin-Nasir auf und ablaufend vor einem einzigen Ochsen- Karren auch recht schnell erblickten.
    Als er uns auch erspähte, schien er sichtbar erleichtert und stieß einen mir unverständlichen Fluch aus, ehe er dann doch wieder grinste. Dann stand er auch schon vor uns und schaute mich an.


    [Blockierte Grafik: https://abload.de/img/sin-nasir5ujdk.gif| Sin-Nasir


    “Sin-Nasir dachte schon, du hast die Zeit vergessen!“ Unter diesen Worten deutete er in den Himmel, der sich langsam aber stetig erhellte. “Unsere Wagen warten schon vor dem Tor. Nur wenige Augenblicke später und auch dieser hier wäre schon unterwegs. Aber der Nasir wusste, dass du kommen würdest!“, strahlte er dann, patsche mir auf der Schulter herum und schaute dann meine Sklaven an. Muckel kannte er ja schon, umso mehr war nun Grian an der Reihe. “Sie ist wirklich sehr, sehr hübsch….,“ entkam es ihm schon nach einem tiefen Atemzug, doch ich kannte ihn ja gut genug, um zu wissen, wo diese verbale Reise hingehen würde.


    “Und absolut unverkäuflich!“, stellte ich auch sogleich klar und schob Grian an der Schulter schon einmal Richtung Wagen. “Am besten machen wir uns gleich auf den Weg! Die Stadt ist voll!“
    Ich bedeutete dann den verblieben decimischen Sklaven, die Truhen aufzuladen und auch Muckel gab ich ein Zeichen, sich nun ins Gefährt zu begeben. Dies jedoch nicht ohne mich zuvor bei den vier Sklaven zu bedanken und ihnen das Beste für die Gesundheit der nächsten Wochen, Monate oder – da musste ich schlucken – Jahre - zu wünschen.
    “Du hast recht, also eilen wir uns nun,“ erklärte nun auch der Sin-Nasir und acuh er erkletterte auf das Fuhrwerk, neben den Fahrer, der sich zu uns umschaute, als wir auf der überdachten Ladefläche zwischen den Truhen Platz genommen hatten. Ein wirklich solider Mensch mit halben Kahlschlag auf dem Kopf und einigen faulen Zähnen, aus deren Lebensraum der Geruch von Knoblauch mit dem Luftzug des Morgens zu mir hinüber wehte. Ich lächelte höflich und nickte ihm zu, dann schob ich Grian ein wenig von mir, die ob der Enge zu dicht an meinem lädierten Bein kauern musste. Mit einem Ruck zog das Gespann dann an und der Wagen rumpelte über das Pflaster gen Stadttor.
    “Vor dem Tor hat Sin-Nasir einen besseren Wagen für dich!“, erklärte der Händler. “Und ein gutes Morgenmahl ist auch vorbereitet. Wir lieben unsere Reisegäste!“
    Ich lauschte überrascht auf. Das hörte ich doch gern. “Wie freundlich, besten Dank!“, entfuhr es mir noch immer überrascht.
    Der Nasir nickte. “Für nur 4 Sesterzen könnt ihr euch alle drei sattessen!“


    Ich runzelte die Stirn und schaute meine Sklaven an. Muckel schob die Unterlippe vor und wirkte ebenso erstaunt wie ich. Dann sah ich Grian an, lächelte ihr aber tapfer zu. “Ein Morgenmahl. Wie schön!“, lobte ich dann dieses Geschick. Diese Reise würde nicht nur beschwerlich werden, sondern auch sehr teuer, wie mir nun bewusst wurde. Dann neigte ich mich leicht zum Ohr meiner Sklavin hin. Weit war der Weg nicht, hockten wir doch dicht wie Sardinen in einem sehr kleinen Metalltopf. “Wir werden auf den Märken, die wir passieren günstiger einkaufen und dann wirst du für uns kochen!, stellte ich ihr in Aussicht, so dass es der Nasir wohl kaum hören würde.

  • Bis zum Forum Romanum war es ein ganzes Stück gewesen. Ich hoffte nur, dass wir unsere Reise doch mehr in Wägen oder auf Schiffen verbringen würden. Als wir dann endlich dort waren, stellte sich heraus, dass unser Weg doch noch länger war, als erwartet. Auf dem Forum Boarium trafen wir dann endlich auf diesen Sin Nasir.


    War das etwa eine Ochsenkarre? Na toll, wenn wir damit reisen wollten, dann gute Nacht schöne Welt! Aber es war nicht nur der Karren, der mich irritierte. Es war auch Nasir selbst. Von Anfang an beäugte ich den Kerl argwöhnisch. Erst recht als ich in sein Wahrnehmungsfeld tauchte und er mich mit einem sehr interessierten Blick begutachtete. Schon wieder war da dieses mulmige Gefühl. Vorsichtshalber hielt ich mich dicht bei meinem Dominus. Nicht dass der Kerl noch auf dumme Gedanken kam! Doch Dominus Casca stellte gleich klar, dass er mich nicht haben konnte. Dann schob er mich zu der Karre und ich stieg auf. Gleich sollte es also losgehen- auf einem Ochsenkarren.


    Der Händler beschwichtigte und um versprach, das vor den Toren der Stadt ein ordentlicher Reisewagen auf uns wartete. Und nicht nur das! Ein Morgenmahl sollte uns dort erwarten. Bei dem Gedanken knurrte mein Magen noch heftiger. Ich hatte solchen Hunger und wäre auch mit einem Schälchen Puls zufrieden gewesen.
    Natürlich war das angekündigte Morgenmahl nicht umsonst. 4 Sesterzen sollte der Spaß kosten. Na hoffentlich bestand es aus mehr als einem Schälchen Puls! Dominus Casca jedoch schien sich bereits darauf zu freuen. Ich lächelte ihm verheißungsvoll zu. Als er sich mir dann aber näherte, um mir etwas ins Ohr zu flüstern, verschluckte ich mich erst einmal, obwohl ich doch noch gar nichts gegessen hatte. Ich sollte kochen? Ich konnte gar nicht kochen! Dominus Casca war überaus mutig! „Ähä“, sagte ich und nickte vorsichtig. Mehr wollte ich im Augenblick nicht dazu sagen.

  • Durch das Rumpeln und Holpern des Wagens fühlte ich mich nun doch ein wenig durchgeschüttelt und ein oder zweimal rutschte ich durch einen Schlaglochstoß sogar beinahe meiner Grian zu nahe, doch konnte ich mich immer wieder ein wenig abstüzten. Ein Blick verriet mir, dass Muckel noch immer so verträumt grinste und wohl in den Erlebnissen der Nacht gefangen war, während meine Sklavin nicht sonderlich begeistert über meinen kostensparenden und somit brillianten Vorschlag war. Ich sah also nun sie an und runzelte fragend die Stirn. Aber sicherlich war sie nur verunsichert.
    “Das wird wunderbar!“, stellte ich ihr also in Aussicht. “Ich werde auch sehen, dass wir etwas Fleisch bekommen...“ Allein die Vorstellung ließ mir schon das Wasser im Munde zusammen rinnen. “Aber nicht dieses versalzene. Richtig Gutes! Das kannst du dann über einem kleinen Feuer braten. Bestimmt findet sich auch gutes Kochgeschirr und ein die Gewürze leigen ja direkt auf der Straße für uns!“, schwärmte ich ein wenig vor mich hin, wobei ich ihre Skepsis gar nicht auf die schwere Schulter nahm. Denn für mich lag es eben an der allgemeinen Verunsicherung dieses Morgens, dass sie so wenig begeistert schien. Immerhin hatte sie ja völlgi unvorbereitet der Sicherheit der decimischen Casa entrissen.


    [Blockierte Grafik: https://abload.de/img/sin-nasir5ujdk.gif| Sin-Nasir


    “Für einen guten Preis organisiere ich dir eine richtig gute Coqua!“, meldete sich der Nasir nun neben dem Fahrer zu Wort und drehte sich grinsend zu uns herum. “Zum kochen und auch mehr… wenn das deine Wünsche sind!“
    Ich sah den Orientalen verwundert an. Offenbar waren ihm meine Worte nicht entgangen und ich würde wohl in Zukunft deutlich vorsichtiger flüstern müssen. “Das wird nicht nötig sein!“ stellte ich schnell klar. “Meine Grian ist eine hervorragende Köchin!“ Zwar hatte ich bisher keine Bewiese dafür sammeln können, doch meine Hoffnung war groß, bei dieser Aussage auf das richtige Pferd zu setzen. Also grinste ich nun voller Besitzerstolz meiner Grian entgegen und nickte ihr zu, ehe ich mich wieder an den Nasir wandte.
    “Und sie versteht sich noch auf so viel mehr…. Das Massieren zum Beispiel!…,“ fuhr ich fort, während der Karren warum auch immer kurz stockte und dann aber sogleich wieder anzog, sodass ich einmal mehr gegen meine Grian rutschte und mich an ihrem Knie abstützte, um mich sogleich wieder aufzurichten.
    “Oh...Massage..ja...“, war es nun an dem Nasir verzückt zu wiederholen. “Eine hervorragende Fähigkeit!“ Danach grinste er etwas hintergründig, was mir sicherlich nicht entging.
    “Sicher! Meine Glieder waren nach ihren Künsten stets wie neu!“, bestätigte ich also Grians Können und hob neuerlich stolz mein Haupt, ehe mir einfiel, dass der Nasir vielleicht doch etwas ganz anderes imaginierte als ich.
    “Für einige Sesterzen könnte ich da…, begann er auch sogleich, aber ich winkte dann schnell ab.
    “Ja, ja… aber ich denke, meine Sklavin wird das alles sehr trefflich meistern...“ Dann räusperte ich mich und tätschelte Grian ihr Knie in einer recht lässig wirken-sollenden Geste. “Nicht wahr, Grian!?“ wollte ich dann nach Unterstützung heischend von ihr wissen. Hoffentlich entkam ihr nun nichts Falsches, denn blamieren wollte ich mich keineswegs. Offenbar war nun auch mein Muckel wieder geistig unter uns, denn er schaute zunächst mich und dann Grian ebenso fragend an.

  • Auf diesem Karren wurden wir ordentlich durchgerüttelt. Beinahe wäre Dominus Casca sogar über mich hergefallen. Natürlich nur, weil der Karren treffsicher so ziemlich jedes Schlagloch mitnahm, das der Fuhrmann auf der Straße entdecken konnte.
    Der Dominus war ja sehr optimistisch, was meine Kochkünste betraf. Allerdings nur, weil er noch nie etwas gekostet hatte, was ich gekocht hatte. Nun wollte er sogar Fleisch kaufen! An und für sich wäre das wirklich toll gewesen, denn Fleisch gab es nicht alle Tage. Doch wenn ich es zubereiten sollte, dann war es eher eine Zumutung. Im Grunde hätte er die Sesterzen auch gleich in den Tiber werfen können!


    „Dominus, ich äh…“ Ja, ich war wirklich drauf und dran gewesen, ihm zu beichten, dass ich gar nicht kochen konnte. Allerdings verlor ich den Mut, nachdem Nasir meinem Dominus eine Coqua aufschwätzen wollte. Dieser Kerl mit dem albernen Hut und dem Schnurrbart war mir noch immer suspekt. Auch wenn Dominus Casca mir versichert hatte, er würde mich nie und nimmer an ihn verkaufen wollen. Nein, Dominus Casca sprach nun auch noch in großen Lobeshymnen über meine vortreffliche Kochkunst und dass ich ja auch noch über jede Menge anderer Vorzüge verfügte, wie zum Beispiel das Massieren. Als er das sagte, lief ich sofort rot an, denn ich konnte mich noch sehr gut daran erinnern, wie ich damals in seinem Cubiculum saß und er von mir massiert werden wollte. Da er im gleichen Moment dann auch noch meine Knie mit seiner Hand berührte und er davon sprach, dass seine Glieder sich danach immer wie neu anfühlten, wäre ich am liebsten im Erdboden versunken. Nasir grinste dann auch noch so anzüglich. Entweder hatte er es nun kapiert, dass Dominus Casca absolut glücklich mit mir war, oder er bohrte nun erst recht weiter, weil er in mir qualifiziertes Lupanarpersonal sah, dass man gewinnbringend weiterverscherbeln konnte.
    Doch mein Dominus wehrte ihn wie eine lästige Latrinenfliege ab und blieb weiterhin optimistisch. Diesmal tätschelte er sogar mein Knie und diesmal spielte ich sein Spiel mit!
    „Aber natürlich, Dominus“, hauchte ich mit einer leicht lasziv anmutenden Stimme und schmiegte sich an ihn. „Nepomuk und ich werden auf der Reise dafür sorgen, dass es dir an nichts fehlt, Dominus. An gar nichts!“ Als ich den letzten Satz ausgesprochen hatte, warf ich dem Sklavenhändler einen aufreizenden Blick zu.

  • Natürlich bekam zunächst einmal von den Bedenken meiner Sklavin nicht wirklich etwas mit, denn hier ging es ja um ein Gespräch mit dem Manne, der uns sicher nach Athen bringen würde. Auch wenn mich der ein oder andere Zweifel nun heimsuchte. Die Kostenfrage ja zum Beispiel. Der Nasir hatte uns die ganze Zeit über aufmerksam angesehen und Belustigung funkelte dabei in seinen Äuglein. Vor allem, als ich auf die Massagekünste meiner Sklavin zu sprechen gekommen war. Grian kleinen Einwurf wischte ich mit der Hand hinfort. Nämlich mit jener am ihren Knie, welche ich ja nunmehr doch recht andächtig tätschelte, als diese so ungewohnt anschmiegsam wurde. Als ich dazu auch gleich in der Nähe meines Ohres ihre Stimme vernahm, blitzte in mir zunächst aber einmal die Verwunderung empor und ich sah Grian flüchtig und vielleicht auch ein wenig irritiert entgegen, als sie ihr ‘Aber natürlich, Dominius‘ erklingen ließ.
    “Ahm...oh...ja...aber ja!“, entkam es mir prompt als Antwort auf diese ungewöhnlichen Töne von ihr.
    Sogar Muckel blickte etwas alarmiert drein, als ich nun auch ihm entgegen schaute. Er hatte sich ein wenig aufgerichtet und eine Augenbraue empor gezogen und wenn ich ihn nicht schon so lange kennen würde, wäre mir doch glatt der Funken Eifersucht – wie ich wähnte – in seinem Gesicht entgangen. Ja, wenn nicht sogar eine gewisse Empörung. Diese konnte aber vielleicht auch den ungünstigen Umständen in diesem Karren liegen, da war ich mir nicht so sicher. Nachfragen würde ich allerdings auch nicht, denn nun schnurrte Grian schon weiter, was sie auf der Reise zu tun gedachte und mir gingen die Augen auf – sehr weit, als ich sie jetzt wieder anstarrte. Das Herz wohl ebenso, denn diese Fürsorge war ich nicht gewohnt. Weder von ihr noch von meinem Muckel, den sie ja mit eingeschlossen hatte in ihre Pläne.
    “Das wäre wundervoll!“, schnurrte ich wohl gleichmaßen mit dem leicht lasziven Schmelz in der Stimme zurück. Weil ich gar nicht anders konnte und weil ich gerührt und entzückt gleichermaßen war.
    “Das tue ICH sowieso schon immer!“, gab Muckel nun empört von sich und starrte Grian an. Nicht ohne einen Vorwurf.
    “Aber, aber, meine Liee...“, wollte ich den hoffentlich nicht sogleich aufkommenden Streit von Muckels Seite aus gleich unterbinden, als es nun der Nasir war, der sich wieder zu Wort meldete.
    “Du scheinst also ein reicher Mann zu sein. Reich an Aufmerksamkeit und Wohlstand!“, meinte er, mit einem mir zu sehr nachdenklichen Anhauch.
    “Ach was!“, entgegnete ich und winkte ab. “Ich habe lediglich ein wenig Glück im allergrößten Pech!“ Daraufhin seufzte ich und legte nun sogar meinen Arm um Grian. Im ersten Moment geschah dies unbewusst, doch dann kam es mir ins Bewusstsein, wo dieser nun war und ich empfand es als gar nicht so schlimm. Deshalb lächelte ich Grian noch einmal gerührt an und auch ebenso hoffnungsvoll.
    “Es ist mir einen Freude, dass du meine Reise so bereichern willst!“, raunte ich ihr dann entgegen. “Und dass, obwohl ich dich so vernachlässigt hatte...“
    Mehr jedoch behielt ich erst einmal für mich. Ein kleiner Blick unter dem Dachgestelle mit Plane des Wagens hervor verriet mir, dass wir auf das Stadttor Roms zuhielten und das der Silberstreifen der aufgehenden Sonne immer mehr Raum für sich forderte. Dazu fiel mir auch gleich eine Geschichte zu den Kämpfen und den Leben der Götter des fernen Ägyptens ein, die ich jedoch erst einmal für mich behielt. Die Reise würde noch jede Zeit bieten, sie meinen Sklaven zu erzählen. Also seufzte ich nur und lehnte mich wieder – dieses Mal mit voller Absicht – sanft gegen Grian und ignorierte Muckels finstere Blicke und das Schmatzen des Nasirs, der vollmundig eine Zwiebel zu kauen begann, in welche er hinein gebissen hatte. Seine Blicke ignorierte ich ebenfalls. Irgendwie war ich froh, Vetter Serapio einen Brief hinterlassen zu haben, der den Namen und Standort des Nasirs enthielt. Besser sich schrieb ihm ab sofort sehr regelmäßig, wo wir uns gerade befanden.

  • Völlig unabsichtlich hatte ich anscheinend jetzt auch noch Muckel gegen mich aufgebracht. Er war doch nicht etwa eifersüchtig auf mich? Oh doch, das war er und ich musste mich echt zusammenreißen, nicht irgendetwas dazu zu sagen! Allerdings hörte ja auch immer noch der Nasir mit. Doch der Sklavenhändler hatte jetzt endlich kapiert, dass wir beide nicht verkäuflich waren und dass Dominus Casca keine weiteren Sklaven für Aufgaben benötigte, die wir auch locker erledigen konnten. Was ich jedoch nicht mit einkalkuliert hatte, war die Tatsache, dass mein Dominus meine Aussage für bare Münze nehmen würde. Denn inzwischen hatte er seinen Arm um mich gelegt, lächelte und sah mich dabei so an.


    Mein erster Gedanke war, sich gegen so viel Nähe wehren zu müssen. Doch dann ruderte ich schnell wieder zurück, denn sonst würde der Nasir ja wieder misstrauisch werden. Also warf ich alle meine Bedenken über Bord und sagte mir einfach, dass Dominus Casca doch ein ganz attraktiver Kerl war. Und um mal ganz zu sein, ich war in meinem früheren Leben schon mehr als einmal dazu gezwungen worden, mich von hässlicheren Typen begrapschen zu lassen.


    Das Gesäusels, das er mir zuraunte, quittiere ich mit einem Lächeln. „Du hattest ja so viel zu tun, Dominus!“, entgegnete ich ihm untertänig. Im Prinzip war das doch eine tolle Zeit gewesen! An manchen Tagen hatte es nicht viel zu tun gegeben, so dass ich auch mal fünf grade sein lassen konnte. Aber von nun an würde ein anderer Wind herrschen, wie mir schien. Angefangen mit der Androhung, kochen zu müssen. Und wenn das hier so weiterging, dann würden meine Aufgaben auch noch um ein Vielfaches erweitert werden, zum Beispiel als Bettwärmerin.


    Ja, Dominus Casca ging echt ran und ließ dabei auch nichts aus! Inzwischen lehnte er sich an mich. Ich hoffte nur, dass wir bald am Stadttor waren, damit wir von diesem dämlichen Ochsenkarren herunterkamen. Doch ausgerechnet jetzt musste der Karren durch ein extragroßes Schlagloch fahren, so dass ich regelrecht auf ihn geschleudert wurde, weil ich damit nicht überhaupt nicht gerechnet hatte. Wie musste das nun nur auf Muckel gewirkt haben? Ganz zu schweigen von dem Nasir. Ich konnte mich gerade noch an Dominus Cascas Schultern festkrallen und sah ihm in diesem Moment in die Augen...
    Braun, sie waren braun... seine Augen. Das war mir vorher gar nicht aufgefallen. Ich hatte aber auch nicht direkt darauf geachtet. So nah war ich ihm noch nie gewesen.
    Als dann der Ochsenkarren mit einem Ruck zum stehen kam, weil wir das Stadttor erreicht hatten, kam ich ihm dann noch näher!

  • Während ich noch fassunglos im neuen Glück – welches ja eigentlich auch schon längst ein Altes hätte sein können – sah ich noch einmal zu dem Nasir, der sich nun auf die Ankunft am Stadttor vorbereitete, welche und auf die Via Appia führen würde. Dazu straffte er sich ein wenig, als würde er noch eine Diskussion mit den Wachen erwarten. Ob dem so war, konnte ich natürlich nur mutmaßen und es ging mich als Fahrgast auch recht wenig an, was er denn dort argumentatoirsch zu schaffen hatte. Diese untänige Note, die meine Sklaven mir entgegen brachte, reichte mir aus, um mich auf völlig andere Gedanken zu bringen. Nicht an die Gefahren der Reise zu denken, deren Kosten und deren Ziel. Auch nicht, was ich durch sie verlor war mir gerade wichtig. Ich seufzte tief und zufrieden, lächelte Grian entgegen, während diese gerade mein Gesicht erforschte und dachte – ob meines spontan knurrenden Magens – wieder an das Morgenmahl, welches ab morgen Grian mir bereiten würde. Was bis dahin geschehen würde, stand noch in den nunmehr schwindenen Sternen, die dem Sonnenlicht wichen. Meine Hand hatte ich noch immer nicht von diesem reizenden Knie gelöst und erst als Muckel sich räusperte schien ich überhaupt erst wieder so recht zu mir zu kommen.
    “Ich finde das wirklich nicht fair!“, stellte mein Nepomuk nun in den Raum, wobei er die Arme vor der Brust verschränkte. “Ich mach‘ und tu‘ und kriege nicht ein gutes Wort!“, beschwerte er sich eindringlich, jedoch mit gesenkter Stimme. Dazu bedachte er Grian mit einem recht launischen Blick, der so in die Richtung des Beleidigt-Seins ging.
    Ich runzelte die Stirn und konnte dies zunächst nicht wechseln. Dann aber kamen mir sehr wohl einige Worte in den Sinn.
    “Aber Muckel!“, brachte ich dann heraus. “Glaubst du etwa, es würde dich glücklich machen, wenn ich meine Hand auf dein… wahh….“ Gerade war der Wagen durch ein fürchterliches Schlagloch geholpert und Grian war auf mir gelandet. Sie hielt sich an mir fest und ich stützte sie von meiner Seite aus, wobei sich sie ein bisschen an den Schultern festhielt. Ich schüttelte den Kopf und wischte meine eigenen Worte mit einer Handbewegung fort. “Was für eine absurde Idee!“, erklärte ich aber weiter unbeirrt.
    “Nein, gewiss nicht!“, unterbrach Muckel meinen Gedankengang nun. Auch er war auf seiner Seite der Ladeflächel ein wenig verrutscht. “Aber Grian macht gar nichts!“, empörte er sich nun weiter und ruckte sich ebenfalls wieder zurecht.
    “Sie macht ja nicht nichts…,“ versuchte ich zu beschwichtigen. “Aber sie ist halt eine… Frau und da… hat sie eben gewisse Vorteile und macht als solche vieles auch nicht so offensichtlich!“, gab ich vielleicht etwas unbedarft von mir und stellte fest, dass das vielleicht ein wenig geklungen hatte, als wäre ich ein Händler auf einem Kuhmarkt. Schnell lächelte ich Grian entschuldigend entgegen, zumal sie mir ja nun noch näher war, als noch zuvor. “Ich meine… da ist man als Mann einfach gefordert ein wenig mehr … hinzuschauen!“
    “Schon in Ordnung!“, entfuhr es Muckel nun eingeschnappt und er schaute etwas divenmäßig zur Seite.
    “Er ist nur ein wenig übermüdet!“, erklärte ich Grian leise flüsternd und lächelte wieder. Irgendwie war ich nun aber wach genug, um endlich einmal bemerken zu können, dass meine Grian in der Tat auch etwas sehr Hübsches an sich hatte. Auch das Haar, welches so gut zu den Augen passte. Eine faszinierende Feststellung am Morgen.
    Dann aber ruckte der Wagen wieder und hielt an, sodass der Nasir vom Bock hinunter springen konnte, um etwas mit den Wachhabenden zu regeln.

  • Oh ja, und wie Muckel eifersüchtig war! Dass ihm meine Anwesenheit von Anfang an nicht gefallen hatte, wusste ich ja. Aber dass er nun auf mich neidisch war, weil unser Dominus mir offensichtlich auf die Pelle rückte, hätte das niemals gedacht. Denn eigentlich hatte ich immer geglaubt, er orientiere sich eher am weiblichen Geschlecht und weniger am männlichen. Zumindest hatte ich das gerüchteweise so gehört, dass er mit so einer dummen Gans aus der Küche angebandelt hatte. Oder waren es sogar noch mehr, denen er den Hof machte. Aber so konnte man sich täuschen!

    Aber nein, es ging nicht darum, dass Dominus Casca meine Knie als sein neues Ablegemobiliar für seine Hand erkoren hatte, wie sich herausstellte. Es ging ihm einzig und allein nur um Wertschätzung und Aufmerksamkeit! Wertschätzung seiner unermüdlichen Arbeit an unserem Dominus. Das ich nicht lachte! Deshalb strengte er hier dann auch sofort einen Zwergenaufstand an. Mich bedachte er dabei dann auch sofort mit einem launischen Blick, den ich wiederum mit einem genervten Blick erwiderte. Heul doch, du Opfer! hätte ich ihm am liebsten zugerufen, wenn Dominus Casca nicht da gewesen wäre.
    Wie immer, wenn Nepomuk sich als darstellte, bekam er sofort, was er als so dringlich ansah: die Aufmerksamkeit unseres Dominus! Zugegebenermaßen musste ich dabei richtig grinsen. Wahrscheinlich hatte er das gesehen und holte sofort noch mal zum Gegenschlag aus. Grian macht gar nichts, meinte er dann erbost, was mich direkt wieder auf die Palme brachte! „Das stimmt gar nicht!“, rief ich entrüstet und sah zu unserem Dominus, der das irgendwie so ähnlich sah, wie ich. Ich tat nicht nichts! Ja, genau, so konnte man das sehen!


    Natürlich kränkte das Muckel nur noch mehr. Jetzt war er erst Recht beleidigt. Dominus Casca entschuldigte sich dann für ihn. Er lächelte wieder und sah mich wieder so an. Ich erwidert sein Lächeln. „Das ist er doch immer!“, raunte ich ihm zu, ohne Muckel auch noch eines Blickes zu würdigen.

  • “Oh ja… das ist er immer!“, sagte ich leicht flüsternd und fast schon vertraulich. Nicht weil ich Muckel nicht brüskieren wollte, sondern weil ich noch immer in reiner Faszination war!
    Da zauberte der erste morgendliche Sonnenschein doch glatt ein wenig Gold durch den Planenspalt auf das Haar meiner Sklavin. Was war ich doch für ein Kretin gewesen, dies nicht schon vorher zu bemerkten.
    Gut, dass ich das nicht getan hatte, hatte wohl auch damit zu tun, dass ich meine Sklavin ja auch gar nicht so oft zu Gesicht bekommen hatte, denn ein klein wenig Recht hatte Muckel ja und er empörte sich nicht gänzlich zu Unrecht. Aber darauf nun einzugehen, wäre ein sehr fataler Fehler, da ich mir die Reise nun nicht auch noch durch etwaige private Turbulenzen unter meinen beiden Sklaven erschweren wollte. Mit auch so schon flau genug in der Magengegend. Wegen der plötzlichen Abreise, dem Verlassen von allem was mir lieb war, der Beklommenheit vor den nun wohl stetig steigenden Kosten und auch weil ich nun doch Hunger verspürte. Die alles war kein vorteilhaftes Konglomerat an Sorgen und Nöten, aber ich schob das alles tapfer nach hinten.
    Viel schöner war es doch Grian mit einem fast schon zärtlich-verträumten Blick zu bedenken und ihr verwegen über das goldene Stähnchen zu streicheln. Vielleicht war ich ja doch ein glücklicher Mann, der seine Augen von nun an offen halten sollte. Für Grian, die Schönheiten der Natur, welche wir durchreisen würden und natürlich auch wegen dem Nasir, der nun wieder auf den Bock geklettert war und meinte, dass “Alles in Ordnung! war.
    So seufzte ich leicht und beließ während der folgenden, leicht ruckendeln Fahrt meine Hand einfach auf Grians Knie, als wäre es von den Göttern gegeben, dass dies ihr rechtmäßiger Platz war. “Ich schätze euch doch beide sehr!“, sagte ich aber noch, in etwa wie ein Vater, der seine streitenden Kinder vor sich hatte. Auch wenn dieser Vergleich ein wenig arg hinkte. Dennoch gab mir gerade dieser Tonfall ein gutes Gefühl. Warum wusste ich auch nicht. Vielleicht ein wenig die Gravitas zwischen Reisetruhen oder auch der Wunsch nach Frieden im eigenen Heim, das sich, wie sich herausstellte, für die nächste Zeit auf vier Räder gebaut worden war.



    Tatsächlich wartete einige paar hundert Meter vom Tor entfernt auch schon unsere illustre Reisegesellschaft. Etwa dreißig Mann, bekleidungsmäßig ähnlich angetan, wie der Nasir und aufgereget mit Worten um sich werfend, wie auch einem östlichen Basar, tummelten sich zwischen Wagen und weitere Personen auf freiem Feld. Einige von ihnen erkannte ich sogleich als Handelsware des Nasirs, da diese recht trüb dreinschauten und hinter vergitterten Türen auf einigen der Karren verwahrt wurden. Der Nasir hingegen wirkte rege und wach und bedeutete mir, ihm zu einem Wagen zu folgen, welcher auf den ersten Blick einen recht soliden Eindruck machte. Zu meiner Freude erkannte ich diesen sogleich als Reisewagen, mit einem hohen, festen Aufbau und dem Potential einige Gemütlichkeit im Inneren zu bergen. Auch würde man aufrecht darin stehen können, was ebenso von Vorteil sein würde. Gezogen wurde das Gefährt von zwei Pferden, die einen freudigen und munteren Eindruck machten. Ich seufzte innerlich vor Erleichterung und lächelte Muckel und Grian erfreut an und bedeutete ihnen nun meinerseits mir zu folgen.
    “Dort drin dürfte es dir an nichts fehlen!“, vermutete der Nasir geschäftstüchtig und war sogar so frei, mir die seitliche Türe zu öffen, über die es über einen kleinen stufigen Einstieg ins Innere des Wagens ging. “Sofern doch etwas fehlen sollte, dann könnte ich für wenige Sesterzen...“
    “Ja, ja…,“, wiegelte ich das nun folgen sollende ab, denn im Grunde wusste ich ja, dass ich alsbals ein sehr armer Mann sein würde, wenn das so weiter ging.
    Statt mich aber zu betrüben, steckte ich meinen Kopf durch die reichlich große Einstiegsöffnung und schaute mich um. Ich war nun doch überrascht. Beiderseits der Außenwände befanden sich zwei Liegemlöglichkeiten mit üppigen Kissen und Decken. Weiter vorn gab es sogar ein kleines Tischlein mit meinem Schemel. Die Fenster konnte man mit Vorhängen verdecken und alles in allem überzeugte der Wagen davon, dass er zu Reise durchaus geeignet war.
    “Nicht übel!“, lautete mein Urteil, das den Nasir zum Grinsen brachte.
    “Nicht wahr?!“, gab er zurück und klopfte mir dann auf die Schulter. “Wenn der Nasir eine gute Reise verspricht, so wird es eine Reise geben!“
    Nun denn. Das hoffte ich sehr, weshalb ich sogleich nickte und lächelte. Muckel war nun auch herbei getreten und schaute sodann an meiner Statt in den Wagen und wirkte gleichsam beruhigt.
    “Ich hoffe, dein Sklave versteht sich auf das Lenken dieses Wagens,“ bemerkte der Nasir aber dann. “Sonst müsste ich für ungefähr vier Sesterzen pro Tag einen meiner Männer...“
    Ich ließ den Mann gar nicht ausreden, sondern winkte sehr schnell ab. “Das wird nicht nötig sein. Mein Sklave ist ein hervorragender Wagenlenker!“, stellte ich heraus, was Muckel die Augen weiten ließ. Ein wenig schüttelte er den Kopf und ich wusste ja eigentlich auch warum. Seit meinem Reitunfall in der Kindheit hatte ich vor Pferden einen großen Respekt. Muckel jedoch hatte vor Pferden eine fast schon übersteigerte Angst, worauf ich nun aber keine Rücksicht nehmen konnte. Immerhin ging es um mein Geld.
    “Ah! Ein Könner aus Profession?“, wollte der Nasir wissen und betrachtete sich dann meinen Sklaven wieder von oben bis unten.
    “Aber ja!“, begeisterte ich mich in die Lüge hinein. “Leider reichte es am Ende nicht für eine große Karriere!“ Ich seufzte schwer und schaute mich nach Grian um.
    “Äh..,“ entkam es Muckel und er schluckte schwer. Das sah ich noch.
    “Grian! Geh doch schon einmal in den Wagen!“, befahl ich ihr dann in einem freundlichen Ton. Es war wirklich besser, wenn der Nasir sie nicht auch noch einmal bemusterte. Ich empfand dies doch als recht aufdringlich und er verschaffte mir kein gutes Bauchgefühl. “Es wird gleich losgehen!“ Ich nickte ihr zu und wendete mich wieder an den Nasir, während hinter uns, bei den anderen Wagen nun zum Aufbruch gerufen wurde. Nasir hatte sich zu seinen Männern umgeschaut und grinste nun.
    “Es wird eine sehr erfolgreiche Reise…,“ sinnierte er dahin. “Es geht, wie du schon weißt, nun die Via Appia entlang und wir werden kaum eine Pause einlegen. Und deshalb werden wir schon sehr bald in Capua sein!“
    Ein wenig erzählte er mir noch über die Strecke und verkaufte mir für teure Sesterzen noch ein bisschen Proviant in Kisten und Säcken, die ich Grian anreichte, damit sie sie im Wagen verstauen konnte.


    Der Nasir verabschiedete sich verabschiedete vorübergehend und bestieg ein Pferd, während ich Muckel mit emsigen Worten animierte, sich doch auf den Kutschbock zu trauen, den er schließlich auch erklomm. Einen Moment bereute ich meine volumigen Worte, mit welchen ich seinen Kenntisreichtum in dieser Sache gelobt hatte, weil ihn die Angelegenheit fürchterlich mitzunehmen schien. Dann aber bestieg auch ich das Wageninnere und ließ mich auf sitzend auf die Legemöglichkeit fallen.
    “Oh Grian!“, seufzte ich schwer und ich schaute ihr entgegen und ich wollte auch lächeln und noch mehr von mir geben, als es fürchterlich ruckte. Dazu schallte ein ängstlicher Schrei zu uns hinein, der eindeutig von Muckel stammte. Dann holperte der Wagen bestimmt einige Meter in hoher Geschwindigkeit über das Pflaster der Via Appia, während auch andere Männerstimmen laut wurden. Offenbar versuchten diese unsere Pferde aufzuhalten, während ich halb von der Liege gekippt am Boden lag und ebenfalls Laute des Schreckens und Missfallen von mir gab. Dann aber wurde die Fahrt wieder ruhiger und alles beruhigte sich ein wenig. So auch ich. “Vielleicht… wäre es nun an der Zeit für… das Morgenmahl!“, erklärte ich unter dem Versuch mich selbst und meine Sklavin zu beruhigen und deutete dabei auf den nunmehr vorhandenen Proviant. “Du darfst Muckel da nicht so ernst nehmen!“, nahm ich nun den Faden ihrer Empröung von vorhin wieder auf. “Du wirst das schon wunderbar machen!“ Ich nickte ihr zu und lächelte wieder. Voller Hoffnung. Hoffnung, die sich über alles spannte.

  • Diese ungewohnte Vertrautheit, die Dominus Casca mir plötzlich entgegenbrachte, machte mich ein wenig verlegen. Obwohl mir das Ganze eigentlich nicht unangenehm war. Denn wer mochte es nicht, wenn jemand ein gutes Wort für einen übrig hatte? Allerdings kannte ich solche Blicke nur allzu gut von meinen vorherigen Besitzern. Im Grunde wollten sie alle nur das Eine. Ein paar reizende Blicke, ein wenig Honig ums Maul schmieren und je schneller man sich verguckte, lag ich mit ihm in der Kiste, um ihm eine schöne Zeit zu bereiten. Na ja, es war wahrscheinlich unwahrscheinlich, dass ich ihm hier auf dieser fiesen Karre zu Diensten sein sollte. Jedenfalls nicht, solange Freund Nepomuk noch da war. Also war es doch ganz gut, dass die eingeschnappte Mimose noch da war. Allerdings hatten wir nun endgültig das Stadttor erreicht und würden nun endlich den Ochsenkarren verlassen können, um in den Reisewagen umzusteigen. Aber egal, ich spielte sein Spiel einfach mit und lächelte einfach nur, bei allem, was er tat und sagte. Damit fuhr man immer gut.


    Mir verging mein Lächeln gleich wieder als wir vom Karren abgestiegen waren und auf die Reisegesellschaft stießen, die unseren Weg begleiten sollte. Der Nasir verdiente sein Geld mit dem Handel von Sklaven. Neben seinen Angestellten und den anderen Händlern, die sich der Karawane angeschlossen hatten, konnte man auch einen Blick auf die armen Kreaturen werfen, die dazu verdammt waren, als Nasirs Handelsware ihr Leben zu fristen. Ich fühlte mich ganz beklommen bei diesem Anblick, denn ich war oft genug in den Händen von Sklavenhändlern gewesen. Daher zog ich es vor, ganz nahe bei meinem Dominus zu bleiben, nicht dass ich am Ende noch ‚verloren ging‘!


    Der Dominus war ganz angetan von unserem Reisewagen. Ich selbst hatte noch keinen Blick hineinwerfen können. Doch ich vertraute ihm. Was ich allerdings nicht nachvollziehen konnte, war Dominus Cascas Entschluss, Muckel auf den Kutschbock des Wagens zu lassen. Ob er da wirklich wusste, was er tat? Ich fand das eher fahrlässig. Aber mich fragte ja keiner! Stattdessen schickte mich Dominus Casca schon einmal in den Wagen, was ich auch sofort tat. Als ich dann einstieg und die gemütliche Innenausstattung begutachten konnte, wurde mir doch einiges klar! Nicht ohne Grund hatte Dominus Casca mit mir geflirtet, als gäbe es kein Morgen mehr und nicht umsonst saß Muckel nun auf dem Kutschbock und sollte den Wagen lenken! Aber gut, ich hatte keine große Wahl und tröstete mich damit, dass Dominus Casca doch ein netter Kerl war, der bestimmt nicht grob zu mir sein würde und eigentlich doch ganz gut aussah! Er war nicht fett und hatte auch keinen übelriechenden Atem. Das war doch schon mal was!
    Bevor es dann los ging verstaute ich noch einige Proviantstücke, die unser Dominus käuflich erworben hatte. Zum Glück würden wir zunächst nicht hungern müssen. Jedenfalls nicht, solange ich nicht kochen musste!


    Dominus Casca bestieg dann auch den Wagen und ließ sich mit einem Seufzer auf die Liege fallen. Kurz danach begann der Wagen beängstigend zu ruckeln und zu schaukeln, so dass ich schon befürchten musste, unser letztes Stündlein hätte geschlagen. Ich konnte mich nur schwer auf den Beinen halten, hätte ich mich nicht an der nächsten Möglichkeit festgehalten. Sogar Dominus Casca wäre beinahe von der Liege heruntergekullert. Zum Glück beruhigte sich dann alles wieder und der Dominus meinte, nun wäre die Zeit für das Morgenmahl gekommen. Wieder beschwichtigte er mich, ich solle doch Muckels Worten nicht so viel beimessen. Dann ermutigte er mich noch. Ich würde das schon wunderbar machen. Was auch immer er damit meinte, ich lächelte einfach. Denn damit fuhr man am Besten!
    Dann kümmerte ich mich um sein Frühstück. Ich selbst würde mich noch etwas gedulden müssen, denn zuerst war der Dominus an der Reihe. Ich würde mich mit dem begnügen, was er übrig ließ. Also richtete ich den Proviant auf einem Teller an. Neben frischem Brot gab es Schafskäse, Oliven, mit Speck ummantelte Datteln und etwas Moretum.
    „Bitte sehr, Dominus!“ Ich ließ mich vor ihm auf den Kein nieder und hielt den Teller, so dass er zugreifen konnte.

  • Die kleine Vertrautheit zwischen mir und meiner Sklavin war nun wieder verflogen. In jenem Moment, in welchem Muckel in der Tat etwas von einem Wagenlenker an den Tag gelegt hatte. Aber gerade jetzt wollte ich nicht nachsehen, wie es ihm ging. Wahrscheinlich war er nun mehr als nur wach und würde auch ein wenig mehr Acht geben, auf das was er tat. Zumindest tönten noch vor dem Wagen die Stimmen der Männer, welche ihn schalten. Riesenrindvieh war noch eines der schöneren Worte, doch im Augenblick konnte ich mich dem nun wirklich nicht widmen. Es reichte, wenn ich später in Erfahrung bringen konnte, was genau denn in ihn oder die Pferde gefahren war. Stattdessen freute ich mich in der Tat auf das Morgenmahl, welches Grian sich nun anschickte mit den teueren Vorräten zu bereiten. Eine Weile würden diese wohl reichen. Also beschaute ich mir ihr Tun, nachdem ich mich wieder auf die Liegemöglichkeit navigiert hatte und entsann mich nun erneut, dass mit jeder Umdrehund der Räder unter meinem ‚Reise-Heim‘ die Distanz zwischen mir und meinem Leben immer größer wurde. Meine Gedanken schweiften hin zu Valentina und unserem ersten Treffen im Hortus, wo doch die Ziegen abhanden gekommen waren und wir uns auf die Jagd begeben hatten. Auch weitere Eindrücke drängten sich auf und ich seufzte hin und wieder schwer unter dem ein oder anderen geistigen Bild.


    Ein leichter Duft umwehte alsdann meine Nase und schaute wieder auf, als mir ein Teller gereicht wurde. Mit einem Morgenmahl, welches sich der Tat sehen lassen konnte. Und noch etwas konnte sich sehen lassen. Grian! Kniete sie etwa vor mir? Verwundert schaute ich sie an und unter dem vollen Gefühl eben jener Emotion, nahm ich auch von ihr den Teller entgegen. “Danke…. Grian!“, entkam es mir also unter einem verwunderten Stirnrunzeln und dann einem leichten Lächeln, welches wohl ein wenig Überrumpelung in sich trug. “Schön… sehr schön!“, lobte ich sadann auch ihre Bemühungen und griff mit spitzen Fingern nach einer so adrett angezogenen Datteln. Der Speckmantel glänzte verlockend und ich kaute diesen auch genüsslich, ehe es an die Oliven und den Schafskäse ging. Aber dennoch kam ich nicht umhin erneut zu seufzen, als würde ich eben jener Seufzer überhaupt nicht müde werden können. “Nimm dir ruhig auch etwas!“, schlug ich dann großzügig vor.


    “Und bereite dem Muckel doch auch noch einen Teller… er.. wird dann ja sehr hungrig sein...“, mutmaßte ich. Immerhin tat er ja nun etwas. Und damit hatte er sich ja zuvor noch gebrüstet. “Und dann schau doch auch noch einmal nach, ob ich auch mein Schreibmaterial dabei habe! Dort drüben...“ Ich deutete auf eine der Truhen, welche die Männer noch in meinenWagen gehievt hatten, ehe Muckel so fröhlich mit diesem gestartet war. “Und dann komm‘ doch noch einen Moment zu mir und …,“ Nun, was dann? “… und erzähle mir doch etwas Schönes!“ Ein wenig Ablenkung würde gar nicht schaden. Und vielleicht konnte ich dabei noch einmal ihr Haar betrachten. Oder ihre Augen. Ach… ihr gesamtes Gesicht und auch ihr vollstädniges Erscheinungsbild. Hier im Wagen würde es ja nun auch nichts geben, wo sie sich verstecken könnte und das, so wusste ich, war ja eine ihrer liebsten Beschäftigungen, mit einer großen Könnerschaft auf ihrer Seite. Danach würde ich dann schreiben, so nahm ich mir vor. Und Grian und Muckel könnten einen Boten erspähen. Ich nickte mir also selber zu und biss herzhaft in das Brot, welches frisch war und auch recht gut schmeckte.

  • Während ich Dominus Cascas Teller hielt, starrte ich auch direkt auf die verlockenden Leckereien, die ich zuvor darauf angerichtet hatte. Wie die Datteln im Speckmantel dufteten! Spätestens jetzt meldete sich auch mein Hunger wieder zurück. Aber natürlich konnte ich mich noch soweit beherrschen, nicht einfach über den Teller herzufallen, sonst drohte am Ende doch noch der Sklavenhändler!
    Mein Dominus gefiel es, wie ich sein Frühstück angerichtet hatte. Er bediente sich dann auch sofort an seinem Morgenmahl. Zuvor hatte er etwas überrascht dreingeschaut, weil ich vor ihm kniete. Andererseits war diese Körperhaltung wesentlich entspannter und rückenschonender als sich über ihn zu bücken.


    Als er mir anbot, mich auch an den Leckereien zu bedienen, ließ ich mir das nicht zweimal sagen. Ich griff mir eine der Datteln, die so köstlich dufteten. So etwas gab es nicht alle Tage! Die Dattel inklusiven Speckmantels verschwand in meinem Mund. Ich schloss meine Augen. Genüsslich begann ich, sie zu kauen. Aber ich schluckte sie nicht hinunter – noch nicht! In meinem ganzen Mund hatte sich dieser wunderbare Geschmack ausgebreitet. Den wollte ich, so lange es ging, genießen.


    Meine Augen öffneten sich erst wieder, als er meinte, ich solle doch auch Muckel einen Teller richten. „Ja, Dominus!“ Den Leckerbissen hatte ich inzwischen untergeschluckt. Etwas wehmütig sah ich noch einmal auf den Teller und erhob mich. Eine Olive mopste ich mir dann doch noch.
    Natürlich richtete ich den Teller für meinen Mitsklaven nicht so liebevoll an, wie ich es für Dominus Casca getan hatte. Muckel würde das sowieso nicht zu schätzen wissen, sagte ich mir. Außerdem sollte er ja auch den Wagen lenken!


    Bevor ich mich dann wieder zu meinem Dominus gesellte, holte ich ihm noch sein gewünschtes Schreibzeug aus einer der Truhen und gab es ihm, als ich mich diesmal neben ihn setzte, so wie er es wollte. Wieder sah er mich so an. Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass er davon gar nicht genug bekommen konnte.


    Etwas Schönes sollte ich ihm erzählen. Ich sah ihn zunächst ein wenig ratlos an, weil mir auf die Schnelle nichts Schönes einfallen wollte. Zumal ich auch nicht wusste, was er unter ‚Schönes‘ verstand. Vielleicht die Story, als ich mit Silas die Hunde ausgeführt hatte und die Viecher sich auf einen ziemlich unbedarften Kerl gestürzt hatten, den sie dann anschließend abgesabbert hatten. Mhh, nein, lieber nicht. Über solche Geschichten konnten vielleicht Sklaven lachen, aber bestimmt nicht mein Dominus!


    „Äh ich… äh… Ich hab noch nie das Meer gesehen, Dominus. Ich bin schon ganz gespannt darauf. Auf Bildern habe ich Fische, Muscheln und so was gesehen, die darin leben sollen und ich habe von großen Schiffen gehört, die darauf fahren. Werden wir auch auf einem großen Schiff fahren, Dominus?“ Oh je, jetzt hatte ich wieder einfach drauf los geplappert. Etwas Schöne war sicher etwas ganz anderes!

  • Ich würde wohl auch dringend in Erfahrung bringen müssen, was da an Ressentiments zwischen meinen beiden Sklaven schlummerte, denn erbaut wirkte Grian nicht darüber, dass sie Muckel ebenso ein Mahl bereiten sollte. Doch der Arme saß ja auf dem Kutschbock und gab – ob meisterlich oder nicht – eben dort sein Bestes und konnte gerade nicht selbst für sein leibliches Wohl sorgen. Ich beobachtete Grian bei ihrem Tun, wie ich es schon beobachtet hatte, wie wunderschön sie die Dattel genossen hatte. Ein wirklich schönes Bild in all der Tristess die im Äußeren und Inneren ansonsten auf mich einstürzte. Während sie noch das Mahl anrichtete, ging es mir ja durch den Kopf, was meine Geliebte, meine Valentina und ich bereits an schönen Erinnerungen hegten. Daran, wie es ihr wohl nun ergehen mochte, wollte ich nicht denken. Wahrscheinlich würde sie weinen und sehr bestürzt sein. Und mich dann verfluchen, was auch ihr gutes Recht war. Und mein Vetter? All die anderen in der Casa? All die anderen im Tempel der Minerva und im Collegium?


    Am liebsten hätte ich schon wieder geseufzt, denn nicht nur mein Herz wurde schwer. Auch ein wenig der Magen. Nein, nicht daran denken und im Finsteren doch ein wenig nach Schönheit suchen, was ich ja auch versuchte, indem ich mir vorgenommen hatte, nun Grian eingehend zu betrachten. Oh ja. Da war ein wenig Liebreiz. Sie war wirklich hübsch. Warum war mir das noch nie so ins Auge gesprungen? Aber nun ja. Meine Sklavin hatte sich ja auch Mühe gegeben gerade dies nicht zu tun. Dennoch. Ein Faut Pas meinerseits, den ich ja nun wieder gutmachen konnte. Zum Glück sah sie Valentina nicht ähnlich und hatte ihre eigenen Reize. Dies hätte ich wohl gerade nicht verkraftet.


    Nun aber war es an Grian, mir zu berichten, was sie denn so als schön empfand, doch genau das schien ihr schwer zu fallen, wie ich noch auf dem Brot kauend feststellte. Sie meinte nun, noch nie das Meer gesehen zu haben und dass sie ganz gespannt darauf war. Fische und Muscheln kannte sie nur von Bildern. Gut. Und wohl auch ein wenig aus der Culina, was ja aber auch gar nicht deren natrülichem Habitat entsprach. “Oh ja… Di Fiffe...“, begann nicht undeutlich kauend zu sinnieren. “Grofe Fiffe… mhmm….“ Ich schluckte den Brotbissen erst einmal hinunter, um besser verständlich zu sein. “Ab Brundisium werden wir eines besteigen und dann… bist du mal auf einem gereist. Mit dem Westwind nach Athen!“ Ich lächelte Grian entgegen. Ich selbst hasste Schiffsreisen. So wie das Reisen an sich. “Aber wenn wir ein wenig Zeit haben, können wir uns schon in Terracina das Meer beschauen!“ sagte ich schnell weiter. “Das liegt an der Via Appia!“, fügte ich noch an. Weit würde es auch nicht sein. Nicht, wenn Muckel weiterhin die Pferde so rennen ließ. “Hach…!“ Mein Blick schweifte zum Fenster und ich sah Rom schwinden. Mehr und mehr. Auch an der Via Appia lagen die Gräber, in welchen so viele meiner Bekannten und Freunde nun lagen. Auch mein Vater. Mein Bruder? Ich wusste es nicht. Sicher war nur, dass meine Mutter es nicht tat. “Wie vergänglich alles ist!“, entkam es mir dann. Dann schaute ich Grian wieder an. “Aber du lässt mir mein Herz nicht schwer werden? Nicht wahr?“ wollte ich dann von ihr wissen. “Kannst du schreiben?“, fragte ich dann unvermittelt. Eigentlich hatte ich ja solches vor, doch nun war mir nicht mehr danach. Aber vielleicht gehörte diese Fähigkeit ja auch zu Grian und ich konnte ihr einiges diktieren.

  • Oh, wie herrlich das klang! „Mit dem Westwind nach Athen!“, echote ich vollkommen fasziniert und lächelte über beide Ohren. Natürlich konnte ich mir nicht vorstellen, dass eine solche Schifffahrt auch durchaus strapaziös sein konnte. Nämlich dann, wenn der Westwind zu arg heftig blies und man davon seekrank wurde. Als Dominus Casca dann in Aussicht stellt, eventuell in Terracina eine Pause einzulegen, um dort das Meer zu sehen, wuchs meine Freude noch mehr. Ob man dort vielleicht den kleinen Zeh ins Wasser strecken konnte? Wie war nur das Meerwasser. Ich hatte schon von großen Wellen gehört, die eine Mordskraft an den Tag legten und alles mit sich reißen konnten. „Oh, das wäre fein, Dominus!“


    Als Dominus Casca aus dem Fenster blickt und seufzte, bemerkte ich erst, wie schwer ihm offenbar der Abschied aus Rom fiel. Als er dann auch noch von der Vergänglichkeit sprach, fühlte es sich plötzlich gar nicht mehr so gut an, sich in seiner Gegenwart zu freuen und so wich dann auch mein Lächeln. Ob ich ich fragen sollte, was ihn bedrückte? Aber vielleicht war es ihm unangenehm, ihn so auszufragen. Immerhin war ich nur seine Sklavin und sonst nichts. Allerdings sagte ich mir, dass ich seinen Seufzer nicht unkommentiert lassen sollte.
    „Bist du traurig, Dominus? Was kann ich für dich tun?“, fragte ich und tippte ihm sanft auf seine Hand. In meiner Stimme schwang ein wenig Sorge mit. Ich hatte ja keine Ahnung, dass er das Verlöbnis mit Domina Valentina gelöst hatte. Oder war es einfach nur die Sorge um seine erkrankte Mutter? Er schien plötzlich so verletzlich zu sein. So ganz ohne Hoffnung. Doch dann sah er mich wieder an und sprach zu mir.
    „Nein, Dominus, ich werde immer für dich da sein. Wann immer du mich brauchst.“ Hoffentlich würde ich ihn niemals enttäuschen, denn ich wusste ja, dass ich gelegentlich dazu neigte, Murks zu fabrizieren. Dann lächelte ich ihm wieder aufmunternd zu.
    Als er mich dann vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen fragte, ob ich schreiben konnte, wurde mein Gesichtsausdruck wieder ziemlich nüchtern. „Ähm, ich hab es mal gelernt. Aber ich glaube nicht… also meine Schrift ist nicht so… toll.“ Außerdem war der Begriff ‚Rechtschreibung‘ völliges Neuland für mich.

  • Je länger ich nun meine Blicke aus dem Fenster richtete, um so deutlich wurde es mir, dass wirklich alles, aber auch alles vergänglich war. Das schöne Leben ebenso wie das schlechte. Dabei war es vielleicht das Leben an sich, sondern lediglich gewisse Phasen darin. Wie jene, welche ich gerade durchschritt. War war ich nur für ein verfluchter Mann, der das Glück seines Lebens sitzen ließ, um in einem Reisekarren nach Athen zu fahren? “Oh ja… das kann man wohl sagen...“, gab ich meiner Sklavin zur Antwort, als diese fragte, ob ich denn traurig wäre. Und das war ich wohl. Ob sie etwas für mich tun könne? Gewiss. Sie konnte mir beim Schreiben behilflich sein, für welches ich gerade wohl nicht die Kraft aufbringen konnte. Nicht einmal dafür ein paar Zeilen auf eine Tafel zu bringen oder auf einen Papyrus. Ich lächelte milde, als sie mir nun auch versprach, immer für mich da zu sein. Wann immer ich sie brauchen würde. “Das ist lieb von dir, so etwas zu sagen…,“ erklärte ich auch sogleich dankbar. Da sie meine Sklavin war, würde sie dies alles wohl so oder so müssen, doch es noch einmal von ihr in diesen lieben Worten zu hören war natürlich wunderbar und tröstlich zugleich. So sehr, dass ich schon wieder seufzen musste.


    Leider vermeinte meine Sklavin aber dann, dass sie sich nicht sonderlich gut in der Schrift auskannte. Eine Sache, die man aber würde nachholen können. Wir hatten ja auch ein wenig Zeit, denn noch lag ja die komplette Wegstrecke vor uns. “Dann werden wir das üben müssen, Grian!“, stellte ich ihr also in Aussicht und war mir zugleich aber gewiss, meine Schreiben eben noch ein Weile selbst zu tätigen. Wie es wohl angebrachter wäre, denn immerhin hatte ich vor, meinem Vetter, meiner geliebten nunmehr ehemaligen Verlobten und auch einigen anderen Bekannten mein Herz quasi auszuschütten und vom Unbill meiner Reise zu erzählen. Natürlich würde ich auch darlegen, wie sehr ich mir wünschte, dass sie mich nicht verfluchen mochten. Und auch meiner Mutter würde ich wohl noch einige Sätze gönnen müssen, da sie ja den irriger Weise einen Brief von mir erhalten würde, der ihrer Genesung wohl nicht sonderlich zuträglich sein würde. Aber das hatte ja noch einen Moment Weile und ich konnte noch ein wenig die Aussicht genießen. Nicht jene auf die Via Appia, sondern auf die direktere, die nun neben war.


    “Kennst du Geschichten, Grian?“, wollte ich dann wissen und überlegte kurz. “Zum Beispiele jene über die Götter? Wie den armen Uranos?“, wollte ich dann wissen. Obwohl das thematisch eher problematisch wäre, denn eine Entmannung durch die eigene Familie war etwas, was Frauen wohl nicht so interessierte. “Oder jene Geschichten um die schaumgeboren Venus?“ Dies stand immerhin mit dem Uranos, der mir ja zuvor schon eingefallen war auch in direktem Zusammenhang. Aber warum kam ich nur darauf? Vielleicht weil ich Grian so hübsch fand oder weil ich frustriert war. Oder weil die Vergänglichkeit doch gerne an Geburten den ließ. Vielleicht war auch einfach nur wirr oder eben durch die Muscheln darauf gekommen, welche Grian meinte, noch nie in Meeresnähe gesehen zu haben. “Wir werden uns immerhin ein wenig auch die Zeit vertreiben müssen. Hier… in diesem Wagen.“ Muckel war ja nun auch beschäftigt und es stand auch nicht in Aussicht, dass die Nasirs Interesse daran hatte, auf der Fahrt für Unterhaltung zu sorgen.

  • Oh ja, er war traurig! Er tat mir ja auf einmal so leid. Vielleicht fand er ja ein wenig Trost in meinen Worten. Er lächelte zumindest ein wenig und dankte mir. Ich erwiderte daraufhin sein Lächeln und legte dann meine Hand auf seine, auch wenn das vielleicht ein wenig vermessen schien.
    Wieder seufzte er, was mich etwas verunsicherte. Seufzte er, weil ich keine Übung im Schreiben hatte? Aber dafür konnte ich doch nichts! Ich hatte es als Kind bei meinem ersten Dominus lernen dürfen und danach hatte nie wieder jemand von mir verlangt, etwas zu schreiben. Dementsprechend krakelig war meine Schrift, wie bei einem Kind. Er würde mir das doch nicht übel nehmen? Doch zum Glück er wollte nachsichtig mit mir sein.
    Ich nickte. „Ja Dominus, ich werde viel üben, wenn du das wünschst!“ Hoffentlich würde ich ihn auch in dieser Sache nicht enttäuschen. Der Arme, irgendwie musste er von mir denken, dass ich absolut gar nichts auf die Reihe kriegte. Wenigstens hatte ich eine große Klappe. Denn wenn ich schon nicht schreiben konnte, konnte ich ihm vielleicht etwas erzählen. Eine Geschichte. Über die Götter und so. Aber da musste ich schon wieder passen. Erst Recht bei Uranos oder der schaumgeborenen Venus! Aber ich konnte ihn jetzt nicht schon wieder enttäuschen und sagen, dass ich das nicht konnte. Deshalb zermarterte ich mir mein Hirn nach einer schönen Geschichte und kramte dabei etwas hervor, was ich schon ganz lange nicht mehr gehört hatte. Eine Geschichte, die mir meine Mutter vor ewigen Zeiten oft erzählt hatte. An meine Eltern hatte ich all die Jahre nie wieder gedacht, um das Schreckliche, was mir nach ihrem Tod zugestoßen war, nicht noch schrecklicher werden zu lassen.


    „Eine Geschichte von Uranos oder Venus kenne ich nicht. Aber eine andere.“ Ich sah ihn erwartungsvoll an und begann dann mit meiner Geschichte. Falls sie Dominus Casca nicht gefiel, konnte er mich ja einfach unterbrechen.


    „Vor langer Zeit lebte ein reicher Mann namens Tegid. Mit seiner Frau Caridwen hatte er zwei Kinder - Creiwy , das schönste Mädchen unter der Sonne und Afagdu, den hässlichsten Knaben auf der Welt.
    Da der Knabe so abstoßend aussah, beschloss seine Mutter, ihm wenigstens große Klugheit zu verleihen. Also stellte sie einen Zaubertrank her, der Inspiration und Wissen verleihen sollte. Das Gebräu musste ein Jahr lang in einem Kessel am Kochen gehalten werden. Zu jeder Jahreszeit warf Caridwen neue Zauberkräuter in den Kessel, die sie zur rechten Stunde gepflückt hatte. Während sie die Kräuter pflückte, stellte sie einen Jungen mit Namen Gwion an und ließ ihn den Kessel umrühren. Am Ende des Jahres aber spritzten drei Tropfen der Flüssigkeit aus dem Kessel und fielen auf Gwions Finger. Der steckte den Finger in den Mund, um die ätzende Flüssigkeit abzulecken. Sofort verstand er die Sprache der Tiere und Pflanzen und hatte Kenntnis von allen vergangenen zu zukünftigen Ereignissen.
    So wusste er nun auch, dass er auf der Hut sein musste vor Caridwen, die beschlossen hatte, ihn zu töten, sobald sie ihn zum Umrühren des Zaubertranks nicht mehr brauchte. Er floh daher, und sie verfolgte ihn in der Gestalt einer schwarzen, kreischenden Hexe.
    Durch die Zauberkraft, die er durch die drei Tropfen erhalten hatte, verwandelte er sich in einen Hasen. Doch sie nahm die Gestalt eines Windhundes an. Er sprang in den Fluss und wurde ein Fisch. Sie verwandelte sich in einen Fischotter. Er stieg auf in die Luft als ein Vogel. Sie verwandelte sich in einen Falken. Er wurde zu einem Weizenkorn auf der Tenne. Sie verwandelte sich in eine schwarze Henne, scharrte im Stroh, fand das Korn und verschluckte es.
    Als Caridwen darauf wieder ihre ursprüngliche Gestalt annahm, spürte sie, dass sie schwanger war mit Gwion und neun Monate später gebar sie ihn als Kind. Sie brachte es nicht übers Herz, ihn zu töten, denn er war sehr schön. Sie ließ ihn in einen Sack einbinden und warf ihn ins Meer.
    Die Wellen trugen Gwion zu einem Strand in einem fremden Land. Dort wurde er von einem Prinzen, gefunden, der Elphin hieß.


    Elphin war nicht traurig darüber, dass er keinen Fisch gefangen hatte. Er war über seinen ungewöhnlichen Fang sehr zufrieden. Er gab Gwion den Namen Taliesin, was so viel bedeutet wie ‘von hohem Wert’ oder ‘schöne Augenbraue’.
    Als nun Elphin von seinem Onkel gefangen gesetzt wurde, machte sich das Kind Taliesin auf, um ihn zu befreien. Er wollte sich dabei nur auf seine Weisheit und sein Wissen verlassen, mit dem er alle Barden seines Onkels übertreffen wollte.
    Zunächst legte er einen Zauber auf die Barden, nach welchem sie nur lallende Laute hervorbringen konnten, wenn sie versuchten, auf den Fingern zu pfeifen. Darauf sagte er ein langes Rätselgedicht auf, das keiner von ihnen zu lösen vermochte.
    Das beschämte sie sehr, und sie versprachen ihm, Elphin sollte frei sein, falls sie noch bei einem weiteren Rätsel die Lösung nicht erraten könnten. Sie hielten dies für ausgeschlossen, denn immerhin waren sie die klügsten Männer im ganzen Land. Taliesien aber schien in ihren Augen nur ein unwissendes Kind zu sein. Da sprach er zu ihnen:


    Entdeckt mir, was ist dies:
    Die stärkste Kreatur vor der Flut,
    ohne Fleisch und ohne Knochen,
    ohne Kopf und ohne Füße.
    Im Feld und im Wald,
    ohne Hand und ohne Fuß.
    Es ist weit, wie die Oberfläche der Erde.
    Es wurde nie geboren und nie gesehen!
    Was ist das?“


    Bevor ich weiter erzählte und ihm die Lösung des Rätsels verriet, wollte ich erst sehen, ob er des Rätsels Lösung bereits wusste.


    Sim-Off:

    nach dem Märchen Taliesins Rätsel https://aventin.de/taliesins-raetsel

  • Was nützte es mir nun über Uranos zu sinnen oder über die schöne Venus? Meine Venus hatte ich ja nun verlassen, in einem Meer aus Tränen. Was war ich nur für ein schlechter Mensch! Was spielte mir das Schicksal nur so übel mit! Gerne hätte ich noch einmal geseufzt, doch erfreute es mich doch hauchzart, dass meine Grian nun bei mir war, so sanft und freundlich und sogar gelobte, zu tun, was ich von ihr wollte. Das Schreiben vor allem, was wohl wirklich eine Hilfe wäre, auch wenn das – meines Erachtens nach – für Frauen wohl weniger interessant war, als zu spinnen und zu nähen oder dergleichen sonst. Was Frauen in ihrer Freizeit eben gerne machten. Es tat gut, ihre Hand nun auf der meinen zu spüren, mit diesem Anhauch von Tragik und überhaupt fand ich es absolut nicht vermessen. Eher rührend. Auch dass sie nun nach einer Geschichte suchte, um ihren Dominus damit zu erfreuen. Wie schon vermutet kannte sie sich mit Uranos und Venus nicht aus, dafür aber wartete sie mit einer anderen Geschichte auf, also würde ich mich auch hier auf etwas Neues einlassen müssen, was gar nicht übel klang. Ich lehnte mich auf der Liege ein wenig zurück, an die Wand des Wagens und schloss genüsslich meine Augen, um mir besser imaginieren zu können, wovon meine Sklavin nun berichtete. Caridwen. Ein sonderbarer Name. Wohl eher in den nordischen Provinzen zu verorten, wenn mich nicht alles täuschte. Aber wie auch immer.


    Mit geschlossenen Lidern widmete ich mich nun innerlich dieser Geschichte und stellte mir die Frau vor mit ihren Kindern, wobei ich zugeben musste, dass Afagdu bei diesem Namen wohl wirklich kein sonderlich schönes Menschenwesen sein konnte. Der Name war einfach grauenvoll, was es einfacher machte, sich ein scheußliches Gesicht vorzustellen. Auch der Zaubertrank in einem Kessel gerührt wurde mir so von meiner Fantasie vor Augen geführt, ebenso wie der Junge Gwion, der davon unabsichtlich naschte. Dann begann die wilde Jagd auf den Verständigen, wie es wohl schon immer der Welt gewesen war, die von Dummheit geschlagen dahin galoppierte. Die Hexe bekam zu meiner Überraschung auch sogleich das Gesicht meiner Mutter, was mir einen Schauer über den Rücken trieb, sodass auch der Rest der Geschichte mich innerlich sehr mitnahm. Fische und Fischotter und dann ein Bündel treibend im Wasser. Ein edler Retter. Ich seufzte wieder. Doch auch dort ging es nun weiter. Der schöne Taliesin verzauberte auch mich und ich schmatze wohlig unter den Bildern von meinem geistigen Auge. So lange bis das Rätsel erschien und ich die Stirn runzelte. Ich liebte Rätsel, wie wohl viele. Ich konnte mich gut an eine Staturalienfeier erinnern, auf welche diese zu einer Hauptattraktion geworden waren. Leider aber hatte ich zu tief in den Faustianer geblickt, war im Garten erschollen und danach einige Tage nicht ansprechbar gewesen. Eine leidige Sache.


    Nun aber rätselte auch ich. Die stärkste Kreatur vor der Flut. „Hmmmm,“ stieß ich aus. Keine Knochen, kein Fleisch und das auch noch ungeboren und ungesehen. Aber wie konnte derartiges dann eine Kreatur sein? Venus kam mir wieder in den Sinn. Über den Wellen und entstiegen aus dem Schaum, welcher kräftig umwindet wurde. Wie der Wind selbst wohl. Ich lächelte nun und wähnte mich doch recht geistreich. Solches liebte mein Vater stets zu sagen – damals – wobei er immer auch bedauert hatte, dass es mir kaum möglich erschien, diesen Geist in das Leben zu tragen und etwas Besonderes aus mir zu machen. Aber ich wollte mich nicht wieder in die Vergangenheit ziehen lassen, wo es doch hier wohl um die Zukunft ging. “Ist es der Wind?“, fragte ich nun also und öffnete das Linke meiner Augen, um vielleicht etwas schelmisch meiner Sklavin entgegen zu blicken, deren Hand ich nun wieder hielt und auch mit meiner Daumenkuppe über ihren Handrücken streichelte. “Es ist eine sonderbare Geschichte,“ stellte ich dann fest. “Liebt ihr Geschichten, da wo du herkommst?“, wollte ich dann wissen. Zu dumm, dass mir entfallen war, woher Grian eigentlich stammte. Das zeigte doch nur, dass ich ihn Zukunft eben mehr Aufmerksamkeit widmen musste. Nun da meine Geschäfte eine Weile ruhen würde, hätte ich eh ein wenig freie Zeit.

  • Er wehrte sich nicht dagegen, dass meine Hand auf seiner ruhte. Im Gegenteil, er beließ sie dort eine Weile, bis er sich auf seiner Liege zurücklegte, die Augen schloss um sich ganz auf meine Geschichte konzentrieren zu können. Es freute mich, dass er sich ganz auf meine Geschichte einlassen wollte, denn sie spielte fernab der für ihn bekannten Welt der griechischen Götter und Helden. Wahrscheinlich empfand er die Namen meiner Protagonisten als fremdartig und konnte mit ihnen so gar nichts anfangen. Doch das war nur eine Vermutung, denn er unterbrach mich nicht einmal, währen ich meine Geschichte erzählte.
    Erst als ich Rätsel gestellt hatte, hörte ich seine Stimme wieder. Er runzelte seine Stirn und begann darüber nachzudenken, was denn die Lösung sein konnte. Dabei waren noch immer seine Augen geschlossen. Nach einer Weile aber öffnete er sein linkes Auge und schaute mich dabei so neckisch an, so dass ich grinsen musste. Er hatte eine Ahnung davon, was denn die Lösung sein könnte. Der Wind! Der Wind war die stärkste Kreatur vor der Flut. Er hatte weder Fleisch und Knochen noch hatte er einen Kopf oder Füße. Er war überall auf der Oberfläche der Erde und er wurde nie gesehen und niemals geboren.
    „Stimmt!“, rief ich. „Du bist sehr scharfsinnig, Dominus!“ Inzwischen lag meine Hand wieder in seiner. Die Kuppe seines Daumens streichelte zärtlich meinen Handrücken. Ich genoss die Nähe dieses Augenblicks, denn es hatte all die Jahre niemanden gegeben, der so freundlich liebenswürdig zu mir war, wie Dominus Casca.


    Letztendlich fand er die Geschichte sonderbar. Sicher weil alles sehr fremdartig auf ihn gewirkt hatte. „Die Geschichte hat mir meine Mutter oft erzählt, als ich noch kein war. Und ja, es wurden viele Geschichten erzählt, dort wo ich herkomme, Dominus.“ Die gleiche Geschichte hatte mir eine alte Sklavin, die ebenso wie ich aus Gallien stammte, einige Jahre später mit einigen Abwandlungen erzählt.


    „Aber die Geschichte ist noch nicht ganz zu Ende, Dominus! Denn die schlauesten Männer des Landes errieten nicht die richtige Lösung. Nach drei Tagen und drei Nächten gaben sie schließlich auf. Da sprach Talesien zu ihnen: ‚Seht nur, wie eitel all eure Weisheit ist, die ihr aus staubigen Büchern gelernt habt. Denn das Wesen der Natur bleibt euch so verborgen, sonst wüsstet ihr, dass der Wind die Lösung des Rätsels ist!‘ Natürlich waren nun die hochgelehrten Barden sehr beleidigt, weil es ein Kind gewesen war, dass ihr Wissen übertroffen hatte. Den Gefangenen wollten sie natürlich auch nicht freilassen. Doch bereits als Talesien das Lösungswort ausgesprochen hatte, erhob sich ein Wehen, das immer stärker wurde. Es wurde zum Wind, dann zum Sturm und schließlich zu einem Orkan, der den Turm zusammenbrechen ließ, der über dem Kerker gebaut worden war und den Gefangenen, der darin in Ketten gelegen hatte hinaushob. Mit Hilfe von Zaubersprüchen löste Talesien die Fesseln.
    Die Barden aber wurden empor in die Luft gehoben und blieben dort, bis sie versprachen, Elphin und Talesien in Frieden und Freiheit ziehen zu lassen. Dann erst erhielten sie wieder festen Boden unter ihren Füßen.“
    Damit endete meine Geschichte.

  • Ich hatte schon immer zu jenen gehört, die Geschichten wunderbar genießen konnte. Selbst dann, wenn diese wunderlich und absurd gewesen waren. Als ich damals als Kind das Bett wegen meinem Knie hatte hüten müssen und meine Mutter mir Nepomuk zur Unterhaltung geschenkt hatte, war schon klar gewesen, dass in dem Sklaven kein erzählerisches Potenzial gesteckt hatte, denn immer hatte er die Pointen vor der eigentlichen Geschichte erzählt und war dann so erstaunt, dass mich das missmutig gestimmt hatte. In Grian hätte ich aber nie eine grandiose Geschichtenerzählerin vermutet, was mich umso mehr positiv überraschte. Zumal sie nun auch mit einem der von mir geliebten Rätsel aufwarten konnte. Ich lächelte also zufrieden und auch glücklich, als sie nun meinen Scharfsinn lobte. Schließlich tat das nicht jeder, weil nicht jeder eben darin eine Begründung fand. Nun aber war es schon wie ein Balsam, der sich über meine Psyche legte und mich sogar ein wenig in meiner Trauer besänftigte. Oh Grian! Was habe ich dich vernachlässigt, ging es mir durch den Kopf und ich schwor mir ein weiteres Mal, ein solches Versäumnis nicht noch einmal zu wiederholen. Sie erzählte von ihrer Mutter und dass auch diese gerne in Geschichten geschwelgt hatte und ich betrachtete meine Sklavin dabei. Auch noch immer ganz fasziniert von diesen vorwitzigen kleinen Haarsträhnen, welche so herrlich gülden schimmerten. Oh ja. Ich hatte einen Goldschatz übersehen und ich nickte nun auf Grians Worte hin. „Gallien, nicht wahr?“, meinte ich mich zu erinnern. Dann seufzte ich. Immerhin meinte ich zu wissen, dass dort schon immer die barbarischsten Zustände geherrscht hatten. Nach Germania wohlgemerkt und wohl auch nach Piräus, wobei letzteres aber wohl nur mir allein so vorkommen musste.


    “So?“, hakte ich nach, als meine Sklavin meinte, dass die Geschichte aber noch kein Ende gefunden hatte. Also lauschte ich nun auch diesem, in welchem es wieder um Taliesin ging und wie er – auf seine Art wohl – die Weisheit lehrte. Ja, der Wind. Das dies die Lösung gewesen war wurde nun deutlich und lächelte wieder. “So heißen eure gelehrten Männer wohl alle ‚Barden‘?“, fragte ich nach. “Aber auch griechischen Philosophen würde ein wenig Sturm bisweilen gut zu Gesicht stehen.“ Ich lachte nun leise und zog ein wenig an Grians Hand, sodass diese nun auf meinem Bauch befindlich war. Es war zunächst nur einen unbedachte Geste, doch auch nachdem diese meine Aufmerksamkeit erlangt hatte, war die Hand der Sklavin doch auch nicht am aller schlechtesten Ort. Ich tätschelte diese zarte Hand also wieder. “Ich bin sehr froh, dich erworben zu haben!“, gestand ich nun und war so verwegen, die kleine Hand nun auch hin zu meinen Lippen zu nehmen und ihr einen Kuss aufzusetzen. “Und ich bin ebenso froh, dich auf diese Reise mitgenommen zu haben!“, redete ich dann weiter. “Vielleicht sollten wir sehen, dass Muckel in Zukunft die Aufgabe des Kochens übernimmt und auch die anderen kleinen Dinge. Ich denke es wäre viel passender verteilt und er kann nicht so schöne Geschichten erzählen!“ Wieder lächelte ich, ehe ich mich noch ein bisschen zurück sacken ließ und die Augen schloss. Der Schlaf drückte schon hinter der Stirn. Wir waren wirklich sehr früh aufgestanden und mein Leib schien noch erschöpft zu sein.

  • Es war ein wirklich schöner Moment, in dem er mich so charmant ansah, als habe er mich jetzt erst richtig wahrgenommen. Vielleicht hatte das ja auch, denn schließlich hatte er vor unserer Abreise immer sehr viel zu tun gehabt. Und es hatte Tage gegeben, an denen er mich kaum zu Gesicht bekommen hatte. Doch nun war es ganz anders. Wir hatten nahezu alle Zeit der Welt, denn die Fahrt würde lange, sehr lange dauern.
    Er hatte sich sogar gemerkt, woher ich ursprünglich stammte. Gallien. Ich nickte und lächelte ihm dabei zu. „Ja, genau.“ Er war etwas erstaunt darüber, zu hören, dass die Geschichte noch gar nicht zu Ende war. Doch er lauschte auch weiterhin meinen Worten. Erst als ich am Ende meiner Geschichte angekommen war, stellte mir eine Frage zu den Barden. Womöglich hatte er den Begriff schon einmal gehört. Oder vielleicht auch von den Druiden. Letztere waren vor einigen Jahrzehnten von den Römern erbittert verfolgt worden. Alle, denen sie habhaft geworden waren, hatten sie getötet.
    „Früher war es so, Dominus. Bevor die… bevor Gallien erobert wurde. Die Barden waren Sänger, die in ihren Liedern die Heldentaten großer Krieger besangen. Heute gibt es sie kaum noch. Ebenso wenig wie die Druiden, die einst unsere Seher waren,“ erklärte ich. Nach mehr als hundertsiebzig Jahren der römischen Besatzung hatte sich vieles verändert, was die ursprüngliche gallische Kultur weitgehend verdrängt hatte.
    Er konterte mit einer scherzhaften Bemerkung und lachte. Danach zog er meine Hand näher zu sich und legte sie auf seinem Bauch ab. Ich verstand nicht so recht, weshalb er das tat oder ob er mir dadurch etwas zu verstehen geben wollte. Natürlich wehrte ich mich nicht dagegen, denn es fühlte sich angenehm an, als er sie wieder zu tätscheln begann. Schon kurz darauf, sagte er etwas sehr nettes zu mir. Dass er froh war, mich gekauft zu haben und mich nun auch mit auf die Reise mitgenommen zu haben. So viele Nettigkeiten war ich wirklich nicht gewohnt und mir standen schon fast die Tränen vor Rührung und Dankbarkeit in den Augen.
    Doch es kam noch besser, wobei ich mit einer weiteren Steigerung nie gerechnet hätte. Nicht ich, sondern Muckel sollte in Zukunft kochen und alle anderen Kleinigkeiten erledigen. Niemals hätte ich gedacht, dass ich mal etwas richtig gut machen könnte. „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, Dominus! Vielen Dank, Dominus!“
    Kaum hatte ich das gesagt, lehnte er sich weiter zurück auf die Liege und schloss die Augen. Meine ruhte noch immer auf ihm. Wieder fragte ich mich, ob dies eine Aufforderung sein sollte, ihm weiterhin, allerdings nun ganz nah, Gesellschaft zu leisten. Nach einigem Zögern legte ich mich dann vorsichtig neben ihn. Zuvor aber drückten meine Lippen einen zarten Kuss auf seine.

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