Via Labicana – am Wegschrein neben dem Aquädukt – bei Sonnenaufgang

  • Am bezeichneten Tag lenkte ich meine Jagdbiga die Via labicana entlang. Es war der dritte meiner Streitwägen, technisch enorm ausgereift, nicht nur auf Schnelligkeit sondern vor allem auf Geländegängigkeit ausgerichtet. Mit extragroßen Rädern, einer Art "Federung" des Kanzelbodens durch Ledergeflecht, leichten Seitenwänden aus gehärteter Rohhaut über einem Eschengerüst, und nicht zuletzt über und über kunstvoll mit Jagdszenen aus der Mythologie verziert. Angespannt hatte ich heute zwei feurige junge Wallache, Söhne meiner guten Tertia - beide so schneeweiß wie sie geraten - und eines kyrenäischen Hengstes. Mit diesen hispano-kyrenäischen Kreuzungen hatten wir gute Erfahrungen gemacht, sie waren sehr leichtfüßig, trittsicher und verständig, wenn auch manchmal etwas schreckhaft.


    Auch wenn ich mittlerweile im Grunde nicht mehr daran glaubte, dass der mysteriöse Fremde auftauchen würde – wer nahm schon eine dubiose Verabredung im nächtlichen Rausch ernst, und wie zum Henker war ich auf die Verrücktheit gekommen, dass ein Rendez-vous bei Sonnenaufgang eine gute Idee wäre? - so hatte ich doch den ein oder anderen Gedanken an meine Erscheinung verschwendet, und mir zu diesem Anlass einmal wieder ein neues Jagd-Ensemble anfertigen lassen, in Abstufungen von Waldgrün mit eingewebten Ranken und aparten herbstroten Akzenten, eine Farbe die durch das Leder meines Gürtels und die halbhohen Jagdcalcei wieder aufgegriffen wurde.
    Verschnürt in zwei Bündeln an den Rändern der Kanzel lagen die Jagdwaffen und etwas Proviant. Meine treuen Custodes Akadios und Pelias, zum Glück kürzlich endlich von ihrer endlosen Sklavenhatz zurückgekehrt, folgten mir. Akadios ritt einen imposanten silbergrauen Hengst, Pelias eine zähe braune Stute.


    Die Straße verlief neben dem Aquädukt, das von hier aus bis in die Albaner Berge führte. Dort wollte auch ich hin. Hoch spannten sich die Bögen des Bauwerkes in den kühlen Morgenhimmel. Auf der anderen Seite säumten Pinien den Weg. Ich reckte mich, versuchte schon den besagten Wegschrein zu erspähen. Die Spannung wuchs, und es schien mir unwirklich, dass Marsyas, überragender Gefährte einer Nacht voll Seligekeit, tatsächlich auch im Licht des Tages existieren und mir begegnen könnte, an einem ganz normalen Straßenrand, wie ein ganz gewöhnlicher Passant!
    Doch auch wenn er nicht da sein sollte... ich war entschlossen, die Jagdpartie zu genießen. Die letzten Wochen waren mehr als ereignisreich gewesen, nun standen Equus October und Armilustrium vor der Türe, ich musste mal den Kopf frei bekommen. Nur für den Fall, dass er aber vielleicht doch da sein sollte - es ging schließlich nichts über einen gelungenen ersten Eindruck - trieb ich meine Rösser in einen flotten Trab, um formvollendet vor dem Wegschrein vorzufahren.

  • << Die Nacht, die man in einem Rausch verbracht... - oder: der Tanz der Satyren


    Kyriakos hatte dem heutigen Datum mit brennendem Herzen entgegengefiebert. Das kalte schwarze Tuch der Nacht lag noch auf der Urbs Aeterna, als er aufstand und sich auf den Weg machte. Nymphis blieb bei Python in der Taberna Apicia. Die beiden schliefen noch, während Evenor und Nicon gerade erst herein torkelten, nach Alkohol und Körperflüssigkeiten stinkend. Er traf sie auf dem Gang. Sie fielen ein Zimmer weiter in die Betten und rührten sich nicht mehr. Castor und Pollux blieben verschwunden, genau wie Satibarzanes. Nach der Mordserie in er Subura glaubte Kyriakos nicht mehr daran, sie jemals wieder lebend zu sehen. Umso verheißungsvoller schien in solch dunklen Zeiten die Aussicht, das Glück aus der Nacht des Bacchanals noch einmal zu spüren. Seine Schritte führten ihn quälend langsam durch Rom.


    Serenus, obgleich er ihn erst einmal gesehen hatte, war für ihn gleichsam ein Licht und eine beginnende Sucht. Kyriakos wollte ihn und der Gedanke, dass Serenus gelogen haben könnte und nie am Wegschrein zu erscheinen gedachte, erschien unerträglich. Anstatt still im Bett zu liegen, hatte Kyriakos sich darum viel zu zeitig auf den Weg gemacht, wobei er großzügige Umwege in Kauf nahm, um eine Beschmutzung seiner Füße im Unrat der Stadt zu umgehen. Kyriakos trug kein Schuhwerk. Am Leib hatte er nur ein einziges Kleidungsstück, seinen alten und entsprechend zerlumpten, aber gewaschenen phoinikis. Erstmals seit er Sparta verlassen hatte, trug er ihn heute wieder. Ein Gürtel mit einem Schnitzmesser als Jagdwaffe in der Scheide hielt den Mantel um die Taille zusammen.


    Und als dann die Sonne aufging und Serenus mit den ersten Strahlen pünktlich erschien, tatsächlich und leibhaftig, auf einem ... auf einem Streitwagen?! ... da stand Kyriakos einfach nur da und starrte fassungslos auf das Bild, was sich ihm bot. Der Kontrast zwischen den beiden Männern könnte nicht größer sein. Der eine in hochwertiger Kleidung mit herrlichen Pferden im Gespann - der andere barfuß und in einen Stofffetzen gewickelt. Hätte Kyriakos das gewusst, dann hätte er vielleicht doch ... nein. Dieser Mantel musste heute getragen werden.


    Mit einem verhaltenen Lächeln hob Kyriakos die Hand zu Gruß, halb damit rechnend, dass Serenus angewidert weiterfuhr.

  • Eine böse Zunge hatte mir einmal nachgesagt, ich würde das Bigafahren nur betreiben, um Gespielen abzuschleppen. Das war natürlich gelogen, ich liebte den Rennsport über alles! Wie herrlich war es, so dahin zu brausen. Der frische Fahrtwind wehte mir um die Nase, und einige goldene Sonnenstrahlen tasteten sich über den Horizont, verliehen den Wipfeln der Pinien einen smaragdgrünen Schimmer. In der Ferne, am Wegschrein, da war tatsächlich eine Gestalt auszumachen... ein Mann in Rot. Ich hielt auf ihn zu, der Mann hob grüßend die Hand, und ich erkannte frohlockend – unglaublich, er war es! Ich zügelte die Pferde und brachte die Biga vor ihm zum Stehen.
    "Marsyas!" Strahlend sah ich ihn an. "Was für eine Freude, dich zu sehen! Ich war mir schon nicht mehr so ganz sicher, ob du real bist oder nur... ein Wunschtraum rauschhafter Seligkeit. Komm, steig ein!"
    Die Zügel nahm ich in die Linke, und bot ihm die Rechte zum Einsteigen. Die Locken waren ab, das sah ich, und der malerische rote Mantel, den er um sich geschlagen hatte, erinnerte mich an die Figuren auf einem heroischen Wandbild im Kaiserpalast, von der Schlacht an den Thermopylen. Bei den Wachinspektionen auf dem Palatin kam ich daran häufiger vorbei.
    "Bei Diana und allen ihren Hunden, ich schwöre, du siehst aus, als wärst du direkt aus einem Fresko herausgetreten, von König Leonidas und seiner heiligen..." Ups, nein, da hatte ich etwas verwechselt, wie kam das bloß? "...ähem, ich meine natürlich tapferen Schar."
    Ein bisschen zerschlissen war sein Gewand, sogar ein bisschen sehr, und erstaunt bemerkte ich, dass er zudem barfuß ging. Bei der herbstmorgendlichen Kühle fand ich das sehr asketisch... und kam mir angesichts dieser Schlichtheit mit einem mal unangenehm dekadent vor, und vielleicht sogar etwas eitel, mit meinen punzierten Calcei und überhaupt dem ganzen Gepränge.

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  • Was für ein schöner Mann, dachte Kyriakos, als er Serenus nun im Lichte sah. Das war er schon im Feuerschein des Bacchanals gewesen, doch die Sonne offenbarte seine Gestalt in einer Detailfreude, die dem Auge mannigfache Freude schenkte. Kyriakos lächelte sonst nie, doch bei der freundlichen Begrüßung zogen seine Mundwinkel sich von allein ein Stück auseinander.


    »Die Freude ist ganz meinerseits, Serenus«, sprach er. »Was für eine Augenweide du bist. Du kannst an Kleidern tragen, was du möchtest, es steht dir immer. Selbst in Lumpen würdest du noch eine stattliche Figur machen.«


    Doch es war nicht sein Äußeres allein, das Kyriakos anzog. Es war die Verheißung nach Frohsinn, nach Glück, nach einer unbeschwerten Zeit, die er sonst nicht erlebte. Mit wem auch? Wie und wo? Sein Sohn zog die Gegenwart des fast blinden und schwerhörigen Pythons der seines Vaters vor, die übrige Familie weilte in großer Ferne und Freunde besaß Kyriakos keine. Kyriakos griff nach der dargebotenen Rechten, um sich hinauf in den Wagen helfen zu lassen. Als er sicher stand, legte er einen Arm um die elegante Gestalt des Serenus, weil er ihn gern spüren wollte. Die andere Hand jedoch hielt sich am Rand des Wagens fest, damit er nicht hinausfiel, falls dieser plötzlich anzog.


    »Die Männer der Heiligen Schar stammten aus Theben. Bei Leuktra haben sie uns übel mitgespielt. Danach war nichts mehr, wie es einst war. Aber man muss ihre Kampfkraft anerkennen. Man sagt, es war die Liebe zu ihren Gefährten, die ihnen die Macht verlieh, selbst das als unbesiegbar geltende Heer von Sparta zu besiegen.« Er sah ihm tief in die Augen. »Aber woher stammst du? Bist du in der Urbs Aeterna geboren?«


    Woher er diesen ... Streitwagen hatte, wagte Kyriakos noch nicht zu fragen. Erst musste er die Nervosität herunterschlucken, die sich seiner bemächtigt hatte, eine innere Unruhe, die ihm die Röte ins Gesicht steigen ließ, so wie am Horizont das Rot immer weiter über den Morgenhimmel kroch.

  • "Das glaubst du, weil du mich noch nie in Orange gesehen hast!" lachte ich, auf seine unverhohlene Schmeichelei. Es war ein Kompliment, wie man es einem Mädchen machte... doch mir gefiel es, oh ja wie gefiel es mir, von diesen herrlichen Lippen mein Lob zu vernehmen.
    "Oder in Froschgrün."
    Unsere Hände trafen sich, und er stieg auf. So plötzlich war er vom Traum zum Jagdgefährten geworden, stand dicht neben mir, legte wie selbstverständlich den Arm um mich, dass mir schier der Atem stockte. Doch reflexartig wandte mein Blick sich zur Straße, ging auf und ab, ob uns jemand sah. In unserer Nähe waren aber nur meine Custodes, auf ihren Pferden ein Stück hinter mir zurückgeblieben. In gebührender Entfernung zockelte gemächlich ein Ochsenkarren vor sich hin.
    Die Linke mit den Zügeln auf den Rand der Kanzel gestützt, wandte mich zu Marsyas. Eigentlich wusste ich natürlich, wohin die heilige Schar gehörte, die Geschichte hatte meine Fantasie schon immer beflügelt (und ich bedauerte sehr, dass dieses Konzept der Armeegestaltung sich historisch nicht hatte durchsetzen können – wie anders sähe der Exercitus romanus dann aus.)
    "Oh, du bist wirklich Spartaner?" begriff ich. Wie aufregend exotisch! Und in seinem Mantel schien er direkt aus der alten heroischen Zeit entsprungen. Mein Herz schlug höher, schlug mir bis zum Hals, als wir uns direkt in die Augen sahen. Das war... anders als nachts. Ich schluckte, hob die Rechte, und berührte andächtig sein Gesicht, aber nur kurz mit der Rückseite der Finger, denn seine Schönheit war so gewaltig, sie schüchterte mich ein und mir war gerade, als habe ich mit meiner Maske auch all meine Unbefangenheit abgelegt.
    "Ich... bin Hispanier," antwortete ich nervös, "aus Tarraco. Nach Rom... bin ich eigentlich nur gegangen in dem Versuch, dem Muff der Provinz zu entkommen." Ich lächelte schief, mit mir selbst im Widerstreit wie offen ich überhaupt sein durfte. Dies alles war nicht klug. Seine Nähe machte mich schwindelig, als stünde ich auf einem sehr hohen Gipfel, von dem es steil in die Tiefe ging. In seinen Zügen lag der Widerschein der Morgenröte, und fast war mir, als wäre es nicht nur dies. Bei Eros und Anteros, konnte es sein, dass er ebenso nervös war wie ich?
    Ich fasste mir ein Herz und stellte die Frage aller Fragen:
    "Wie... nennst du dich im Licht des Tages, Marsyas?"
    Meine Pferde zogen mit einem mal von selbst an, als Akadios und Pelias neben uns eintrafen, mustergültig uninteressiert wirkend. Rasch festigte ich meinen Stand und griff mit beiden Händen nach den Zügeln, lenkte den Wagen auf die gepflasterte Via. Die Schimmel streckten die Hälse und schritten schwungvoll aus, gen Südosten.

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  • Als er der erschrockenen Reaktion seines Gespielen gewahr wurde, erschrak auch Kyriakos. Er hatte nicht bedacht, dass man ihn heute nicht wie sonst bestellt hatte, sondern dass dies ein echtes Treffen war. Und dies nicht in Hellas, sondern in Roma. Fast hätte er es ruiniert, den Serenus bloßgestellt und auf ewig verjagt. So tat Kyriakos, als würde er ihm nur die Kleider zurechtzupfen, um anzuzeigen, dass er verstanden hatte, wenngleich es ihm ein wenig leidtat. Als die Finger des Serenus kurz sein Gesicht berührten, drückte ihnen die heiße Wange entgegen. Mehr durfte er nicht tun doch sein Blick zeigte, wie angenehm es ihm war.


    »Mein Name ist Kyriakos. Und ja, ich stamme aus Sparta.«


    Zu lügen ob seines Namens, darin sah er keinen Grund.


    »Hispania also ... man sagt, die Sonne schiene dort wärmer als anderswo, dass ihre Strahlen die Haut durchdringen und das Darunterliegende wärmen. Menschen, deren Gemüt von dunklen Wolken verhangen ist, wird empfohlen, sich dort niederzulassen für eine gewisse Zeit oder auch für immer. Jene, die dort geboren sind aber tragen die Sonne mit sich hinüber in andere Länder, gleich wie dunkel und kalt es dort sein mag. Ein Stück Hispania ist mit ihnen immer vor Ort.«


    Und die positive Wirkung des Lichtsatyrn war nicht zu leugnen gewesen. Auch ohne die Maske hatte Serenus nichts von seinem Zauber verloren. Kyriakos griff nach dem Rand des ... Streitwagens. So waren seine Hände unter Kontrolle und fassten nicht in einem unbedachten Moment in eine Richtung, die nicht gut war unter den Augen der Öffentlichkeit, und sei diese noch so klein. Er war zu lange in seinem Gewerbe tätig gewesen, das Gefühl dafür, was angemessen war bei einem gewöhnlichen Treffen, hatte er verloren. Er überlegte, wann er sich das letzte Mal mit jemandem aus dem Grund getroffen hatte, dass er denjenigen mochte. Auch für Velia war er nur ein Kunde von vielen gewesen, ganz gleich, was er gefühlt hatte. Ihm wurde der traurige Umstand bewusst, dass er sich noch nie mit jemandem aus gegenseitiger Zuneigung getroffen hatte. Noch nie, in seinem ganzen Leben. Jedes Treffen hatte einen Zweck verfolgt. Mit Ausnahme des heutigen.


    Die Steine unter den Wagenrädern ließen das Gefährt vibrieren und immer wieder leicht erbeben. Die Schimmel schritten ruhig und gleichmäßig aus. Kyriakos wusste wenig von Pferden, doch sie machten auf ihn den Eindruck, sie seien gut ausgebildet und Serenus routiniert darin, sie zu lenken.


    »Verrätst du mir auch deinen Namen unter dem Licht des Tages?«


    Kyriakos blickte dabei in die Ferne vor ihnen. Ein Nein fürchtete er nicht ... aber eine Lüge. Und doch hatte er auf die Wahrheit keinen Anspruch. Sie war ein Geschenk, wenn Serenus sie ihm zuteil werden ließe, nichts weniger als das, denn Serenus riskierte Einiges allein deshalb, weil er sich bei Tag und unmaskiert mit ihm traf. Nicht in einer dunklen Gasse, sondern in einem auffälligen Gefährt und einer Aufmachung, die dazu geeignet war, alle Blicke auf sich zu ziehen, nicht nur die des Kyriakos.

  • "Kyriakos von Spartha."
    Andächtig sprach ich seinen Namen aus, so herrschaftlich klang er, und zugleich lag eine Melodie darin. "Dein Name ist wie der Anfang eines Gedichtes..."
    Ach herrje – hatte ich das gerade wirklich gesagt? Wie konnte ich so was kitschiges nur laut aussprechen, hoffentlich ergriff er jetzt nicht vergrault die Flucht. Ich atmete tief durch, versuchte wieder einen etwas klareren Kopf zu bekommen, doch das war ein hoffnungsloses Unterfangen, denn sogleich verdrehte er mir meinen Kopf aufs neue, mit süßen Worten über mein Heimat, die die Erinnerungen an unser köstliches Spiel auf dem Bacchanal lebhaft in mir erweckten.
    "Es stimmt schon, wir haben dort ein ganz besonderes Licht, so klar wie nirgendwo sonst," schwärmte ich, "und sonnendurchglühte Hügel, voll Zistrosen im Frühling, auf den Steinen sonnen sich die Eidechsen wie lebendige Smaragde. - Ich aber habe mich immer danach gesehnt, einmal Achaia zu bereisen, die Wiege unserer Kultur und Lebenskunst."


    Nervös steuerte ich den Wagen, warf dem Spartaner neben mir einen scheuen Seitenblick zu. Edle Melancholie stand in seinen Zügen. Natürlich fragte er dann auch nach meinem Namen – damit hätte ich rechnen müssen. Ich war dermaßen bezaubert von ihm, dass ich nahe dran war, mich wirklich komplett vorzustellen, doch in meinem Hinterkopf irgendwo saß noch ein kleiner Wächter, der mir mahnend zuraunte: Faustus, du bist gerade gelinde gesagt unzurechnungsfähig. (Der Wächter, der mich heute vor dem Aufbruch auch daran erinnert hatte, meinen Eques-Ring zuhause zu lassen. Um den Hals trug ich allerdings noch immer offen meine Amulette, eines für Mars, eines für Serapis).
    "Ich heiße tagsüber... ganz ähnlich wie nachts." In mich hinein lächelnd erinnerte ich mich an seine verheißungsvolle Herausforderung: 'Wenn du mich bezwingst, bin ich dein.' Bezwungen hatte ich ihn nicht, aber zumindest schon einmal auf meinen Wagen entführt (der Wagen war eine Geheimwaffe in der Hinsicht).
    "Wenn du meinen Namen errätst, bin ich dein." sagte ich ihm kühn, doch im nächsten Augenblick umfing mich schon wieder eine lähmende Befangenheit. Ich richtete den Blick ebenfalls nach vorne, auf die wackelnden Pferdeohren, und konzentrierte mich aufs Fahren, da wusste ich zumindest was ich tat.


    "Halt dich fest." Ich trieb die Schimmel in einen flotten Trab. Bald kamen wir zu einer Abzweigung, hier fuhr ich von der Via Labicana rechterhand ab, auf einen grasbewachsenen Weg, der sich entlang der Aqua Tepula zog, welche unsere Stadt mit Wasser aus den Albaner Bergen versorgte. Es war ein Wartungsweg, auf dem selten jemand vorbeikam, und den ich gerne zum Biga-Training nutzte, auch für das anstehende Equus October mit meinen Kyrenäerinnen. (Die hatten gerade aber ihren Regenerationstag.) Ich sah noch einmal zu Mar... zu Kyriakos von Spartha, diesmal um mich zu vergewissern, dass sein Mantel außer Reichweite der Speichen war – das war er, gegürtet wie er ihn trug – dann ließ ich die Zügel auf die schneeweißen Pferderücken schnellen.
    "Auf, auf meine Schönen!" Sie schwangen die Hufe und fielen in einen rollenden Galopp, ungestüm in ihrem Bewegungsdrang, dem ich jetzt freien Lauf ließ. Die Pfeiler der Aquäduktes neben uns flogen nur so vorüber, und der Wagen holperte, trotz der hochmodernen Ledergeflecht-Federung, natürlich ordentlich. Wie herrlich! So dahinzubrausen war jedes mal aufs neue eine Lust, und noch ungeheuer viel berauschender war es, mit dem aufregenden Fremden an meiner Seite, während zu unserer Linken ein blutroter Sonnenaufgang erglühte....


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