Diocles.

  • Es war noch früh am heutigen Tag. Nun ja. Früh war ein dehnbarer Begriff. Und zumindest der bekannte Sklavenhändler Titus Tranquillus befand sich bereits auf dem Mercatus Urbis. Heute hatte der Händler einige interessante Neuerwerbungen am Start. Darunter einen jungen Mann mit dunklem Schopf aus der Provinz Thrakia. Und eben jenen jungen Mann ließ er sich von seinem Helfer auf das Verkaufspodest bringen. Seine Sklaven waren alle wohlgenährt. Denn dürre oder gar halb verhungerte Sklaven würden keinen Abnehmer finden und waren somit Geschäftsschädigend.


    “Werte Bürger Roms. Ich habe hier und heute ein besonders hübsches Exemplar. Direkt aus der Stadt Byzantion in der Provinz Thrakia. Dieser Bursche zählt stand heute 23 Jahre und hört auf den wohlklingen Namen Diocles.“


    Diese Informationen entnahm der Sklavenhändler den Pergamentrollen, die ihm sein Helfer für seine Ware eigenhändig zusammengestellt hatte. Für jeden seiner Sklaven gab es eine solche Pergamentrolle.


    “Sein Dominus verstarb früh und seine Erben wussten nichts mit ihm anzufangen. Und so bin ich an diesen griechischen Burschen gekommen. Bei seinem verstorbenen Dominus war er als Scriba Personalis beschäftigt. Er kann also eure Haushaltsbücher führen. Und er spricht Lateinisch und Koiné.“


    Erneut verstummte Titus Tranquillus und ließ seinen Blick schweifen. Gleichzeitig räusperte er sich leicht. Dieser Job war hart und anstrengend. Aber er war nun mal der Beste. Zumindest hatte es bisher niemand geschafft in seine Fußstapfen zu treten. Es gab zwar einige Versuche. Die jedoch allesamt kläglich gescheitert waren.


    “Beginnen wir mit einem Anfangsgebot von 500 Sesterzen.“

  • Diocles stand so ein bißchen unglücklich auf dem Podest, sofern man in dieser Lage überhaupt so etwas wie glücklich sein konnte, was er stark bezweifelte.
    Dabei hatte man ihn auf keinste Weise unkorrekt behandelt.
    In Byzantion war er von dem schon betagten Geschichtsschreiber Ephoros als neuer Privatsekretär angeschafft worden, doch sein Dominus verstarb kurz darauf. So geschah das, was in diesen Fällen üblich war: Ältere Sklaven wurden freigelassen, jüngere Sklaven, die schon länger im Haus waren, übernahmen die Erben in ihren Haushalt, und Neuerwerbungen wie Diocles wurden weiter verkauft.
    Über den zentralen Sklavenmarkt auf der Insel Delos war er an Dominus Titus Tranquilus gekommen. Bisher hatte man ihn den Umständen entsprechend gut behandelt, ihn nicht darben lassen und allzu grob waren die Helfer des bekannten Sklavenhändlers auch nicht mit ihm gewesen.
    Diocles fröstelte in seiner kurzen ärmellosen Tunika und hörte zu, wie er angepriesen wurde.

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  • Ich war vom Verkauf des blonden Barbaren , dessen Preis ziemlich hochgeklettert war, weiter geschlendert und näherte mich, Tiberios bei mir, dem Stand von Titus Tranquillus. Der Sklavenhändler hatte gerade einen jungen Mann auf das Podest gestellt, der aus Byzantion stammte und wohl so etwas wie ein Scriba war.
    Ich stieß Tiberios an: "Ersatz für dich?", fragte ich ihn und deutete mit dem Kopf auf die Ware. In diesem Moment nannte Titus Tranquillus das Startgebot von Fünfhundert. Ich schaute mich um. Viele Leute waren nicht da und keiner sah bietlustig aus.
    Ich näherte mich und sprach Titus Tranquillus direkt an:
    "Salve, ist mir gestattet, das Objekt näher zu betrachten?", fragte ich: "Ich möchte gerne einen Moment mit ihm reden."
    Nach wie vor hielt ich meinen persönlichen Eindruck von dem, was ich mir oder vielmehr Furia Stella ins Haus holen würde, entscheidend.

  • Als sich ein Römer in Begleitung seines offensichtlichen Sklaven dem Verkaufspodest näherte, ließ der ausgefuchste Sklavenhändler seinen durchdringenden Blick sogleich auf dem Interessenten ruhen. Den Sklaven an dessen Seite ignorierte Titus Tranquillus komplett.


    “Salve junger Herr. Trete ruhig näher und betrachte diesen Wunderknaben.“


    Dabei vollführte der Händler eine gar einladende Geste in Richtung des Römers.

  • Mit meinem just erhaltenen Beutel mit Äpfeln in der Hand ging ich weiter. Sehr nachdenklich, wie ich zugeben musste. Verstopft mit den eigenen Gedanken und der Verwunderung über das Geschick, welches mir nun widerfahren war, grübelte ich über die Valeria und auch darüber, ob ich die Angelegenheit gerade geträumt hatte. Meister Awidanos erreichte so den Sklavenmarkt, wo gerade ein Mitbruder meiner Zunft auf dem Podest stand. Ein ‚Diocles‘, wie der Sklavenhändler skandierte. Scriba Personalis gewesen zu sein war schon etwas. Nach immer unter meinen eigenen kreisenden Gedanken und der drohenden Gefahr, der ich mich aussetze, da etwas in mir natürlich noch immer vor hatte, Dominus Selenus den Vorschlag der Valeria nahe zu bringen, klaubte ich einen Apfel aus dem Beutel und begann diesen zu essen, während ich mir die Szenerie betrachtete. Doch Mitbruder hin oder her – ich hatte mir schon lange das große Mitgefühl abgewöhnt. Da Schicksal war eine grausame Kreatur und vielleicht hätte es mich mehr geschert, wenn der Sklave auf dem Podest Gefahr lief in die Minen verkauft zu werden. Aber ein Scriba würde sicherlich nicht in einem Lupanar enden oder bei anderen zwielichtigen Gestalten von Hand zu Hand weitergereicht. Gut, ich hatte ja auch immer meinen Teil dazu beigetragen, dass mich die Vorsehung nicht immer gestreichelt hatte, aber nun stand ich ja vor der höchst eigenen Verlockung.


    Frei Kost und Logis, bei gutem Peculium, sehr gutem Essen und Reisen in der Sänfte. Es wäre doch wunderbar. Besser als auf so einem Podest auf dem ich wohl auch irgendwann enden würde, denn Dominus Selenus wusste ja jetzt schon nichts mit mir anzufangen. Immerhin hatte er mich gerettet, doch hatte es auch im Gespür, dass mit seinen Geschäften die Gefahr für mich ebenso stieg wie für einen Meister Awidanos in Gesellschaft junger Philosophie-Interessenten. Vollmundig kauend stand ich also an der Seite und betrachtete mir, wie ein Römer nun mit dem Händer sprach und offenbar das Podest besteigen wollte. Wie auch immer. Vielleicht wäre es wirklich gut, wenn ich meinen Verkauf selbst in die Hand nahm und mir somit einiges ersparte. Meister Awidanos. Es klang doch unglaublich erhebend!

  • Diocles schaute zu Awidan hin, von dem er nicht wusste, dass er Awidan hieß. Der junge Mann stand da, aß einen Apfel aus einem ganzen Beutel voller Äpfel und schien sich so recht heimisch zu fühlen in dieser riesigen Urbs Aeterna. Wie er ihn beneidete.
    Dann kam ein junger Römer in Toga zu ihm hoch, um íhn zu mustern und mit ihm zu sprechen. Das verstand Diocles, weil man als Scriba eine Vertrauensstellung im Haus hatte, gut.
    Der Römer hatte noch einen Sklaven dabei, einen lockenköpfigen Jüngling.
    Diocles beobachtete den Lockenkopf. Er sah wohlgenährt aus und nicht so, als würde er Prügel beziehen. Das war schon einmal beruhigend.

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  • „Salve“, sprach ich den jungen Sklaven an, der zum Verkauf stand:
    „Demetrios, 23 Jahre alt. Richtig? Du kannst Griechisch und Latein in Wort und Schrift? Auch Haushaltsbücher führen? Wie verbringst du deine freie Zeit am liebsten ?"


    Mir ging es nur darum, die Stimme des Burschen zu hören und zu sehen, ob er sich zu benehmen wusste, weniger darum was er sagte.
    Dann nickte ich Tiberios zu:
    „Das ist der furische Maiordomus, bestimmt hat er auch Fragen.“, sagte ich.

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  • Tiberios sprang auf das Podest, er war etwas kleiner als Diocles und musste zu ihm hochschauen.
    Laut und klar sagte er auf Koiné:Chaire Diocles. Nenne mir deinen Lieblingsautor und dann dein Lieblingszitat, und übersetze es in die jeweils andere Sprache.“
    Auch Tiberios wollte heraus finden, welche Art Mensch der junge Sklave war und dachte, dass man das durch die bevorzugte Lektüre am besten feststellen konnte. Außerdem konnte er auf diese Weise herausbekommen, ob der zukünftige Scriba in den beiden hauptsächlich gesprochenen Sprachen des Imperiums sattelfest war.

  • Diocles schaute immer noch auf den Apfel in Awidans Hand, und das Wasser lief ihm im Munde zusammen.
    Aber dann konzentrierte er sich auf Aulus Furius Saturninus und den furischen Maiordomus. Tiberios erschien ihm für einen Maiordomus sehr jung, kaum dem Jünglingsalter entwachsen. Doch der Römer hatte ihn so bezeichnet, also musste er einer sein.


    Der Sklave auf dem Podest korrigierte nicht, dass der Kaufinteressent ihn Demetrios nannte, denn wenn sein neuer Dominus ihn lieber Demetrios rufen würde, würde es so sein.
    Etwas verlegen wurde er: „Wenn ich frei bekomme, schlafe ich meistens, Dominus.“, sagte er leise zu Saturninus.
    Und zu Tiberios: „Ich schreibe auf, was man mir diktiert. Um den Inhalt kümmere ich mich nicht. Ich habe keine Lieblingsschriftsteller oder Zitate, aber wenn du mir eines nennen würdest, kann ich es übersetzen, Maiordomus“

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  • Ich grinste von einem Ohr zum anderen und stieg wieder zu dem Sklavenhändler hinunter:
    „Klingt hervorragend!“, sagte ich und gab Tiberios, der ebenfalls vom Podest gesprungen war, einen Klaps auf die Schulter:
    „EIN Sklave in Casa, der glaubt, dass er ein Philosoph oder Dichter oder Schauspieler ist, reicht mir. Diomedes wird nicht ganz so anstrengend sein.“
    Die Bemerkung war etwas spitz, ich weiß.
    Ich wandte mich an Tranquillus:
    „Fünfhundert Sesterze war der Preis? Ich nehme ihn.“

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  • Der Sklavenhändler hielt sich diskret im Hintergrund. Schließlich sollte doch der potentielle Käufer das Objekt seiner Begierde voreingenommen betrachten können.


    Als es dann jedoch final wurde, war auch Titus Tranquillus wieder zur Stelle und gab seinem Helfer einen knappen Wink. Dieser sollte die Urkunde ausstellen.


    “500 Sesterzen zum Ersten. Zum Zweiten und zum Dritten. Verkauft an diesen Herrn dort.“


    Tönte der Sklavenhändler und händigte dem Furier die Besitzurkunde aus. Damit war für Titus Tranquillus der Verkauf des Burschen erledigt.


    Sim-Off:

    Die Übertragung, bzw Signaturzusatz dann bitte über die SL.

  • Titus Tranquillus war sehr gut organisiert; kaum war der Sklave verkauft, brachte er mir auch schon sein Helfer die Besitzurkunde.
    Dennoch wollte ich auch die alten Bräuche pflegen, und so griff ich nach meiner Neuerwerbung und hielt seinen Arm hoch, da man das Objekt im wörtlichen Sinne anfassen musste.
    Dann rief ich so laut, dass man mich gut hören konnte:
    „Ich behaupte, das dieser Sklave nach quiritschem Recht mein Eigentum ist!"
    Ein Moment der Stille folgte, denn natürlich erhob der Händler Titus Tranquillus keinen Einspruch, da wir uns zuvor geeinigt hatten. So war das Manzipieren des Sklaven eine einfache Formalität.


    Ich befahl Tiberios, dem Sklavenhändler eine Quittung auszustellen, denn so groß war mein Vertrauen in die öffentliche Sicherheit nicht, dass ich fünfhundert Sesterzen mit auf den Mercatus genommen hätte. Später würden dann meine Boten das Geld zu Tranquillus bringen. Dann verabschiedete ich mich mit einem geschäftlichen Segen.


    Diocles - jetzt fiel mir wieder ein, wie der Bursche hieß - wartete neben mir, während Tiberios schrieb. Dann winkte ich ihm, uns in die Casa Furia zu begleiten.

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  • Noch immer beschaute ich mir den Vorgang auf dem Podest, auf welches nun zwei Interessenten geklettert waren. Einer etwas behänder als der andere. Wieder biss ich herzhaft in meinem Apfel und wagte mich nun auch wenig näher. Vielleicht um in Erfahrung zu bringen, was die beiden Interessierten denn genau so – nun – interessierte. Vielleicht gelang es mir ja auch das ein oder andere Wort zu erhaschen, was aber gewiss schwierig werden würde. Immerhin waren noch einige andere Menschen versammelt, welche sich unterhielten. Dennoch traute ich mich nun ein wenig näher an das Podest, etwas seitlich und sehr unauffällig. Auffallen wollte ich immerhin keineswegs, was leider eine kleine Illusion war. Schließlich spähte der Mitbruder, der zum Verkauf stand zu mir hinüber, offenbar interessiert an meinen Äpfel, welche ich jedoch nicht zu teilen gedachte. Erstens, weil es kaum möglich war und zweitens, weil ich sie mir – so meinte ich – redlich verdient hatte. Also nickte ich dem armen Menschen nur zu und lächelte dann noch einem anderen entgegen, welchen ich ebenfalls kannte. Ein Römer vor dem Podest und mit einem verwegenen Dreitage-Bart. Ein gediegener Mensch, der schon öfters seine Aufwartung bei Kaeso gemacht hatte und dessen Lupanar, in welchem ich ja nun – zum Glück – nicht mehr tätig war und auch nicht mehr tätig werden würde.


    Ich lächelte leicht zurück und wendete mich ein wenig ab. Nicht dass der Mann noch meinte, er könne mir hier irgendwelche Avancen machen, denn das hätte mir noch gefehlt. Zum Glück ging aber die Aufmerksamkeit aller nun wieder auf das Podest hinauf, wo der Käufer nun sein Besitzrecht proklamierte. Mist! Nun hatte ich gar nichts von den Worten, die gesprochen worden waren, mitbekommen. Schließlich sollte es um Autoren und Zitate gehen und das wäre sicherlich interessant gewesen, wenn ich mich von nun an für Philosophie begeistern würde. Probleme würde das allemal bringen. Ich konnte ja schließlich nur schlecht lesen, doch mit ein wenig Übung… und auskennen tat ich mich ja auch nicht. Außerdem hatte ich keine Möglichkeit an eine Bibliothek heran zu kommen. Meine Stirn legte sich aber bereits jetzt in Denkerfalten. Meister Awidanos würde schon einen Rat finden!

  • Tiberios aber hatte den Mann mit den Äpfeln und den Blick von Diocles bemerkt, und er erinnerte sich gut daran, dass er selbst damals auf dem Podest Durst gehabt hatte, aus dem einfachen Grund, weil man vorher nicht allzu viel zu trinken bekam. Es machte einen schlechten Eindruck auf die Kundschaft, wenn einem Sklaven ständig die Blase drückte oder er sich gar andauernd erleichterte.
    Er ging nun zu Awidan hin, dessen Status für ihn nicht ersichtlich war, weil er nicht wie Tiberios eine Bronzetafel um den Hals trug, und fragte:
    "Salve dominus, würdest du mir wohl einen Apfel aus deinem Beutel verkaufen?"
    Er hielt drei Asse in seiner Hand

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  • Eigentlich hatte ich mich nun schon wieder ebenso unauffällig wie schon zuvor auch davon schleichen wollen, doch zu meiner Überraschung wurde ich nun angesprochen. Dank des drei-Tage-Bärtigen Lupanarkunden, der mich ebenso erblickt und mir verwegen – vielleicht auch wenig anzüglich – entgegen gegrinst hatte, war es nun der junge Mann, der mich ansprach. Jener, welcher zuvor mit meinem Mitbruder parliert hatte. Ich staunte nicht schlecht und war nun auch ein bisschen überrascht. Offenbar war ich nicht mehr nur Meister Awidanos, sondern auch ein Dominus. Besondere Hinweise auf meinen Stand trug ich ja nicht, also sollte ich mich wohl besser auch nicht allzu sehr wundern. Schon die Valeria meinte in mir einen freien Mann erblickt zu haben. Eine saubere, ansehnliche Tunika machte also schon eine ganze Menge aus. Auch, dass mir nun ganze drei Asse für einen Apfel angeboten wurde! “Salve…,“ gab ich also von mir und lächelte dann wieder. Das war natürlich ein Angebot, welches ich nicht ausschlagen konnte.


    “Aber natürlich würde ich einen Apfel verkaufen!“, gab ich geschäftstüchtig bekannt. Mitleid sollte man ja am besten auch nicht einfach so verschleudern, aber unter diesen Vorraussetzungen ließ sich darüber natülrich reden. “Du könntest auch zwei für nur fünf Asse bekommen, oder drei für sagen wir….sechs Asse! Ein wenig Handeln konnte ja nicht schaden und diese waren, auch wenn es nur bei dreien davon blieben sollte, doch eindeutig leichter verdient als jene vierzig, die noch auf der Latrine im Lupanar versteckt lagen. Für diese hatte ich ja auch noch immer keine Lösung gefunden, doch wollte ich sie auch weiterhin unbedingt zurück bekommen, denn für jemanden wie mich war das doch eine Menge Holz - sozusagen ein schwerer finanzieller Verlust!


    Ich lächelte dem jungen Mann also auch weiterhin entgegen, was sehr einfach war, da er auch sehr hübsch anzuschauen war. Er musste ungefähr in meinem Alter sein, vielleicht auch ein wenig jünger, doch im Schätzen war ich ja noch nie besonders gut gewesen. Dann fiel mir aber noch etwas ein. “Verzeih’, aber ich würde gerne wissen, was genau du den Sklaven dort oben gefragt hast,“ sagte ich dann und war bemüht, dabei auch recht selbstsicher zu erscheinen. “Ich meine… ich mag nicht neugierig erscheinen, doch würde ich mich gerne ein wenig in…“ Ich überlegte kurz, doch so recht war der Meister Awidanos in mir wohl noch nicht etabliert. “… in Kauf und Verkauf üben!“ Das traf es ja in etwa und ich nickte mir auch sogleich flüchtig selbst zu. Nicht schlecht, nicht schlecht…., sprach ich also in Gedanken zu mir selbst und lächelte dann einfach weiter.

  • „Mehr als drei Asse habe ich nicht bei mir.“ sagte Tiberios bedauernd: „Ein Apfel muss genügen. Ich will ihn dem neuen Sklaven geben. Ich bin mir sicher, dass ihm schon die Zunge am Gaumen klebt.“
    Er legte die Bronzemünzen auf seine Handinnenfläche und lächelte. Der andere Bursche, ungefähr in seinem Alter, wirkte freundlich.
    „Na den Verkauf beherrschst du bereits, so geschäftstüchtig wie du bist.“, wandte er ein, als Awidan meinte, er wolle sich in Kauf und Verkauf üben:
    „Ich hatte den neuen Scriba nach seinem Lieblingsschriftsteller und seinem Lieblingszitat gefragt.“, beantwortete er die Frage:
    „Und ob er letzeres entweder ins Griechische, wenn es von einem lateinischen Autoren stammt oder ins Lateinische, wenn der Verfasser ein Grieche sein sollte, übersetzen kann. Ich dachte, so kann ich ein wenig über seine Fähigkeiten und auch seine Art, die Welt zu sehen, herausfinden. Mein erster dominus in Roma hatte mir damals die Aufgabe gestellt, einen von mir erwählten Satz in Latein, Koiné und Attisch niederzuschreiben, und ich hatte mir etwas von Platon gewählt: Ex praemissis autem facti dicimus quod necesse est causa effectus.*
    Ich denke nicht, dass ich dir mit dieser Auskunft groß weiter helfen konnte, das tut mir Leid.“


    Sim-Off:

    *Von dem Gewordenen aber sagen wir, daß es notwendig aus einer Ursache entstanden sei.

  • “Oh schade!“, war es mir entkommen, als mein Gegenüber meinte, dass es nicht genug Asse bei sich hatte für mehrere Äpfel. Aber über drei Asse freute ich mich natürlich genauso. Also langte ich in den Beutel und zog einen schönen Apfel daraus hervor, um diesem dem anderen zu reichen. “Es macht auch ein wenig die Übung!“, erklärte ich dabei und eben daraufhin, dass der andere meinte, ich wäre ja schon recht geschäftstüchtig und würde den Verkauf schon recht gut beherrschen. Vielleicht mochte das sogar stimmen, denn schließlich war ich es ja gewohnt micht selbst zu vermarkten. Bei Kaeso und seinen Kunden und zuvor auch schon in Syria und meiner Reise bis Rom. Dann schaute ich dem anderen aufmerksam entgegen, als er erklärte, was er dem Sklaven denn auf dem Podest für eine Frage gestellt hatte. Von Lieblingszitaten von Schriftstellern war ich natürlich geistig recht weit entfernt und mir wäre sicherlich kein einziges eingefallen. Allein aus dem Grund weil vollkommen unverschult war, was ja auch ein Vorteil im Leben sein konnte. Man dachte eben weniger nach und sah die Dinge von der praktischen Seite. Auch ein schlechtes Gedächtnis konnte manchmal recht nützlich sein. Man vergaß viele Dinge, die einem nicht beliebten. Das musste ja nicht nur Zitate sein oder komplette Oden, sondern auch aufdringliche Mahnungen, Ratschläge oder die ein oder andere Strafe im Nachgang. Ich kratzte mich ein wenig an der Schläfe, während ich nun so vor mich hin dachte und nickte zu den weiteren Worten des anderen.


    Das Übersetzen von Texten, bzw. Worten vom Griechischen in das Lateinische war nicht allzu schwer, wenn man über ein wenig Übung verfügte. Viel schwerer jedoch war zu verstehen, was denn der Platon wohl mit seinem Spruch gemeint hatte. Von dem gewordenen aber sagen wir, dass es notwendig aus einer Ursache entstanden ist. Gut. Ganz so fürchterlich kompliziert war es vielleicht doch nicht. “Ach, das macht nichts!“ sagte ich auf das Bedauern des anderen hin, mir nicht weiter helfen zu können. Die Besten halfen sich sowieso immer selbst. Dann aber verzog ich noch einmal nachdenklich den Mund. Platon schien recht weitreichend zu sein. Nun war er mir schon zum zweiten Mal an diesem Tag auf dem Markt begegnet. Ganz so, als er sei er unsterblich. Zumindest in den Köpfen. Ob das seiner Seelenreise unzuträglich war, wenn wo so viele ihn immer und stetig festhielten? Woher dieser Gedanke kam war mir schleierhaft, denn das war nun wirklich eine ungewohnte Bahn für mich. Also ich seufzte ich nun. “Kannst du mir denn sagen, wo ich etwas über Seelenreisen und diesen Platon lernen kann?“ Ich betrachtete die drei Asse, die nun in meiner Hand waren. “Also… wenn es nicht mehr als drei Asse kostet. Vielleicht auch vier...“ Mehr wollte ich wirklich nicht in der Bildung anlegen. Da war mir mein Magen doch näher als der Kopf. Viel mehr hatte ich ja im Moment auch nicht zur Verfügung.

  • Das Ansinnen des Jünglings, mehr über die Seelenreisen - nun war nicht wirklich das Wort, doch er legte es nicht auf die Goldwaage - und Platon lernen zu wollen, weckte sofort Tiberios' Begeisterung. Er rief aus:
    „Oh, die Seelenlehre des Platons, obwohl er selbst nie von metempsychosis, Seelenwechsel, spricht, aber das wohl damit meint, könnte ich dir vortragen, und du brauchst auch nichts zu bezahlen. Warum du nichts bezahlen musst, erkläre ich gleich.


    Eine Einführung in die Seelenlehre von Platon wäre auch schnell getan; ich denke, wenn du dir drei, vier Stunden Zeit nimmst, bekommen wir das hin.
    Denn schon hier ist zu unterscheiden, dass Platon durchaus nicht sein ganzes Werk durchgehend die gleiche Theorie vertritt; In der ersten Zeit, die etwa vom Tode des Sokrates bis zu den ersten Reisen dauert, in der zweiten Phase seines Schaffens von seinem Aufenthalt in Megara bis zur Gründung der Akademie und in der dritten, dann Spätphase bis zu seinem Tod, in der er quasi die Synthese der anderen beiden Zeiträume erreicht, modifiziert er nämlich seine Ansichten.


    Erst später greift Platon auf die Totenrichter und darauf zurück, dass die Art der Wiedergeburt eine Belohnung oder eine Strafe für das geführte Leben sein kann.


    Im Gegensatz zu Sokrates sucht er nicht nach dem Wahren und Guten sondern nach dem Wahrhaftig Existierenden, und so dreht sich ein großer Teil seiner schriftstellerischen Tätigkeit darum, die Existenz der Psyche zu beweisen.


    Dieses Vernünftige, das wahr und das Wahre, das vernünftig ist, bezeichnet er als Idee oder eidos,und durch die Präexistenz unserer Psyche, die vor der Geburt in dem tópos hyperouránios, dem überhimmlischen Ort, weilte, sind wir ab und an fähig, uns an die Welt der Ideen zu erinnern, doch nur wenn wir die Bande des sinnlichen Begehrens ablegen. Priestern, Sehern und Dichtern wird manchmal diese Einsicht geschenkt.


    Die anamnesis, die Erinnerung an die Ideen, die die Seele einst geschaut hat, ist für Platon der Beweis dafür, dass so wie Wärme eine Eigenschaft des Feuers ist, Existenz eine Eigenschaft der Seele ist und deshalb werden wir wiedergeboren.


    Wenn die Amnanesis aber existiert, so ist alles Lernen nur ein Wiedererinnern, mein Freund, was bedeutet, dass du eigentlich das ganze philosophische Wissen schon in dir trägst, und meine Aufgabe wäre nur, in dir die verschüttete Erinnerung freizulegen.
    Wie aber kann ich von dir Geld verlangen für etwas, was du schon weißt?

    Das Wort „Erinnerung“ erinnerte Tiberios daran, dass er nicht alleine sondern als Begleitung von dominus Saturninus auf dem Sklavenmarkt war. Und das es anstatt Vorträge zu halten, hier seine Aufgabe war, sich um den neuen Scriba zu kümmern. Vermutlich war das gerade eine dieser Eigenmächtigkeiten, die der furische Dominus an ihm nicht mochte.
    Und so sagte er etwas bedrückt: „Danke, dass du mir den Apfel verkauft hast. Ich habe leider keine Zeit mehr, Dominus. Vielleicht können wir uns mal an einem anderen Tag treffen, doch gerade braucht mich mein Herr."
    Seine Miene hellte sich auf:
    „Aber ich versichere dir , dass ich mich dann besser vorbereite und auch die entsprechenden Textstellen herausgesucht habe. Dann kann ich dir alles viel ausführlicher erklären als so aus dem Stehgreif.“

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  • Anscheinend hatte ich in meinem Gegenüber den richtigen Nerv getroffen, denn der junge Mann sprudelte auch sogleich drauf los, was mir das Erstaunen ins Gesicht trieb. Natürlich gepaart mit einem überraschten, wenn auch nicht minder erfreuten Lächeln. Offenbar war Platon wirklich ein gefragter Mann und das auch noch völlig kostenfrei, wie es sich anhörte. “Wundervoll!“, entkam es mir also vor allem unter diesen letzten Erkenntnis und der andere wollte ja auch sogleich erklären. Also musste sich Meister Awidanos nun wappnen, weshalb ich auch besonders gut zuhören wollte. Drei bis vier Stunden Zeit konnte ich sicherlich auch erübrigen und dann gab ich so etwas wie “Aha...“ und “...Mhm...mhm…,“ von mir, während ich verstehend nickte. Das mit den Phasen im Schaffen konnte ich gut verstehen, denn die durchschritt wohl so ziemlich jedermann. Ich ja auch. Zunächst in Syria bei Onekl Adad, dann weniger rühmlich auf den Routen der Händler und dann eben unterwegs und nun hier. Dabei war es dann auch ein wahres Wunder, dass ich noch wahrhaftig existierte, was ja just vor wenigen Wochen noch auf der Kippe gestanden hatte. Wahres und Gutes lag ja auch im Auge des Betrachters und für mich war zum Beispiel immer alles gut, was den Magen füllte, doch ich war ja auch kein Schriftsteller. Noch nicht! Ideen würde es da sicherlich auch viele geben. Das hieß, sobald ich wirklich auch schreiben konnte. Aber nach Lehrstunden dieser Art fragte ich an dieser Stelle wohl besser nicht!


    Auch dass die sinnlichen Begehren abgelegt werden würde, sollte man als Priester, Seher oder Dichter beschenkt werden, behagte mir im ersten Moment nicht sonderlich. Dann aber sagte mein Gegenüber etwas, was mir einen überraschten Laut entlockte. “Ach wirklich?“, entkam es mir voller Erstaunen darüber, dass alles was es zu wissen gab auf dieser Welt schon in mir weilen sollte. Warum hatte ich das bisher noch gar nicht bemerkt? Auch anderen war das seither schwer gefallen, weshalb ich es auch nicht sogleich glauben konnte. Also ging es nur darum, das Verschüttete frei zu legen und aus den Trümmern der Dummheit zu erretten. Und mein Gegenüber wollte dies auch in Bälde völlig kostenfrei tun! Was für ein Glück! Was für ein Tag! “Ja, ja… natürlich. Geld verlangen für so etwas wäre ja auch…,“ begann ich dann zustimmend, aber so unglaublich vermessen wollte ich dann auch nicht erscheinen. “Ich meine, ich wäre die unglaublich dankbar!“, sagte ich also dann stattdessen. Dann aber erinnerte sich der junge Mann, der wohl wahrhaftig auf dem geistigen Gebiet um einiges beleuchteter war als ich, an den Sklaven, welcher gerade erstanden worden war.


    Auch mein Blick schwenkte nun zu diesem und dem glücklichen römischen Käufer hinüber. Dabei lächelte ich nun glücklich und ebenso erleichtert dem just erworbenen Sklaven Diocles an. Immerhin gaben Römer deutlich mehr für ihre Bildung aus und ich bekam obendrein drei Asse dafür und musste im Gegenzug nur von einem meinem Äpfel lassen. “Ja natürlich!“, sagte ich also voller Einsicht. “Seinen Herrn sollte man nicht warten lassen…,“ Ich den meinen vielleicht auch nicht länger, schließlich würde Dominus Selenus annehmen müssen, dass ein Botengang nicht so ewig dauerte wie eine Seelenwanderung. “Ich danke dir!“, stellte ich also heraus, als der andere sogar noch etwas für meine weitere Bildung vorbereiten wollte, damit das Ganze vertieft werden konnte. “Ich würde das sehr gerne in Anspruch nehmen… dein liebenswürdiges Angebot… wo… kann ich dich denn finden, wenn es so weit ist?“, wollte ich aber noch wissen. Kurz überlegte ich, ob für das großartige Angebot noch einen Apfel sozusagen – spenden wollte, entschied mich dann aber dagegen. Helena liebte Äpfel ebenso sehr wie ich und sie wollte ich ja auch noch beeindrucken. Sofern sie es denn überhaupt noch verdiente. Meister Awidanos würde sich nämlich nicht länger ihre Launen gefallen lassen. Das nahm ich wirklich vor!

  • Verborgen von einigen Verkaufsständen verharrte die Thrakerin in absoluter Regungslosigkeit. Während ihr Blick mit einem intensiven glühen auf dem Verkaufspodest des Titus Tranquillus ruhte. Doch nicht auf dem Sklavenhändler ruhte ihr Blick. Sondern auf dem jungen Mann der dort oben zum Verkauf angepriesen wurde.


    “Diocles.“


    Hauchte die Thrakerin den Namen des jungen Mannes und spürte wie sich etwas in ihr verkrampfte. Zeitgleich pochte ihr Herz schmerzhaft schnell in ihrer Brust. Sie kannte diesen jungen Mann dort oben auf dem Podest. Sie kannte ihn von den Sklavenmärkten in Delos. Dort waren sie sich das erste mal begegnet. Und sie hatte seinen Blick als sanftes kribbeln auf ihrer Haut gespürt. Dann wurden sie getrennt. Die Thrakerin an einen anderen Händler verschachert und Diocles verlor sie aus den Augen. Auch wenn sie beinahe tagtäglich an den Dunkelhaarigen denken musste, wie es ihm wohl ergehen mochte. War er überhaupt noch am Leben?


    Schließlich schlich sich die Dunkelhaarige Schritt für Schritt näher. Darauf achtend das sie nicht zu interessiert wirkte. Ob er sie überhaupt bemerkte? Erkannte er sie wieder und erinnerte er sich? Oder hatte er diese Zeit komplett aus seinen Gedanken gestrichen? Unruhig trommelte ihr Herz in der Brust, während sie herauszufinden versuchte, wer den Zuschlag für den Dunkelhaarigen erhalten hatte. Und tatsächlich hatte sich vor dem Podest ein Römer aufgebaut, flankiert von seiner Entourage. Zumindest vermutete dies die Thrakerin. Während sie erneut versuchte Blickkontakt zu dem Sklaven auf dem Podest herzustellen und selbst so unsichtbar wie nur irgendmöglich zu agieren.

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