Gespräch zweier Steine - Viridomarus & Satibarzanes

  • "Erdtöne? Nur Braun?", fragte Satibarzanes. "Ich dachte vielleicht Grün? Aber wenn du Braun sagst, trage ich Braun. Ich möchte nicht wieder hässlich werden."


    Als Viridomarus ihn fragte, ob er denn ein Spielbrett sei, zuckte er mit den Schultern. "Ja, doch ... irgendwie schon." So war das, wenn der eigene Körper zum Markt getragen wurde. Es war in Ordnung, so lange er nicht zu dem Mann musste, der ihn immer würgte oder anderen, die ihm absichtlich weh tun wollten, weil sie schließlich dafür bezahlten.


    "Ich habe nichts Wichtiges vor, aber ich muss Lurco fragen, weil er mich angestellt hat. Wenn ich deswegen meine Arbeit verliere, kann ich nicht mit. Aber wenn er zustimmt, können wir sofort aufbrechen, ich besitze ja kein Gepäck. Dann hätte ich außerdem Urlaub von Terpander."


    Er beobachtete, wie Viridomarus ihm die neue Mähne richtete. Satibarzanes lächelte noch immer. Er freute sich riesig darüber und eine Reise würde ihm auch gefallen.

  • Viridomarus gab seine Position auf und stellte sich vor Satibarzanes. Sein Gesicht war ernst, so ernst wie ihn Sati noch nie gesehen hatte.


    "Das Wichigste zuerst, Du bist kein Spielbrett. Keines! Nicht doch, vielleicht, möglicherweise, irgendwie schon! KEINES! Punktum. Ein Mann kann vieles verkaufen, Waren oder sogar seinen Körper. Aber Du bist kein Sklave. Du verkaufst in welcher Form auch immer eine Dienstleistung, nicht Dich selbst. Haben wir beiden uns da verstanden?


    Wir reden von der Gegenwart. Was war ist vergessen, was sein wird wissen wir beide nicht. Im hier und jetzt bist Du kein Spielbrett. Und jeden Tag wirst Du Dir das sagen. Man spielt mit Dir nicht. Ein Geschäft ist alles, aber niemals ein Spiel. Eine Ware ist eine Ware, aber niemals Du.


    Oder wem hast Du Deine Seele verkauft? Rede niemals wieder so abfällig über Dich, am Ende glaubst Du es noch selbst!", warnte Viridomarus Satibarzanes.


    "Damit verlassen wir dieses üble Thema, denn von nun an bist Du Satibarzanes, der Mann der mit Stolz eine Löwenmähne trägt. Eine die er sich mit Fleiß und Geschick selbst erarbeitet hat. Er wurde sogar in Vorkasse für sein wundervolles Mosaik bezahlt, kurzum für sein Kunstwerk.


    Mein Lieber Erdtöne sind alle Nuancen die Du Dir nur von Braun vorstellen kannst. So leicht, dass Du meinst nur einen Hauch von braun zu vermuten. Oder so satt und dunkel, dass Du meinst Du schaust in das Antlitz eines Nubiers. Die Palette dazwischen die so reichhaltig, Du könntest mir gar nicht alle Brauntöne in Kleidungsform herbeischaffen. Ich würde Dir immer noch ein Kleidungsstück präsentieren können in einem Braun dass Du noch gar nicht kanntest.


    Hinzu kommt die wundervolle Kombinationsmöglichkeit und natürlich Sati, dass muss erwähnt werden, Deine Absicherung.


    Ob ich da bin um Dich mit meinem zweifellos erhabenen Geschmack zu beraten, oder ob Du alleine bist, Viri steht Dir bei. Deine Kleiderwahl wird nie wieder ein Problem. Alles was Du von nun an in Besitz hast, wird zueinander passen. Du wählst etwas aus und es harmoniert. Genau dass ist das Ziel einer perfekten Durchgestaltung.


    Du greifst zur Tunika, zum Gürtel, zur Sandale und zum Umhang und alles fügt sich. Gleich was Du trägst, jeder erkennt dass Du von Farbzusammenstellung und Kleiderwahl Ahnung hast und über Geschmack verfügst.


    Nun stelle Dir Deine wundervollen Brauntöne mit etwas grün vor. Mein erster Gedanke wäre Pflanzen oder gar schlimmer noch bei einem unglücklichen Griff zu einem dunkeln Grün die siehst aus wie Kompost.


    Möchtest Du aussehen wie Kompost?


    Ich glaube nicht, also vertraue mir und meiner langen Erfahrung. Du sollst genauso aussehen, wie der Mann der Du jetzt bist und ich muss sagen ich bin stolz auf mein Werk. Du trägst es herrlich zur Schau und bist mit Freude und Genuss anzusehen. Deine innere Schönheit wurde offenbart. Bitte verstecke sie nicht hinter Grün. Versprich mir das.


    Ich habe meinst sehr viel Gepäck, aber wir können trotzdem sofort los.


    Lurco ist gewiss auch in diesen Dingen großzügig. Noch ist die Taberna nicht eröffnet und Terpander schadet etwas zusätzliche Arbeit ganz sicher nicht. Das hält ihn jung frisch und beweglich. Wir wollen doch nicht, dass unser Bote einrostet", lachte Viri gut gelaunt.

  • Der runde Bauch von Viridomarus füllte das Blickfeld von Satibarzanes fast zur Gänze aus, so dicht hatte er sich vor ihn gestellt. Satibarzanes erstarrte eingeschüchtert auf seinem Stuhl und ließ die Rüge über sich ergehen.


    "Ich bin kein Sklave", wiederholte er, "und kann mich nicht verkaufen. Ich habe nur Dienstleistungen verkauft."


    Das hörte sich logisch an, war aber leichter gesagt, als getan, denn die Seele steckte nun einmal in dem Körper, den er zur Verfügung gestellt hatte. Sie konnte sich nicht einfach lösen, fortfliegen und zurückkehren, wenn der Freier wieder ging. Wobei manche diese Kunst angeblich beherrschten, aber die wirkten dann dauerhaft abwesend und kehrten nicht so ohne weiteres zurück. Da Viridomarus darüber nicht länger zu sprechen wünschte, nickte Satibarzanes. Aber dass er grün und braun gekleidet wie ein Kompost ausgesehen hätte, verstörte ihn vollends. Scheinbar hatte er überhaupt kein Gespür für Mode.


    "Ich möchte nicht aussehen wie Kompost", stellte er klar. "Kann ich statt einem Karomuster vielleicht Streifen tragen? Auf gemusterten Sachen sieht man den Dreck nicht so."


    Viridomarus wollte tatsächlich sofort aufbrechen. Das war gut, Satibarzanes würde froh sein, aus dem Umfeld von Kyriakos und Terpander herauszukommen. Der Seitenhieb in Richtung von Terpander war witzig, Satibarzanes lächelte breit.


    "Terpander soll nicht einrosten. Ich hoffe, Lurco stimmt zu. Ich werde ihn sofort fragen, sobald er wiederkommt. Danke für meine Haare, Viridomarus! Sie sehen wirklich aus wie eine Löwenmähne! Und du bekommst dein Mosaik, sobald du es haben möchtest!"

  • Viri schaute geradezu zerknittert, wenn das ein menschliches Gesicht überhaupt hinbekommen konnte. Er schaute auf Sati herab und schüttelte so langsam wie möglich den Kopf.


    "Nein ich flehe Dich an Satibarzanes, keine Karos und keine Streifen. Du möchtest Muster und Du bekommst Muster. Passend zu Deinen Farben. Dazu verwenden wir Ureinwohnerwebmuster, die man in vielen Ländern in deren Stoffen und Webwaren findet. Viele greifen heute auch hier die Muster der Ureinwohner vieler Herren Länder auf. Eingewebte Muster, Tiere, Pflanzen geben dem Ganzen ein ganz besonderes Aussehen ohne dass Du Karos oder gar Streifen zurückgreifen müsstest.


    Das Grün haben wir schon längst vergessen Sati. Schau nicht so traurig, sobald Du einmal einen Umhang dieser Art in Händen gehalten hast, wirst Du keinen anderen mehr tragen wollen. Auch florale Muster die stilisiert sind, wirken wunderbar wenn sie Ton in Ton sind. Ich werde Dir was Schönes aussuchen, versprochen.


    Besonders bestickte Ware wirkt im Zusammenhang mit Braun immer besonders urig und würde Deine Perlen in den Haaren unterstreichen. Aber nicht zuviel! Manchmal ist weniger mehr.


    Sehr gerne Sati, es hat mir sehr viel Freude gemacht, Dir die Haare zu machen. Ich schlage vor, nach der Rückkehr von unserer Reise beginnst Du mit dem Mosaik. Frage Lurco und dann kann es auch schon losgehen. Ich wüsste nicht was dagegen sprechen sollte", sagte Viri freundlich.


    Er freute sich sehr auf die Reise, die damit verbundenen Einkäufe und Sati passend einzukleiden.

  • Mit dem Streifenmuster war Satibarzanes offenbar genau so in ein Fettnäpfchen getreten. Seine modische Geschmacklosigkeit musste für seinen Gönner eine Qual sein.


    "Naturmuster hört sich gut an", sagte er versöhnlich, auch wenn er sich darunter auch nach der Beschreibung nichts vorstellen konnte. Er würde einfach anziehen, was Viridomarus ihm überzustülpen gedachte. Ihm kam in den Sinn, dass der Mann es als Herausforderung betrachten könnte, jemandem so unansehnlichen und geschmacklosen irgendwelche Andeutungen natürlicher Schönheit zu entlocken. Wobei er sich im Moment tatsächlich gefiel.


    "Während du also packen lässt ... ich habe nichts zu packen ... was soll ich da machen? Wie lange wirst du benötigen? Ich könnte schlafen, wenn du noch Terpander verfolgen möchtest."


    Allerdings fragte er sich, wie Viridomarus den Burschen zu finden gedachte, wenn der sich nicht finden lassen wollte.

  • "Ach vergessen wir den alten Grisgramm und seine Probleme Sati. Wir haben die ganze Zeit über unsere Reise gesprochen und darauf freue ich mich nun. Da Du nichts zu packen hast, bist Du schnell fertig. Pass auf, Charislaus wird Dich hier in der Taberna vertreten. Du sagst Lurco Bescheid, während ich nach Hause eile und alles packen lasse. Ich hole Dich in zwei Stunden hier ab. So wird Lurco garantiert nicht nein sagen. Charislaus ist ein geselliger Bursche und weiß sich zu unterhalten. Er wird die Taberna in Deiner Abwesenheit schmeissen", antwortete Viri vergnügt und räumte seine Utensilien zusammen.


    "Das ging schneller als erwartet was? Dann sage ich bis gleich Sati. Unsere Reise wartet", sagte Viri.

  • Viridomarus drückte Sati kurz zum Abschied, ehe er sich auf den Weg machte. Zuerst schaute er noch einmal beim duftenden Viri vorbei und dann ging es direkt nach Hause.

  • Von einem so dicken Menschen gedrückt zu werden, fühlte sich lustig an, besonders, wenn man selbst nicht gerade schlank war. Da traf große Wampe auf kleine Wampe.


    "Terpander wird sich bestimmt über die Hilfe von Charislaus freuen", mutmaßte Satibarzanes.


    Ob Charislaus das genau so sah, wenn der räuberische Blick des alten Mannes sich auf ihn richtete, war zweifelhaft, aber das war zum Glück nicht das Problem von Satibarzanes. Der hatte überhaupt kein Problem, sondern freute sich. Satibarzanes verabschiedete Viridomarus an der Porta und winkte ihm kurz mit seinem Patschhändchen nach. Dann setzte er sich auf Terpanders Stuhl in den Garten, um in der Sonne auf Lurcos Ankunft zu warten. Dabei befühlte er immer wieder seine neue Haarpracht.

  • Der Abend nahte und damit auch Lurco. Der Urbaner betrat die Casa Leonis und musste zweimal hinschauen, wer sich dort im Garten entspannte. Satibarzanes! Lurco gesellte sich zu seinem Kumpel und grinste ihn an.


    "Für wen hast Du Dich derart schön gemacht? Du siehst gut aus Sati, richtig groß artig. Und Deine Haare sind wieder lang. Wie geht es Dir und wo ist Terpander abgeblieben? Es ist so verdächtig ruhig", schmunzelte Lurco.


    "Wollen wir was essen und Du erzählst mir wie Du an Deine neue Frisur gekommen bist?", fragte Lurco gut gelaunt.


    Er betrachtete Sati und musste feststellen, dass dieser glücklich und gelassen wirkte. Langsam wurde alles gut.

  • "Essen? Ja, gerne!" Dann stockte er und in seinem Hirn drehten sich knirschend die selten benutzten Rädchen um einen Zahn weiter. "Ähm, das war keine Einladung, sondern das war die verpackte Aufforderung, Essen zu holen, nicht wahr? Verzeihung."


    Daran, Leute zu bewirten, musste er sich noch gewöhnen. Satibarzanes stand von Terpanders Stuhl auf und verschwand in der Küche. Kurz darauf kehrte er wieder. Da er nicht davon ausging, dass der Hausherr mit ihm vom selben Teller zu essen gedachte, hatte er zwei Teller befüllt mit frischem Fladenbrot, Schafskäse und Weintrauben. Diese Zusammenstellung, hatte er sich von Terpander gemerkt. Dann merkte er, dass er das Besteck vergessen hatte und musste ein zweites Mal loslaufen - nur um zu bemerken, dass auch die Getränke fehlten. Wenig später war endlich alles beisammen; zu den Speisen standen auch eine Karaffe mit Posca, eine mit Wein und eine mit Wasser bereit, dazu zwei Becher. Satibarzanes´ Wangen glühten von dem Gerenne. Sie wurden noch etwas dunkler, als Lurco sein Äußeres lobte.


    "Also hübsch gemacht habe ich mich gar nicht. Das war Viri! Kostenlos, er möchte nur ein Mosaik von mir gelegt bekommen. Aber vorher will er mich mit auf eine Reise nach Thrakien nehmen und vielleicht nach Persien. Ich glaube, ihm hat unser Gespräch gefallen."


    Der Mann hatte ihn ja zum Abschied sogar gedrückt. Satibarzanes war auch froh gewesen, mal mit jemandem zu sprechen, der keine Menschen lieben konnte. Er fühlte sich unwohl, wenn jemand ihm ein schlechtes Gewissen einreden wollte, nur weil er nichts empfand. Nicht so von Viridomarus. Aber das sprach er nicht aus. Von dem Streit, den der Thraker genau deswegen mit Lurco gehabt hatte, wusste er ja inzwischen. Da wollte er kein Öl ins Feuer gießen. So lächelte er.


    "Viri hat vorgeschlagen, dir Charislaus da zu lassen für die Taberna. Aber ich weiß nicht, wer das ist. Terpander? Warte, ich muss nachdenken."


    Er war gegangen. Viridomarus hatte ihn zuerst belauschen wollen. Aber wohin? Nach einer Weile fiel es ihm wieder ein.


    "Terpander ist bei einem Ritual! Ich glaube, er will mich verfluchen. Weil ich nicht tat, was er sagte und ihr mich beschützt habt. Jetzt versucht er es so rum."

  • Lurco staunte nicht schlecht, wie schnell Satiberzanes alles auftischte. Allerdings freute er sich auch sehr darüber.


    "Doch das war eine Einladung. Danke für die Bewirtung, wir hätten uns auch gemeinsam unser Essen zusammenstellen können. Also Dankeschön Sati", sagte Lurco und wartete bis sich Sati zu ihm gesetzt hatte.


    Er goss ihnen beiden Posca ein und ließ sich das Fladenbrot mit Käse und Trauben schmecken.


    "Viri hat Dich aufgehübscht? Ist sehr gut gelungen, dass muss man ihm lassen. Von seinem Handwerk versteht er etwas. Ein Mosaik sollst Du ihm legen? Viri hat manchmal Ideen, kannst Du sowas denn? Ich meine sonst wäre die Forderung ganz schön frech. Wobei, je nachdem wie es dann aussieht, hat er ja das Problem und nicht Du", grinste Lurco gut gelaunt.


    "Ihr wollt also gemeinsam nach Thrakien und Persien reisen? Eine lange und interessante Reise. Bring mir was Schönes mit und lass es Dir gut gehen. Dir wird die Reise gut tun Sati. Einfach mal alles hinter Dir lassen, jede Sorge, jeden Mist. Neues Aussehen und neue Pläne, dass klingt nach einer guten Zukunft.


    Warum sollte Viri Euer Gespräch nicht gefallen haben? Ich war nicht dabei, ich weiß nicht worum es ging. Aber er hat Dir die Haare gemacht und Dich eingeladen, also habt Ihr Euch gut verstanden. Genieße es einfach Sati, hab Spaß. Auf jeder Reise lernt man etwas, mal sehen was Du bei Deiner Rückkehr berichten kannst.


    Charislaus ist einer von Viris Sklaven der im duften Viri arbeitet. Ich meine er hatte auch Scato behandelt? Bin mir da aber nicht mehr so sicher. Gegen die Vertretung habe ich nichts, die nehme ich dankend an. Mach Dir keine Gedanken, sobald Du zurück bist, trittst Du Deinen Job hier an", antwortete Lurco und trank noch einen Schluck.


    "Warum sollte Dich Terpander verfluchen? Keine Ahnung was er für ein Ritual vollzieht Sati, aber verfluchen wird er Dich ganz sicher nicht. Dazu hat er keinen Grund und auch kein Recht", beruhigte Lurco ihn.

  • Satibarzanes erfrischte seine Kehle zunächst mit einigen Schlucken Posca. Das viele Reden hatte ihm ein Kratzen im Hals beschert und nun klang er heiser. Dann griff er nach dem frischen Fladenbrot und legte sich eine dicke Scheibe Schafskäse darauf.


    "Dankesehr, ich finde auch, dass Viri das gut gemacht hat. Er war sehr freundlich dabei. Ich kann Mosaike aus Bruchfliesen anfertigen. Das habe ich als Kind schon gern gemacht, bunte Scherben gesammelt und Muster daraus gelegt. Sonderlich viel zum Spielen besaß ich sonst nicht. Einen Ball aus Lumpen geknotet noch, aber der stank irgendwann. Den Eingang vom Ganymed hatte ich zum Beispiel gestaltet, der war gut gelungen. Aber leider ist alles kaputt."


    Satibarzanes rieb reflexartig den Verband an seinem verletzten Arm. Er hoffte, dass die Täter bald gefasst wurden, die ihm das angetan und Iugurtha ermordet hatten. Dass sie den zwölfjährigen Knaben abgestochen hatten anstelle der bösartigen Zwillinge, tat ihm doch etwas leid.


    "Ich verspreche, dass ich dir ein Andenken mitbringe. Auch wenn ich noch gar nicht weiß, was für welche es in Thrakien und Persien gibt. Was Charislaus mit Scato angestellt hat, weiß ich nicht, ich habe mit Scato nicht so viel zu tun, weil Terpander sich immer vordrängelt. Doch, ich glaube, er wird mich verfluchen, weil er mich hasst und weil ich nicht sein Eigentum bin und er mich nicht schlagen darf."


    Er zuckte mit den Schultern. Die Aussicht auf Prügel gefiel ihm zwar nicht, stimmte ihn allerdings auch nicht sonderlich besorgt.

  • Lurco hörte Sati zu und ließ es sich ebenfalls schmecken. Die Posca war erfrischend, ihr Gespräch interessant und das Brot war lecker. Lurco fühlte sich rundherum wohl und er hoffte Satibarzanes erging es ebenso.


    "An den Eingang erinnere ich mich. Du hast Talent und ich bin gespannt wie das Mosaik bei Viri aussehen wird. Dann hast Du mit Viri getauscht, Leistung gegen Leistung. Ein Lumpenball und Scherben, das klingt traurig Sati und führt mir vor Augen wie gut ich es als Kind gehabt habe. Zwar war ich ein Einzelkind, aber dafür war meine Kindheit schön und ich kann nur Gutes über meine Eltern berichten.


    Ich habe es geliebt mit meinem Vater in das Kollosseum zu gehen, dass vermisse ich manchmal. Wenn es seine Zeit zugelassen hat, haben wir gemeinsam etwas unternommen. Einmal waren wir gemeinsam auf den Märkten. Dort gab es seltsame Amphoren. Sie hatten sowas wie Luftlöcher und ich wusste nicht, was man wohl in so einer Amphore aufbewahrte.


    Mein Vater sprach kurz mit dem Verkäufer und hat mich zu sich herangewunken. Ganz langsam öffente er den Deckel. In der Amphore war es dunkel, doch dann erblickte ich ein paar Knopfaugen.


    In der Amphore lebte ein Siebenschläfer. Mein Vater erklärte mir, dass Siebenschläfer in speziellen Gehegen den gliraria, gezüchtet und schließlich in dunklen Tongefäßen schlachtreif gemästet werden.


    Ich bat meinen Vater mir den Siebenschläfer zu kaufen. Er erfüllte mir den Wunsch und so nahmen wir den kleinen Kerl mit nach Hause. Eine ausgediente, große Amphore wurde sein neues Zuhause. Stöcke und anderes Klettermaterial haben wir eingebracht und ein großes Loch vorne.


    Tagsüber war das Vorderloch mit einem Tuch verhangen, da der Schläfer die Dunkelheit liebt. Er aß Obst, Früchte, Nüsse und er hatte eine ganz besondere Fähigkeit. Er schlief einen extrem langen Schlaf. Als Kind dachte ich, er wäre von mir gegangen, aber mein Vater erklärte mir, dass er wieder aufwachen würde. Und so war es auch.


    Er war viele Jahre mein Haustier, ich habe ihn mit Leckereien verwöhnt und ihm seine Amphore mit Klettermöglichkeiten verschönert. Und er konnte klettern. Eine kleine Geschichte aus meiner Kindheit.


    Dankeschön, ich freue mich über jedes Andenken. Es wird in unserem Haus einen Ehrenplatz bekommen Sati. Terpander hat ein sehr einnehmendes Wesen, manchmal glaube ich, sein Ego ist zu groß für unser Haus. Es quillt förmlich überall heraus.


    Terpander hasst Dich nicht, er ist nur ein grummliger Stinkstiefel, der nicht zeigen kann das er andere mag. Er hat gerne alles unter Kontrolle Sati. Das ist seine Form von Obhut und Zuneigung. Wenn er weiß wo jeder ist und was er macht, dann hat er die Kontrolle über die Situation und die Personen. Und damit kann er sie beschützen.


    Hasst ein Hütehund die Schafe? Nein. Er beißt sie nur manchmal in die Waden, damit sie den Anschluss an die Herde nicht verlieren. So ein Hütehund ist Terpander. Nur ist sein Biss oft zu fest. Und er beißt sogar schon dann in die Wade, wenn seine Schafe noch gar nicht die Herde verlassen haben.


    Sei nicht zu streng mit ihm. Ich habe mit ihm gesprochen Sati. Er hasst Dich nicht, er möchte dass Du Dich selbst verteidigen kannst. Er möchte Dich lehren, kein Opfer mehr zu sein, sondern selbst ein Hund mit scharfen Zähnen. Das ist kein Hass, es ist ein Geschenk an Dich. Nur leider hat Terpander es leider falsch verpackt, so dass man es kaum als Geschenk erkennt.


    Würde er Dich hassen, oder würde von ihm für Dich oder einem anderen hier eine Gefahr ausgehen, wäre er nicht mehr hier. Ich möchte Dir nichts, aber für Terpander und auch für Dich muss ich das geradestellen. Hinter seinem Verhalten steckt kein Hass Sati. Glaube mir das bitte", antwortete Lurco.

  • Weder Satibarzanes noch Lurco selbst konnten ahnen, wie Recht Lurco mit seinen Vermutungen bezüglich Terpander hatte.


    "Wenn das Terpanders Liebe ist, würde mich mal interessieren, wie es aussieht, wenn er jemanden hasst", sinnierte Satibarzanes. "Aber wenn er sich mir gegenüber jetzt besser benimmt, ist es ja schön. Vielleicht ist er ja auch an seinem Gram erstickt, wenn ich mit Viri aus dem Süden zurückkehre. Er ist ja zum Glück schon alt und allzu lange wird er niemanden mehr mit seiner Zuneigung plagen können. Dein Vater war nett, wenn er dich hat mit dem Essen spielen lassen. Ich hätte den Siebenschläfer nur behalten, bis er fett ist. Oder gleich gegessen."


    Ihn faszinierte die Zuneigung, die Lurco zu dem Tier empfunden zu haben schien. Genau wie Scatos Vernarrtheit in seinen Pfau. Satibarzanes waren solche Gefühle fremd. Er verstand sie noch weniger als die Liebe zwischen zwei Menschen.


    "Danke, dass du mich reisen lässt. Darauf freue ich mich. Von deiner Erzählung über den Siebenschläfer habe ich Hunger bekommen."


    So biss er mehrmals hintereinander von Brot und Käse ab und aß es schnell und unkultiviert.

  • "Terpanders Hass? Das ist doch ganz einfach, sie sterben einen brutalen, qualvollen Tod. So wird sein Hass aussehen. Sag mal Du bist aber auch nicht ohne, oder liegt das an den neuen Haaren, dass Du so kratzbürstig bist? Warum soll Terpander denn nun ersticken? Stichelt der eine nicht, fängt der andere an. Das gibt es doch nicht. Man könnte glatt meinen Ihr seid ein altes, giftiges Ehepaar.


    Natürlich gönne ich Dir die Reise Satibarzanes. Nach all dem Erlebten, hast Du Dir die Erholung verdient. Genieß die Zeit und lass es Dir gut gehen. Viri kann ein ganz anständiger Kerl sein, wenn er möchte.


    Alles was man sich vertraut macht, ist kein Essen mehr Sati. Gleich um welches Tier es sich handelt. Mein Siebenschläfer war keine Speise mehr, er war neun Jahre mein Freund. Aber ich verstehe Deine Ansicht. Ich kann mich nicht über meinen Vater beklagen.


    Er hat mich sogar mit ins Kollosseum genommen, damit ich Leo bewundern konnte. Früher habe ich immer herumgesponnen, dass ich Leo eines Tages kaufe, wenn er alt ist und die Verurteilten nicht mehr richtig zerreißen kann. Sozusagen sollte er seinen wohl verdienten Lebensabend in unserem Garten verbringen. Mein Vater meinte, dass wäre dann doch etwas anderes als der Siebenschläfer und ich sollte davon Abstand nehmen", lachte Lurco.


    "Na was man so als Kind denkt. Lass es Dir schmecken, dafür ist es da. Jetzt habe ich ja einen Löwen - Dich", grinste Lurco und mampfte sein Brot.

  • Die Geschäftscarucca von Viridomarus hielt vor der Casa Leonis. Viri hatte es sich im Inneren gemütlich gemacht und freute sich auf die Reise mit Satibarzanes. Sie würden Thrakien besuchen und er würde viele neue Inkredenzien für seine Düfte erwerben. Je mehr er über die Reise nach dachte, je größer wurde seine Freude.


    Nubius stieg von der Carucca, klopfte an die Tür und wartete.

  • War Satibarzanes gerade kratzbürstig? Vermutlich ja, wenn er Terpander wünschte, dass ihm etwas zustieß. Auf seine unaufgeregte Art konnte auch der ehemalige Lupo gemein sein. Er fragte sich, ob er zum Abschied noch einmal nach Kyriakos sehen sollte. Nach all den Jahren? Andererseits, wozu? Was würde es ändern?


    Da klopfte es. Satibarzanes stand auf. "Das wird Viri sein, ich muss los. Danke für alles, Lurco!" Er lächelte. "Unterwegs muss Viri mir eine neue Tunika kaufen, falls er noch keine eingepackt hat. Ich denke an dein Geschenk. Bis in einem Jahr."


    Oder zwei, oder drei. Vielleicht kehrten sie niemals zurück und blieben in Thrakien oder Persien. Es gab nichts, das Satibarzanes vermissen würde, außer seiner ersten ehrenvollen Arbeitsstelle und auch die nur dann, wenn er daran zurückdachte. Er war es gewohnt, dass sich ständig alles änderte und es keine Sicherheit gab, weshalb er auch nicht damit rechnete, dass Lurco Wort halten und ihn nach der eventuellen Rückkehr wirklich wieder einstellen würde. Er wartete, ob Lurco sich verabschieden wollte.

  • "Pass auf Dich da draußen auf Sati, es tut sonst keiner. Gerne, Du musst Dich nicht bedanken", sagte Lurco und drückte den ehemalige Lupo zum Abschied. Wer wusste schon was in einem Jahr sein würde? Aber solange er selbst noch da war, würde es auch die Stelle von Sati sein.


    Lurco gab den Mann mit Löwenmähne frei, öffnete die Tür und trat mit Sati vor das Haus.


    "Pass gut auf ihn auf", sagte Lurco zu Viri, knuffte Sati noch einmal und ließ die beiden allein. Abschiede waren nicht seine Stärke.

  • Viridomarus öffnete gut gelaunt die Tür der Carucca und gab Sati einen Wink, dass es losging.


    "Auf geht es Sati, unsere Reise beginnt. Es ist alles verstaut. Falls Du noch etwas für unterwegs mitnehmen möchtest, hole es. Für Proviant und alles weitere ist gesorgt. Dein Vertreter Chari müsste auch schon hier sein. Steigt ein", rief Viri.

  • "Das werde ich tun. Danke für alles, Lurco."


    Satibarzanes drückte dem Miles, der sich aufopferungsvoll seines Schicksals angenommen hatte und sich all die Zeit über großzügig gezeigt hatte, einen Kuss auf die Wange, der brüderlich gemeint sein konnte oder ein Verweis auf ihre erste Begegnung in der Subura war. Satibarzanes, der es gewohnt war, immer wieder seine Kontakte zu verlieren, während neue entstanden, fühlte keinen Abschiedsschmerz, wenngleich er Lurco auf seine ihm eigene gefühlsarme Weise zu schätzen gelernt hatte. Dann war der Zeitpunkt der Trennung unausweichlich gekommen. Satibarzanes schenkte Viridomarus ein strahlendes Lächeln und stieg das erste Mal im Leben in eine Carucca.


    Die Reise zu den fernen Provinzen unter der glühenden Sonne des Südostens konnte beginnen.

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