Meldung am Exerzierplatz

  • In der Zeit, als Sempronius getragen wurde, regulierte sich seine Atmung und das Druckgefühl auf dem Kehlkopf ließ nach. Bei der nächsten Runde, wo er Plancius schleppen musste, würde der sich einen anderen Griff ausdenken müssen, weil Probleme beim Atmen die Leistung verschlechterten, aber erst einmal legte jeder für sich zwei Runden zurück. Die Übung erinnerte ihn an seine Arbeit in der Küche einer Taberna zur Stoßzeit, als er mehrere Kochstellen mit dem unter dem Herd gelagerten Brennholz versorgen musste. Zwar musste er nicht so oft und regelmäßig nachlegen, aber der Gang ins Knie, das Aufrichten und erneut Absenken ähnelte der Aufgabenstellung. Um sich die Runde mental schmackhaft zu machen, erinnerte er sich an die Essensgerüche von damals zurück. In Runde zwei ging er die Speisen durch, die auf dem Herd gegart wurden. Auf diese Weise abgelenkt, spürte er zwar eine angemessene Ermattung der Beine, aber die Zeit verflog schneller als gedacht.

    Wie vorgegeben, gönnten sie sich eine kurze Pause, die Plancius und Sempronius gleich für die Besprechung der nächsten Aufgabe nutzten.

    "Ich fange wieder an mit tragen. Dieses Mal hockst du auf den Schultern, also halte dich am Kopf fest und nicht am Hals." Plancius kniff die Augen zu einem Schlitz zusammen. "Auf den Schultern? Das war doch noch mal Huckepack."

    "Ne, Huckepack ist Huckepack und geschultert heißt, auf den Schultern." Als ehemaliger Verwalter nahm Sempronius grundsätzlich alles genau. Der Rücken war etwas anderes als Schultern und demzufolge hockte der Trainingspartner jeweils anders.


    Das auf-die Schulter-klettern gestaltete sich nicht schwierig, denn in der Hocke konnte beinahe jeder auf die Schultern eines anderen klettern. Das Aufstehen stellte für den Träger die erste Herausforderung dar, denn die Beine mussten ein doppelt so schweres Gewicht stemmen als sie es sonst taten. Einmal auf den Beinen, lief es sich aber relativ leicht. Sempronius musste nicht nach vorn gebeugt laufen wie beim Huckepack, das dankte ihm der Rücken.

    Nach dem Wechsel versuchte er, sich selbst auszubalancieren, als er oben saß, und hielt sich nur mit einer Hand an der Stirn seines Trägers fest. Der Ausblick erfreute ihn. Die Perspektive war eine andere, auch wenn er kaum zwei Doppelschritte höher die Castra begutachten und die hier Stationierten beobachten konnte. Entsprechend fröhlich stieg er am Ende der Runde ab.

    "Können wir mal wieder machen", sagte er grinsend zu Plancius.

  • Die Übungen gingen gut vorran und wurden länger, die Pausen zwischen den Aufgaben kürzer. Am Ende hieß es:

    zwei Runden Huckepack,

    zwei Runden Ausfallschritt,

    zwei Runden Huckepack,

    zwei Runden Rumfbeugen,

    zwei Runden Huckepack,

    zwei Runden Sprint,

    zwei Runden Huckepack,

    zwei Runden Liegestütze.


    Nachdem das Pensum bewältig wurde und die Tirones am Ende mehr oder weniger erschöpft waren, ließ Purgitius seine Schützlinge wieder antreten. Er warf einen Blick über die Gruppe und nickte knapp.


    "So da Ihr Euch aufgewärmt habt, geht es jetzt ab zurück in die Baracke. In einer halben Stunde zurück und zwar gerüstet hier. Wir besuchen den wunderschönen Ort Tivoli. Keine Müdigkeit vortäuschen, der Tag ist noch jung. Abrücken", befahl Purgitius.


    Zaghaft hob Tettius seine Hand, aber Lurco packte ihn nur, drehte ihn um und schob ihn in die passende Richtung.

    "Abrücken Tiro", wiederholte er etwas deutlicher und suchte seine eigene Baracke auf, um sich entsprechend zu rüsten.


    Passend und pünktlich wartete er auf seine Schützlinge. In voller Ausrüstung erschienen die Tirones auf dem Exerzierplatz.

    "Und erneut, Abrücken", befahl Lurco und gab den Weg nach Tivoli vor.


    Das Tempo war moderat und jeder der Tirones war den Weg schon mehrfach gelaufen. Wie sie sich ihre Kräfte einzuteilen hatten, war ihnen bekannt. Auch unter erschwerten Bedingungen sollte davon nichts vergessen worden sein.

  • Den bekannten Aufgaben wurden neue hinzugefügt, wobei sich die meisten von selbst erklärten, aber Sempronius zuweilen auch vor einem Rätsel stand. Gut möglich, dass er erschöpfungsbedingt nicht präzise wie sonst überlegen konnte, daher musste er sich erklären lassen, wie Rumpfbeugen und Liegestütze in Form von Runden absolviert werden konnten.

    Die Huckepackaufgabe lief mittlerweile gut und Plancius gab Acht, beim Festhalten nicht den Hals seines Trägers abzuschnüren. Der Sprint fiel gemäßigt aus, da der Trainingszustand der Tirones am ersten Tag auf dem Exerzierplatz noch zu wünschen übrig ließ.

    Anschließend wurden sie in die Unterkünfte geschickt, um die Ausrüstung anzulegen. Sempronius flitzte noch einmal bei den Latrinen vorbei, nahm anschließend reichlich Wasser auf und trat wie gefordert an. Er fand es eintönig, immer wieder nach Tivoli marschieren zu müssen und nahm sich vor, sollte er jemals selbst Ausbilder sein, darauf zu achten, die Ausbildung abwechslungsreicher zu gestalten.

  • Einige Schritte laufen, Kniebeuge, hochkommen und wieder einige Schritte laufen. Genauso verhielt es sich mit der Liegestütze. Laufen, auf den Boden, Liegestütze, hoch und wieder einige Schritte laufen, das zwei Runden lang, das war Crus Aufgabe gewesen und nun fühlten sich seine Knie an wie Pudding. Wobei er Pudding eigentlich sehr mochte. Gerade als er dachte, die Schinderei hätte ein Ende, ging es erneut nach Tivoli. Diesmal in voller Montur, gerüstet und mit Puddingbeinen. Sittius überlegte, ob es nicht ratsam wäre, sich vor den Übung zukünftig etwas mehr zu stärken. Kurzum ein zweites Frühstück einzulegen oder ein ersten vor das übliche einzuschieben, damit ihn die Kräfte nicht verließen. Etwas verdrießlich über seine Kraft schaute Sittius über die Gruppe, aber er würde sich durchbeißen.


    Purgitius behielt seine Schützlinge im Auge. Glücklich sah anders aus, gut so. Geschunden sollten sie werden, am Ende ihrer Kräfte sollten sie irgendwann sein und gelangweilt, dass selbst der trockenste Dienst wie Erholungsurlaub wirkte, denn das war es, was man Dienst nannte. Bei den Gesichtern die Lurco sah, musste er sich ein Grinsen verkneifen. Grünlinge! Willkommen beim Militär!


    Wer einen Tagesausflug oder Unterhaltungsprogramm erwartet hatte, wurde eines besseren belehrt. Sie würden noch so oft nach Tivoli marschieren, bis sie nachts nach Tivoli schlafwandelten, mit oder ohne Rüstung. Die Lippen von Tettius bebten, während er lief. Er schien mit sich selbst zu sprechen, aber er hielt heute erstaunlich gut Schritt. Vielleicht hatte er heimlich geübt, oder möglicherweise hatte ihn der Marschbefehl überrumpelt, so dass er noch keine Zeit gehabt hatte zu realisieren, was vor ihm lag. Oder, was natürlich ebenfalls im Bereich des Möglichen lag, hatte er alle Hoffnung aufgegeben und sich in sein unausweichliches Schicksal gefügt. Befehl war Befehl, sie wurden befolgt und nicht hinterfragt.


    Ausbildungsabschnitt 1, Punkt 3 dort standen sie heute, auch wenn er ihnen im Gegensatz zum vorgegebenen Ausbildungsprogramm etwas Auflockerung in Form von Zirkeltraining gegönnt hatte. Eigentlich hieß es nur Marschieren und sie waren noch einen Schritt davon entfernt Abschnitt 1 hinter sich zu lassen. Das Ende von Abschnitt eins würde er entsprechend versüßen, darauf konnten die Neulinge gefasst sein. Ein bisschen ernst des Lebens würde Einzug halten.


    Decimus Nummius Myrtilus wurde von Lurco heute besonders im Auge behalten. Der junge Mann ging zwar stramm mit, aber hinkte er für einen kurzen Augenblick. Purgitius beorderte Nummius mit einem Wink zu sich und ließ die Gruppe passieren. Der Weg war bekannt, sie beide bildeten die Nachhut.


    "Du hinkst ab und an, alles in Ordnung mit Dir Tiro Nummius?", hakte Purgitius leise nach. Seine Frage war nicht für andere Ohren bestimmt.

    "Tiro Nummius auf Befehl zur Stelle, ja Cornicularius Purgitius. Nur mein Bein macht mir manchmal zu schaffen. Aber ich schaffe es, ich muss nur richtig in den Tritt finden", gab der Angesprochene genauso leise zurück.


    "Zur Kenntnis genommen Tiro. Nach dem Marsch wirst Du Dich umgehend bei Optio Valetudinarii Iunius Scato einfinden, er soll sich Dein Bein einmal anschauen. Nach der Belastung ist dort sicher mehr zu sehen. Ich erwarte ehrliche Rückmeldung bezüglich Deines Zustands Tiro. Also schinde Dich nicht zugrunde, aber ruhe Dich auch nicht drauf aus. Im Einsatz kann man auf derartige Dinge keine Rücksicht nehmen, deshalb lass es kontrollieren. Ich erwarte eine Rückmeldung Tiro", befahl Lurco Nummius.

    "Danke Cornicularius Purgitius, ich gehe nach dem Marsch direkt zur Untersuchung und erstatte Dir dann Bericht. Mein Bein macht selten Ärger, es geht ich schaffe den Marsch. Alle oder keiner", pflichtete Nummius seinem Ausbilder bei.


    "Richtig Tiro. Alle oder keiner", antwortete Lurco und lief eine Zeit lang gemeinsam mit Myrtilus, damit er in einen gleichmäßigen Schritt kam.


    >>> RE: Ausbildung der Tirones - Tivoli

  • Der Marsch nach Tivoli und zurück lag hinter Sempronius, ebenso das gestrige Antreten vor der Baracke und ein todesähnlicher Schlaf. Als er am Morgen Stimmen hörte, kämpfte der Wille zum Aufwachen gegen das Bedürfnis weiterzuschlafen. Gäbe es Spiegel in der Castra, er würde in keinen sehen wollen, weil sich seine Augen beinahe zu jeder Tageszeit wie Schlitze anfühlten. Es kostete ihn Mühe, sie offenzuhalten. Im Zustand des Schlafens oder Träumens musste er nicht gegen das Zuklappen ankämpfen, was ihn mit Zufriedenheit und Leichtigkeit erfüllte.

    Leider wurden die morgendlichen Geräusche lauter, denn aus der Übermüdung heraus wuchs die Ungeschicklichkeit einiger Barackeninsassen, sodass es zuweilen schepperte.

    "Jungs, ihr trampelt wie Tiere!" Er saß inzwischen auf seiner Bettstatt und rieb die Augen. Sie schmerzten und fielen immer wieder zu. Nach einem Seufzer rutschte er zum Rand und stemmte sich langsam hoch. "Zum Hades, ich habe Muskelkater." Er hätte gern laut geflucht, aber selbst dazu fehlte ihm die Kraft. Das einzige, was auf Hochtouren arbeitete, war sein Magen, denn der knurrte und schien ständig Verdauungsbedarf anzumelden.

    Nach einer Ladung kalten Wassers in Nacken und Gesicht, sowie einem reichhaltigen Frühstück, marschierte er mit den anderen zum Exerzierplatz. Zwar wusste er nicht, ob dieser Treffpunkt für den heutigen Morgen stimmte, denn es erging keine Anweisung am gestrigen Tag, aber gänzlich falsch konnte es nicht sein. Sie stellten sich in einer Linie auf und warteten.

  • Nachdem auch der letzte Marsch von 40 Meilen, Tivoli und zurück geschafft worden war, ging es an einen neuen Abschnitt. Sie waren marschiert und sie hatten trainiert, heute traten sie in eine neue Phase der Ausbildung ein. Purgitius überblickte seine Tirones auf dem Exerzierplatz.


    "Tirones antreten! Heute treten wir in eine neue Phase Eurer Grundausbildung ein und zwar beginnen wir mit dem Kampftraining. Anhand Eurer langen Gesichter während des Marschierens habe ich gesehen, dass Ihr vermutlich froh sein werdet, die Märsche hinter Euch zu haben. Ich enttäusche Euch hier gerne, sie gehören weiterhin zum Training, genau wie sie später zu Eurem Dienst gehören werden.


    Wem das zu viel ist, wem das zu langweilig ist, wem das zu schwer oder zu mühselig ist, ist im falschen Beruf und sollte sich einen neuen suchen.


    Wer sich bis hierher durchgebissen hat und der Auffassung ist, dass sein "Traumberuf" nicht sehr viel mit einem Traum zu tun hat, ihm die Realität dennoch gefällt - wunderbar. Bis hier habt Ihr gelernt, dass Befehle befolgt und nicht hinterfragt werden. Ihr habt gelernt, dass ein Beruf keinen Spaß machen muss, aber durchaus kann. Und Ihr habt gelernt, was es heißt den eigenen Schweinehund zu besiegen und für einander einzustehen.


    Damit Letzteres zukünftig noch besser funktioniert, folgt nun Phase zwei.


    Der Lehrplan für alle Sparten in der Legion ist gleich, also folglich auch für Euch. Erst in der letzten Phase werdet Ihr Berufsspezifisches lernen, also alles was für einen Urbaner wichtig ist.


    Nach dem Marschieren beginnt erst das Kampftraining, und zwar am Pfahl mit hölzernen Übungswaffen und Schilden aus Weiden, welche allesamt ein Vielfaches des Gewichtes der Originalwaffen hatten, um die Muskulatur und Ausdauer entsprechend zu trainieren.


    Auf dem Übungsplan stehen Schwert, Dolch, Schild. Rüstet Euch Tirones und sucht Euch einen Kameraden als Gegner",
    befahl Purgitius.


    Lurco nahm ebenfalls ein Übungsschwert zur Hand und befahl Tettius mit einem Wink zu sich.


    "Zuhören und aufgepasst.


    Das Gladius - das Schwert. Die eiserne Klinge unseres Galadius ist ungefähr 50 bis 60 cm lang und lang8 cm breit. Das Gladius ist an beiden Seiten geschliffen, also beidseitig. Die Stabilität der Klinge ist enorm hoch, was auch durch ihre Kürze gewährleistet wird. Aus diesem Grund handelt es sich bei dem Gladius um eine Stoss- und Stichwaffe.


    Natürlich könnt Ihr auch mit dem Schwert schneiden, sollte aber dann dem Könner überlassen werden. Zugestochen ist schnell auf direktem Weg, geschnitten ist aufwendiger. Ein Stich mit dem Gladius sieht erfolgt von unten nach oben oder geradeaus. Nicht von oben herab.
    Ein Schnitt erfolgt wenn möglich geschwungen, um eine größtmögliche Wundfläche also Verletzung beim Gegner zu erzeugen", erklärte Lurco und führte beides ganz langsam bei Tettius vor.


    "Ihr stecht zu und setzt einen Gegner schnellstmöglich außer Gefecht. Keine Schau, kein Theater, Ihr seid nicht im Colloseum oder auf Freiersfüßen um irgendwen zu beeindrucken. Ihr habt einen Job zu erledigen. Und je schneller Ihr Eure Feinde ausschaltet, umso sicherer sind Eure Kameraden. Die Waffe wird nur dann gezogen, wenn Ihr bereit seid die Waffe einzusetzen! Das wir uns da verstanden haben!


    Nächster Punkt, der Pugio - der Dolch.

    Der kleine Bruder Eures Gladium. Er ist ungefähr 30 cm lang, ebenso beidseitig geschliffen und sehr stabil. Auch er ist eine Stoß- und Stichwaffe. Mit ihm kann ebenso geschnitten werden, aber auch hier gilt das Gleiche wie für das Gladium, keine Faxen, schnellstmögliche Brechung von Widerstand des Feindes. Der kurze Weg ist der beste Weg", erklärte Lurco und führte an Tettius vor, wie man einen Dolch einsetzte.


    Der Stichweg von unten nach oben, war mit der Waffe wesentlich schneller und kürzer, so dass Tettius kurz zusammenzucke, auch wenn Lurco ihm nichts tat. Geradeaus war der Stich nicht weniger kurz, aber ein klein wenig, weniger wuchtig. Nach der Demonstration, die Waffen hatten Tettius nie berührt, legte Lurco ihm kurz die Hand auf die Schulter.


    "Ihr seht, was man sonst im Theater sieht, wie jemand theatralisch von oben mit dem Dolch auf jemanden einsticht, ist genau das - Theater. Stich jemand so auf Euch ein, fangt Ihr die Hand samt Dolch ab. Wer geschickt ist, rammt dem Besitzer Sekunden später die eigene Klinge in den Wanst.
    Dazu beim Thema Abwehr von Waffen mehr",
    sagte Lurco und nahm das Schild auf.


    "Der Schild. Der Schild wird genutzt um uns vor Schaden zu bewahren, aber er ist noch viel mehr. Wer schon einmal einem wütenden Mob gegenüber gestanden hat, weiß eines, weichen ist keine Alternative.


    Hier wird der Schild nicht nur vor sich gehalten, sondern bei Not auch im Boden versenkt, Ausfallschritt nach hinten, bei Schub von vorne. Ich möchte keinen stürzen sehen, denn wer stürzt, reißt eine Lücke und gibt dem Gegner die Möglichkeit Kameraden zu töten. Habt Ihr das verstanden?
    Übrigens ein Schild ist auch eine wunderbare Waffe.


    Man kann damit Gegner von sich stoßen, man kann den unteren Schildrand auf Füße hämmern und man kann die obere Kante vor Hälse und unter Kiefer schlagen. Zudem kann man sogar mit dem Schild seitlich einen Längsthieb austeilen, der es in sich hat",
    erläuterte Lurco und führte das Gesagte vor.


    "Ihr seht also, ein Schild ist nicht nur ein Schutz, er kann wesentlich mehr. Jeder nimmt sich einen Partner. Zuerst fünf Runden Schwert, dann folgen fünf Runden Pugio und dann fünf Runden Schild. Danach Wechsel von Angreifer und Angegriffenem. Umsetzen. Tiro Tettius Danke für die Demonstration, zurück zur Gruppe und ab zu Übung",
    befahl Lurco.


    Das Übungspensum wiederholte sich von Stunde zu Stunde und von Tag zu Tag, bis ihre Ausdauer entsprechend gestärkt war. Die Arme wurden nicht mehr so schnell müde und auch die Bewegungen der Tirones wurden flüssiger und fester. Und schon bald hatten sie ihre ersten Holzwaffen und den Schild im Griff.

  • Abgesehen von seinen körperlichen Blessuren schritt Sempronius im Grunde jeden Tag erwartungsvoll zum Antreten und ließ sich überraschen, wie das Tagesprogramm aussah. Dass jeder seiner Lieblingsdisziplin und ebenso eine weitgehend verhasste besaß, fand er nicht überraschend, wobei er bei sich eigentlich keine feststellte, die er gar nicht mochte. Er sah sich als pflichtbewussten Mann ohne größere Ansprüche, aber wenn er sich etwas wünschen könnte, dann wäre es Abwechslung und zuweilen Überraschendes.

    Heute überraschte ihn der Ausbilder mit einer ungewohnt langen Rede. Immer, wenn Sempronius dachte, sie wäre am Ende, kam ein neuer Absatz. Bei manchem fühlte er sich nicht angesprochen, anderes durchdachte er. Spätestens bei der Ankündigung von Phase zwei, riss er die müden Augen auf und konzentrierte sich einmal mehr.

    Nach dem, was er hörte, würde der Gladius aller Voraussicht nach zu seiner Lieblingswaffe werden und in Gedanken führte er alle beschriebenen Bewegungen aus. Der Pugio begeisterte ihn weniger, aber er hörte auch hier interessiert zu. Da ihm nachgesagt wurde, eher für das Grobe geeignet zu sein, verstärkte sich seine spontane Vorliebe für den Gladius.

    Das Scutum ordnete Sempronius auch den groben Ausrüstungsgegenständen zu, daher wuchs es ihm gleich bei der ersten Beschreibung ans Herz. Vor allem der Gedanke, Füße mit dem Schild zu quetschen, gefiel ihm, wobei er gleichzeitig erschrak,. denn er wollte weder brutal noch sadistisch sein. Er sah sich in Gedanken bereits einem tobenden Mob gegenüber, dem er Körperkraft und Schild entgegensetzte. Sein Herz fing heftig zu klopfen an und er brannte darauf, in Tuchfühlung mit den Waffen zu gehen und sie sich Untertan zu machen. Ohne dass er darauf aufmerksam gemacht wurde, kam die Erkenntnis, dass er zur Umsetzung seiner Träume brauchbare Armmuskeln benötigte, was ihm Motivation für ein diesbezügliches Training gab, was wie gewünscht sogleich folgte.

    Sempronius wählte als Partner Postumius, weil er ihn für gleichwertig hielt. Zumindest waren sie im gleichen Alter. Sempronius verstand die Übung so, dass sie einander mit den Holzschwertern attackieren sollten. Weil sie keinerlei Deckung hatten, wären Postumius und er schon nach wenigen Minuten den mehrfachen Tod gestorben, wenn es sich um einen Ernstfall handeln würde, aber sie stachen und droschen weiter auf sich ein. Immer, wenn Sempronius auffiel, dass er von oben drosch, korrigierte er sich selbst und übte, von unten oder waagerecht zuzustoßen. Sowohl er als auch Postumius landeten etliche Treffer, die blaue Flecken verursachten. Irgendwann entschlossen sie sich, dass nur der Angreifer ein Schwert hielt und der Angegriffene ein Schild. So machte die Übung mehr Sinn.

    Mit dem Pugio stellte sich Sempronius ungeschickt an. Seine Hände erschienen ihm für den Griff zu groß und zu schwitzig, aber vor allem störte er sich an der kurzen Klinge. Er konnte nicht, wie beim Schwert, auf Abstand zum Gegner bleiben.

    Bei der Schildrunde nahmen Sempronius und Postumius an, beide müssten ein Scutum halten. Sie verabredeten, sich nicht gegenseitig auf die Füße zu schlagen, weil sie diese für die weitere Ausbildung einsatzbereit brauchten. Irgendwann waren die Runden absolviert und lahme Arme ließen die Schilder auf den Boden sinken. Los ließ aber keiner die Waffe.

  • Die Übungen gingen gut voran, der eine oder andere Tiro trug Blessuren davon, aber das gehörte dazu. Besser ein paar blaue Flecken von Holzwaffen, als dass sie von echten niedergestreckt wurden. Weiter ging es mit der Ausbildung.


    "Antreten Tirones. Heute lernt Ihr vier neue Waffen und deren Gebrauch kennen. Wie üblich zugehört und aufgepasst.


    Zuerst wäre da der Wurfspeer - das Pilum.

    Der Wurfspeer hat eine hohe Durchschlagskraft, die er seiner besonderen Bauweise verdankt. Er ist eine Weiterentwicklung aus der Wurflanze und besteht aus zwei Teilen und zwar dem hölzernen Schaft und der geschmiedeten Eisenstange. Jene Eisenstange verjüngt sich zum Ende hin zu einer Vierkantspitze.Wie benutzt man den Wurfspeer? Wie der Name schon sagt, wird er aus einer Entfernung von 10 bis 20 Schritt von den in Reih und Glied stehenden Legionären geworfen. Das hat zur Folge, dass einige Gegner bereits vor dem Gefecht verwundet oder getötet werden, da das abgeschleuderte Pilum seine Energie auf eine kleine Spitze konzentrierte und somit in der Lage ist sogar Schilde zu durchschlagen. Oft jedoch werden die Gegner weder verletzt noch getötet, aber stark eingeschränkt. Grund hierfür ist, dass sich die Wurfspeere verhaken, da sie sich verbiegen. Unmittelbar vor einem Angriff lassen sich diese verbogenen Eisen nicht mehr schnell genug entfernen, so dass der betroffene Feind gezwungen ist, seinen Schild aufzugeben. Besonders wirkungsvoll ist dies, wenn überlappend geführte Schilde von Pila aneinandergeheftet werden", erklärte Lurco und nahm ein Wurfspeer zur Hand um den Gebrauch der Waffe zu demonstrieren.


    "Die nächste Waffe ist die Lanze - die Hasta.

    Die Hasta hat eine langgezogene blattförmige Spitze, die mit einer Tülle auf einem hölzernen Schaft befestigt ist. Der Schaft hat an seinem unteren Ende einen zugespitzten Schaftfuss, mit dem die Waffe in den Boden gerammt werden kann. Die Lanze wird nicht geworfen, sondern dient schräg in den Boden gerammt als Abwehrwaffe, zudem wird sie als Stoßwaffe im Nahkampf verwendet", erläuterte Lurco und führte auch diese Waffe vor.

    "Kommen wir nun zum Bogen.


    Die typisch römischen Bögen hat eine Einsatz Reichweite von bis zu 250 Meter und man schiesst bei Übungen bis circa 175 Meter Entfernung. Weiter werdet Ihr aber auch nicht im Einsatz schießen. Euer Wirkungsbereich mit dem Bogen beträgt von 50 bis 150 Meter. Als Berittener Bogenschütze sogar weitaus weniger und zwar von 25 bis zu 50 Meter. Die Pfeile sind je nach Typus der Lage ein Kettenhemd auf kurze Distanzen zu durchschlagen. Im Gegensatz zu anderen Völkern verwenden wir spezielle Köcher und zwar können diese geschlossen werden. Der Köcher ist lang und verbreitert sich nach unten. Desweiteren hatten ist der Pfeilköcher getrennten vom Bogenköcher in dem dieser bei Nichtgebrauch geschützt geführt wird. Der Bogenköcher wird immer links am Gürtel getragen", klärte Lurco die Tirones auf.


    "Die letzte Waffe auf dem heutigen Lehrplan ist die Schleuder - die Funda.

    Die Schleuderer Roms verwenden rauten- oder auch dattelförmige Bleigeschosse - Glandes sprich Eicheln genannt, mit einem Gewicht von 20 bis 50 Gramm. Damit kann ein guter Schleuderer Schilde zerschlagen. Was ein Treffer am Helm oder im Gesicht anrichten kann, muss ich Euch nicht erläutern", teilte Lurco den Tirones mit.


    "Zuerst wird geübt, wie man diese Waffen benutzt, wobei die Übungspila und Übungshastae schwerer sind als die Originale und an Stelle der Stahlspitze einen Lederknopf haben, damit man sie auch auf die Rekruten werfen kann. Ihr wisst was zu tun ist. Eine Waffe nach der anderen gehen wir nun durch und üben. Allerdings diesmal auf Ziele welche ausdrücklich nicht die eigenen Kameraden sind. Anfangen", befahl Lurco.

  • Die Zeit verstrich und die Tage zogen dahin, ebenso die Übungen mit denen die Tirones sich drillten. Heute gab es neues Lehrmaterial und Lurco würde seine Neulinge darauf vorbereiten. Gemeinsam mit seinem Kameraden Sittius Pullus stand Purgitius heute vor seinen Rekruten.


    "Tirones antreten", so lautete der Befehl an die Männer, deren Ausbildung in seiner Hand lag.


    Lurco überschaute die Gruppe und betrachtete einem nach dem anderen. Das tatsächliche Lernen würde nach der Ausbildung beginnen. Alles was eine Ausbildung vermittelte war Grundwissen, die Basis für all das, was noch kommen würde. Der Dienst lehrte das, was ein Urbaner benötigte.


    "Heute geht es an Teil vier, fünf und sechs Eurer Ausbildung. Fangen wir mit Teil vier an. Dabei trainieren wir die Abwehr der zuvor erlernten Waffen. Schwert, Dolch, Schild, Wurfspeer, Lanze, Schleuder und Bogen.


    Für beide letztere gilt, lasst Euch weder von einem Geschoss noch von einem Pfeil treffen. Eine andere Abwehrmaßnahme gibt es nicht. Gleich was man Euch erzählt, es gibt keine. Die Märchen von umgeleiteten Geschossen mit dem Schild sind genau das - Märchen. Gleiches gilt für Pfeile. Hier gibt es nur zwei Dinge die Euch vor einem Treffer schützen, Wachsamkeit und Glück.


    Im Teil fünf lernt Ihr die Grundlagenbeherrschung jener Waffen, die Ihr bereits kennengelernt habt. Ihr habt also bereits in Teil fünf hinein geschnuppert. Heute heißt es also, Ihr tretet gegen einen Kameraden im Waffenkampf an und Ihr werdet Euch auch gegen den Kameraden verteidigen.


    Damit die Übung nicht zu einfach wird, nehmen wir Teil sechs Eurer Ausbildung hinzu. In Teil sechs trainiert Ihr in voller Montur, um die Beweglichkeit von Euch in Rüstung zu erhöhen. Nach dem Training geht es weiter, wir lassen die Waffen beiseite und widmen uns dem Übungspferd von Trainingseinheit sechs.


    Jeder sucht sich einen Kameraden. Aufgepasst, Kamerad Sittius und ich werden Euch die einzelnen Übungen von Angriff und Abwehr demonstrieren. Ihr stellt sie nach, also aufpassen",
    erklärte Lurco.


    Gemeinsam demonstrierten Purgitius und Sittius den Umgang mit den einzelnen Waffen und zwar langsam und für jeden nachvollziehbar. Die Tirones sollten sehen, wie man jede einzelne Waffe führte und wie man diese ebenso abwehrte. Auch führten die beiden vor, wie man die Waffe eines Angreifers mit einer anderen Waffe ablenkte, so zum Beispiel ein Schwert mit einem Schild oder einen Dolch mit einem Schwert.


    Dann war es an den Tirones mit den erfahrenen Kameraden zu üben. Die Übung in Rüstung war schwieriger und forderte mehr Ausdauer und auch ein verlagertes Gleichgewicht.


    "Wie Ihr selbst gesehen und gespürt habt Tirones ist es etwas anderes in Rüstung zu kämpfen. Die Schnelligkeit kommt mit der Zeit, wichtig ist, dass Ihr exakt arbeitet. Nichts Geringeres als Euer Leben und das Eurer Kameraden hängt davon ab. Wir wechseln nun zum Pferd. Folgt mir", befahl Lurco und führte seine Tirones zum hölzernen Übungspferd, dass in jedem Lager zu finden war.


    "Die Übung ist schlicht, Ihr springt auf das Pferd auf. Selbstverständlich in voller Rüstung. Schritt für Schritt werden Waffen und Ausrüstungsgegenstände hinzukommen, bis Ihr am Ende voll ausgerüstet, mit Schild und Pilum diesen Sprung meistert. Also strengt Euch an", erklärte Purgitius und führte vor, was er von den Tirones erwartete. Er sprang in voller Rüstung auf das Pferd.


    Als nächstes vollführte Sittius Pullus den Sprung, ehe er das hölzerne Reittier für die Rekruten freigab. Das was so leicht aussah, war alles andere als leicht. Ein Sprung war etwas anderes, als einen festen oder beweglichen Stand zu finden. Für einige Tirones war das hölzerne Pferd eine schwierigerer Gegner als der Kamerad mit Bewaffnung. Doch am Ende saßen sie alle oben auf dem Pferd, mal mehr oder minder geschafft. Der eine etwas korrekter, der andere etwas windschief.


    Purgitius und Sittius nickten zufrieden und anerkennend.

  • "Antreten Tirones. Heute lernt Ihr vier neue Waffen und deren Gebrauch kennen. Wie üblich zugehört und aufgepasst.

    Heute erfuhr Sempronius viel über Waffen, solche, die er nach seiner bestandenen Tauglichkeitsuntersuchung ausgehändigt bekam, und solche, die in anderen Einheiten benutzt wurden. Es konnte nie schaden, möglichst viel zu wissen und in der Handhabung erste Erfahrungen zu sammeln. Obwohl er es zum jetzigen Zeitpunkt ausschloss, je zu den Legionen zu wechseln, dort würde er das Pilum brauchen. Ging er eines Tages zu den Auxiliareinheiten, müsste er das Prinzip der Schleuder kennen und den Bogen beherrschen. Er ließ sich die Gelegenheit nicht nehmen, die Waffen alle einmal auszuprobieren. Beim Pilum kam es auf den Abschusswinkel an, der die Flugbahn bestimmte. Schnell merkte Sempronius, dass die Handhabung weitaus schwieriger war als gedacht, daher beschränkte er sich in seinen Versuchen auf eine halbwegs brauchbare Flugbahn, aber sparte es sich, ein Ziel anzuvisieren. Hätte er gewusst, dass selbst ausgebildete Legionäre dies so handhabten, wäre er zufriedener mit sich gewesen.

    Mit der Hasta hatte er bereits in seiner geringen Freizeit geübt, daher schnitt er im Vergleich zu den anderen Tirones recht gut ab.

    Das Bogenschießen bedurfte ebenfalls der Übung, wie er feststellte, zumal es hier nicht auf die Flugbahn, sondern auf einen Treffer ankam. Nach der Kürze der Probe kam er zu dem Schluss, die Handhabung zeitnah erlernen zu können, würde er nur ausreichend üben. Bei der Schleuder sah das anders aus. Sempronius stellte keinerlei Lerneffekt fest, je länger er übte. Die Geschosse flogen weitgehend unkalkulierbar durch die Gegend, sodass er penibel bemüht war, alles was ging oder stand aus seinen Flugbereich zu schicken. Einen brauchbaren Schleuderer würde er wohl niemals abgeben, aber während seines zukünftigen Dienstes musste er das auch nicht.


    Nach dem Ausprobieren ging es an die Partnerübungen.

    Jeder sucht sich einen Kameraden. Aufgepasst, Kamerad Sittius und ich werden Euch die einzelnen Übungen von Angriff und Abwehr demonstrieren. Ihr stellt sie nach

    Wäre diese Demonstration vom Ausbilder und diesem Sittius nicht gewesen, hätte Sempronius vieles durcheinandergehauen, denn an Informationen gab es zu viele. Die Menge überforderte ihn, denn so gut wie alles, was er hörte, war Neuland und musste erst verinnerlicht werden. Als er hörte, am Ende würde mit gesamter Ausrüstung ein Pferd bestiegen werden, überkamen ihn doch erhebliche Zweifel. Aber er wollte nicht vorgreifen, sondern widmete sich den Waffenübungen mit einem Kameraden.

    "Postumius, wollen wir wieder?" Sein Trainingspartner vom Vortag nickte. Beide kamen am Morgen in Ausrüstung zum Exerzierplatz, mussten also nichts mehr anlegen, sondern griffen gleich zur Hasta. "Pilum, Bogen und Schleuder können wir nicht zusammen üben. Das geht nur einzeln, also bleibt für den Partnerkampf die Hasta. Du kannst anfangen, mich zu treffen, und ich decke mich mit dem Scutum. Denk dran, Bauch und Beine brauche ich noch." Er grinste. Natürlich brauchte er auch noch die Arme und besonders den Kopf, aber die sah er bei der Übung weniger in Gefahr. Als schwierig bezeichnete er die Übung nicht, eher kostete sie Überwindung, auf einen lebenden Körper zu zielen, weil sich ein Treffer trotz Übungswaffen merkwürdig anfühlte. Nach einigen Versuchen wechselten sie in die Position des jeweils anderen.


    Irgendwann verstanden die beiden, dass eventuell auch Schwertkampf und Dolch aneinander geübt werden sollten, waren sich darin aber beide nicht sicher. Es blieb nicht so viel Zeit für jede Übung, weil so viel auf dem Programm stand, und schon ging es weiter zum Pferd. Zu seiner Erleichterung stellte Sempronius fest, dass es sich um kein lebendes Tier handelte. Stümpernde Anfänger an einem fühlenden Wesen, das wäre in einer Katastrophe geendet.


    Sempronius schaffte es nicht, in voller Ausrüstung auf das hölzerne Pferd zu gelangen. Er trug die Lorica segmentata, den Schienenpanzer der Milites, der sich nicht gut zum Reiten eignete, geschweige denn zum Aufspringen auf ein Pferd. Die Prätorianer und andere Einheiten zu Pferd trugen daher auch die Lorica hamata, das Kettenhemd. Bestimmt war das nur ein Test des Ausbilders.

  • Diesmal standen die Tirones nicht nur Cornicularius Purgitius gegenüber, sondern fast all seinen Barackenbrüdern, mit Ausnahme von Optio Iunius. Der Grund hierfür würde sich gleich selbst erklären.


    "Heute lernt Ihr etwas über Militärgeschichte und über Formationen. Beides geht Hand in Hand. Als da wäre die Linieninfanterie.

    Damals im Zuge der Heeresreform von Gaius Marius wurde der Legionär zu einem Linieninfanteristen. Dies bedeutet dass Velites, Principes und Triarier in ein einheitliches Konzept überführt worden sind. Durch diese Neugestaltung war es den Feldherren ab dato möglich, die Formationen auf dem Schlachtfeld zu entwirren. Selbstverständlich blieb es üblich, dass die Legionäre in mehreren Reihen hintereinander Stellung bezogen. Dennoch konnten zu früher ganz neue Möglichkeiten im Gefecht umgesetzt werden.


    Besonders hervorzuheben ist hier Gaius Julius Caesar, der von diesen Möglichkeiten Gebrauch machte. So war es genau jener Mann, der die Rotate-Befehle, der schiefen Schlachtordnung und auch Testudo - die Schildkrötenformation etablierte. Mehr noch, er ist damit in die Geschichte des Militärs eingegangen",
    erläuterte Lurco seinen Auszubildenden und die Barackenbrüder führten gemeinsam mit Purgitius die Formation vor.


    "Eine weitere Formation ist die Rotate - die Rotation von Legionären.

    Wie jeder Legionär weiß und Ihr eines Tages vielleicht auch erfahren werdet, ist der Kampf Schwerstarbeit. Also wurde etwas bis dato nie dagewesenes erfunden, die flexible Formation! Rotate bedeutet nichts anderes, als die Legionäre in der ersten Linie durch Rotation alle paar Minuten auszutauschen.


    Hierzu tragen die Offiziere Pfeile bei sich, um über den Lärm einer Schlacht immer noch Befehle geben zu können. Auf ein derartiges Pfeilsignal hin, treten die vordersten Legionäre in der Phalanx einen Schritt zur Seite und werden sofort durch ihren Hintermann ersetzt. Ist der Austausch vollbracht, ziehen sich die ermatteten Legionäre in die letzte Reihe zurück. Dort schöpfen sie erneut Kraft, bis sie wieder an der Reihe sind. So sind unsere Legionäre schlichtweg durch ständiges Auswechseln der Männer, ausgeruhter und einsatzbereiter als jeder Kämpfer einer anderen Armee",
    auch diese Formation wurde so gut es ging mit den wenigen Männern vorgeführt, damit die Tirones ein Bild davon erhielten.


    "Quincunux - die Rotation von Zenturien.

    Hiermit ist gemeint, dass nicht nur die Legionäre, sondern ganze Einheiten ausgewechselt wurden. Wichtig ist, dass die Formation bei einer flexiblen Vorwärtsbewegung funktioniert. Jedem aufmerksamen Zuhörer von Euch Tirones dürfte jetzt klar sein, dass die Hauptwaffe eines Legionärs nicht sein Schwert, sondern sein Wurfspieß ist. Die Vorgehensweise lautet derweil wie folgt. Die Legionäre stürmen versetzt in Abständen vor. Es wird als Erstes der schwere Wurfspieß geworfen. Diesem folgen drei leichte Wurfspieße. Der Zweck ist klar, den Gegner zu verwunden oder zu töten. Die Legionäre zogen sich zurück, während bereits eine andere Einheit vorstößt. Für die Demonstration stellt Euch bitte jeden meiner Kameraden als eine Einheit vor", sagte Purgitius und erneut wurde den Tirones ein anschauliches Beispiel geboten.


    "Die schiefe Schlachtordnung.
    Wie der Name Euch verrät, ist hier Asymmetrie am Werke. Der Feldherr setzt am linken oder rechten Flügel einen Schwerpunkt, um dort eine Übermacht zu schaffen und die feindliche Linie zu brechen. Dies Schlachtordnung wird vor allem angewandt, wenn wir uns in der Unterzahl befinden. Hier bedarf es keiner Vorführung, Ihr könnt Euch dies so vorstellen meine Tirones",
    erläuterte Lurco.


    "Die Testudo - die Schildkrötenformation.
    Die Schildkrötenformation ist hinlänglich bekannt und bietet großen Schutz. Bei dieser Formation rücken die Legionäre so dicht wie möglich zusammen und schützen sich gegenseitig mit ihren Schilden. Und zwar rundherum und auch von oben! Die Formation ist aufgrund der enormen Anstrengung und des dichten Zusammenstehens und Haltens sehr schwerfällig. Die Testudo-Formation nur mit dem rechteckigen Schild - dem Scutum möglich. Die Soldaten der ersten Reihe halten ihre Schilde nach vorne. Die folgenden Reihen halten ihre Schilde hoch über ihre Köpfe, so dass sie die Vorangehenden mit bedeckten und sich überlappten",
    erklärte Purgitius und die Barackenbrüder führten eine kleine Schildkröte vor, so dass jeder Tiro sah, wie diese Formation aufgebaut wurde und am Ende auszusehen hatte.


    "Die Keilformation.
    Die Keilformation ist eine Angriffsformation, stellt Euch den Keil als Pfeilspitze vor. Die Legionäre beziehen Aufstellung in V-Form. Ist es mit der Formation gelungen die feindliche Linie zu durchbrechen, wird der Durchbruch von den nachrückenden Legionären erweitert. Diese Formation setzt auf Schnelligkeit und Kraft. Obacht, wenn die Keilformation gestoppt wird, kann es geschehen, dass die Legionäre eingekesselt werden",
    erzählte Lurco und die Kameraden von ihm nahmen eine Keilformation ein.


    "Der Abwehrkreis.
    Ein Abwehrkreis ist genau das, die Legionäre stehen Rücken an Rücken und bilden so einen schützenden Kreis. Die Waffen zeigen nach außen und jeder Kamerad deckt den Rücken des anderen",
    sagte Lurco schlicht und die Kameraden stellten sich Rücken an Rücken, während die Bewaffnung dem imaginären Feind entgegen gehalten wurde.


    "Dies sind die grundlegenden Formationen die Ihr kennen müsst und die wir nun üben werden", erklärte Purgitius.


    Gemeinsam mit den Barackenbrüdern der Baracke VII und den Tirones wurden die Formationen so lange geübt, bis sie einigermaßen sicher saßen. Alles weitere würde sich im Arbeitsalltag einschleifen. Und dort würde auch das weitere Lernen stattfinden. Einiges würden die Tirones täglich benötigen, anderes vielleicht nie wieder, je nachdem wohin es den Einzelnen von ihnen verschlagen würde.


    Nachdem sie einige Stunden geübt hatten, hob Lurco die Hand und erneut die Aufmerksamkeit seiner Tirones auf sich zu ziehen.


    "Sehr gut meine Tirones. Was möchte ich Euch noch mit auf den Weg geben? Die grundlegenden Aufgaben eines Mitglieds der Cohortes Urbanae. Wir, die Urbaner, sind eine Einheit der römischen Armee und in Rom, selbst wie in einigen weiteren Städten stationiert. Wir sorgen für Recht und Ordnung. Treten wir in Erscheinung Tirones, tritt der Staat in Erscheinung. Rom tritt in Erscheinung, verhaltet Euch so! Wir unterstehen dem Kriegsrecht, wir sind es die neben den Prätorianern in Rom Waffen tragen dürfen und dies nicht ohne Grund! Neben dieser wichtigen Aufgabe gibt es eine weitere, die Kohorte von Lugdunum ist in erster Linie für die Bewachung der kaiserlichen Münzstätte verantwortlich.


    Das meine Tirones seid nun Ihr - Urbaner.


    Rückt ab in ein neues Leben, Ehre und Stärke auf all Euren Wegen", wünschte Lurco ihnen freundlich.

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