[Habitatio] centurio Marcus Tiberius Coriolanus

  • Einsam kauerte der Mann in seinem Bett, starrte die Raumdecke seiner Stube an, die im Gegensatz zu anderen milites, ganz ihm gehörte. Die habitatio eines centurio war nicht üppig aber bot einen bescheidenen Luxus im Gegensatz zu den Mannschaftsunterbringungen. Es war still geworden. Zu still, so dass die Gedanken sich bewegen konnten. Marcus dachte nach. Nicht nur über sich, sondern über seine Zukunft. Es waren bereits Jahre an diesem Ort. Viele Jahre im Dienste seines Roms, welches ihn vergessen hatte. Kein Schreiben des Kaisers. Kein Schreiben aus der ewigen Stadt, dass ihn daran erinnerte, warum er hier war. Noch immer lag das fast vergessene Edikt des mächtigen Imperator in der Schublade seines Arbeitstisches. Es war nicht verborgen aber auch nicht sichbar. Es war die erste und letzte Nachricht gewesen. Der Kaiser wollte ihn hier und hatte ihm klar gemacht, dass er vorerst in der Legion dienen musste, um zu überleben. Manchmal kamen Marcus Zweifel. All die Entbehrungen, die Verluste und dieser monotone Dienst waren mehr Strafe als Sinnerfüllung geworden. Es war nicht seine Entscheidung gewesen. Niemals hatte er hier wirklich etwas selbst entschieden. Der Kaiser hatte von Feinden gesprochen, Christianern und Verrätern. Er hatte ihm einem nächtlichen und geheimen Gespräch zugesichert, ihn zu verstecken und zu beschützen, damit das gute Haus des Tiberius nicht ausstarb. Doch der Kaiser hatte ihm nie darauf geantwortet, was aus seiner Schwester geworden war. Briefe nach Rom an seine Familie waren stets unbeantwortet geblieben. Niemand kannte sie. - Und dem Kaiser wollte er nicht schreiben, da seine Wohltat ein Segen und zugleich Fluch war. Vielleicht sogar ein gerechter Fluch. Marcus dachte an seine Schwester, an seine Mutter und daran, was wohl aus ihnen geworden war. Es hieß, dass auch sie versteckt worden seien. Doch glauben konnte er das nicht. Es gab keine Gefahr für eine Frau, wie Stella und seine wahre Mutter. Doch für ihn selbst war die Gefahr real gewesen, nachdem der Vater verschwunden war und man von seinem Tod ausging. Der Aufstieg der diabolischen Christianer hatte sein Übriges getan. Es war bekannt, dass sich sein Vater im Kampf gegen diese besonders hervorgetan hatte.


    Marcus musste also annehmen, dass die Christianer ihn getötet hatten. Immerhin war das geheime Netzwerk der Christianer groß und wahrlich jeder konnte diesem Irrglauben erliegen. Sobald man diesen Glauben annahm, war man automatisch ein Feind Roms und war bereit selbst Familienmitglieder zu verraten, nur um seinem Gott zu dienen, der - so nahm Marcus an - Menschenopfer verlangte. Marcus hatte sein eigenes Weltbild in der Ferne bauen müssen und dies bestand zu großen Teilen aus Vorurteilen und falschen Erzählungen. Seine Wissensquellen an diesem Ort waren nicht üppig. Und von einem centurio wurde viel mehr militärische Führung erwartet, als ein gesundes und gut gebildetes Wesen. Wie sagte sein Ausbilder stets, dass ein guter Offizier stets genügend Bildung besaß, um keine dummen Entscheidungen zu treffen aber gleichzeitig ungebildet genug, um sein eigenes Leben nicht zu hoch zu bewerten. Er vermisste Rom. Nicht den Schmutz und die verteufelten Ränke, sondern seine Familie und zumindest, was davon übrig war. Er konnte noch nicht wissen, dass seine Mutter verstorben war. Auch konnte er nicht wissen, dass seine Schwester allein für die Familie kämpfte. Marcus war isoliert in dieser fernen Einöde, in einem Militärlager, welches vielleicht die östlichste Bastion des Imperiums war. Gedanken spannen sich weiter, während der centurio sanft seine Augen schloss. Einen Moment der Ruhe, bevor er sich wieder dem Alltag widmen musste. Dem traurigen Alltag eines Mannes, dessen Geschäft die Disziplin war. Die Isolation hatte ihn verbittert und auch dieses Schweigen aus der Ferne. Es gab für ihn hier nichts zu gewinnen aber auch wenig zu verlieren. Ein legionarius trat in das Vorzimmer, wagte sich aber nicht weiter, um den gefürchteten centurio Tiberius nicht in seinem Heiligtum zu stören. Der legionarius meldete sich mit einem Räuspern, bevor er sich vorstellte.


    "Immunes Lentilius Simplex, vierte Kohorte, erste Centurie, macht Meldung." Der Soldat nahm Haltung an. Ein Rumoren drang aus der Schlafstube des centurio, während dieser sich erhob. Marcus griff nach seiner Vitis griff, seinem Standeszeichen, welches er stets bei sich trug. "Lentilius," brummte der Tiberius, während seine Augen zu schmalen Schlitzen zusammengepresst waren. "Centurio," grüßte der Soldat und schluckte, seine aufrechte Haltung nicht verlassend. Er wagte es nicht. "Berichte," sagte Marcus und drehte den Rebstock in seinen Händen. "Legionarius Tullius Secundus ist zur Bestrafung angetreten und wartet ehrenhaft auf dein Erscheinen, centurio." Marcus kratzte sich am Hals, während er zu seinem Arbeitstisch trat, auf dem sein pugio lag. Mit einer gelangweilten Bewegung verstaute er diesen an seinem cingulum militare, welches recht üppig mit einigen Goldplättchen verziert war. Im Gegensatz zur regulären Truppe konnte er sich Gold leisten und trug auf seinem Militärgürtel einen Goldbeschlag, über den üblichen Metallplatten, die wiederum auf festem Leder aufgebracht waren. Schnell warf er noch an einen Blick zum Waffenständer, unmittelbar neben seinem Rüstungsständer. Auf dem Waffenständer lag im Zentrum in einer Halterung das Gladius seines Vaters. Es war ihm übergeben worden. Es trug viele Schrammen aber war stets repariert und saniert worden. Im Zentrum war in feinen Lettern eingraviert: tertium non datur. Am feinen Ebenholzgriff prankte ein eingearbeitetes Wappen seines Hauses und am Knauf selbst war eine Kordel aus Goldfäden angebracht. Mit dieser Kordel konnte man das Gladius bei Bedarf festbinden oder am Handgelenk befestigen, damit es in der Schlacht nicht aus der Hand fiel. Zwar wurde die Waffe vom Gürtel gezogen, doch konnte man sie mit einem geübten Griff, befestigen, um so im Schlachtengetümmel, die Waffe nicht aus der Hand fallen zu lassen. Marcus seufzte, während er einmal mit dem Finger über die Waffe fuhr, die sein Vater wohl im letzten Augenblick seines Leben in der Hand gehalten hatte. Sein Vater hatte die Härte nach Außen gelebt, obwohl Marcus glaubte, dass sein Vater eigentlich ein anderer Mensch war. Doch die Zeit hatte es egal gemacht. Rom hatte es egal gemacht. Und für Marcus war es inzwischen auch hinfällig. Vergiftet waren die Gefühle, die oft nur eine Wüste hinterließen. Marcus wandte sich an den Legionär. "Gut," war die knappe und salzige Antwort des Mannes, dessen Gesicht so schroff, wie das Land um das Kastell, geworden war. "Abtreten," befahl der centurio mit einer eisigen Stimme, während er selbst durch die einfache aber gut gearbeitete Tür seiner habitatio ins Freie trat. Seine schweren caligae schienen hämmernd den Boden bei jedem Schritt zum Beben zu bringen. Nicht weit waren einige Soldaten angetreten. Es handelte sich um die gesamte centurie des Tiberius, welche sich bei einem Pfahl versammelt hatte, an dem an Soldat stand, welcher sich seinen Oberkörper frei gemacht hatte. Zwei Legionäre, in typischen Tuniken der Legion, mit den erkennbaren Tätowierungen des Schriftzuges SPQR am linken Oberarm, standen unmittelbar neben dem Soldaten, welcher ein angespanntes Gesicht zeigte. Marcus blieb mit wogender Vitis in seinen Händen vor dem Mann stehen, bevor er zu den angetretenen Soldaten blickte.


    "Dieser Mann hat gestohlen. Er hat aus einem Dorf gestohlen. Es ist unerheblich, was er gestohlen hat. Es ist einem miles verboten, zu stehlen," sagte Marcus. "Er hat seine centurie entehrt aber sich zumindest reumütig gestellt. Ihm drohte die unehrenhafte Entlassung und die Entfernung eines Fingers als Zeichen dafür, dass er unehrenhaft ist. Er war ein Dieb und er muss lernen. Eine solche Handlung ist nicht ohne Sühne zu entschuldigen. Strafe folgt auf Vergehen und Verbrechen, legionarii!" Die anwesenden Soldaten schluckten, da sie wussten, was den Armen nun erwarten würde. Der Tiberius hatte sich unter den Soldaten einen Spitznamen erarbeitet, der auf den ersten Klang harmlos wirkte aber unter den Soldaten für Furcht sorgte. Man nannte ihn "Noch eine!", da er die Angewohnheit hatte, seine Vites zu zerbrechen, indem er sie auf seine Soldaten schlug, wenn diese versagten oder gegen Anweisungen verstießen. Dann forderte er schlicht einen Soldaten auf, ihm eine weitere Vites zu bringen, um weitere Schläge und Strafen verteilen zu können. Im Gegensatz dazu stand jedoch sein Pflichtbewusstsein und seine Bereitschaft stets in vorderster Reihe zu führen, keinen Mann zurück zu lassen und sich durch die selben Qualen zu begeben, wie er sie von seinen Soldaten verlangte. Viele, die sich an das harte Regiment gewöhnt hatten, dienten gerne unter Tiberius, da er stets verlässlich war, nicht korrupt und immer alle Soldaten gerecht behandelte. Niemals war eine Strafe unverdient, wenn auch mal recht hart vollzogen. Viele andere Offiziere waren oft korrupt und ließen es zu, dass man sich von Diensten freikaufen konnte. Das gab es bei "Noch eine!" nicht. Warum Marcus so geworden war? Isolation, Einsamkeit und die Erfahrungen an diesem Ort hatten ihn mehr geprägt, als sein kurzes aber schönes Leben in Rom. Er musste sich an seine neuen Lebensumstände anpassen und musste in dieser Hinsicht von seinem Vater lernen, der ähnlich hart war. Nur Härte verschaffte Disziplin und Disziplin sicherte das eigene Überleben. Überleben aber wozu? Die Frage konnte Marcus nie beantworten und machte stets so weiter, wie es ihm beigebracht worden war. Wenigstens darin war er gut. Seine centurie war straff geführt, agierte stets mit nahezu voller römischer Perfektion und war immer gefechtsbereit, während andere Centurien nachgelassen hatten und sich eher dem Lagerdienst mit Unwollen hingaben. Marcus glaubte an seine Männer. Und genau deshalb zeigte er diese Härte, um sie sicher durch alle Situationen zu führen. Im Grunde versteckte sich dahinter die Überzeugung, dass er sie auf alles vorbereiten musste, was der orcus ausspucken konnte und gegen sie warf.


    Wenn sie erst ihn hassten, vereinigte sie das; wenn sie lernten, dass in der Disziplin eine Ordnung lag und sie damit besser überleben konnten, lernten sie auch, dass sie alle Probleme und Situationen gemeinsam meistern konnten. Marcus nahm dies auf sich und war sich aber gleichzeitig klar, dass er dadurch noch mehr isoliert war. Er war nicht der gute Freund und große Bruder, sondern nur der centurio, der eindeutige Befehle gab. Mehr sollte er auch nicht sein. Umso mehr verwunderte es ihn, dass niemand seine centurie verließ oder ein Versetzungsgesuch stellte. Aus Gesprächen wusste er, dass viele Soldaten gerne unter ihm dienten, da sie zu jedem Zeitpunkt wussten, wen sie vor sich hatten und sie immer gerecht behandelt wurden. Gerechtigkeit war ein großes Wort für Marcus, dem er stets gerecht werden wollte. Sie war das einzige, was für ihn greifbar war, so unmittelbar greifbar, wie seine Vitis, die in dieser Situation auch Richtwerkzeug war.


    "Lege age," murmelte Marcus halblaut. Der diebische Soldat wandte sich zum Pfahl, legte die Hände auf diesen und wandte somit seinen Rücken dem centurio zu. Die beiden Soldaten neben ihm, hielten ihn nun fest. Man gab ihm jedoch noch ein Beißholz. Es war vorher in ein Opiumöl getränkt worden, um den Schmerz ein wenig zu benebeln. Marcus war kein vollständiger Unmensch, der einem Soldaten bei einer Strafe das Beißholz vorenthielt. Das machten nur Sadisten. Marcus selbst hatte keine Freude daran aber war leider überzeugt, dass nur sichtbare Strafen Wirkung innerhalb einer Truppe entfalten konnten und war mit diesem Glauben sicherlich nicht allein. Die gesamte Legion wurde hart geführt und Leibesstrafen waren durchaus normal. Kurz schloss Marcus die Augen, bevor er weit ausholte und mit der Vitis zuschlug. Er schlug so fest zu, dass diese brach. Der Soldat biss fest auf das Holz.


    "Noch eine," forderte Marcus und ein Soldat reichte ihm einen weiteren Rebstock. Jetzt schlug Marcus weniger hart aber in schneller Folge zu, so dass sich die Vitis fast schlingernd in der Luft bewegte. Schließlich stoppte Marcus und blickte den Soldaten an, der inzwischen gebrochen am Pfahl hing und sich mühsam mit seinen Händen festhielt. "Genug," sagte Marcus und ließ das Blut von der Vitis in den Staub des Weges tropfen. "Ruft den capsarius und versorgt den Mann. Ich möchte einen Bericht über seinen Gesundheitszustand in zwei Tagen." Der centurio ging nicht davon aus, dass der Soldat so schnell wieder einsatzbereit war und erwartete es auch nicht. Dann blickte er zu angetretenen Soldaten. "Das Gesetz ist eindeutig. Jeder hat sich daran zu halten. Jeder," forderte er ein, während er in betroffene und teilweise ängstliche Gesichter blickte. Scheinbar war der betroffene Soldat ein guter Kamerad vieler gewesen.


    "In zwei Stunden ist Gefechtsübung. Ich möchte, dass ihr alle in voller Montur und Ausrüstung auf dem campus antretet. Optio Mercutius, du hast die Truppe," donnerte er, während er die Vitis anhob, um diese kurz zu betrachten. Er würde sie wegwerfen müssen. Der optio nickte und trat die vor die Reihen. "Ihr habt den centurio Tiberius gehört. Reihen geordnet auflösen und zu den Stuben," befahl der erfahrene Optio, der bald die Truppe verlassen würde. In wenigen Wochen würde sein Dienst enden. Marcus fürchtete sich ein wenig davor, da Mercutius fähig, verlässlich und klug war. Wer sollte ihn ersetzen? Er hielt stets den Rücken von Marcus frei. Es war ein echter Verlust.


    Mit einem Blick auf die Truppe, die sich geordnet sowie sehr diszipliniert auflöste und in kleinen Gruppen in ihre Unterkünfte ging, verweilte der Anführer dieser milites; während die beiden stützenden Soldaten, den Bestraften zum capsarius brachten. Es tat ihm leid, so dass sein Blick noch kurz beim Bestraften vorbeihuschte aber sich keine Blöße im Angesicht gebend. Marcus behielt sein salzig-bitteres Gesicht. Schließlich trat Marcus ab, ging auch wieder in seine Stube, legte die blutige Vitis in eine Abfallkiste in seiner Unterkunft und wusch sich die Hände in einem Handbecken aus Messing, danach warf er sich auf sein Bett, um erneut an die Decke zu starren. Wieder waren da diese Gedanken. Er hasste diesen Ort und auch das, was er geworden war.

  • Die kalte Gleichgültigkeit wuchs mit jedem Gedanken daran, dass seine Heimat in der Ferne ihm jede Antwort schuldig blieb. Seine Verdammnis war nicht nur dadurch vergöttlicht, dass er als Offizier in dieser Hölle diente, sondern viel, dass er allein sein Schicksal ertragen musste und genau wusste, was sein Schicksal war. Ein höllischer Teufel war er nicht und doch wuchsen die unsichtbaren schwarzen Schwingen, die ihm halfen, durch ein Leben zu gleiten, welches ihm längst nicht mehr von großer Bedeutung war. Ein römischer Teufel war er geworden, der mit seinen angsteinflößenden und eisfrostigen Augen in jede Seele blickte, um jede Schwäche ausfindig zu machen und diese gegen die gegenüberliegende Person zu richten. Er war allein mit sich und seiner Welt, die gelegentlich mit anderen Welten kollidierte. Bei jeder Kollision brachte er mit eisener Kälte die andere Welt zum Einsturz, nur um seine eigene Welt zusammen zu halten;- geflickt mit den Trümmern der anderen Welt. Philosophen sprachen davon, dass das wahrhaftig Böse mit guter Absicht begangen wurde. Marcus Absichten waren nicht nur gut, sondern getrieben von einem bissigen Eifer, besser zu sein als das, was er jetzt war. Doch sein Wille war längst nicht mehr allein mit seiner Verzweifelung, sondern gesteuert und gelenkt durch das römische Dogma, welches Absicht klar zu Gunsten einer brutalen Macht verwandeln konnte. Rom war Macht und für viele gleichbedeutend mit einem umfassenden Anspruch. Dieser Anspruch hatte auch Marcus schwer vergiftet, so dass die schwarzen Schwingen weiter wuchsen, bis er auch jeden so gebrochen hatte, wie sein eigenes Herz. Es schlug noch kräftig. Zu kräftig. Die Rüstung mit ihren hochwertigen Kettengliedern und dem Stahl war sein wahre Gestalt. Jedes Kettenglied ein Splitter seines Herzens, gewandelt und geschmiedet. Jedes Kettenglied war geschmiedet, um ihn in sein wahres Angesicht zu kleiden: Eine brutale Kriegsmaschine, gebrochen und ausgebildet, um sein eigenes Leben gegen jeden Gegner zu verwetten. Und so war auch jeder Tag eine Wette gegen die Zeit. Seine Geheimnisse trug er mit sich, wie ein Gewicht, um ihn daran zu erinnern, dass er einmal selbstbestimmter Mensch war. Nicht einmal er selbst glaubte an eine Erlösung nach den Jahren. Die Kampfeinsätze, der Drill und auch die Gewalt, die er selbst erfahren hatte, hinterließen nicht viel von eigener Bedeutung und eigenem Wunsch, außer einem sturen Drang niemals aufzugeben und zu überleben. Rom hatte ihn nicht nur zudem gemacht, was er heute war, sondern viel mehr der Ablauf von feindlichen Tagen in Cappadocia. Wenn er noch etwas hatte, war es das teuflische Bekenntnis zu seinem Dienst für Rom und jedem Soldaten, der sich ihm und seinem Befehl verpfändete, mitsamt Seele und Leben. Auch ihre Verdammnis würde er vergöttlichen, bis sie selbst bereit waren, einen Gott zu töten. Narben zeichneten den römischen Teufel, der sich selbst verraten hatte, welcher sich einem untoten Wesen erhob.


    Seine Unterkunft war einem Höllenschlund gleich geworden, da die Feuer in den Schalen brannten und sich im Schritt des Tiberius zu verneigen schienen. Ein wütender Griff zum Becher mit Posca. Ein kräftiger Schluck stürzte das Getränk hinunter aber konnte das trockene Gefühl in seiner Kehle nicht beseitigen. Es war an der Zeit, diese menschliche Gestalt abzulegen, und zudem zu werden, was sein und das Überleben seiner Männer sicherte. Er trat am Arbeitszimmer vorbei, vorbei an der kleinen Kochstelle, vorbei am Arbeitsraum des tesserarius, und erreichte den Vorraum, wo sich die Rüstungs- und Waffenständer befanden.


    Gefechtsübung. Ein Wort, welches er ernst nahm. Er würde es seinen Soldaten nicht leicht machen. Nein, er machte es ihnen nie leicht. Mit seinen schwieligen und trockenen Händen griff nach den Rüstungsteilen, mitsamt Helm und Beinschienen, legte diese geordnet auf den großen Tisch. Es gab eine feste Abfolge, um die Rüstung anzulegen. Er begann mit der subarmalis, einer massig gefütterten Unterrüstung aus Leinen, welche er mit einer geübten Bewegung über seinen Kopf zog. Sie reichte knapp über seine Hüfte. Marcus zog an zwei Bändern, so dass sich die Unterrüstung zusammenzog und eng anlag. Die Bänder band er hinter seinem Rücken zusammen. Er prüfte den Sitz mit einem Ruck und war mit dem Ergebnis zufrieden. Die Hände packten den schweren Lederwaffenrock, der für seinen Stand üblich war. Viele kleine und beschlagene Lederstreifen fielen hinab und bildeten einen engen Kranz aus schnittfestem Schutz. Marcus hob den Waffenrock an, legte diesen in einer Bewegung um und schloss diesen mit einer Öse hinter seinem Rücken ab, wobei er diesen schließlich mit der subarmalis verband. Mit einer Bewegung zog er sein cingulum militare hoch, so dass es über den Waffenrock fiel. Er prüfte dessen Position und glich es mit dem Waffenrock ab, bevor es abnahm und auf den Tisch legte. Der pugio klapperte dabei gegen das Metall des cingulum. Der Waffenrock bedeckte nun seine Oberschenkel bis zum Knie und bot einen engen Schutz gegen Schnitte und Schläge, gewährte aber gleichzeitig genügend Beweglichkeit. Er war so dicht gearbeitet, dass keine offene Stelle ersichtlich war, obwohl jeder Lederstreifen für sich frei beweglich war. Marcus war es gewohnt, die Rüstung alleine anzulegen aber ließ sich heute Zeit. Mit einem prüfendem Blick fuhr über er die restlichen Teile seiner Rüstung. Er nahm die Beinschienen aus Stahl, welche mit dem Familienwappen beschlagen waren, auf und lockerte die Halteriemen, bevor er jeweils abwechselnd, die Beinschienen vor seine Schienbeine legte und die Halteriemen so fest verschloss, so dass sie fast Druckstellen ergaben. An seinen Unterschenkeln waren bereits Narben von Einschnitten dieser Riemen ersichtlich, da es üblich war, diese vor der Schlacht fest anzuziehen aber bei unerfahrenen Soldaten oder bei Gefechtsmärschen, schnitten diese Riemen oft ein und bildeten irgendwann diese Narben. Es brauchte Erfahrung, die Beinschienen fest aber nicht schmerzend zu binden. Marcus sicherte den Sitz der Schienen, die bis zum Knie und noch ein wenig darüber hinaus, die Beine in Stahl hüllten. Die Schienen schlossen eng mit den caligae ab und ließen nur einen kleinen Spalt zum Oberfuß. Die Beinschienen saßen perfekt. Marcus war zufrieden und griff dann zur verstärkten lorica hamata, die an den Schultern verstärkt worden war.


    Es war eine hochwertige lorica, da die Kettenglieder sehr fein gearbeitet waren und sich durch die enge Schmiedeweise durch Bewegung selbst vom Rost befreiten, so dass der Stahl, wenn er poliert wurde, ständig silbern erschien. Eine Rüstung eines römischen Soldaten war stets poliert und so war auch die Rüstung des Marcus vollständig schmutzfrei und funkelte fast im diesigen Licht der Feuer. Marcus zog das schwere Kettenhemd über seinen Kopf, wobei er darauf achtete, dass die Kettenglieder sich nicht in seinen Haaren verfingen. Dies war unangenehm. Das Kettenhemd rutschte schließlich herunter und schloss bündig mit dem Waffenrock ab, den es ein wenig überlappte. Die Schulterstücke des Kettenhemdes ragten weit bis zum Ellenbogen herab und boten so einen einfachen Schutz gegen Schnitte sowie Stiche in die Seite. Das Kettenhemd saß perfekt, da es ja für ihn angefertigt worden war. Bereits jetzt trug diese Aufmachung dazu bei, dass er noch kräftiger wirkte, als er ohnehin schon war. Marcus griff nun wieder zum cingulum und band es genau um seine Hüfte, wo der Waffenrock und lorica aufeinander trafen. Mit einem schnellen Ruck richtete er es aus und richtete den pugio so aus, dass er perfekt im Zugriff lag, da er diesen auf der anderen Seite als üblich trug. Ein centurio trug sein Gladius links und den pugio rechts. Marcus war Beidhänder (mit einem leichten Schwerpunkt auf der linken Hand), so dass ihn dies wenig störte. Nun griff er zu den einfachen Armschienen aus Stahl, die ähnlich den Beinschienen mit Riemen befestigt wurden. Jeweils brachte er eine Armschiene an, dann die andere. Die Armschienen saßen und reichten knapp bis zum Ende des Unterarmes. Marcus stopfte noch jeweils ein Leinentuch unter die Armschienen, um diese etwas mehr zu polstern und im Notfall stets einen kleinen Verband bei sich zu haben. Oft konnten so kleinere Schnitte schnell versorgt werden. Sein Siegelring aus Gold bildeten nun einen Kontrast zum Stahlsilber seiner Rüstung. Marcus griff zum weißen Halstuch, welches aus Seide und Leinen im Verbund gewebt war.


    Er band es sich locker anliegend um den Hals, so dass es bis zum Halsende reichte. Es bot einen sehr einfachen Schutz gegen Schnitte und mit etwas Glück sorgte die Seide dafür, dass eine Klinge an Schnittkraft verlor, indem sich die Seide, so fein sie war, um die Schneidfläche wickelte und diese somit verhinderte. Marcus griff nun ehrfürchtig zum Gladius seines Vaters, um dieses in die Schwertscheide zu führen, die direkt am Waffenständer hing. Danach nahm er das Gladius mitsamt hängender Schwertscheide herunter, um sich das Lederband des Waffenträgers umzuhängen. Er prüfte auch hier den Sitz und befestigte die Schwertscheide zusätzliche mit einem Band am cingulum, so dass, wenn das Lederband durchschnitten werden sollte, das gladius noch am cingulum gehalten wurde. Auch verhinderte diese Befestigung ein Verrutschen der Waffe im Gefecht. Andächtig nahm er zwei dünne Leinenstreifen vom Waffenständer, um sich diese fast meditativ um die Handflächen zu wickeln. Sie wurden eng gebunden aber nicht zu eng. Diese Streifen sollten die Hand vor Schnitten schützen aber auch viel mehr den Waffengriff verfestigen, indem das Leinen den Schweiß band und so die Waffe ruhiger in der Hand lag. Marcus war fast bereit. Mit einer ähnlich andächtigen Bewegung griff er zu seinem Helm, der mit dem quergestellten Helmbusch aus roten Federn geziert war. Noch setzte er diesen nicht auf, sondern griff noch zu seiner Vitis, die er beiläufig in seinen Gürtel steckte, so dass diese nicht herausrutschen konnte. Mit dem Helm in der Hand trat er hinaus, blickte sich mit einem Atemzug um. Es war an der Zeit aber eine formale Kleinigkeit musste er noch erledigen, bevor er mit der Gefechtsübung beginnen konnte. Mit dem Helm unter die Schulter geklemmt trat er er die Stuben ab, bis er die Stube gefunden hatte, indem der betroffene Soldat untergebracht war.

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