Taberna zum Lustigen Ochsen - oder der Versuch das Unweigerliche hinaus zu zögern

  • >> [Tablinum] | Antonius Tacitus sucht


    ... Einen Tag später ...


    Nachdem Tacitus aus dem Tablinum und anschließen aus der Casa Antonia geradezu geflohen war hatte er Unterstützung bei seinen Freunden gesucht. Allerdings musste er jetzt feststellen, dass er keine wirklichen Freunde hatte. Den ganzen Tag hatte er versucht das Geld für die Bezahlung von Castor und Pollux zusammen zu bekommen. Doch der eine hatte ihn nur ausgelacht, der andere dankend abgelehnt usw. Mehr oder minder war er durch die ganze Stadt geirrt um jemanden seines Bekanntenkreises zu finden, der ihm die 500 Sesterzen leihen konnte, bzw. wollte. Doch alle Mühen waren umsonst gewesen.


    Während der vereinbarte Termin eben angebrochen war in dem sein Problem gelöst sein sollte hatte sich Tacitus in seine Stamm-Taberna zurückgezogen. Zum Treffpunkt hatte er sich nicht getraut ohne Geld. An der Casa Antonia konnte er sich momentan kaum blicken lassen. Er dachte an das enttäuschte Gesicht, welches sein Vater wohl gemacht hatte als Hephaestion ihm vom Vorfall im Tablinum erzählte. Er sah in nahezu vor sich. Zum ersten mal seit Langem tat Tacitus etwas leid. Was hatte er bloß angestellt. Beim Gedanken daran bekam er leicht wässrige Augen.

    Er starrte dabei in seinen immer noch fast vollen Becher mit verdünntem Vinum was wiederum den Wirt verwunderte:


    "Alles in Ordnung Tacitus? Du siehst irgendwie abwesend aus."


    Tacitus schaut gedankenversunken auf und antwortete:


    "Jaja, alles gut."


    Daraufhin leerte er seinen Becher in einem Zug und hielt ihn dem Wirt entgegen:

    "Bring mir bitte noch einen."


    Der Wirt lächelte und nahm den Becher um ihn aufzufüllen. Der Antonier schien verstanden zu haben....

  • Castor und Pollux hingegen, die ihren Auftrag mustergültig erledigt hatten, warteten vergebens am Treffpunkt. Sie froren, fluchten, trällerten ein Lied. Sie hatten in einem Sack den Beweis für die Erfüllung ihrer Pflicht dabei, was bei der Kälte kein Problem darstellte. Nichts faulte, nichts stank, keine Fliegen. Aber wo war der Auftraggeber, dem sie die Beute stolz zu präsentieren gedachten?


    "Bruderherz", sprach Pollux schließlich voll Trauer, "mich deucht, man belog und betrog uns!"

  • Castor schaute zum nächtlichen Sternenhimmel auf. Kalt und klamm war es. Sein Blick folgte seiner eisigen Atemwolke die sanft in der Nacht davon wehte. Genau wie die Hoffnung auf ihren Lohn und der Aufsicht darauf, dass sich eines Tages ihr Schicksal zum Guten wenden würde. Castor umarmte stumm seinen Bruder und nickte wortlos.

  • Was sie heute verloren hatten, war mehr als nur 500 Sesterze. Es war die Hoffnung darauf, diesen Winter nicht frieren und hungern zu müssen. Und ein weiteres Stück ihres Glaubens an die Menschen. Nein, Castor und Pollux waren keine Menschenfreunde und es fiel ihnen leicht, ihnen die Kehlen durchzuschneiden. Sie hatten keinen Grund, irgendjemand zu lieben, außer sich gegenseitig. Pollux legte seinem Bruder eine Hand auf den Rücken.


    "Wir werden ihn dazu bringen, zu zahlen."

  • Tacitus in der Zwischenzeit war zur Gänze mit sich selber beschäftigt. Er bemitleidete sich regelrecht selber. Seine Freunde? Keiner war wirklich ein wahrer Freund gewesen. Seine Familie? Er konnte ihr nach allem was passiert war nicht mehr ohne Weiteres unter die Augen treten. Castor und Pollux? Er wollte sich gar nicht ausmalen was ihm blühen würde, wenn die beiden bemerkten, dass er nicht am vereinbarten Treffpunkt erscheinen würde.

    Allein es fehlte ihm an der Kraft und auch an der Fantasie etwas selber zu unternehmen. Zu allem Überfluss schien das übliche Gute-Laune-Mittel Vinum dieses mal auch nicht zu wirken. Der Wirt hatte einen Becher nach dem anderen gebracht, doch die Laune des Antoniers wurde nicht besser. Im Gegenteil, je mehr er nachdachte umso verdrießlicher erschien ihm die Lage.


    "Bei den Göttern, was habe ich bloß getan?", sagte Tacitus vor sich hin und schüttelte den Kopf. Einen Moment schien es so als würde sich Tacitus aufraffen, als wolle er etwas gegen seine Lage unternehmen. Doch ebenso schnell wie der Moment gekommen war verflog er auch wieder und die Körperspannung ließ nach. Tacitus verkroch sich noch weiter zwischen Tisch und Stuhl und signalisierte dem Wirt, dass er weiteren Nachsub benötigte.


    Lethargie machte sich um den Antonier breit......

  • Castors verzweifelte Miene verwandelte sich in eine bösartige Fratze.


    "Wir sorgen nicht dafür dass er bezahlt Bruder! Er hat sein Leben verwirkt. Er ist die Bezahlung! Wir machen ihn nieder und verkaufen ihn an den nächsten Händler oder in ein Lupanar. Wir bekommen unsere 500 Sesterzen und wenn wir sie aus seinem Fleisch schneiden müssen.


    Er hat sich mit den Strahlenden angelegt. Die Götter selbst, also wir, werden sich ihn vorknöpfen und ihn zu Markte tragen.


    Er hat sein Schicksal selbst besiegelt.

    Pollux komm", sagte Castor mit grimmiger Geldgier.


    Sie würden den Mann finden und verscherbeln, dass stand fest. Castor flitze in die Nacht davon, die Straßen nach dem Schuldner absuchend.

  • Pollux nickte, die Verzweiflung verwandelte sich in kalten Hass. Das Köfferchen mit den verschiedenen Substanzen hatte er im Versteck gebunkert und trug nur seine Alltagslumpen und den Sack mit dem Beweismaterial. Unter der Kleidung jedoch befand sich der Krummdolch, die Sica, die durch Kehlen drang wie ein heißes Messer durch Butter. Nur erwischen lassen durfte man sich mit ihr nicht, weshalb sich ein Einsatz unter Zeugen verbot.


    So rannten die beiden los ...


    In Windeseile klapperten sie die üblichen Plätze ab. Sie schauten in jedes Lupanar und in jede Taberna und in jede Caupona, oder was sonst noch um diese Uhrzeit offen hatte, und fragten nach ihrem "Freund", bis sie einen Tipp erhielten. Jemand hatte einen Mann gesehen, auf den die Beschreibung zutraf. Er war in eine gewisse Taberna eingekehrt, gar nicht weit von hier. Ein kurzer Blick von draußen verriet, dass er sich gerade die Hucke volllaufen ließ. Sehr schön, doch leider war die Taberna voller Menschen, so war es unsinnig, dort etwas in die Wege zu leiten. Sie könnten warten, doch Pollux war sehr müde nach dem langen Warten in der Kälte, zudem ließ der Rausch langsam nach und er benötigte Nachschub, um schlafen zu können. Und so beschloss Pollux, auf andere Weise ein Exempel zu statuieren. Sie warteten einen finsteren Moment ab, in dem niemand vorbeikam und niemand aus einem der Fenster schaute. Dann bereiteten sie etwas vor.


    Wenig später prangten auf einem Brunnenrand, genau gegenüber des Eingangs der Taberna, zwei blutverschmierte Köpfe - der einer Frau und der eines Säuglings. Mit Blut stand an die Brunnenmauer geschrieben:


    WIR FINDEN DICH.

    Einen Tag und eine Nacht hast du, um deine Schulden zu begleichen. Dann ist Zahltag!

  • Tacitus hatte die Nacht bis weit nach der zwölften Stunde in der Taberna verbracht um das eigentlich anberaumte Treffen mit Castor und Pollux auszusitzen. Dementsprechend viel Vinum hatte er in sich hineingeschüttet. Der Alkohol machte ihn irgendwie mutig. Er beschloss für sich in die Casa Antonia heimzukehren und seinem Vater alles zu erzählen. Er wollte um Verzeihung bitten. Sollte dieser ihm nicht verzeihen, so hatte er sich wenigstens einmal in seinem jungen Leben für das Richtige entschieden. Darum knallte Tacitus seinen letzten, noch halbvollen Becher auf den Tisch und erhob sich mit einem Schwung. In diesem Moment kam der Alkohol so richtig zu tragen und er schwankte. Gerade noch so konnte er sich mit einer Hand am Tisch und mit der anderen am Stuhl festhalten. Er stabilisierte seinen Stand, rülpste einmal und schwankte dann zur Porta. Als er durch diese nach draußen trat schlug ihm die Kalte Winterluft entgegen.


    Langsam und schwankend machte er einige Schritte, immer noch fest entschlossen. Am Brunnen angekommen ging er zunächst in seinem benebelten Zustand fast vorbei, als er dann bemerkte welch grässliches Schaubild sich ihm hier darbot. Er erkannte zwei Köpfe auf dem Brunnenrand. Langsam und torkelnden Schrittes ging er darauf zu. Es brauchte etwas bis er vollständig verstand und sein Gehirn realisierte was er hier vor sich sah. Er erkannte das Gesicht der Frau:


    "Was.... was... verdammt... was habe ich getan?"


    Tacitus wurde gewahr, was er angerichtet hatte. Verzweiflung stieg in ihm hoch. Dabei war es nicht einmal die Schrift die ihn in diesem Moment so sehr grämte, sondern vielmehr was er angerichtet hatte. Er verstand erst jetzt, dass er die Frau, nein die Mutter seines Kindes hatte ermorden lassen. Er blickte zum Kopf des Säuglings. Tränen flossen nun über sein Gesicht. Sein Kind....


    Tacitus schlug weinend die Hände über dem Kopf zusammen. Seine Verzweiflung mischt sich nun mit Angst. Er sah sich um, blickte in die Dunkelheit hinein ob ihn jemand beobachtet hatte. Dann machte er sich auf den Weg, er musste hier weg....

  • Vier grimmige Augenpaare hatten die beiden Warnungen im Auge behalten. Und da war er, der Zechpreller, der es gewagt hatte ihren göttlichen Zorn heraufzubewören. Er hatte sie verraten und verkauft. Sein Wort war nichts wert gewesen. Nein er hatte sogar auf die Götter gespuckt. Warum sollten sie ihm also die versprochene Frist schenken? Der Kerl hatte ein Blutbad geordert und sie hatten geliefert. Jetzt galt es, sich zu holen was ihnen zustand. Mit dem Ellenbogen stieß Castor seinen Bruder liebevoll in die Rippen.


    Der Zechpreller hatte Angst, pure Verzweiflung stand ihm ins Gesicht geschrieben, als er vor Kummer und Gram die Hände über den Kopf zusammenschlug. Nun war es zu spät, zu bereuen. Er hätte bezahlen müssen. Dass der Mann wegen seiner Tat derart außer sich war, dieser Gedanke kam einem Geschöpf wie Castor gar nicht in den Sinn. Sie waren auf der Straße aufgewachsen, sie waren die Straße und die Straße war in ihnen. Sie kannten die Regeln, die Wege und scheuten sich nicht sie zu gehen. Denn eine Wahl hatten die beiden ohnehin nicht.


    Geduckt wie eine Raubkatze auf dem Sprung schlich er los, ihrer Beute hinterher. Er hatte sie verkauft und nun würden sie ihn einsacken und verkaufen. Castor schnappte sich den blutigen Beutel, der vor wenigen Augenblicken noch zwei abgeschlagene Schädel als Inhalt gehabt hatte. Gleich würde er den Kopf des Vaters und Liebhabers aufnehmen. Familienzusammenführung mal ganz anders.


    Castor öffnete den Sack und hielt ihn bereit. Bei einer passenden Gelegenheit würde er dem Flüchtenden den Sack über den Kopf ziehen und ihn ins Land der Träume schicken. Und sobald der Gute wieder aufwachte, erwachte er in seinem persönlichen Albtraum.


    Das Grinsen von Castor sah aus wie ein blutleerer Riss, der sein Gesicht durchschnitt.

  • Pollux gab seinem Bruder ein Zeichen. Er bog ab in die nächste Querstraße und beschleunigte, um die Beute unbemerkt auf der Parallelstraße zu überholen. Seine Beine waren flink und trittsicher, er rannte durch die enge, stinkende Gasse, die in der Nacht nahezu still war, im Gegensatzu zur Hauptstraße, wo um diese Zeit die Karren entlangfuhren. Aber nicht hier in dieser Ecke. Eine Querstraße weiter bog er wieder zur Hauptstraße ab und drehte den Kopf zur Seite, wo ihm eine Gestalt entgegen taumelte. Dies war er, der Zechpreller.


    "So allein?", säuselte Pollux und trat dem überholten Mensch in den Weg. Nur wenige Schritte trennten sie, der Mann war nicht langsam gewesen in seiner Verzweiflung und der Göttersohn, der einen Umweg hatte nehmen müssen, hatte ihn gerade so überholt. "Diese Nacht könnte wundervoll sein!"


    Er breitete die Arme aus, wie um ihn für eine Umarmung zu empfangen und lächelte. Es war ganz gleich, wie der elende Geizhals nun reagierte. Wenn er stoppte, würde Castor ihm von hinten den Sack über den Kopf ziehen. Wenn er in Pollux hineinlief, würde dieser ihn umarmen und festhalten, bis Castor sie erreichte, um das Werk in gleicher Weise zu vollenden.

  • Tacitus war durch die engen Gassen und Straßen geirrt, ohne ein genaues Ziel. Er wusste nicht so genau wo er sich im Moment befand. Es war ihm auch egal. Die Verzweiflung hatte sich mittlerweile in sein Gesicht gebrannt. Die Tränen welche über sein Gesicht flossen glitzerten in der Dunkelheit und sein Atem stieg in der Kälte wie Rauch empor.


    Als plötzlich ein Mann vor ihm auftauchte realisierte er nicht sofort. Er sah Pollux mit starrem Blick an. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit verstand Tacitus wer hier vor ihm stand. Sein Herz blieb beinahe stehen. Doch berappelte er sich wieder. Er wusste nicht ob es der Alkohol war, oder das Grauen welches er noch vor kurzen Augenblicken gesehen hatte. Wutentbrannt schrie er Pollux an:


    "Ihr Bastarde, was habt ihr getan?"


    Seine Stimme brach unter dem Einfluss der Tränen gemischt mit Zorn. Es war nicht klar auf wen er wütend war. Vermutlich auf sich selbst. Womit hatte er denn gerechnet, was passieren würde? Dass sie einfach auf die Frau einreden und alles gut würde? Tacitus machte einen kleinen Schritt zurück und stieß mit seinem Rücken an die Wand. Er sank zu Boden und sprach mehr zu sich selber als zu Pollux:


    "Das wollte ich nicht. Ich wollte nicht, dass das passiert."


    Voller Bestürzung und Trauer vergrub er sein Gesicht in seinen Händen. Im Moment war ihm egal was mit ihm passieren würde....

  • "Aber nein, natürlich wolltest du das nicht. Niemand möchte, das solche Dinge passieren. Aber trotzdem geschehen sie."


    Pollux hockte sich neben den verzweifelten Mann. Er legte die Hand auf dessen Schulter, als wolle er ihn trösten.


    "Darum ist es so wichtig, die Götter zu ehren, denn sie allein stehen zwischen Leben und Verderben. Castor und Pollux lieben dich. Es wird alles gut."


    Pollux´ Blick war in die Nacht gerichtet, die Straße hinunter, dorthin, wo die Schatten am schwärzesten waren.

  • Es war ein seltsamer Moment. Tacitus wusste, dass er in einer wohl aussichtslosen Lage war. Es war kaum davon auszugehen, dass Pollux und Castor ihn so einfach davon kommen lassen würden. Doch in diesem Moment als er zunächst mit seiner Verzweiflung alleine gewesen war, fühlt er sich durch die Anwesenheit von Pollux und dessen Worte irgendwie geborgen.


    Er wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und schluchzte. Daraufhin drehte er seinen Kopf zu Pollux, welcher neben ihm saß und fragte:


    "Was soll gut werden?"


    Er ließ die Frage eine kurze Zeit lang für sich stehen bevor er tief durchatmete und beinahe wie nebensächlich und selbstverständlich anfügte:


    "Ich kann euch ohnehin nicht bezahlen."


    Er blickte weiter zu Pollux um eine Reaktion in dessen Gesichtszügen zu erhaschen, wobei ihm im Moment eigentlich alles egal war. Dann schaute auch er wieder in die Dunkelheit und Stille dieser kalten Nacht hinein...

  • Der Blick in die Dunkelheit und Nacht währte nicht lange. Die Sicht von Tacitus wurde jäh unterbrochen, als sich ein Sack über seinen Kopf stülpte und an seinem Hals schmerzhaft zugezogen wurde. Der Geruch ließ den Mann würgen. Blut. Geronnen, teilweise getrocknet und noch andere unaussprechliche Dinge, die sich neben den abgeschlagenen Köpfen in dem Sack befunden hatten.


    "Familienzusammenführung", hörte er eine vertraute Stimme raunen.


    Castor. Das blonde Gegenstück zu Pollux, die beiden Zwillinge die die Namen von zwei Göttern trugen und ihn nun wie Rachegöttern der eigenen Entscheidungen und Taten heimsuchten.


    "Riechst Du das? Das Blut Deines eigenen Kindes? Den Geruch Deiner Schuld? Das ist das Odövre Deiner Strafe, der Anfang vom Ende. Du hast die göttlichen Strahlenden verhöhnt. Unsere Dienste in Anspruch genommen und wusstest Du könntest nicht zahlen. Die Strahlenden bringen Dir nun die Dunkelheit. So wie Du es verdient hast. Atme den Gestank Deiner Schuld tief ein und gewöhne Dich daran! Du kannst und Du wirst bezahlen, so oder so", zischte Castor und beförderte für Pollux gut sichtbar einen dicken Stein zu Tage, den er auf seinem heimlichen Weg aufgeklaubt hatte.


    Der Stein sauste ohne jedes Zögern hart auf den Sack nieder, um den Mann darin in das Land der Träume zu schicken.

    "Zahltag!", knurrte Castor wie ein weidwundes Tier dabei.


    Der blonde Zwilling wollte den Zechpreller nicht töten, sondern betäuben. Tot brachte er keine einzige Sezterze ein. Deshalb war der Schlag zwar hart, aber nicht brutal oder gar tödlich.

  • Castor unterbrach das sich anbahnende Gespräch in endgültiger Manier. In einem Moment spürte ihr Unglückseliger Schuldner noch die Finger des Pollux tröstlich über seine Schulter streichen, im nächsten sauste die gegenteilige Empfindung von Trost in Richtung seines Schädels. Doch würde er immerhin weich fallen, denn Pollux war zur Stelle, um ihn in seinen Armen zu empfangen. Dabei betrachtete er ihn fast zärtlich.


    "So jung und schon rufen die Götter dich zu sich", sprach er sanft.


    Fast war es schade, dass sie den Mann verkaufen mussten und nicht zum eigenen Verzücken behalten konnten, bis er verbraucht und abgenutzt war oder sie langweilte. Sklavenhändler zahlten am besten für unversehrte Ware und sie untersuchten diese während der Preisverhandlungen gründlich. So hatte ihr Opfer Glück im Unglück. Pollux hob den Blick, um seinen Bruder anzusehen.


    "Tarkyaris ist in Rom. Am besten, wir bringen das Schätzchen direkt zu ihm."

  • Castor ließ den Stein sinken und nickte zustimmend.


    "Die Götter sind ihm hold, er darf sein Leben behalten und seine Schulden begleichen. Andere wären nicht so freundlich wie wir, nur auf ihre Bezahlung zu pochen. Aber er hat tatsächlich Glück im Unglück, dass er uns getroffen hat. Tarkyaris wird zufrieden mit ihm sein. Und nachdem die Götter ihn riefen und Tarkyaris ihn entsprechend vermittelt hat, werden ihn auch schon die Kunden rufen. Der Sack ist zu, wie man so schön sagt Pollux. Ich kann die Sezterzen schon regelrecht in meinen Fingern fühlen", lachte Castor hell, geradezu freundlich was überhaupt nicht in die Situation passte.


    Er warf den Stein über die Schulter und schnappte sich die Füße von ihrem Schuldner.

    "Wo lang?", fragte er grinsend.

  • Tacitus war doch überrascht als Castor ebenfalls auftauchte. Urplötzlich wurde er aus dem seltsam tröstlichen Moment mit Pollux gerissen. Als der Sack über seinen Kopf gestülpt wurde spürte er das Blut des letzten Inhalts an seinem Gesicht. Der Stoff klebte förmlich an seiner Haut. Das Atmen fiel ihm schwer, der grausige Geruch von im Stocken befindlichen Blut ließ ihn Würgen. Für einen Moment wusste er nicht wie ihm geschah. Just in dem Moment als er sich wieder berappelte und reagieren wollte folgte der Schlag mit dem Stein, welcher gegen seinen Kopf zielte.


    *UMPF*, stöhnte Tacitus auf. Der Schlag war stark genug, dass er das Gleichgewicht verlor und zusammensackte, nicht aber stark genug, dass er vollständig das Bewusstsein verlor. Er merkte wie er von Pollux an den Armen aufgefangen wurde. Kurz darauf musste Castor ihn an den Beinen gefasst haben.


    Es dauerte einen Moment bis Tacitus sich sammeln konnte und einen einigermaßen klaren Gedanken fassen konnte. Mit letzter Kraft, benebelt durch den Schlag auf den Kopf begann er um sich zu schlagen und zu treten. Mit Wucht trat er in die Richtung in der er den Kopf von Castor vermutete. Er merkte wie er etwas traf, konnte aber nicht bestimmen ob es Castor war, oder ob er eine Mauer oder sonstiges getroffen hatte. Ihm fehlte jegliche Orientierung.


    Zeitgleich versuchte er mit den Händen um sich schlagen, doch war der Griff von Pollux zu stark. Aus diesem Grund biss er einfach mit aller Kraft zu und hoffte die Hand des zweiten Peinigers zu erwischen....

  • Pollux war arglos gewesen, als der Mann plötzlich um sich schlug, da er angenommen hatte, dass ihr Opfer bewusstlos sei. Seine Katzenaugen weiteten sich grotesk, aus Gesicht wurde Fratze, als sein rechter Daumen zwischen die Zähne des verzweifelten Mannes geriet. Pollux wollte ihn loslassen und tat es auch, sodass der Oberkörper des Entführten wieder auf die Straße fiel. Doch zeitgleich gellte Pollux´ Schrei durch die Nacht, weil der Daumen noch immer im Gebiss klemmte und mit nach unten gerissen wurde!


    "Undankbarer!", kreischte er außer sich ob so viel widerfahrener Ungerechtigkeit. "Dabei sind wir die Einzigen in dieser unglückseligen Welt, die dich jemals liebten!"


    Denn wäre der Mann in einem liebenden Umfeld aufgewachsen, wäre er nicht zu einer Abscheulichkeit verkommen, welche die eigene Geliebte samt ungeborenem Kind zur Schlachtbank führte. Das wussten die Zwillinge aus eigener Erfahrung: Kälte und Schmerz gebar Monster in Menschengestalt. Pollux konnte den beißenden Kerl noch nicht einmal gebührend schlagen, weil jeder Hieb dessen Wert mindern würde!


    "Beruhige dich", sprach er also so ruhig er es vermochte, wenngleich sein Daumen vor Schmerz schier in Stücke barst. "Es nützt doch alles nichts. Du wirst bald ein gesuchter Mörder sein und wir benötigen unser Geld. Da müssen wir drei nun durch, ob es uns gefällt oder nicht."

  • Kaum hatte er die Beine des Unholds geschnappt, da trat dieser wie ein wildgewordener Esel um sich. Den verfluchten Stein, den er jetzt gebrauchen konnte, hatte er natürlich entsorgt. Mit hektischen Blicken hielt er nach einem geeigneten Ersatz Ausschau, als ihn ein Tritt von Tacitus traf. Der Tritt war der eines wütenden Maulesels und schleuderte Castor mehrere Schritte weit in die Gosse hinein.


    "Verdaaaammt", hörte Pollux seinen Bruder kreischen und dann einen dumpfen Aufprall.


    Ein erneutes Kreischen das in ein Brüllen überging zeigte Pollux an, dass es seinem Bruder gut ging und dass Castor stinksauer war. Wie eine Furie stürzte sich Castor auf eierigen Sohlen aus der Gosse zurück ins Getümmel und blieb wie angewurzelt stehen, als er seinen Bruder dabei beobachtete, wie dieser auf den Zechpreller einsprach. Die Augenbrauen von Castor wanderten in unbekannte Höhen, ehe sich seine Lippen zu seinem bekannten messerdünnen Grinsen teilten. Währenddessen wuchs ihm eine Beule über dem linken Auge.

  • Tacitus trat und schlug wie in Trance. Er war wütend, enttäuscht von sich selbst, von der Welt, von allem und ließ sich gar nicht mehr beruhigen. Im Gegenteil. Je mehr Pollux auf ihn einredete und ihn versuchte zu beruhigen, umso wilder wurde er. Für einen Außenstehenden musste es sich so anfühlen, als ob zwei Jäger versuchten ein verwundetes Tier einzufangen. Wie von Sinnen brüllte Tacitus unter der Haube:


    "Ihr seid die Mörder! Bastarde. Lasst mich!"


    Der Sack, welcher eng um seinen Hals geknüpft war dämpfte sein Geschrei wodurch ihn vermutlich niemand hören konnte. Das Blut des vorigen Inhaltes mischte sich mit seinem eigenen nachdem er durch den Schlag mit dem Stein eine Platzwunde davon getragen hatte. Durch den Biss durch den Sack hindurch in Pollux Finger schmeckte Tacitus dieses auch. Sein rechtes Auge verklebte langsam.


    Er merkte, dass er im Moment nicht so festgehalten wurde wie noch zuvor und versuchte eilig den Sack abzubekommen....

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