Intro - Königsdämmerung

  • Königsdämmerung

    Stürmisch waren jene Tage im Regnum Parthorum und der Wind jagte den Schnee über die Steppe. Nicht nur das Wetter war harsch, auch den Menschen schien der Sturm in die Herzen gefahren zu sein. Oder war es umgekehrt und der Wind trug eine Warnung von Ahura Mazda, der die Herzen kannte, hinab zu den Sterblichen? Den Feuerpriestern war es bei Strafe untersagt worden, dergleichen verlauten zu lassen, um die Stimmung nicht weiter zu verschlechtern. In Parthien erhoben zu jener Zeit gleich zwei Männer Anspruch auf die Würde des Großkönigs: der romfeindlichen Osroes I. und der romfreundliche Vologases III.


    So kam es, dass das Partherreich, wenngleich bislang kein offener Krieg herrschte, im Herzen längst zweigeteilt war. Jeder der beiden Regenten ließ sich von seinen Getreuen mit dem Titel Schahanschah ansprechen, König der Könige, und verkündete so seinen Anspruch. Osroes im Westen und Vologases im Osten. Zeitgleich bezeichnete ein jeder den Rivalen degradierend als einen Gegenkönig, womit er diesem allerdings zumindest eine gewisse herrschaftliche Würde einräumten. Parthien besaß viele Könige, ein weiterer war in Ordnung. Jedoch durfte es über allen nur einen Schahanschah geben. Einen offenen Affront wagte bisher weder Osroes noch Vologases und man präsentierte sich höflich. Die inoffiziellen Bezeichnungen aber, die sie in Bezug auf ihren Rivalen verwendeten, waren derberer Natur.


    Man ahnte, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis der Konflikt eskalieren würde und beide Könige trafen unter der Hand ihre Vorkehrungen. Nicht alle waren militärischer Natur.


    Man wollte die politischen Gewässer noch ausloten, den Rivalen und seine Stimmung antesten, die Treue seiner Untertanen auf Schwachstellen prüfen. Und so kam es, dass sich die beiden Regenten in jenen Tagen noch einmal von Angesicht zu Angesicht trafen, um eine diplomatische Einigung zu versuchen. Krieg war teuer und barg das Risiko einer Niederlage. Alles wollte bedacht sein, bevor man die Waffen sprechen ließ. Die Gemüter der Parther waren angespannt, die Soldaten unruhig und das Volk vergrub Vorräte und Wertgegenstände im Sand. Der Feuerpriester Bardiya kündete vergebens von guten Omina an jenem Tage, wie es ihm befohlen worden war. Man ahnte, dass er log.


    Sim-Off:

    Die Geschehnisse in Parthien sind inhaltlich verwoben mit der Handlung von Cappadocia. Wer in unserer östlichsten Provinz spielt, sollte auch ein Auge auf die Texte unserer parthischen Nachbarn haben, denn ihre Fäden reichen weit.

  • Vologases hatte sich lange darüber beraten, auf welche Weise der Gegenkönig empfangen werden sollte. Vologases meinte, ihn wie einen Bittsteller ohne unnötigen Aufwand empfangen zu müssen und gedachte ihn nur mit dem nötigsten Speis und Trank zu versorgen. Seine Berater hatten mit Honigzünglein auf ihn eingewirkt, um den ungeliebten Gast nicht offen zu brüskieren, denn noch herrschte kein Krieg. Also war Vologases zum Gegenteil übergegangen und präsentierte die gesamte Hauptstadt in nie dagewesener Pracht. Osroes sollte vor Neid und Ehrfurcht erschauern.


    Ganz Ktesiphon war seit Wochen auf den Beinen und jeder, der in der Verwaltung arbeitete, musste bis spät in die Nacht bleiben. Für die Karawane des Lügenkönigs kalkulierte man die Ankunft von 500 Kamelen samt entsprechendem Hofstaat ein. Jeder musste empfangen, untergebracht und versorgt werden. Ktesiphon, nicht ohne Grund zur Hauptstadt gemacht, war selbst ohne zusätzlichen Aufwand schon eine Perle; nun brachte man sie zum glänzen. Statuen und Mauern wurden gereinigt, die Fassaden selbst in den ärmsten Vierteln repariert, und die Hauptstraßen geschmückt. Man organisierte sogar blühende Pflanzen in Kübeln, die am Tag von Osroes´ entlang der Prachtstraße aufgestellt wurden. Die Aussicht auf den hohen Besuch lockte Händlerkarawanen aus Palmyra und Nisa, aus Uruk und Merw, aber auch von noch weiter her kamen die Gäste. Für sie und ihre Tiere wurden Rastplätze geschaffen. Die lokale Gastronomie stellte für diese Tage zusätzliches Personal ein. Vologases hatte nicht mit der Anwesenheit von Kriegern gegeizt, die für Ordnung sorgten, denn er hatte nicht vor, sich zu blamieren.


    Als man ihm meldete, dass die Karawane eintraf, standen Musikanten auf dem Tor. Die Hufe der Tiere und die Füße der Gäste versanken bis zu den Knöcheln in Rosenblättern, die auch vom Stadttor hinab regneten wie duftender Schnee. Die gesamte Prachtstraße, die zum Palast führte, leuchtete rosa. Der Adel säumte die Straße in Festkleidung und in der ganzen Stadt hörte man die Klänge wundervoller Musik, als man Osroes zum Palast führte.

  • Osroes Delegation erreichte Ktesiphon. Der Parther König ritt nicht an der Spitze seines Hofstaats, sondern folgte einem Teil seiner Leibwächter die ihn abschirmten. Mit mächtigen Schritten betraten die ersten Pferde das städtische Kleinod in der Hand Vologases. Der erste schwere Huf der Leibgarde versank in Rosenblättern und es folgten noch etliche, so als wäre ein Damm gebrochen. Weithin sogar weit über Cappadocia hinaus waren diese Pferde wie ihre Reiter bekannt, berühmt und gefürchtet.


    Rethati der mächtige Braune trug seinen Herrn sicheren Schrittes in das Nest des Feindes. Das leise Klirren seiner Panzerung wurde von der Musik verschluckt. Nichts war hier dem Zufall überlassen worden. Die Stadt war bis auf den letzten Stein herausgeputzt, eine Augenweide und eine Machtdemonstration gleichermaßen. Osroes hätte über dieses Kompliment gerne geschmunzelt, aber seine Würde verbot es ihm. Dies was er hier sah was nichts anderes als das was ihm zustand. Er wusste dies und Vologases wusste es ebenso.


    Der Tross bestehend aus Leibwächtern, König Osroes höchstpersönlich, sowie einem Großteil seines Hofstaates schritt durch die Prunkstraße. Pferdehufe, weiche Kamelfüße, Karren und Fußgänger sie alle wälzten sich in huldvoller Langsamkeit dem Palast entgegen. Begrüßt wurden sie vom Adel der in festlicher Kleidung seinen König willkommen hieß. Die Menschen jubelten und Osroes ließ es sich nicht nehmen, dem einen oder anderen einen persönlichen Blick zu schenken.


    Volksverbundenheit hieß genau dass, als König hatte man sein Volk wahrzunehmen, es zu schützen und zu führen. Das Allgemeinwohl im Auge zu behalten, aber auch nicht den Einzelnen zu vernachlässigen. Sie die Parther blickten auf eine stolze Tradition zurück. Sie waren sich niemals zu schade dafür gewesen, Gutes anzunehmen und Schlechtes von sich zu weisen. Rom war nichts was ein Parther benötigte. Vologases kroch vor einem Feind, der ihnen nichts entgegen zu setzen hatte.


    Sein Tross erwiderte freundlich den Jubel, winkte mit freundlichen Gesichtern, während die Soldaten und Leibwächter versuchten die Augen überall zu haben. Rethati trug nicht umsonst Panzer. Ein Pfeil aus der Menge, ein Dolch, auch ein hervorragend geschultes Schlachtross warf seinen Reiter ab, wenn es schwer verletzt oder gar tödlich getroffen zu Boden ging. Und so garantierte Rethati wie so oft die Sicherheit seines Herrn.


    Der Wind frischte auf, eine kühle Brise jagte durch die Straßen und Gassen und warf die Rosenblätter in die Luft, die mit kleinen Schneeflocken langsam und sachte zu Boden fielen. Atemwolken von Mensch und Tier stiegen auf, die Körper der Pferde und Kamele dampften in der Kälte. Der Jubel war echt, weder verhalten noch gespielt. Dennoch schwang etwas Schwermütiges darin. Angst vor der Zukunft und die Hoffnung auf den heutigen Tag. Alle Zuschauer am Straßenrand hatten diesen besonderen Blick in den Augen und Osroes musste sich nicht umdrehen um zu erfahren, dass seine Leute ganz ähnlich dreinblickten.


    Schnee und Kälte, dennoch Blumen und Schmuck. Welches Zeichen sollte er als Vorbote deuten? Osroes beschloss diesen Tag als eine Chance zu nutzen. Denn auch wenn man es bei einem vermeintlichen Konkurrenten oder Feind leicht vergaß, auch Vologases war ein Parther und verdiente Rettung vor dem römischen Irrglauben. Möglicherweise würde er zurück zu seinen Wurzeln finden, anstatt sich in dem Fremden zu verlieren.


    Wem würde das Schicksal gewogen sein? Die Parther waren dafür bekannt, zur Not mit aller größten Härte und eben solcher Gerissenheit zu kämpfen. Heute musste das Wort sein Schwert sein und seine Zunge schärfer als jeder Dolch. Die Delegation kam vor dem Palast zum Stehen. Vologases geizte nicht mit seinem Prunk. Parther waren auch geschickte Händler und Osroes sah es mit Genugtuung, dass Vologases seinen Reichtum in Schönheit, Erhalt und Blütenblätter investierte und nicht in blanken Stahl. Er war sicher, auch diese Rose hatte Dornen, aber wie viele mochten es noch sein?


    Rethati schnaubte und stampfte im einem seiner schweren Hufe auf, ganz so als wollte er persönlich seinen Herrn ankündigen. Osroes blieb aufrecht auf seinem edlen Tier sitzen und schaute mit erhobenem Haupte dem Palast entgegen. Ein Herrscher der heimkam.

  • Hundert bezahlte Ohren standen in der jubelnden Menge, jubelten mit ihr und ermittelten die Stimmung im Volk. Jubel konnte schlichtweg der Ausdruck von Freude ob der pompösen Abwechslung sein, doch die Wurzeln der Freude konnten auch in tiefere, fauligere Gründe reichen. Man wusste es nicht, doch man würde es erfahren. Der Tross wurde in Sichtweite des Palasts höflich zum Halten gebracht. Der Palastaufseher, der Darigbed*, empfing den Gast. Hinter ihm stand eine gewaltige Delegation an Palastpersonal.


    "Willkommen, Hoheit, in Ktesiphon! Ich hoffe, ihr hattet eine gute Anreise. Ich möchte euch höflich bitten, nun abzusteigen, damit wir Euch und Eure Getreuen in den Palast geleiten können."


    Farrukhzad wartete, bis Osroes und seine Begleiter der Bitte nachkamen, was einige Zeit dauern würde.


    Nun teilte sich der Tross. Während die Gewöhnlichen sich noch in Geduld üben mussten, wurde Osroes mit seinem engsten Gefolge an der Palastgarde vorbeigeführt. Ein Befehl erklang und die Darigan drehten zeitgleich die Köpfe in Richtung des Regenten. Sie standen regungslos wie menschliche Statuen und blickten dem König entgegen, sodass er sie in aller Ruhe inspizieren konnte. Er sollte sehen, wie gut in Form die Streitkräfte seines Rivalen waren. Aber auch, dass diese diszipliniert handelten und seinen Schutz effektiv gewährleisten konnten. Man wartete, bis Osroes die Palastgarde passiert hatte. Anschließend erklang erneut ein Befehl und die Darigan übernahmen es ab diesem Moment, für die Sicherheit des Gastes Sorge zu tragen, solange dieser am Ort verweilte. Seine eigene Garde wurde nun von ihm getrennt, da diese Männer woanders untergebracht werden würden als ihr Herr.


    Die Diener und Sklaven der Delegation, die den Palastaufseher hinausbegleitet hatte, traten zu den Wartenden, um ihnen beim Absteigen, bei der Unterbringung der Kamele und Pferde, des Gepäcks und beim Aufsuchen der für sie bestimmten Räumlichkeiten zu helfen. Alles vollzog sich in gebührendem zeitlichen und räumlichen Abstand zum Abrücken der Palastgarde hinter dem König, damit es nicht zu einem unwürdigen Stau am Palasteingang käme. Nachdem alle Gäste ihren Bestimmungsort erreicht hätten, würde das Palastpersonal für Erfrischungen Sorge tragen. Selbst die Leibgarde des Gegenkönigs führte man ins Innere des Palasts, wo man sie unterbrachte und versorgte wie jeden anderen Gast. Sie auszusperren, als würde man Osroes einen Putsch zutrauen, wäre ein offener Affront, und so weit waren sie noch nicht.



    Sim-Off:

    *Hinweis zu den im Rollenspiel verwendeten parthischen Eigennamen: Man geht in der Forschung aufgrund bekannter Parallelen heute davon aus, dass sich die Verwaltungsstrukturen von den Achämeniden über die Arsakiden (Parther) zu den Sasaniden im Wesentlichen fortsetzten. Da kaum direkte parthische Quellen hierzu vorliegen, ist es nur durch Vergleiche mit diesen Kulturen möglich, auf parthische Verwaltungsstrukturen zu schließen. So ist die Bezeichnung des Darigbed ist erst ab 240 durch die Sasaniden sicher bezeugt, doch es ist wahrscheinlich, dass es ihn schon früher gab. Ich werde bei der Übername der Begriffe Umsicht walten lassen.

  • Der Leibdiener des Königs stieg als erstes vom Pferd und reichte seinem König die Hand. Osroes stieg von seinem Pferd Rethati, während er die Hand von Varsken nahm. Nötig hatte er dies nicht, aber die Ehrbezeugung gehörte ebenso zum Hofprotokoll wie viele andere Kleinigkeiten die das Leben des Königs ausmachten. Osroes neigte minimal das Haupt, um dem Palastaufseher sein Wohlwollen zu demonstrieren. Auch so ein armer verirrter Mann, den es zu retten galt.


    "Unsere Anreise war wie das Wetter, durchwachsen", antwortete Osroes und folgte dem Palastaufseher mit gemessenem Schritt. Einen Schritt hinter ihm, folgte umgehend Varsken.


    Vologases bezeugte Ehre, indem er seine Garde hatte Aufstellung beziehen lassen. Höflichkeit, Respekt und Machtdemonstration in einem. Selbstverständlich war der Gastgeber für die Sicherheit seines Gastes verantwortlich. Die Männer an denen er nun vorbeischritt dienten seiner Sicherheit ebenso wie sie sein Tod sein konnten. Mit der Garde war schon so mancher Herrscher aufgestiegen und gefallen. Meist jedoch mit der eigenen und nicht durch die Ehrengarde, während man an dieser vorbeischritt. Eine schändlichere und ehrlosere Art des Hinterhalts konnte es kaum geben.


    Als sie an der Garde vorbeigeschritten waren, betraten sie gemeinsam den königlichen Palast von Vologases. Ein Gebäude dass den Namen redlich verdiente. Kunst in Vollendung, welche einem das Herz höher schlagen ließ. Der Palast zeigte eine Kultur, die Vologases bereit war aufzugeben. Was würde von ihnen bleiben, würde dieser Romverliebte Pseudokönig sich durchsetzen? Würden sie vergeben wie die letzten Herbstpflanzen im eisigen Winterwind? Oder wäre es ihm vergönnt sie alle zu retten, so dass sein Volk auf ewig bestand, so wie die ewigen Flammen die der Boden Cappadocias selbst hervorbrachte, ebenso wie ihr Glauben? Welchen Göttern huldigte Vologases bereits? Hatte er sich völlig von seinem Volk abgewandt? Osroes würde es bald erfahren.


    Der König stellte mit Genugtuung fest, dass sein gesamter Hofstaat gastlich behandelt wurde. Die Tiere wurden versorgt, dem Hofstaat Erfrischungen gereicht. Er selbst wurde vom Palastaufseher in sein Gemach geführt. Varsken betrat vor seinem König das Gemach, schaute sich um und hielt ihm dann die Tür auf. Osroes betrat es ohne zu zögern. Sein Blick streifte kurz durch die Räumlichkeiten, ehe er sich zum Palastaufseher umdrehte.


    "Für wann hat Vologases mit unserer Person ein Treffen geplant?", hakte er höflich nach.

  • Farrukhzad trug Sorge dafür, dass der Gast seine Unterkunft im Anwesen auch fand und wartete nach dessen Eintreten, ob alles zu seiner Zufriedenheit wäre. Erst danach würde er zu Seiner Majestät Schahanschah Valgāš zurückkehren, welcher eher unter der hellenisierten Form seines Namens, Vologases, bekannt war, die er vorzog. Da der Gast allerdings noch eine Frage hatte, blieb er noch, die Finger vornehm vor dem Bauch verschränkt.


    "Seine Majestät der Schahanschah ist morgen bereit, Euch zu empfangen. Solltet Ihr mehr Zeit benötigen, um Euch von den Strapazen der Reise zu erholen, lasst es mich bitte rechtzeitig wissen, damit ich ihn informieren kann und wir umplanen können. Ich bin für die Dauer Eures Aufenthalts der Mittler zwischen Euch und dem Schahanschah. Ihr könnt mich jederzeit persönlich ansprechen oder einen Diener entsenden."

  • Wie es sich gehörte antwortete der Palastaufseher Osroes unverzüglich. Dieser Mann war noch nicht verloren, dass erkannte der König. Eine gute Seele, die man mit flaschen Verlockungen verblendet hatte.


    "Wir danken Dir für Deinen bis jetzt vorzüglichen Dienst. Sei unbesorgt, wir sind vollauf zufrieden und benötigen keinen größeren Zeitrahmen zur Entspannung. Mitnichten. Allerdings wäre ein erfrischendes Bad um sich den Staub der Reise vom Körper zu waschen wünschenswert. All jene deren Leben und Wohlergehen in unseren Händen liegt, erwarten von uns eine baldige Zusammenkunft um drohendes Unheil abzuhalten.


    Nichts Geringeres sollte im Interesse eines wahren Königs liegen. Selbstverständlich sind wir bereit uns schnellstmöglich mit Vologases zu treffen Mittler. Dies könnt Ihr gerne Vologases ausrichten. Nun würden wir gerne ein Bad nehmen und uns vorbereiten", antwortete Osroes.

  • Varsken, korrekt gekleidet und von tadellosem Benehmen, hielt sich im Hintergrund. Jedoch würde man ihm nicht gerecht werden, wenn man ihn als Schatten seines Königs bezeichnete. Dies war er nur vorübergehend. Varsken schwieg und wartete, wenn es angemessen war, doch sobald sein Herr seine Aufmerksamkeit verlangte, spross der vermeintliche Schatten Blüten und Varsken entfaltete das beträchtliche Repertoire seiner weitreichenden Fähigkeiten. Wer meinte, die Diener der parthischen Könige wären demütig kriechende Kreaturen, könnte falscher nicht liegen. Als Leibdiener war Varsken keineswegs ein Sklave - ein großer Unterschied zum römischen Hof - sondern entstammte einem der sieben Häuser des parthischen Hochadels. Er war nicht nur ein freier Mann, sondern verwandt mit diversen Köngshäusern und über einige Umwege sogar mit seinem Herrn. Entsprechend selbstbewusst war sein Auftreten, freilich mit dem gebotenen Respekt gegenüber dem Schahanschah, doch klaffte zwischen ihnen keine so unüberwindbare Kluft wie zwischen dem römischen Kaiser und jenen Menschen, die für dessen körperliches Wohlergehen sorgten und doch rechtlich nur als Gegenstände zählten. Das parthische Hofleben spiegelte ein gegenläufiges Konzept - eines, das Varsken durch den hochmütigen Vologases gefährdet sah, der sich Rom allzu sehr anbiederte und somit auch die elitäre Stellung des parthischen Adels gefährdete.


    "Das Badezimmer ist bereits vorgeheizt", informierte Varsken, nachdem der schmierige Darigbed gegangen war. "Ich habe das Einlassen des Wassers bereits in Auftrag gegeben." Es war vorhersehbar gewesen, dass Osroes nach dem langen Ritt ein Bad willkommen heißen würde. Die Befüllung der Wanne erfolgte durch einen anderen Eingang, sodass der König in seinem Gemach Ruhe hatte. Zuständig waren nur die mitgebrachten eigenen Diener und Sklaven, die es durchaus gab, die aber keine gehobenen Stellungen genossen. "Wusstet Ihr, dass man munkelt, der Leibdiener von Vologases sei ein Sklave? Der Leibdiener! Sehr moderne Sitten, wenn Ihr mich fragt."


    Er führte seinen Herrn zur Kleiderkammer, in der ein anderer Diener gerade die zahlreichen mitgebrachten Gewänder und Accessoires verstaute. Varsken begann seinen Herrn mit langsamen und umsichtigen Bewegungen zu entkleiden und die benutzten Sachen in einen Korb für die Reinigung zu legen. Er achtete darauf, dass Osroes täglich mindestens zwei Mal komplett frisch eingekleidet wurde - früh in das königliche Ornat und abends legte er ihm die Ruhekleidung an. Manchmal kleidete er ihn zum Schlafen noch einmal gesondert um, je nachdem, wie Osroes es gerade mochte.


    "Wünscht Ihr nach dem Bad Ruhekleidung anzulegen oder darf es etwas anderes sein?"


  • Osroes wartete ab bis er mit seinem Leibdiener allein war und hörte diesem aufmerksam zu.


    "Wie immer an alles gedacht, bevor ich überhaupt meine Wünsche geäußert habe Varsken. Was würde ich nur ohne Dich und Deinen Beistand tun? Ein Sklave? Der Leibdiener von Vologases ist tatsächlich ein Sklave? Wie erbärmlich dieser Mann doch ist und wie tief hinabgesunken in den römischen Dung. Moderne Sitten, beileibe nicht Vrasken. Das sind überhaupt keine Sitten. Es ist einfach nur widerwärtig.


    Aber möglicherweise spielt genau dieser Hochmut und seine Römerliebe uns in die Hände. Vrasken, kannst Du einem Manne Dein Leben anvertrauen, dessen eigenes Du geknechtet hast? Das Messer der Rasur liegt täglich an der Kehle von Vologases. Es mag der Tag kommen, wo dieser arme verwirrte Leibdiener sich ein Herz fasst und das Leben seines Sklavenhalters beendet. Und ich könnte es ihm nicht verdenken.


    Nein keine Ruhekleidung Vrasken, ich werde passend gewandet ruhen. Sollte einer der Verblendeten nach meiner Aufmerksamkeit verlangen, werden sie sehen, dass der wahre König zu jeder Stunde seinem Volke dient. Wir sind nicht nur hier um zu verhandeln, sondern auch um zu überzeugen. Suche mir bitte etwas passendes heraus", antwortete Osroes und schaute sich neugierig im Gemach um.


    "Nichts zu beanstanden, schade eigentlich", lachte er leise.

  • Nachdem Varsken seinen Herrn mit umsichtigen, langsamen Bewegungen entkleidet hatte, geleitete er ihn in das vollständig rosa ausgestaltete Badezimmer. Sehr warme Luft empfing sie, die nach einem lieblichen - wohl bewusst weiblich wirkenden - Duftöl roch, das an Süßkirsche erinnerte. Der Boden war mit rosa Marmor gekachelt und jeder Stein fügte sich nahtlos in den nächsten. An der Wand zog sich ein breites Zierband aus Stuckdekor entlang, das eine rosa Blütenranke darstellte. Durch das Fenster, das mit einem Gitter von Quadraten aus rosa schimmerndem Streckglas gestaltet war, fiel das Licht der fahlen Wintersonne in trügerisch warmem Ton. Aufgrund des Glasfensters war das Badezimmer auch bei geschlossenem Fenster tagsüber hell und rußende Öllampen erübrigten sich. Die Luft war dadurch sauber und erfrischend.


    "Vielleicht nahm unser Gastgeber an, du würdest mit deinem Harem in diese Gemächer einziehen und wollte es den Damen angenehm machen."


    Die Wahrheit hinter der Geste kannten sie beide. Da seine Majestät zum Du gewechselt war und somit das heutige Ende der Formalitäten signalisierte, wechselte auch dessen Diener zum vertraulicheren Ton, wie Osroes ihn zu Feierabend vorzog. Auch wenn der König hart durchgreifen konnte und seine Zunge scharf wie eine Klinge war, so blieb er im Inneren doch ein warmherziger Mensch. Wie irgendjemand den Römerfreund Vologases einem anständigen Mann wie Osroes vorziehen konnte, war Varsken ein Rätsel.


    Varsken schloss die Tür, damit die Wärme im Bad blieb und prüfte mit der Hand das Wasser, auf dem Kirschblüten trieben. Warm und weich umspülten die Fluten seine Finger. Verschiedene Badezusätze standen griffbereit, von Ölen und Kräutersuden bis hin zu Salz und Eselsmilch. Er verschloss den Bediensteteneingang, damit der König ungestört sein Bad genießen konnte und bot ihm mit freundlichem Blick die Hand, um ihm ins Wasser zu helfen.

  • Osroes stand still und ließ sich von Varsken entkleiden. Wo es nötig war, ging er ihm mit entsprechenden Bewegungen zur Hand. Gemeinsam betraten sie das Badezimmer des Quartiers. Die Luft die sie empfing war warm und duftgeschwängert. Rose, Blütenblätter, Kirschduft und Blütenranken. Sogar das Streckglas war in einem rosa Ton gehalten. Die Farbe und der Duft ließen Osroes die Stirn runzeln. Eine Geste, zu der sich der König nur in Gegenwart seines Vertrautren Varsken herab ließ.


    Der Kommentar von Vrasken ließ Osroses seinen Leibdiener einen amüsierten Blick zuwerfen.


    "Mein lieber Vrasken, dass glaubst Du doch wohl selbst nicht. Wer immer neben mir dieses Quartier bezieht ist nicht von Bedeutung, ich bin der König mit dem Volores zu sprechen wünscht. Folglich sollte er sich nach mir richten. Und genau dass hat Volores getan, er möchte mir damit durch die "Blume" sagten, dass er mich für einen Schwächling hält. Für jemanden den man in einem Frauengemach unterbringt. Jemanden der Duftöle und rosa Stuck dem Schwert vorzieht. Er sollte sich vorsehen, denn so manches Pflänzchen ist tödlicher als das schärfste Schwert.


    Ich werde dieser römischen Ratte Voloroes jedenfalls nicht die Genugtuung gönnen, nach diesem Weiberölen zu stinken. Mein Freund, eile und besorge ein Duftöl, dass seinen Namen verdient. Markant, holzig und warm, so hat ein Regent zu duften und nicht wie ein Süßgebäck. Wir wollen sehen, wer hier zuletzt duftet", antwortete Osroes mit grimmigem Lächeln.

  • Seine Majestät weigerte sich hartnäckig, ins Wasser zu steigen, auch nachdem Varsken schon zum zweiten Mal versucht hatte, ihn hineinzulocken.


    "Diese sogenannten Duftöle stinken griechisch", bestätigte er die Empfindung seines Herrn. "Natürlich habe ich eine Auswahl deiner Lieblingsduftöle, Bäder und weiterer Hygieneartikel einpacken lassen, damit du dich auch in diesen fremden Hallen wie zu Hause fühlen kannst."


    Angewidert räumte er die Süßdüfte fort, die Vologases seinem Herrn hatte andrehen wollen, sogar Milch war darunter, und verließ damit das Badezimmer. Wenig später kehrte er mit einem Tablett voller Fläschlein zurück, die Osroes alle vertraut waren. Er stellte es auf eine steinerne Ablage, auf der zuvor die Frauendüfte gestanden hatten, und griff nach dem Bad, das er heute für seinen Herrn ausgesucht hatte.


    "Ein warmer Kiefernduft in der Basis gewürzt mit einem ledernen Akkord, die kostbaren Noten von Amber im Herzen, signalisiert dieses Ölbad berechtigtes Selbstbewusstsein. Getragen von einer feinsalzigen Kopfnote riecht dieses Bad wie die parthische Sonne auf der salzgeküssten Haut eines Mannes, der diese Bezeichnung auch verdient!"


    Er hielt die geöffnete Flasche bereit, damit Osroes bei Bedarf noch einmal schnuppern konnte.

  • Osroes schnupperte an der geöffneten Flasche und schloss genüsslich die Augen. Ja so musste ein Mann von königlichem Geblüt aus ihrem Lande duften.


    "Wie immer weise und vorausschauend Vrasken, so kenne ich Dich. Diese Hallen sollten fremd für Vologases sein, nicht für uns. Mit dem Mann stimmt etwas nicht, biedert sich den Römern förmlich an und dann benutzt er scheinbar auch noch griechische Duftöle. Hasst er seine Heimat derart, dass er versucht in eine andere Haut zu schlüpfen? Es wird ihm nicht gelingen Vrasken. Jeder ist was er ist. Scheiße bleibt Scheiße, auch wenn man sie mit griechischen Duftölen überschüttet. Und wir tun das sicher nicht", antwortete Osroes und nun war er auch bereit in das Badewasser zu steigen, mit dem passenden Duft.


    Sein Leibdiener dachte an alles, vor allem dachte er wie er. Etwas dass die aufgewühlten Gedanken des Königs beruhigte.

  • Varsken hielt seinen Herrn fest, während dieser in die Wanne stieg, damit er einen eventuellen Sturz auffangen konnte. Das war noch nie geschehen, der König strauchelte nicht, doch es konnte nicht schaden, im Notfall eine stützende Hand zu haben. Natürlich hatte Osroes vollkommen recht in seiner Einschätzung zu Vologases. Als der König im heißen Wasser saß, wusch Varsken ihn langsam und sanft, damit der edle Leib nicht nur gereinigt wurde, sondern sich auch zu entspannen vermochte. Das Haupthaar pflegte Varsken mit einer zeitintensiven Massage der Kopfhaut.


    "Bist du zufrieden? Wünschst du noch etwas? Andernfalls schlage ich vor, dich nach dem Ankleiden direkt ins Bett zu legen, damit du morgen ausgeruht bist und sich die Klarheit deines Geistes zur Gänze entfalten kann im Angesicht von Vologases."


    Mit vorsichtigem Kreisen der Fingerkuppen arbeitete er sich durch den dunklen Lockenschopf. Dass der König mit so kräftigem und üppigem Haupthaar aufwarten konnte, schrieb Varsken seiner Haarpflege zu. Vologases, so sagte man, trug unter der Perücke eine Glatze, was Varsken ein hämisches Grinsen entlockte. Vielleicht sollte der falsche König die Wahl seines Leibdieners noch mal überdenken.

  • Osroes stieg ins Wasser und Varsken hielt ihn fest, der Mann war mit Herz und Seele Leibdiener. Mehr noch, er war ihm ein jahrelanger Begleiter und Freund. Der König schloss die Augen und ließ sich von Varsken Waschen und den Kopf massieren. So hätte er stundenlang im Wasser sitzen können, nur sah er dann wohlmöglich noch Tage später aus wie verschrumpeltes Dörrobst. Eine Genugtuung, die er Vologases nicht gönnen würde. Würdevoll und königlich, dass war seine Erscheinung und daran würde auch der Römerfreund nichts ändern. Er hatte es versucht, dieser kleine Seitenhieb mit den griechischen Ölen würde Osroes nicht vergessen. Allerdings waren solche Geplänkel zu verschmerzen, konnte man sich im großen Zwist einigen. Wie weit dies überhaupt noch möglich war oder wie weit Vologases sich bereits von seiner Heimat gedanklich entfernt hatte, konnte Osroes noch nicht abschätzen.


    "Danke Varsken, ich bin rundum zufrieden mein Freund. Du hast Recht, für die Verhandlung muss ich ausgeruht sein. Wir werden sehen, mit was uns Vologases konfrontiert. Ob der Geist dieses Mannes überhaupt noch in alten heimatlichen Bahnen denkt oder ob er schon an die Römer verloren wurde. Weder Hoffnung noch Befürchtung kann mir da Gewissheit verschaffen. Alles was ich wissen muss, werde ich morgen erfahren Varsken. Leider kannst Du mir während dieses Amtsbesuches nicht den Kopf massieren, obwohl ich dies gewiss nötig haben werde.


    Sei so gut und wache über meinen Schlaf. Ich vertraue unserem Gastgeber nicht. Er empfing mich mit aller Würde, er versorgte meinen Anhang und er ließ es sich nicht nehmen uns gut unterzubringen. Aber all dies bedeutet noch lange nichts. Wer weiß ob eine Giftschlange in meinem Bett wartet oder ob ich von einer morgen empfangen werde. Wie sagte mal ein weiser Mann? Normale Giftschlangen zischen Xsss Xsss, manche hingegen zischen Willkommen wie geht es Euch?", antwortete Osroses seinem Leibdiener mit einem Schmunzeln.

  • "Das Zimmer wurde gründlich untersucht", versicherte Varsken. "Ich werde es dennoch ein weiteres Mal eigenhändig überprüfen, bevor du es betrittst, um ganz sicher zu gehen. Und natürlich werde ich über dich wachen."


    Tatsächlich schmeichelte ihm dieser Wunsch. Selbst mit glühenden Eisen gefoltert hätte Varsken Zik ihm die Treue gehalten. Er gönnte seinem Herrn noch ein wenig Entspannung und massierte ihm Kopf und Halsansatz. Als er den Eindruck hatte, dass Osroes schläfrig wurde, ließ er diesen kurz allein, um das Schlafzimmer zu überprüfen und einige Kleider nach dem Wunsch seines Herrn für die Nacht bereitzulegen, ebenso zwei große, an einem Ofen angewärmte Tücher.


    "Keine Schlangen, kein rosa Bettzeug. Vologases scheint seine Unhöflichkeiten auf das Badezimmer beschränkt zu haben. Ich hoffe, morgen wird er sich auf die Sache konzentrieren und seine kleinlichen Sticheleien unterlassen."


    Lächelnd bot er seinem Herrn den Arm und ging etwas in die Knie, damit dieser sich aus der Wanne hochziehen konnte.

  • "Was würde ich nur ohne Dich tun Varsken? Mag die Gastfreundschaft hier noch so nobel sein, sie ist genauso falsch. Wir beide wissen, woran Vologases wirklich gelegen ist. Er möchte uns mit seinem römischen Gedankengut verseuchen und auf seine Seite ziehen. Aber dazu werden wir ihm keine Gelgenheit geben. Er soll sich an sein Blut und seine Wurzeln erinnern. Stattdessen macht er sich zum Sklaven der Römer und unser Land zum Gespött. In einer Schlangengrube muss man stets damit rechnen, auch in den eigenen Gemächern eine Schlange vorzufinden. Sei es nun ein Vertrauter von Vologases oder eine wirkliche Natter. Wer von beiden giftiger ist, wissen wir Vrasken", antwortete Osroes und zog sich an dem angebotenen Arm, dankbar aus der Wanne.


    "Einige Stunden Schlaf benötige ich, in der Zeit wünsche ich niemanden zu sehen. Du bist der Einzige, dem es erlaubt ist, mir beizuwohnen wie üblich. Wecke mich zeitig, damit ich mich vorbereiten kann. Du wirst ebenso Deine Zeit benötigen mein alter Freund", sagte Osroes freundlich und legte Varsken dankbar eine Hand auf die Schulter.

  • Varsken, wenngleich kein Sklave, sondern Mann aus bestem Hause, schlug die Augen nieder, als der König ihm die Hand auf die Schulter legte, ein dankbares Lächeln um die Lippen. Kein Wort hätte mehr des Lobes beinhalten können als diese Geste, die Vertrauen verhieß. Als Osroes seine Hand wieder fortnahm, schlang Varsken das kleinere der angewärmten Tücher um dessen nasses Haar, das größere um den Leib, der in seinen Augen das ideal eines parthischen Mannes widerspiegelte. Ihn pflegen zu dürfen, war wie die Arbeit an einem kostbaren Kunstwerk.


    "Natürlich werde ich über deinen Schlaf wachen. Wenn du gestattest, werde ich vorher noch meine Reisekleider ablegen und mich frisch machen, damit du nicht von einem Pferdestall träumst. Vor der Audienz muss ich mich gründlich waschen und rasieren, ehe du an der Reihe bist. Welche Farben wünschst du morgen zu tragen? Ich möchte die Sachen schon heraushängen und werde meine Kleider ebenfalls darauf abstimmen."


    Vor dem Amtsantritt des Osroes waren er und Varsken bereits Freunde gewesen. Sie kannten sich, seit sie als Kinder ihre Holzrömer mit winzigen Kataphrakten niedergetrampelt hatten wie einst der Feldherr Surenas, dem seine Leistung von Orodes II. mit einer Hinrichtung vergolten worden war. Unter dem Gewand des Amtes hatte ihre Freundschaft gut behütet überdauert, um in geeigneten Momenten gepflegt zu werden, meist zu Feierabend, wenn Osroes zum Du überging und somit das Signal zur privaten Zeit gab.


    Ohne zu rubbeln massierte Varsken das eingewickelte Haar von Osroes, bis es nicht mehr tropfte und er das Tuch beiseitelegen konnte. Da es Abend war und Osroes sich entspannen sollte, trocknete er den Körper mit langsamen, tupfenden Bewegungen ab, ließ jedoch einen dünnen Feuchtigkeitsfilm auf der Haut, da das Öl sich so besser verteilen würde. Er legte das Tuch zu dem anderen, anschließend band er Osroes´ Haar hoch und goss ihm angewärmtes Öl über die Schultern und den Nacken. Das Öl wurde einmassiert, beim Gesicht, Bart und Haar begonnen, und von oben nach unten umsichtig auf dem ganzen Körper verteilt, wobei Varsken zeitgleich Osroes´ Körper nach Krankheitsanzeichen oder Auffälligkeiten untersuchte. Es war ein sehr gutes Öl, das keinen schmierigen Fettfilm hinterließ, sondern die Haut seidig schimmern ließ und in nasenschmeichelnden Duft hüllte.


    "Das Haar kämme ich dir morgen vor der Audienz, wenn es trocken ist, damit ich dir deine schönen Locken nicht auskämme", schloss Varsken und holte die weiche Kleidung, die er zum Schlafen herausgesucht hatte. Sie war für den König dazu geeignet, sich damit zeigen zu können, wie er es gewünscht hatte, jedoch bequem genug, auch im Bett getragen werden zu können.

  • Osroes genoss die Behandlung von Varsken, er fühlte sich sicher und gut aufgehoben in den Händen seines Leibdieners der ebenso Freund und Vertrauter war. Ja er fühlte sich bei Varsken geborgen und dies war ein Umstand, den ein Mann in seiner Position nicht oft erlebte. Umso wertvoller war ihr Verhältnis, was das Leben generell anging und den Besuch bei Vologases im Besonderen.


    "Selbstverständlich gestatte ich dies Varsken. Nimm Dir die Zeit, die Du benötigst. Ich würde gerne etwas dunkelblaues tragen, meiner Würde entsprechend. Oder wie wäre es mit einem dunklen Grün? Wir beide waren so lange unterwegs, was macht das bisschen Zeit mehr aus? Zwar schreite ich dort als König in die Hallen von Vologases, aber wir beide sind eine unzertrennliche Einheit. Wir beide tragen gemeinsam die Bürde meines Amtes. Ich trage sie offen und zur Schau, Du trägst sie leise und einen Schritt hinter mir.


    Du teilst Dein Leben mit mir, opferst alles, hast kein eigenes Leben und lebst in meinem Schatten. Du trägst von uns beiden die stille, ungesehene Bürde. Also Du der alles von mir weißt, der alles von mir kennt und schon alles von mir gesehen hat, sollte sich nicht scheuen eine Bitte auszusprechen. Unsere Freundschaft erdet mich.


    Die ganze Zeit bin ich König, bin ich das Land. Das alles da draußen gehört "uns" - wir sind das Land, unsere Person ist das Recht und der Alleinherrscher in diesem Land. Vom niedersten bis zum höchsten Bewohner, sie sind die unseren Varksen. Wir sprechen Recht, denn wir sind die Oberste Ordnung. Was Recht und Unrecht ist, liegt in unserer Hand. Wir handeln und verhandeln im Namen eines Volkes, wir entscheiden über das Schicksal tausender. Wir entscheiden über Leben und Tod, all das tun wir.


    Wir tragen nicht nur diesen Titel Varsken wir tragen ein reich behangenen und schweren Mantel aus Verantwortung, Zwängen, Zeremonien und Etiketten.

    Dies ist unsere Aufgabe, dies ist unser Schicksal, manchmal unser Glück, manchmal unsere Bürde - das sind wir. Aber ab und an Varsken, möchte ich für einen winzigen Moment einfach nur ich selbst sein.


    Kurzum ich muss mich auf mich selbst besinnen, mich erden. Mich vergewissern, dass es mich selbst noch gibt, hinter all dem. Und genau das tust Du, indem Du mir ein Freund bist und es schon immer warst. Mein ewiger Wegbegleiter und Gefährte. Ich denke dass Du all dies weißt, aber vor dem morgigen Tag, sollst Du es aus meinem Munde hören. Nicht aus dem Munde Osroes dem I., sondern aus dem Munde Deines Freundes. Was ich damit schlicht sagen möchte ist - Danke",
    antwortete Osroes Varsken.

  • Varsken drückte die Schulter von Osroes freundschaftlich mit den Fingern, nicht zu sanft, denn Osroes war nicht aus Watte und Varsken keineswegs immer so zurückhaltend und sanftmütig, wie er sich gegenüber seinem Freund gab. Im Gegenteil konnte er ein rechter Schakal sein, wenn es darauf ankam. Niemand benötigte einen schüchternen Leibdiener. Bei Hofe zitterte man, wenn Varsken mit ungnädigem Blick nahte, um den Willen seines Herrn mit aller Entschiedenheit durchzusetzen, vor blutigen Konsequenzen nicht zögernd, wenn sie denn nötig waren. Varsken war gespannt auf den Leibdiener des Vologases, der dem falschen Schahanschah in Widerwärtigkeit sicher nicht nachstand.


    Varsken kleidete Osroes sorgsam an, geleitete ihn aber noch nicht zu Bett, denn er sollte erst schlafen, wenn Varsken zurück sei. Anschließend begab Varsken sich ins Bad, wo er Körper und Geist ausgiebig pflegte. Natürlich blieb Osroes nicht unbewacht in jener Zeit, doch Varsken hatte ein stetiges Grundmisstrauen um die Sicherheit seines Freundes und Herrn. De facto traute er niemandem, auch nicht jenen, die in Osroes´ Gunst standen. Je näher sie seinem König waren, umso durchdringender waren die Blicke von Varsken und umso tiefer sein Misstrauen.


    Sauber, duftend und in frischer Dienstkleidung kehrte Varsken zurück. Osroes würde schlafen, er würde wachen. Er schlug die Bettdecke auf, kontrollierte ein weiteres Mal Decken, Kissen, Matratze und Fußboden auf giftige Tiere und machte eine einladende Handbewegung.


    "Gemütlich scheint es zu sein. Soll ich dir zum Einschlafen etwas vorlesen, singen, musizieren? Oder wünschst du eine Massage?"


    Varsken beherrschte jede dieser Künste auf einem hohen Niveau und noch manche andere. Selbst die Grundlagen der Heilkunst lagen im Bereich seiner Fähigkeiten.

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