Königsdämmerung
Stürmisch waren jene Tage im Regnum Parthorum und der Wind jagte den Schnee über die Steppe. Nicht nur das Wetter war harsch, auch den Menschen schien der Sturm in die Herzen gefahren zu sein. Oder war es umgekehrt und der Wind trug eine Warnung von Ahura Mazda, der die Herzen kannte, hinab zu den Sterblichen? Den Feuerpriestern war es bei Strafe untersagt worden, dergleichen verlauten zu lassen, um die Stimmung nicht weiter zu verschlechtern. In Parthien erhoben zu jener Zeit gleich zwei Männer Anspruch auf die Würde des Großkönigs: der romfeindlichen Osroes I. und der romfreundliche Vologases III.
So kam es, dass das Partherreich, wenngleich bislang kein offener Krieg herrschte, im Herzen längst zweigeteilt war. Jeder der beiden Regenten ließ sich von seinen Getreuen mit dem Titel Schahanschah ansprechen, König der Könige, und verkündete so seinen Anspruch. Osroes im Westen und Vologases im Osten. Zeitgleich bezeichnete ein jeder den Rivalen degradierend als einen Gegenkönig, womit er diesem allerdings zumindest eine gewisse herrschaftliche Würde einräumten. Parthien besaß viele Könige, ein weiterer war in Ordnung. Jedoch durfte es über allen nur einen Schahanschah geben. Einen offenen Affront wagte bisher weder Osroes noch Vologases und man präsentierte sich höflich. Die inoffiziellen Bezeichnungen aber, die sie in Bezug auf ihren Rivalen verwendeten, waren derberer Natur.
Man ahnte, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis der Konflikt eskalieren würde und beide Könige trafen unter der Hand ihre Vorkehrungen. Nicht alle waren militärischer Natur.
Man wollte die politischen Gewässer noch ausloten, den Rivalen und seine Stimmung antesten, die Treue seiner Untertanen auf Schwachstellen prüfen. Und so kam es, dass sich die beiden Regenten in jenen Tagen noch einmal von Angesicht zu Angesicht trafen, um eine diplomatische Einigung zu versuchen. Krieg war teuer und barg das Risiko einer Niederlage. Alles wollte bedacht sein, bevor man die Waffen sprechen ließ. Die Gemüter der Parther waren angespannt, die Soldaten unruhig und das Volk vergrub Vorräte und Wertgegenstände im Sand. Der Feuerpriester Bardiya kündete vergebens von guten Omina an jenem Tage, wie es ihm befohlen worden war. Man ahnte, dass er log.
Die Geschehnisse in Parthien sind inhaltlich verwoben mit der Handlung von Cappadocia. Wer in unserer östlichsten Provinz spielt, sollte auch ein Auge auf die Texte unserer parthischen Nachbarn haben, denn ihre Fäden reichen weit.