• Nicht allein sein zu können hatte auch Vorteile. Da Sabaco es vermied, sich in seiner Unterkunft aufzuhalten, machte er einen engagierten und geschäftigen Eindruck. In seiner Freizeit schlenderte er herum, sah sich alles an und durchkämmte die gesamte Classis systematisch nach brauchbaren Kumpanen, mit denen sich trinken ließ. Das gab ihm auch die Gelegenheit, die Arbeitsabläufe in der Classis von verschiedenen Seiten kennenzulernen, aber auch seine Truppe zu analysieren, denn im nahen Umfeld suchte er naturgemäß am gründlichsten.


    Momentan gab es keine Vorkommnisse, die letzte war das Waffendepot gewesen und seither war es am Rhenus ruhig. Für den frischgebackenen Suboptio waren das hervorragende Voraussetzungen, er konnte seine Leute ohne Druck kennenlernen und sie sich umgekehrt daran gewöhnen, dass er sie fortan herumscheuchte.


    Es waren neben guten Männern und potenziellem Offiziersmaterial ein paar schräge Gestalten darunter, für welche die Classis die letzte Chance darstellte, noch die Kurve zu kriegen. Sabaco würde alles daran setzen, sie durch die Ausbildung zu schleifen, da er einst an einem ganz ähnlichen Punkt gewesen war. Vom kriminellen Landstreicher hatte die Legio ihn zu einem brauchbaren Römer geformt. Was Sabaco an destruktiver Energie besaß, bekam nun nicht mehr Rom, sondern Roms Feinde zu schmecken. Von einigen Ausnahmen abgesehen, die es nicht anders verdienten.

  • "Nervöse Umtriebe, oder was bist Du die ganze Zeit hier unterwegs? Mir scheint als wäre Dir langweilig. Falls Du eine Beschäftigung sucht, sprich mich an. Ich habe immer Arbeit zu vergeben Sabaco. Die Ausrüstung der Ausgabestelle müsste dringend einmal wieder einer Inventur unterzogen werden. Nun ist es Deine Arbeit Sabaco, viel Freude und bitte führe alles fein säuberlich in einer Liste auf. Was ist da, was fehlt, was muss besorgt werden und und und. Du weißt ja wie so etwas geht", erklärte Nero hinter ihm.


    Dabei war er an Sabaco so nah heran getreten, dass dieser seinen Atem im Nacken spürte.

  • Sabacos Nackenhaare sträubten sich, als er diese Stimme direkt hinter sich vernahm. Ihr Besitzer sollte nicht hier sein, er hatte ihm überhaupt nie wieder begegnen sollen! Was machte der hier bei der Classis, wieso war der noch nicht nach Rom zurückgekehrt?! Wie von selbst ballten Sabacos Hände sich zu Fäusten. Die Narbe über seiner linken Braue entsandte eine schmerzhafte Erinnerung an die Schlägerei, als sein Blutdruck alarmiert durch die Decke schoss.


    Ruhig bleiben. Keine Blöße geben, solange sie sich in der Castra befanden. Sabaco war nun Suboptio. Er war diszipliniert und vor allem war er neu hier, weil Ocella ein gutes Wort für ihn eingelegt hatte. Er konnte sich keinen Fehltritt leisten.


    Langsam drehte Sabaco sich um, während der heiße Atem seines Gegners über seinen Hals strich. Ihre Nasen berührten sich fast. Seine Vermutung wurde bestätigt. Die Schwarzkutte aus der abgefackelten Taberna Silva Nigra. Und er blickte verdammt wichtig drein, während er seine Kommentare herunterrasselte.


    "Prätorianer haben keine Befehlsgewalt über die Classis. Zisch ab, Schwarzkutte", knurrte er und sah ihm unverwandt in die Augen.

  • Wie er sich wand und versuchte die Nerven zu bewahren, amüsierte Nero. Er hatte ihre Begegnung nicht vergessen und der Kerl scheinbar auch nicht. Nero blieb genau dort stehen wo er war, so dass sie beide unheimlich nahe beieinander standen.


    "Da bin ich aber froh, das Prätorianer hier keine Befehlsgewalt haben. Ich allerdings schon als Gubenator der Classis. Folglich unterstehst Du mir. Ich habe Dir gerade einen Befehl erteilt, klingt fast so als möchtest Du eine eindeutigere Erklärung. Ich wiederhole mich ungerne, ab an die Arbeit", grinste Nero herausfordernd und trat bewusst einen Schritt näher. Entweder musste Sabaco sich nun berühren lassen, oder zurückweichen als Untergebener. Auf das Spielchen ließ es Nero ankommen. Der Bursche war dreist wie eh und je.

  • Stille senkte sich auf die beiden Männer. Man hörte nur die Geräusche in weiterer Ferne, Marschieren, Rufen, Hämmern. Um sie herum aber hatte sich eine Blase der Stille gebildet. Wer in der Nähe stand, hielt inne, um zu sehen, was geschah. Sie standen Brust an Brust und das nicht, weil sie sich so sehr mochten. Die Zeit schien stillzustehen, während sich in Sabaco das schiere Entsetzen ausbreitete. Der Kerl ... den er neulich verdroschen hatte ... war sein Vorgesetzter. Als das in seinem Hirn angekommen war, trat Sabaco einen Schritt zurück und senkte den Blick, aber nicht den Kopf. Seine Haltung blieb aufrecht.


    "Bitte um Verzeihung, Gubernator. Ich hab das nicht gewusst."


    Einen Scherz schloss er aus. Niemand, der bei Verstand war, gab sich als ranghöher aus, als er war.


    "Ausrüstung in der Ausgabestelle kontrollieren. Liste führen. Fehlendes ersetzen lassen", bestätigte Sabaco.


    Das war überhaupt nicht seine Aufgabe, das machten die immunes, die dort zugeteilt waren! Dies musste die Rache der Schwarzkutte für Sabacos Schläge sein und wenn Sabaco in so ansah mit seinem herausfordernden Grinsen, ahnte er, dass es nicht bei dieser einen bleiben würde. Ihn erwarteten bittere Zeiten. Die hatte er schonmal gehabt ... in Scheiß Germania inferior. Nur gab es diesmal keinen Stilo, der seine Kontakte zum Papa spielen ließ, um Sabaco den Arsch zu retten. Diesmal musste er allein da durch.

  • Sabaco benötigte einen Augenblick um sich zu fassen, dann wich er tatsächlich einen Schritt zurück. Der Mann senkte den Blick, blieb aber ansonsten aufrecht stehen. Nero erkannte den Schneid an, den der Bursche besaß. Beides verlangte Mut, ein Schritt zurück ebenso wie die aufrechte Haltung. Das er darüber kein Wort verlor, war selbstverständlich. Sollte sich Sabaco seine Zukunft ruhig düster ausmalen, etwas Rache stand Nero ebenso zu, wie jedem anderen auch.


    Eines war er jedoch nicht und zwar unfair. Sollte Sabaco sich beweisen, dann würde er dies genauso anerkennen wie bei jedem anderen auch. Der Mann musste seinen Kameraden selbst ein Kamerad sein, dazu musste niemand miteinander befreundet sein. Aber jeder hier musste sich auf den anderen verlassen können, gleich wie sie persönlich zueinander standen. Das hatte auf dem Schlachtfeld nichts verloren. Auch das verriet Nero Sabaco nicht, er würde es früh genug merken.


    "Ganz genau und danach wirst Du mir Bericht erstatten", erklärte Nero und trat wieder nah an Sabaco heran.

    "Der guten alten Zeiten Willen", flüsterte er ihm zu und ging wieder auf Abstand.

  • Der Gubernator rückte nach. Da sie wieder Bauch an Bauch standen, blieb Sabaco nichts übrig, als nun doch das Kinn zu senken, um zu deeskalieren. Er fühlte sich ertappt, als ob der andere wusste, dass sein früherer Centurio ihn auf dem Kieker gehabt hatte, bereit dazu, dessen Zerstörungswerk fortzusetzen. Was, wenn sein alter Peiniger und der Gubernator sich kannten? Was, wenn der ihn indoktriniert hatte, wie mit Sabaco zu verfahren sei?!


    Dass der Kerl wieder auf Abstand ging, nachdem er ihm was ins Ohr gezischt hatte, konnte Sabaco nicht mehr beruhigen. Bleich und mit gesträubten Nackenhaaren stand er da. "Jawohl, Gubernator", bestätigte er mechanisch. "Danach erstatte ich Bericht."


    Er wollte nur noch weg. Auf seinem Ohr spürte er immer noch den Atem seines Vorgesetzten.

  • Nero nickte zufrieden und schaute sich Sabaco genau an. Sein Gegenüber fügte sich und schien nachdenklich auszusehen. Nun vielleicht fühlte sich Sabaca auch gerade nur unwohl, bei dem Gedanken dass er Gubernator war und kein Schwarzrock. Schließlich lagen die Dinge nun völlig anders, als Sabaco erwartet hatte. Das sie möglicherweise später erneut anders liegen würden, konnte Sabaco nicht wissen. Aber etwas Ansporn konnte nicht schaden und ein klein wenig Rache war auch ihm vergönnt. Schließlich schadete er damit weder der Moral noch dem Dienst. Im Gegenteil, Sabaco würde einiges über die Ausrüstung lernen, würde eine sehr nützliche Arbeit erledigen und er würde lernen, dass man sich immer zweimal im Leben sah. Oder öfter. Und dass nicht jede Begegnung so endete, wie sie einst anfing. Aber den kleinen Schrecken kostete Nero trotzdem aus.


    Denn eines stand ebenso fest, sie waren im Grunde zur Kameradschaft verpflichtet. Kam es hart auf hart, musste sich jeder Mann auf den anderen verlassen können. Für Kleinkriege war kein Platz in der Legion, nirgendwo und schon gar nicht in der Classis. Ein Schiff konnte ebenso nur gefahren werden, wenn alle Mann Hand in Hand arbeiteten. Sicher kam es mal zu Rangeleien oder blutigen Nasen. Aber das durfte nicht am Zusammenhalt der Truppe oder Mannschaft kratzen. Und das würde auch Sabaco lernen, ob es ihm gefiel oder nicht.


    "Heute so zuvorkommend und gehorsam? Daran könnte ich mich glatt gewöhnen. Nun was machst Du noch hier Sabaco? Du hast eine wichtige Aufgabe erhalten, die keinen Aufschub duldet und soweit ich weiß, schreiben sich weder Listen noch Berichte von allein. Abrücken und Befehl ausführen. Je eher Du anfängst, je eher habe ich den Bericht auf dem Tisch", antwortete Nero gerade zu höflich.

  • Der frischgebackene Gubernator musste natürlich noch einen draufsetzen, um ihn zu demütigen. Schmerz jagte durch Sabacos frisch operierten Kiefer, weil er die Zähne aufeinander biss. Vielleicht sollte er den Wichtigtuer daran erinnern, wie weh Sabacos Fäuste taten. Nur verbal, freilich. Und daran, dass der Gubernator es gewesen war, der am Ende vor Sabaco auf den Knien herumgekrochen war, genau in Lutschhöhe. Seiner Karriere würde Sabaco damit allerdings keinen Gefallen erweisen und das für einen kurzen Moment des Triumphs? Nein. Genau dazu wollte der Gubernator ihn verleiten, damit er ihn anscheißen, bestrafen und loswerden konnte. Ja, darum disste er ihn hier vor den neugierigen Augen und Ohren der Umstehenden. Aber Sabaco tat, als wären die höhnischen Worte bloße Arbeitsanweisungen für ihn. Als würde sein gekränkter Stolz nicht in ihm nagen wie ein Hund an einem blutigen Knochen.


    "Zu Befehl, Gubernator", sagte er und räumte das Feld, um einer Aufgabe nachzugehen, die überhaupt nicht in seinen Bereich fiel. Seine Gangart war allerdings nicht die eines entspannten Mannes. Jeder stampfende Schritt war ein Tritt in die Nüsse des Gubernators, als Sabaco in Richtung Armamentarium abzog.


    Der beschissene Sinnlosbefehl >>>

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