Nero hörte Sabaco zu, aber seine Gedanken schwirrten im seinem Kopf umher, wie ein Schwarm wütender Fliegen. Er hatte Sabaco auf den Boden geworfen? Dass wusste er gar nicht mehr so genau. Das Wort Morgengrauen hatte heute eine sehr wörtliche Bedeutung für ihn. Bei der Verabschiedung von Sabaco grinste er schief und nickte knapp und schon war der Suboptio verschwunden. Das Nicken war keine gute Idee gewesen. Aber es half alles nichts, Wein hin, Kopfschmerz her, auch er musste sich zum Dienst schleppen.
Officium Gubenator Titus Umbrenus Nero
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Sabaco klopfte, grüßte und trat ein. Inzwischen musste Nero auffallen, wie oft Sabaco mit unnötigen Nachfragen bei ihm eintrudelte und ihn blockierte. Auch heute schleppte er einen Stapel Dienstpläne in Gestalt von Wachstafeln mit sich, den er auf Neros Arbeitstisch knallen ließ. Diesen Stapel kannte Nero inzwischen vermutlich auswendig.
"Ich habe ein paar Fragen zum Feinschliff der Dienstpläne, Gubernator!"
Dabei schaute Sabaco sich ungeniert im Quartier um auf der Suche nach der Schrottsammlung, die Nero ihm hatte zeigen wollen.
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Nero schaute von seinem Schreiben auf und starrte Sabaco an, ehe ein kurzes Grinsen aufblitzte.
"Sabaco unter uns beiden, ich glaube wir haben die besten, effektivsten und geschliffensten Dienstpläne die Rom jemals gesehen hat. Nimm Platz und mach es Dir gemütlich. Also wie kann ich Dir helfen. Sucht Dein Blick etwas Bestimmtes?", fragte Nero und versuchte sich seine gute Laune nicht allzusehr anmerken zu lassen. Ob es ihm gelang, stand auf einem anderen Blatt.
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"Deine Schrottsammlung." Sabaco grinste mit seinen zertrümmerten Zähnen, als er sich an Neros Tisch niederließ. "Dienstpläne können nicht perfekt genug sein. Ein Kamerad hat überlegt, ob er vielleicht Urlaub beantragen möchte. Für den Fall, dass er das tut und der Urlaub bewilligt wird, habe ich einen alternativen Dienstplan erstellt. So haben wir ihn dann sofort griffbereit und müssen nicht umplanen."
Er tippte auf die oberste Tafel. Darunter waren die anderen Alternativdienstpläne gestapelt, die mit unterschiedlichen Personalmöglichkeiten kalkulierten, beispielsweise was gute oder weniger gute Genesungsfortschritte von Seppi mit seinem Finger betraf, und ganz unten lag der aktuelle Dienstplan, begraben unter einem Stapel von Fiktionen.
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Nero nickte zustimmend und grinste ebenfallls.
"Urlaub bekommen doch eigentlich nur Männer die auch gearbeitet haben. War das bei dem Kamerad denn der Fall?", fragte er leicht lauernd mit belustigtem Blitzen in den Augen.
"Spaß beiseite, die Pläne betreffend hast Du Recht. Sind wir auf alle Eventualitäten direkt vorbereitet, haben wir eine Umplanung nicht nötig. Was uns Zeit und Nerven spart. Das ist ein sehr guter Grundgedanke, den wir auch zukünftig beibehalten sollten. Jetzt nicht nur um uns zu treffen und zu plaudern, sondern um wirklich die Dienstpläne messerscharf zu schleifen. Was nicht heißt, dass ich nicht gerne mit Dir plaudere. Das weißt Du.
Für meine Schrottsammlung? Ehrlich? Nun dann will ich Dich nicht länger auf die Folter spannen und Dir meine wertlosen Schätze zeigen", erklärte Nero und stand auf.
Er ging in die hinterste Ecke seines Büros und zerrte eine schwere Truhe hervor. Mit lautem Klappern öffnete er sie und legte einige der Stücke vorsichtig auf den Boden. Zum Vorschein kam eine zerbrochene Öllampe, einige Münzen die Sabaco und Nero nicht zuordnen konnten. Ein weiterer Fund sah aus wie ein Messinstrument, aber es schien ein Großteil von ihm zu fehlen. So ging es die ganze Zeit weiter. Die Schätze waren vermutlich wirklich nichts wert, außer die Freude die sie ihrem Besitzer bereiteten. Sie waren interessant, teilweise fremdartig ein Unikum.
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Zu Sabacos Überraschung wurde er für seine Phantom-Dienstpläne auch noch gelobt.
"Danke, Gubernator. Der Mann hätte sich seinen Urlaub verdient. Aber wir können das nicht entscheiden. Ich wollte, dass du Bescheid weißt, dass vielleicht bald ein anderer Dienstplan gültig ist."
Gespannt starrte er auf die sich öffnende Truhe und auf das, was der Gubernator daraus zum Vorschein brachte. Ein besonders skurriles Objekt hob Sabaco vorsichtig auf, um es zu untersuchen. "Sieht aus wie ein nautisches Instrument, oder? Aber welches? Es ist völlig kaputt. Du liebst die See und sie spuckt dir solchen Plunder vor die Füße. Andererseits hast du so was zum Tüfteln."
Neros Vorstellung von den Gegenständen, die in eine Schatztruhe gehörten, gefiel Sabaco. Sie verriet eine Weltsicht, in der Schätze keinen materiellen Wert hatten und materielle Werte keine Schätze waren.
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"Dann soll er seinen Urlaub bekommen, wenn er ihn verdient hat. Sabaco, dass ist doch der Grund warum das Teil in der Schatzkiste liegt. Sobald ich weiß was es ist, wäre es ja nicht mehr so wertvoll. Ja Du hast Recht, es ist völlig kaputt, aber trotzdem hat es seine eigene Schönheit. Es könnte auch ein anderes Instrument sein, jemand kann es ins Wasser geworfen haben oder es wurde auf einem Schiff mitgeführt und ging verloren. Wir wissen es leider nicht.
Manchmal betrachte ich meine Schätze, wähle ein Kleinod aus und stelle mir vor woher es kommt. Dann erzählt es mir sozusagen seine Geschichte. Seinen Lebensweg, was es erlebt hat, durch welche Hände es ging, bis es ins Meer fiel und an den Strand gespült wurde. Ich hob es auf und nun erzählt es mir von seiner Reise. Wer weiß welche Weiten diese Dinge schon gesehen haben? Möglich ist auch, dass es dort hineingeworfen wurde, wo ich es gefunden habe.
Und ganz ehrlich Saba? Manchmal ist es gar nicht die wahre Geschichte der Fundstücke, sondern jene Geschichten, die mir dazu einfallen und meine Gedanken beflügeln. Sie nehmen mich mit auf eine Reise in ferne Länder, über die See und zeigen mir woher sie stammen. Jedenfalls in der Geschichte, die sie gerade zum Besten geben. Wofür andere Papier und Feder benötigen, dafür habe ich diese Dinge.
Du hältst Deine Gedanken fest nicht wahr? Vielleicht sollte ich dies auch einmal versuchen. Oder Du könntest eine meiner Geschichten festhalten. Was sagst Du dazu?", fragte Nero.
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"Das ist sehr ... fantasievoll." Sabaco meinte das nicht abwertend, sondern beim Sinn des Wortes selbst. "Sie sind deine Inspiration, deine Musen", schlussfolgerte er. "Deine Schätze. Finde ich gut. So kommen auch mal gute Geschichten bei raus, auf jeden Fall nicht immer das Gleiche. Ich selbst bin meine einzige Inspirationsquelle und entsprechend sind die Werke: pessimistisch, düster, manchmal blutig und voll Zorn, immer bitter."
Er legte das Kleinod vorsichtig zurück. Es war Schrott, doch Nero bedeutete es viel und das respektierte Sabaco. Es war wie mit den Tunikas, die Ocella ihm geschenkt hatte. Für andere war eine warme Tunika nichts Besonderes, für Sabaco waren diese Exemplare eine Religion. Eine trug er selbst, die andere trug Nero, wenn es kalt wurde.
"Gern kann ich eine deiner Geschichten festhalten, Nero. Ich schreibe gern und es wäre schade, wenn sie nie in Worte gekleidet werden würden." Er merkte nicht, dass er wieder zum vertraulichen Cognomen gewechselt war. Vermutlich ging das jedoch in Ordnung, sie sprachen gerade nicht dienstlich. "Aber dafür musst du sie mir erzählen. Du schuldest mir auch noch eine andere Geschichte - die des Hippocampus. Erinnerst du dich? Deine Geschichte, Nero."
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Nero räumte gemeinsam mit Sabaco die Schätze zurück in ihre Truhe. Über die Worte von Sabaco freute sich Nero.
"Das hast Du sehr gut ausgedrückt, Musen, ja so könnte man die kleinen Funde durchaus beschreiben. Sie beflügeln meine Gedanken und schicken sie auf Reisen. Manche sind abenteuerlich, manche sonderbar und manche sind finster. Aber eines waren sie bis jetzt immer und zwar interessant. Hätten sie nur von Glück, Liebe und der gleichen zu berichten, dann Sabaco wäre der Glanz meiner Musen längst verblasst. Andere mögen nichts als Krempel in meinen Schätzen sehen, aber das ist mir gleich.
Bis jetzt warst Du Deine einzige Quelle, warum sollte es so bleiben? Du kannst doch jederzeit auch die Blickwinkel anderer aufgreifen. Stell Dir vor Du erzählst ein und die selbe Geschichte, aber jeweils aus der Sicht von einer anderen Person. Wem wäre wohl was wichtig? Wer würde was hervorheben? Schon allein dadurch würden sich zig andere Geschichten ergeben, auch wenn die Erfahrung ein und die selbe gewesen ist.
Du kannst so viele meiner Geschichten festhalten wie Du magst. Sozusagen sind es selbst zusammengesponnene Mythen. Legenden die niemand außer ich kennt. Meinst Du die großen Schriftsteller schreiben ihre Werke anders als wir? Alles Sabaco fängt doch mit einer Muse und einem Gedanken an. Oder mit einem Wunsch. Teilen wir unsere Wünsche, Gedanken und Geschichten", bot Nero gut gelaunt an.
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Sabaco merkte, dass etwas in ihm sich dagegen sträubte, den Blickwinkel der anderen Seite einzunehmen. Es erzeugte in ihm eine tiefe Abwehr, weil er genau wusste, dass er egoistisch mit anderen Menschen umging. Selbst seine Liebe war durch und durch egoistisch. Er wollte nicht wissen, was andere wirklich über ihn und seine Taten dachten, die er selbst vollkommen richtig fand. Es hätte es gekonnt, er hatte die Fähigkeit dazu, die Gegenseite zu verstehen, doch er wollte nicht.
"Meine Gedanken möchtest du hören? Gut, ich bin dabei. Ein Gedanke von mir - gegen einen von dir. Lass uns tauschen. Ich beginne.
Der Name Phoca gilt hier nichts, und doch bin ich noch immer Phoca. Er ist ein Teil von mir. Der Seehund sammelt sich in Gruppen und ist dennoch ein Einzelgänger. Er sucht die Nähe anderer und ist doch allein. Die andere Seite meiner Geschichten interessiert mich nicht, Nero. Das ist der Grund, warum ich immer nur meine eigene Perspektive wähle. Ich bin ein grenzenloser Egoist und das ist die Wahrheit über mich. Mir gehört diese Welt, sie ist meine Spielwiese. Ich bin gut zu anderen, wenn sie meine Spielgefährten sind und dazu dienen, mein Leben zu bereichern. Der Rest ist Spielzeug oder Feind."
Erschrocken über seine Offenheit suchte er den Blick des Gubernators. Sofort bereute Sabaco, dass er ehrlich gewesen war und ging in Richtung des Schreibtisches, wo die Dienstpläne lagen.
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"Du sagst ja nicht einmal Dir die Wahrheit über Dich Sabaco, wieso solltest Du sie dann mir sagen? Du magst die andere Seite nicht sehen? Seltsam, warum betrachtest Du sie dann so ausführlich? Ich biete Dir sogar noch mehr. Ein Gedanke von Dir und zwei von mir zurück. Meiner und Deiner. Es gab einst einen Hund, der lebte in einem Rudel, suchte die Wärme und war doch keiner von ihnen. Allein zog er umher, das Rudel war sein Schild, sein Zeitvertreib. Das Rudel war nicht das was er liebte, dass sagte sich dieser Hund.
Viele wissen es nicht, aber es gibt nur zwei Formen von Liebe. Die eine Liebe nutzt eine andere Person, um aus ihr das eigene Glück zu ziehen. Die andere Form der Liebe, teilt das bereits vorhandene Glück mit der anderen Person. Dieser Hund behauptete, er wäre einer der ersten Sorte, jene die das Glück anderer abziehen, der sie erntet und der nicht das eigene Glück teilt. Bestenfalls waren die anderen Hunde nützlich, schlimmstenfalls waren es Feinde.
Das war es, was der Hund sich erzählte, damit ihn die eigenen Schatten nicht fraßen. Er selbst konnte und wollte die Wahrheit nicht sehen, denn er missdeutete sie als Schwäche. Er traf auf ein anderes Tier, ein Tier dass in kein Rudel lebte, in keine Herde passte und in niemandes Schule Zuhause war. Es war fremd auf diesem Grund und Boden, gefühlt eine Unendlichkeit von seiner Heimat entfernt und dennoch war es hier gestrandet.
Der Hund der keinen Blick auf sich selbst werfen konnte, sah dass dieses Wesen fror. Er besaß nur zwei wärmende Felle, mehr hatte er nicht zur Verfügung. Er wusste nicht, ob ihm dieses fremde Tier wohlgesonnen oder feindlich gesinnt war. Im Grunde wusste er nicht einmal, ob dieses Wesen ihn vielleicht sogar fressen würde. Alles was der Hund wusste war, dass dieses Wesen alleine war und fror. Und so teilte er seine Felle, reichte dem Wesen ein Fell ohne eine Gegenleistung zu verlangen.
Kein Wunsch, keine Forderung, keine offene Rechnung kam über die Lippen des Hundes. Er gab und schaute nicht zurück. Er hatte etwas erblickt, dass ihm ähnlicher war, als ihm lieb gewesen wäre - denn er sah etwas das er am meisten fürchtete in den Augen jener Kreatur.
Er sah sich selbst".
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Sabaco verschlug es die Sprache. Er wusste nicht, was er antworten sollte. Er hatte nicht erwartet, dass Nero nach seiner schroffen Erklärung etwas Freundliches zu ihm sagen und ihm damit den Wind aus seinen schwarzen Segeln nehmen würde. Mehr noch, der Kerl umschwamm sämtliche seiner Barrikaden, alle Untiefen und Klippen. Er setzte den Fuß auf sein Schiff, stand direkt vor ihm und berührte den Rest des roten Herzens, der innerhalb des schwarzen Klumpens lag, der in seiner Brust schlug. Das Gefühl war beängstigend, ihr Blickkontakt intensiv.
"Ich weiß nicht, was ich jetzt sagen soll, Nero. Es gelingt nicht vielen, mir den Wind aus den Segeln zu nehmen."
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Nero trat ganz nah an Sabaco heran, so nah dass sie sich fast berührten. Körperlich berührten, denn seelisch hatten sie es schon längst. Nero sah wer vor ihm stand und Sabaco sah es genauso.
"Dann sag nichts", antwortete Nero, öffnete die Kiste und drückte Sabaco das Messegerät in die Hand.
"Deine erste Muse. Persönliche Auszeichnung".
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Sabaco wich nicht. Er sah Nero immer noch in die Augen, als dieser unmittelbar vor ihm stand. Den Blick wandte er erst von seinem Gesicht ab, als der Gubernator ihm einen seiner Schätze in die Hand drückte. Sabaco wünschte, er würde nicht verstehen, was Nero damit sagen wollte. Gern hätte er sich eingeredet, dass er sich die Botschaft nur einbildete, doch er verstand sie genau. Er wusste, was Nero sagen wollte und dass er sich nicht irrte.
"Das vermeintliche Navitationsgerät. Die erste Geschichte, die ich schreiben soll, dreht sich darum, den richtigen Weg zu finden." Es war beängstigend, dass sie die Botschaften des anderen wortlos begriffen.
Verdammt, dieser Nero! Er fühlte sich, als hätte der Kerl ihn ausgezogen. Sabaco schielte in Richtung Tür. Alles riss gleichzeitig in Sabacos Innerem: die Freude über einen Gesprächspartner, mit dem er so auf einer Wellenlänge war, und die Angst davor, wie gut sie sich verstanden. Wer einem nah war, erfuhr früher oder später die dunklen Geheimnisse, von denen Sabaco viele hatte. Das war nicht gut, denn mit seiner Vita, wäre sie bekannt, würde ihn keine Armee genommen haben. Nero würde früher oder später herausfinden, wo Sabaco verwundbar war. Auf der Straße war so etwas egal, notfalls gab es Konsequenzen ... aber hier hing sein Beruf daran. Sabaco würde seinen Vorgesetzten nicht gewaltsam zum Schweigen bringen können. Sabaco war hier nicht Phoca, war nicht der König der Straße. Hier in der Classis hatte Nero die Macht, Sabacos Leben zu vernichten.
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Nero verschränkte die Arme vor der Brust und schmunzelte.
"Vermeintlich? Es ist Dein Navigationsgerät, gleich was es tatsächlich ist. Aber Du hast Recht und hast den Wink korrekt verstanden. Was Du nicht verstanden hast, ist dass Du keine Angst haben musst. Es sei denn Du fürchtest Dich vor Dir selbst. Kommt gar nicht so selten vor, gerade dann wenn man weiß was sich unterhalb der Oberfläche verbirgt und jederzeit auftauchen könnte.
Du bist vorsichtig Sabaco, jedes Raubtier ist vorsichtig. Du hast mir einen Teil Deiner Geschichte anvertraut, meine steht noch aus. Aber das ändern wir jetzt, Du wirst meine Geschichte hören und ich werde Deine Geschichte hören und wir beide werden mehr denn je wissen, dass wir aus dem gleichen Gewässer stammen, auch wenn wir woanders unsere Bahnen gezogen haben.
Meinst Du ich wüsste nicht, was Du mir damit sagen wolltest auf der Straße groß geworden zu sein? Die Straße kennt keine Gnade, sie ist wie die See. Entweder hast Du die Stärke zu überleben oder Du gehst unter. Aber Du gehst nicht einfach, sondern Du versinkst im Vergessen. Aber Du bist nicht versunken, Dir sind mächtige Flossen gewachsen Seehund und Deine Sinne sind genauso scharf wie Deine Zähne. Wozu Du sie eingesetzt hast, wirst Du mir noch früh genug erzählen. Das Du es hast, ist unbestritten.
Wer waren Deine Opfer Sabaco? Wen hast Du erbeutet oder aus Notwehr gerissen, durchgekaut und ausgespuckt?
Du wirst es mir schon noch früh genug erzählen. Du hättest kein Wort darüber verlieren müssen, denn selbst mit Wein umnebelten Verstand wirst Du noch klar genug sein, zu wissen wann Du schweigen musst. Nur wann Du aufstehen solltest, dass weißt Du nicht", lachte Nero leise und machte eine wegwerfende Handbewegung.
"Geschenkt, ich sagte doch Du wärst ein guter Tribun. Ich weiß nur nicht was Du Dir bei meinem Kommentar gedacht hast. Das ich auf Kastraten stehe? Eierlose Luschen, die weder Schneid noch Biss haben? Ich dachte ich hätte mich da klarer ausgedrückt. Wärst Du wirklich dass, was Du heuchelst Sabaco, hätte ich Dich nicht mal mit dem Arsch angeschaut. Lust auf einen Ausflug?", grinste Nero.
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"Mein Navigationsgerät", wiederholte Sabaco und betrachtete das Geschenk. Seine Finger umschlossen es fest und er drückte es an sich, nickte. Auf die Dinge, die Nero dann aufzählte konnte er nicht antworten. Nicht jetzt, nicht hier. Auch Wände hatten Ohren. Der Ausflug war eine gute Idee.
"Lass uns aufbrechen. Von dir weiß ich praktisch noch nichts, außer, dass du eine poetische Ader hast, besser fischen kannst als ich und besondere Schätze sammelst. Du bist schlau, aber in einer Sache irrst du dich. Ich weiß sehr gut, wann ich aufstehen sollte. Die Frage ist - will ich das? Ich war müde und draußen wartete der Dienstalltag, also konnte ich guten Gewissens bis zur letzten Minute liegen bleiben. Und ich kam nicht zu spät. Worauf du stehst, darüber hatten wir noch nicht gesprochen, ich kann also nicht wissen, ob du Kastraten heiß findest."
Sabaco grinste schamlos, wobei er sein Trümmergebiss offenbarte. "Also, wohin soll es gehen?"
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"Zum Wasser, Du wählst welches Sabaco. Eine poetische Ader - Danke. Das ich besser fischen kann als Du, liegt daran dass ich länger Fische als Du. Ich bin einige Jährchen älter Sabaco. Meine Schätze werden Dir hoffentlich auch zu Gute kommen. Du hast durch sie etwas zu schreiben und es ist durchaus möglich, dass Dir zu dem einen oder anderen auch etwas einfällt. Danke für die Blumen, ob ich so schlau bin weiß ich nicht. Immerhin dümpeln wir hier herum oder?", gab Nero zurück und verstaute den Rest der Schätze wieder in der Truhe um sie zu schließen.
"Ob ich Kastraten heiß finde? Sabaco Du hast einen grausamen Humor, hat Dir das mal einer gesagt? Nun wohl wahr, aufstehen wollten wir beide nicht. Die Müdigkeit hatte uns fest im Griff, aber das Horn war unerbittlich. So wir machen also eine Begehung und wohin gehen wir?", fragte Nero und schob Sabaco aus dem Officium.
"Vielleicht essen wir unterwegs einen Happen und trinken etwas bevor wir das Wasser überprüfen. Irgendeine Idee oder eine gute Taberna auf Lager die sich lohnt?", hakte Nero nach.
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Sabaco ließ sich ohne Widerstand aus dem Officium schieben, das Kleinod hielt er noch immer in der Hand.
"Wir holen uns was zu trinken aus der Taberna Pulchra Patria. Die Taberna Silva Nigra ist ja abgebrannt. Die Getränke kaufen wir in Flaschen und nehmen sie mit, dann lassen wir es uns am Rhenus gutgehen. Ich habe eine Stelle gefunden, bei der man ungestört ist, und sie hat sogar einen Sandstrand. Wie alt bist du eigentlich? Verrate es mir, bevor ich falsch rate und mir eine einfange."
Bei Leuten mit Glatze war das immer so schlecht einzuschätzen, da man den Status ihres Haarausfalls und die Menge ihrer grauen Haare nicht erkannte. Sabaco holte eine Decke und einen Korb aus seiner Wohnung. Gemeinsam gingen sie einkaufen und marschierten dann vollbepackt zum Strand.
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"So halten wir es, auf zur Taberna Pulchra Patria. Ach dafür hättest Du Dir keine gefangen, ich bin 47 Jahre alt Sabaco. Das ist jetzt kein Geheimnis. Weißt Du was witzig ist? Andere rasieren sich das Gesicht und hüten ihre Haare. Ich rasiere mir die Haare ab und lasse mir den Bart stehen. Rebellisch was? Naja ehrlich gesagt, finde ich es so ganz praktisch, es ist pflegeleicht und ich muss mir keine Gedanken machen, falls mein Haar schütter wird. Ich werde es nicht sehen. Wie alt bist Du? Manche Dinge bespricht man am besten ohne fremde Ohren", antwortete Nero gut gelaunt.
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Nasskalter Herbst
Der Sommer hatte sich verabschiedet, ebenso waren die letzten warmen Herbsttage ins Land gezogen. Goldenes Licht hatte sich auf dem Wasser gespiegelt und ebenso gefärbtes Laub hatte wie winzige Schiffchen auf den Wellen getanzt. Der Fluss der ihre Schiffe zu ihren Bestimmungsorten trug, der ihre Castra mit Leben füllte und versorgte, war ebenso der Fluss der Zeit. Die letzten Herbstblätter waren fortgespült worden, ebenso wie die warmen trockenen Tage. Sie hatten einem Grau-in-Grau Platz gemacht, so dass man Himmel und Fluss kaum noch farblich unterscheiden konnte.
Wolken türmten sich auf und brachten regenschwere Ladung mit sich. Der Wind pfiff um die Häuser und so manchem Römer wurde klar, warum die Barbaren Hosen trugen. Doch keiner beschwerte sich, wenn ihm das Wasser vom klatschnassen Haar in den Nacken lief oder der Wind durch den Stoff der Tunika biss. Sie gehörten zur Classis, dass Wasser war ihr Leben ob im Fluss oder in Strömen aus den Wolken. Neptun segnete sie in letzter Zeit besonders häufig, so manch einer der verweichlichten Grünschnäbel schnäuzte sich hier und hustete dort.
Selbst Nero spürte ein seltsames Kratzen im Hals, aber vermutlich war nur die kleine Feuerschale schuld, die extrem russend Wärme verbreitete, oder geschickt vorgaukelte genau dies zu tun. Die Flammen in der Schale tanzten fröhlich umher als wollten sie den Regen verhöhnen sie doch nicht erwischen und löschen zu können. Nero strich sich über die Glatze und schaute auf seinen Bericht. Gedankenverloren aß er eine getrocknete Dattel und genoss die unvergleichliche Süße, während er beschloss den Bereicht ein anderes mal zu Ende zu schreiben.
Für einen winzigen Moment spitzte er die Ohren, hatte er etwas gehört? Stand jemand vor der Tür? Doch dann hörte er, dass es kein Klopfen war, sondern der Regen hatte an Kraft gewonnen und trommelte nun auf das Dach. Nero streckte sich lang aus und schob seine Füße in Richtung Feuerschale. Für einen Moment genoss er mit zufriedenem Lächeln die Wärme, ehe er sich wieder aufrecht hinsetzte und seine Gesichtszüge in die altbekannte, grimmige Maske sortierte.
Die meisten Schiffe lagen gut vertäut im Hafen, dennoch fragte er sich welches unterwegs war. Sobald der Regen nachgelassen hatte und er etwas Freizeit hatte, würde er an ihrem Hausboot weiterbauen. Müde streckte er erneut die Füße zur Feuerschale aus. Das Kratzen im Hals wurde nicht besser und sein Kopf fühlte sich so schwer an wie ein Findling. Er musste sich konzentrieren, um das zu ignorieren.
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