Officium Gubenator Titus Umbrenus Nero

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    Nachdem er seine Marini in den Dienstschluss entlassen hatte, schnappte Sabaco sich einen Stapel Wachstafeln mit Tabellen als Alibi und marschierte damit zu Nero. Er trat ein und schloss hinter sich die Tür, für die Leute draußen ein sicheres Zeichen, gefälligst zu klopfen und auf das Signal zum Eintreten zu warten, wenn sie was wollten. Er knallte den Stapel auf den Schreibtisch und salutierte mit der Faust auf dem Herzen, die er dann zur Seite wegriss.


    "Salve, Gubernator! Suboptio navalorum Matinus Sabaco." Er grinste, weil Nero auf dem Bett saß statt am Schreibtisch. "Ich habe hier ein paar Bedarfsberechnungen für Holz und Holzkohle erstellt. Vollständig umsteigen können wir nicht, so viel Holzkohle bekomme ich nicht ran, aber es sollte genügen, um die kältesten drei Monate damit die Stuben zu heizen. Die Genehmigung für weitere Transportfahrten habe ich schon, wir verbinden das mit den Flusspatrouillen. Wenn die Praxis mit der Theorie übereinstimmt, dann kommen wir damit preiswerter, verschwenden weniger Lagerraum und die Stuben sind obendrein wärmer. Willst du dir die Tabellen mal anschauen?!"

  • "Salve Suboptio Publius Matinius Sabaco", grüßte Nero mit verstecktem Grinsen zurück und betrachtete die Sammlung von Wachstafeln, die Saba mit ins Officium gebracht hatte. Gegrüßt hatte Sabaco zackig, da wollte wohl wer Eindruck schinden und wenn Nero so darüber nachdachte, gelang es Sabaco auch sehr gut.


    "Die Berichte werde ich nachher in Ruhe lesen, im Moment habe ich es mir hier gemütlich gemacht. Kälte. Ein sehr gutes und passendes Thema. Eigentlich gehöre ich nicht zur Frostbeulen-Fraktion, aber irgendwie hat es mich auf der Keto doch erwischt. Ein Kratzen im Hals das nicht aufhören will und meine Zehen sind eisig. Deine Idee mit der Holzkohle klingt vielversprechend. Platzersparnis, höhere Temperaturen beim Heizen, was wollen wir mehr? Schließlich haben wir eine Fürsorgepflicht gegenüber unseren Männern, sie müssen einsatzbereit bleiben. Dazu gehört auch, dass sie gesund bleiben müssen. Schließ ab und setz Dich zu mir. Wer etwas will kann klopfen, immerhin haben wir zig Wachstafeln zu wälzen und Tabellen zu durchstöbern.


    Du kannst Dir von den getrockneten Datteln nehmen Saba, sehr lecker und sehr süß", grinste Nero nun doch.

  • "Scheiß auf die Datteln und die Tabellen! Kratzen im Hals?" Sabaco horchte auf. "Hast du die dicke Tunika immer getragen?! Beinlinge, Socken?! Meine Truppe habe ich aufgeklärt, wie sie sich anzukleiden haben, aber bei dir habe ich es vergessen!" Er blickte an Nero herab und kontrollierte dessen Kleiderwahl. "Du hast dir wahrscheinlich die verdammte Seuche eingefangen! Da passt man einmal nicht auf!"


    Manche sprachen auch von einem Fluch und langsam bekam Sabaco Sorge, dass dieser doch ihn betraf. Womöglich hatten die Götter oder die zornigen Manen gar nicht vorgehabt, ihn selbst erkranken zu lassen, sondern straften ihn auf eine Weise, die für Sabaco schlimmer war als der eigene Tod: Sie ließen alle um ihn herum elend zugrunde gehen, ohne dass er etwas tun konnte, damit er am Ende ganz allein übrig blieb.


    "Du gehst dann ins Valetudinarium und lässt dich krankschreiben. Notfalls prügel ich dich dort hin und glaub mir, das kann ich. Das Bestechungsgeld für die Krankschreibung bekommst du von mir, ich habe mir gerade mit Depeschendienst was dazu verdient, so verprasse ich es wenigstens nicht in Mogontiacum. Danach hütest du das warme Bett, ich lasse dir eine Kiste frische Holzkohle bringen. Hast du irgendeine Ordonnanz, die nach dir schaut, oder einen Sklaven? Aber erstmal gehen wir in die heiße Therme und wärmen dich durch. Ich muss auch noch hin, ich bin direkt nach dem Dienst hierhergekommen." Was nicht zu übersehen und auch nicht zu überriechen war.


    Eine dreckige, kalte Hand wanderte an Neros Stirn und maß Fieber. Die Tür abzuschließen hatte er keinen Nerv. Wer jetzt reinkam, den er erwürgte er einfach.

  • Nero schaute selbst an sich herab, dabei wusste er genau was er an Kleidung trug. Socken nicht, Beinlinge nicht, aber die dicke Kuschel-Tunika hatte er stets getragen. Und dann erklärte im Sabaco, dass er sich vermutlich die Seuche eingefangen hatte. Er war noch nie krank gewesen, bis auf die Verletzungen aus Schlachten. Naja als Kind vielleicht mal, aber er konnte sich nicht erinnern, dass sein Hals so verräterisch gekratzt hatte. Höchstens dann, wenn er jemanden wirklich rund brüllen musste, aber das waren ordentliche und redliche Halsschmerzen die der Arbeit geschuldet waren.


    "Die Seuche?!?", echote Nero irritiert und befühlte seine Tunika, als könnte diese gar nicht als Schutzschild gegen solche Bedrohungen versagen.


    "Ich war noch nie krank, bis auf die Verletzungen, die ich mir zugezogen habe Saba. Du musst mich nicht hinprügeln, ich gehe ins Valetudinarium. Keine Ahnung was ich denen sagen soll. Vermutlich einfach was Sache ist, ich habe Halsschmerzen und mir ist kalt. Was jemanden angeht der sich kümmert, ich habe niemanden. Wie steht es mit Dir? Kannst Du Dich etwas kümmern? Gut lass uns in die Therme gehen, vielleicht werde ich die Probleme dort schon los. Komm", freute sich Nero trotz dass er sich wie durch die Mühle gedreht fühlte.

  • "War ja klar", grummelte Sabaco, der eine erhöhte Temperatur an Neros Glatze spürte.


    Die Muskeln um seinen Mund arbeiteten. Als er die Hand wegzog, blieben ein paar schwarze Holzkohleflecken auf Neros Kopf zurück. Er befühlte Neros Beine, die nackt unter der Tunika herausschauten – sie waren natürlich eisig. Sabaco schaute wenig begeistert drein, war innerlich jedoch ganz in seinem Element. Ocella ließ sich nicht mehr betüdeln, weil er groß und undankbar geworden war. Doch nun stellte Sabaco fest, dass Nero seiner Fürsorge bedurfte. Er stürzte sich auf die Gelegenheit wie ein Raubtier, das sein Junges verloren hatte und jetzt ein anderes fand, das es in seinen Bau verschleppte, um es nie wieder herauszulassen. Dabei ignorierte er geflissentlich die Tatsache, dass das vermeintliche Junge ein sogar schon ziemlich alter Erwachsener war.


    "Natürlich hast du jemanden, der sich um dich kümmert – mich! Wir scheißen für heute auf die Therme, weil du sonst wieder durch die Kälte latschen musst. Warte hier."


    Er drückte Nero den Stapel mit den Tabellen in die Hände, damit er was zu tun hatte und wichtig aussah. Sabaco seinerseits verschwand für eine Weile.


    Kurz darauf öffnete sich die Tür. Herein kamen ein paar germanische Arbeiter, die für Arbeiten im Lager zuständig waren, auf welche die Soldaten keine Lust hatten. Da Sabaco sie für ihre Hilfe bezahlte, hatten sie durchaus gute Laune, als sie den hölzernen Zuber mitten im Officium platzierten. Dann ging ein Gerenne los, ständig kam einer rein oder ging wieder raus, jeder trug dabei einen schweren Ledereimer voll mit dampfendem Wasser. Sabaco heizte derweil den Ofen aufs Maximum hoch, wobei er gleich mal die neue Holzkohlelieferung prüfte. Es knisterte und loderte, bildete ein feuriges Glutkissen und wunderbare Wärme. Als der Zuber voll war und alles bereitlag, bezahlte Sabaco die Germanen, drückte ihnen auch noch eine Amphore Wein in die Hände, damit sie die Klappe hielten, und warf sie wieder raus. Hinter ihnen drehte er den Schlüssel herum.


    Langsam und mit sehr wichtigem Gesicht drehte er sich zu Nero um. "Na dann. Ausziehen, ab in die Wanne." Ihm selbst wurde schon brütend heiß. Es wäre doch gelacht, wenn sie Nero nicht durchgewärmt bekamen.

  • Sabaco fühlte Neros Stirn oder besser gesagt seine Glatze und kommentierte mit "war ja klar".


    Nero bekam ein mulmiges Gefühl im Magen bei Sabas Worten. Er hatte sich vielleicht wirklich etwas eingefangen, aber Saba schien sich auszukennen. Jedenfalls vermittelte er den Eindruck. Sabas Kiefer mahlte als er Neros Beine abtastete. Das seine Beine Eisklötze waren, hätte Nero Saba auch so sagen können. Aber er schwieg lieber. So wie sein Schatz guckte, hätte er ihn sonst übers Knie gelegt. Nun wenn er ehrlich war, hätte er sich denken können, dass zu einer dicker Tunika vielleicht auch was um die Beine gehörte.


    Als Sabaco ihm sagte, dass er jemanden hatte der sich um ihn kümmerte, nämlich Sabaco selbst, war Nero extrem gerührt.

    "Das hast Du lieb gesagt Saba", freute sich Nero.


    Aber dabei blieb es nicht, denn Sabaco legte direkt los. Er stürmte davon und kehrte dann mit einem Haufen Germanen zurück und einem Zuber! Dieser wurde in sein Officium gewuchtet und mit heißem Wasser gefüllt. Nero schaute dem Treiben erstaunt zu, während er die Tafeln in der Hand hielt, die ihm Sabaco kurzerhand in die Hände gedrückt hatte. Als der Zuber gefüllt war, verschwanden die Helfer und Sabaco drehte den Schlüssel im Schloss um.


    Die Aufforderung sich auszuziehen und in den Zuber zu steigen folgte. Nero grinste Sabaco gut gelaunt und dankbar an. Er legte die Tafeln beiseite und schlüpfte aus seiner dicken Tunika. Als er sie zur Seite legte, musste er feststellen, das die Kleidung wirklich etwas wenig bei diesen Temperaturen war. Mit einem Zeh prüfte er die Wärme des Wassers, ehe er sich mit wohligem Seufzen hineinsinken ließ.


    "Du hast was gut bei mir Saba. Ich weiß nicht was ich sagen soll, ich bin gerührt von soviel Fürsorge. Dankeschön", sagte Nero und schloss genüsslich die Augen.


    Das warme Wasser war angenehm und endlich fühlten sich auch seine Füße nicht mehr wie Eisklötze an. Das letzte Mal das er sich so umsorgt und geliebt gefühlt hatte, war schon etwas her. Wobei, genau genommen war es doch noch nicht so lange her. Es war in der Taberna oben im Zimmer, als sie es fest gemacht hatten. Nero öffnete ein Auge und musterte Sabaco.

  • Nero hatte es gut, denn er bekam nun die Glatze massiert, während sie ein wenig plauderten. Irgendwann zog Sabaco sich ebenfalls aus und kletterte zu ihm in die Wanne. Langsam schob er die Beine über die des Gubernators, während er sein Gesäß zwischen dessen Füßen platzierte. Der Wasserspiegel stieg exakt bis zum Rand, sie mussten aufpassen, dass nichts überschwappte. Das heiße Wasser war herrlich. Ganz vorsichtig wusch Sabaco seine Haare und seinen Rest. Auf die Rasur verzichtete er heute, Stoppeln im Badewasser kamen nicht infrage. Mussten die Marini eben morgen seine Stoppelvisage ertragen. Da sein Bart schwarz war, sah man es immer besonders gut.


    "Wir machen das anders, du lässt dich erst übermorgen krankschreiben. Für morgen aber ändere ich deinen Dienstplan. Ich habe eine längere Fahrt vor mir und will dich nicht so lange hier in diesem Zustand allein zurücklassen. Wir packen dich richtig schön warm ein, du machst es dir in der Keto gemütlich, döst eine Runde und ich gebe auf dich Acht. Wie hört sich das an?"


    Er massierte unter Wasser Neros Zehen, die endlich eine normale Temperatur annahmen.

  • Nero genoss die Massage und Streicheleinheiten von seinem Schatz. Was konnte es besseres geben, als mitten im eigenen Officium mit seinem Mann zu baden? Über solch einen Luxus verfügte sicher nicht einmal der Kaiser. Nero grinste gut gelaunt und freute sich als Sabaco zu ihm ins Wasser stieg. Das Wasser war genau bemessen worden, ohne das es überlief. Und selbst wenn, seine Gesundheit ging schließlich vor. Wasser trocknete auch wieder, dachte er glücklich.


    "Dein Plan gefällt mir, ich werde mich so dick einpacken wie es geht. Auf der Keto und in Deiner Obhut werde ich sicher ganz schnell wieder gesund. Vielleicht nicht zu schnell, es hat etwas derart verwöhnt zu werden. Das gebe ich ehrlich zu", schmunzelte Nero und rutschte etwas näher.


    "Weißt Du was? Morgen früh sieht unsere Haut so aus wie die der Datteln, aber ich bin glücklich. Vielleicht trage ich sogar extra Beinlinge für Dich, damit Du Dir nicht zu viele Sorgen machen musst", sagte Umbrenus und massierte Saba die Füße im Wasser. Saba sollte schließlich auch etwas von ihrem gemeinsamen Bad haben.

  • Sie verbrachten etwa zwei Stunden im Wasser, in denen sie ihren Bund erneuerten. Nicht mit ganzem Körpereinsatz, denn Nero war krank, doch Sabaco kannte Mittel und Wege. Nero brauchte nur stillzuhalten. Am liebsten wäre Sabaco danach in seinen Armen eingeschlafen, so wie bei ihrem ersten Abend in der Taberna Pulchra Patria. Doch das Wasser wurde langsam kalt und Nero musste noch warm eingepackt werden.


    So kletterte Sabaco als erster aus der Wanne, trocknete sich ab und zog sich an. Danach bereitete er das Bett vor und heizte den Ofen noch mal kräftig an, bevor er Nero aus der Wanne half, ihn abtrocknete, in die bereitgelegten dicken Sachen steckte und ihn dann zu Bett brachte. Als er mit ihm fertig war, schaute von Nero nur noch das Gesicht aus einer Walze von Decken und Fellen, in die er ihn eingewickelt hatte. Am Kopfende stand ein Scherenstuhl, der als Nachttisch zweckentfremdet wurde. Darauf hatte Sabaco heißen Met mit Honig und abgekochtes, dampfendes Trinkwasser platziert. Da Nero vollkommen eingepackt war, half Sabaco ihm vorsichtig, ein halbes Glas heißen Met zu trinken, von dem er selber auch nahm, ehe es an der Zeit war, für heute Abschied zu nehmen.


    "Die Wanne und alles lassen wir stehen. Den Krempel können die Arbeiter morgen wegräumen, während wir mit der Keto unterwegs sind. Ich hole dich ab und helfe dir beim Schleppen der Decken. Schlaf gut und kurier dich aus."


    Es dauerte noch einige Minuten, in denen er am Bett kniete und Nero von ihm vollgesäuselt, gestreichelt und geküsst wurde, ehe Sabaco zurück in sein eigenes Quartier kehrte. Der ganze verwüstete Raum und der Geruch des Feuers erinnerten daran, dass er da gewesen war.


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    Sabaco trat ein. Über seiner Schulter hing eine Capsa aus dem Valetudinarium. Er war noch nass und schmutzig von der Patrouille, nur die schlammverschmierten Caligae hatte er ausgezogen, um nicht alles einzusauen. Dafür trug er Strohsandalen an den Füßen, die er mal von irgendwelchen Germanen auf dem Markt gekauft hatte. Es war ja Dienstschluss. Besorgt musterte er Nero.


    "Und?"

  • Nero saß auf einem Kissen auf dem Boden, hatte seine Tunika abgelegt und seine Wunde gerade selbst untersucht, als Sabaco eintrat.


    "Salve, schön dass Du da bist. Ein ganz schönes Loch in der Schwarte und im Fleisch darunter. Nicht so tief wie ich dachte, aber tief genug um zu schmerzen und die Bewegung einzuschränken. Meine besondere Tunika hat es auch erwischt", antwortete er müde und schaute zu Saba auf.


    "Setz Dich zu mir und schaue bitte nochmal nach der Wunde. Das war eine Fahrt nicht wahr? Der gute alte Rhenus hat Dich gemeinsam mit Neptun auf die Probe gestellt. Sie haben Dir alles entgegen geworfen, was sie an einem derartigen Tag aufbieten konnten. Unwetter und Feinde. Die Männer haben sich gut geschlagen Sabaco. Unser Schiff hat seinen Anteil an dem Ganzen geleistet. Bei den Fluten, wir waren eine verdammt gute Einheit, das Schiff, Du, die Männer und ich. Sie sind würdig als Mannschaft bezeichnet zu werden.


    Was mit dem Subpraefectus Alae Germanicus Varro losgewesen ist, erschließt sich mir immer noch nicht. Ich bin ihm gefolgt und dachte er wünscht eine Erklärung meinerseits oder eine Aussprache. Aber dem war nicht so. Nun vielleicht begegne ich ihm noch einmal und er verrät mir, was ihn gestört oder derart verärgert hat. Wir haben unser Bestes gegeben in der Schlacht, Schiff, Fracht und uns selbst verteidigt. Möglicherweise hast Du Recht und er hat eine ganz andere Disziplin erwartet. Doch das hätte er mir in Ruhe sagen können und ich hätte ihm erklärt, wie wir überhaupt in die Lage gekommen sind. Jedenfalls hätte ich es versucht.


    Du siehst geschafft aus Sabaco, möchtest Du was trinken?", bot Nero an.

  • "Danke, ich trinke später was." Er schloss die Tür, legte die Capsa ab und trat an Nero heran. "Was den Subpraefectus Germanicus Varro betrifft, so hat das nichts mit dir zu tun. Die Adresse war ich. Er kann mich nicht ausstehen. Das ist eine persönliche Angelegenheit. Als Ocella noch ein süßer hübscher Jüngling war, hat Varro ihn weggelockt, auf sein Gestüt, zu seinen Pferden, ins sonnige Nirgendwo. Ich kannte die Adresse nicht, selbst der Name des Ortes oder der Provinz ist mir bis heute unbekannt." Sabaco sprach voller Verbitterung.


    "Ocella war fort, jahrelang verschwunden. Einfach nicht da und ich hatte keine Chance, ihn zu suchen und zu finden. Weißt du, wie schlimm das war? Ich wusste ja nicht, wie es ihm geht, was dieses Fischgesicht mit ihm anstellt, ob er vernünftig auf ihn aufpasst, ob es ihm gut geht oder ob er nach Hause will und auf mich wartet, damit ich ihn rette. Ich wusste gar nichts! Erst vor gar nicht langer Zeit habe ich Ocella wiedergefunden - und trotzdem ist er nicht mehr da."


    Sabacos Stimme klang dunkel und kalt wie die See. "Es ist, als hätte Varro sein Herz herausgenommen, es aufgefressen und durch ein anderes Herz ersetzt und die Wunde schlecht zugenäht. Ocella ist nicht mehr der selbe, obwohl ich ihn so sehr liebe und alles für ihn geben würde. Du, Stilo und Ocella seid die wichtigsten Menschen in meinem Leben und zwei Drittel davon fehlen einfach, wie abgehackt. Stilo ist weit fort und Varro hat mir meinen Bruder geraubt."


    Sabacos Finger strichen über Neros schmutzigen, kalten Körper. Er musste dann unbedingt ins Warme, zumindest die Füße sollten heiß baden dürfen. Die Wunde sah übel aus. Sabaco verfrachtete Nero aufs Bett. Mit einem Stupser gegen die Brust ließ er Nero sich hinlegen und beugte sich über dessen Bauch. Beim Anblick der Wunde wurde ihm schlecht. Kurz überlegte er, ob er nicht doch lieber Eike rufen sollte. Er untersuchte sie genau, saugte vorsichtig daran, leckte das Blut ab und schaute wieder.


    "Sind deine Organe verletzt oder ist das nur Schwarte? Ich kann das nicht erkennen, hilf mir mal. Vergiss die Tunika, die nähe ich dir auch, ich nähe dir alles, aber wichtiger bist jetzt du."

  • Nero hörte stillschweigend zu, als Sabaco von seinem verschollenen Bruder sprach. Verschollen war ein falscher Ausdruck, er wurde weggelockt und kam nie wieder zurück. Dass was zu Sabaco heimgekehrt war, war eine leere Hülle. Gefüllt mit jenen Ansichten die ein anderer Mann vertrat. Was dort wirklich geschehen war, wussten die Götter allein. Aber der Schmerz der Sabaco ins Gesicht geschrieben stand, sprach Bände. Das er seinen Bruder liebte, stand außer Zweifel. Er liebte ihn sogar noch als die Person, die er nun war. Nero hatte Ocella nicht kennengelernt, er konnte den jungen Mann nicht einschätzen. Vielleicht wäre es gut, ihm einmal zu begegnen und einige Worte mit ihm zu wechseln.


    Sabaco war gedanklich nicht nur der Bruder von Ocella, er hatte alle Rollen übernommen, ebenso die des Vaters und des Kumpels. Dafür musste es einen guten Grund geben und Nero konnte sich diesen auch denken. Saba hatte von seiner Kindheit erzählt und Ocella war an seiner Seite gewesen. Er hatte ihn beschützt und durchgebracht, sie waren im Feuer der Straße zusammengeschmiedet worden. Und nun war Ocella fort.


    "Verstehe, dann bin ich zwischen Eure Front gekommen. Nun sei es drum, jetzt bin ich schlauer. Danke für die Aufklärung. Ja ich weiß wie schlimm das für Dich gewesen ist Saba, ich sehe es Dir an. Und ich weiß wie sich der Verlust eines geliebten Menschen anfühlt. Es reißt ein Loch in Deine Seele, eine klaffende Wunde die nicht genäht werden kann. Jeder Versuch lässt sie weiter ausfranzen und gräbt sie tiefer und tiefer in Dich hinein. Lass uns Deinen Bruder einmal besuchen, ich möchte ihn kennenlernen. Vielleicht ist er noch da Sabaco, gut versteckt aber da.


    Was meine eigene Wunde angeht, nein kein Organ verletzt, nur die Haut und eine tiefe Fleischwunde. Das mahnt mich zukünftig besser aufzupassen. Wäre etwas mit den Organen dann spürst Du es. Du merkst der Schmerz kommt tief aus Deinem Inneren. Und Du weißt Sabaco, dass ist jetzt kein Spaß. Das ist lebensbedrohlich, handele oder Du hast nie wieder Gelegenheit dazu. Solche Schmerzen sind... ich wünsche Dir dass Du sie nie erfährst, denn hattest Du sie einmal, wirst Du sie ein lebenlang fürchten. Meine jetzige Wunde dagegen ist lächerlich. Es ist ein beißendes, reißendes Ziehen, also etwas völlig anderes. Behandelt werden muss es trotzdem. Ich kann Dir nicht helfen, sonst lass uns lieber Hilfe holen. Entschuldige - meine Dummheit", murmelte Nero geschafft.

  • Sabaco legte die Hände flach auf Neros Bauch und zog vorsichtig die Wunde auseinander. Blut quoll hervor. Noch einmal lutschte er es weg und versuchte, in dem kurzen Moment, in dem die Wunde frei lag, zu erkennen, wie tief sie reichte, ehe sie sich erneut mit rotem Lebenssaft füllte, der überlief. Neros ganzer Bauch war mit einer Blutkruste bedeckt. Sabaco merkte, dass er viel zu lange das offene Fleisch anstarrte, weil er völlig hilflos war und nicht wusste, was zu tun war. Er wollte sich selbst um Nero kümmern, wusste aber nicht, wie. Es konnte doch nicht so schwer sein, eine Wunde zu nähen!


    Er stand auf, ballte die Fäuste und öffnete sie wieder. "Ich muss Eike holen", presste er schließlich hervor, warf die Decke über Neros Unterleib und stürmte durch die Tür. Wenig später kehrte er mit einem klatschnassen Eike zurück, dessen Haut gerötet war und heiß dampfte. Augenscheinlich hatte Sabaco ihn aus den Thermen gerissen. Er hätte auch jemanden aus dem Valetudinarium holen können, aber nein. Das wollte er nicht.


    "Einmal nähen!" Nach dieser Ansage stürmte Sabaco wieder hinaus und knallte die Tür hinter sich zu. Er ging aufgrund seiner fürchterlichen Laune außer Hörweite, während Eike Neros Bauch nähte. Warum dauerte das eigentlich so lange? Was machte dieser Pfuscher mit dem Gubernator?


    Sabaco floh in seine Unterkunft, lehnte sich mit dem Kopf oberhalb der Stirn gegen die Wand und donnerte einige Male gegen den harten Putz. Er tat das nur an Stellen, wo Haare wuchsen, so dass man die zahlreichen Beulen, die er sich selbst immer wieder verpasste, nicht sah. Er spürte keinen Schmerz und donnerte kräftiger, war es schon viel zu sehr gewohnt. Er brauchte einen neuen Schmerz, einen anderen, aber er konnte sich auch nicht jedes Mal mit der Flamme einer Öllampe verbrennen, weil das schon auffällig geworden war. Auch die Schnittnarben an seinen Armen mussten alt und blass bleiben, wenn er weiter beim Militär Karriere machen wollte. Er brauchte unsichtbaren Schmerz, um wieder klar im Kopf zu werden, oder solchen, der ihn nicht als Irren dastehen ließ. Noch brutaleres Training, eine Schlägerei oder auch mal wieder so richtig hemmungslos ...


    Schritte.


    Sabaco stürmte nach draußen und wie ein durchdrehender Stier an Eike vorbei, der ihm entgegenkam und rasch Platz machte. Sabaco stürzte in Neros Unterkunft hinein, krachte die Tür hinter sich zu und schnauzte:

    "Ich will nichts davon hören!" Die Vorstellung, wie Eikes Grabschfinger am Bauch von Nero herumgefummelt hatten, war unerträglich. Das musste er nicht auch noch in schillernden Details erzählt bekommen, vielleicht noch, dass Eike freundlich und einfühlsam gewesen war. Sie brauchten einen hässlichen, garstigen Capsarius, der seine Patienten hasste. "Wir gehen jetzt in die Therme. Dir ist kalt und mir auch." Er packte Neros Badezeug zusammen.

  • Nero packte Sabaco an der Schulter und riss ihn zu sich herum. Sie hätten Nase an Nase gestanden, aber Sabaco war gut einen Kopf größer als Nero. Dennoch funkelte er zu dem Subopito auf, packte ihn fest im Nacken und zerrte dessen Kopf nach unten. Er hatte nicht falsch geschaut. Für einen winzigen Moment hatte er gedacht, er hätte sich versehen, aber Sabas Kopf sah nicht nur aus dem Augenwinkel leicht anders aus.


    Der grimmige Blick von Nero wurde milde, ehe er die Beulen von Sabaco abtastete. Das musste ganz schön wehtun. Nun das Abtasten auch, stellte Nero fest und ließ Sabas Nacken los.


    "Was ist passiert? Kann ich Dich keine fünf Minuten aus den Augen lassen? Du bist ja schlimmer als ich und das heißt was. Ach und übrigens, ich will davon hören, also erzähle was passiert ist.


    Und ja die Therme sind eine gute Idee. Ich bin durchgefroren bis auf die Knochen und mir ist schlecht. Lass uns irgendwo etwas danach essen gehen. Ein schönes Brot oder Käse, dass wäre genau das Richtige. Wer hat Dir aufs Maul gehauen?", fragte Nero besorgt und half Saba beim Packen.

  • "Niemand, Nero. Ich habe mir nur den Kopf gestoßen. Das ist keine Geschichte, die zu erzählen sich lohnt und keine, für die es Vergeltung geben kann."


    Er gab ihm einen Kuss. Nero würde nicht verstehen, wie jemand so eifersüchtig sein konnte, dass er sich selbst zerstörte, weil es anders nicht zu ertragen war. Sabaco verstand sich ja selbst nicht, kam aber aus seiner Haut nicht heraus. Im Vergleich zu früher benahm er sich sogar recht gemäßigt, die Legio hatte ihn mehr Selbstbeherrschung gelehrt. Früher hätte er Nero lieber an seiner Wunde sterben lassen, als zuzulassen, dass jemand seinen nackten Bauch mit den Händen berührte. In weiteren zehn Jahren war er vielleicht so entspannt, dass er keinen körperlichen Gegenschmerz mehr brauchte. Er grinste Nero breit an und griff ihm kurz in den Schritt.


    Als sie alles beisammen hatten, half Sabaco Nero noch in die Klamotten und Sandalen. Dann machten sie sich auf zum Baden, um sich aufzuwärmen und die blutigen, salzigen und schlammigen Reste des Gefechts von der Haut zu spülen. Wegen der Wunde würden sie aufpassen müssen, aber dreckig konnte der Gubernator nicht bleiben.

  • Nero genoss den Kuss und erwiderte ihn liebevoll. Den Griff in den Schritt quittierte er mit einem schiefen Grinsen. Das Saba nicht über die Beulen sprechen wollte, war klar. Aber irgendwoher hatte er sie und keiner stieß sich im Kreis. Zudem sah das ganze schmerzhaft aus und Nero war nicht gewillt, dies ohne Kommentar auf sich beruhen zu lassen. Was immer geschehen war, Saba musste es ihm erzählen. Nicht jetzt, nicht heute oder morgen, aber irgendwann schon. Entweder hatte er sich wirklich sehr ungeschickt angestellt, oder es steckte etwas ganz anderes dahinter. Oder jemand anderes, der konnte sich allerdings dann warm anziehen.


    Anziehen war ein gutes Stichwort, denn schon half ihm Sabaco in die Tunika und Sandalen. Endlich machten sie sich auf Richtung Therme und Nero atmete erleichtert auf.


    "Du hast Dich also einmal im Kreis gestoßen? Die Aussage, dass es keine Geschichte zu erzählen gibt, sagt mir das Gegenteil ist der Fall. Du wirst es mir schon noch erzählen, da bin ich mir sicher. Sage mir nur eines, muss ich mich wegen der Beulen sorgen, ärgern oder beides? Falls Dir jemand ans Leder will, muss ich das wissen Saba. Keine Alleingänge.


    Wir sind noch nicht da und ich freue mich jetzt schon auf die Therme. Danach lade ich Dich zum Essen ein. Den Rest des Tages gehen wir ruhig an. Ich weiß nicht, ob ich es schon gesagt habe, aber Danke für Deinen Beistand".

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