Balas Reise nach Mogontiacum

  • Apollinaris und Nero waren in einem der Zelte untergekommen, dass sie sich mit den Soldaten teilten. Sie hatten ihm gezeigt, wie er sich aus einer dicken Schicht von Tannenzweigen eine Unterlage bauen konnte, damit er nicht direkt auf dem Boden lag. Die schlimmste Kälte kam von unten, hatten sie ihn gewarnt. Nero fror trotzdem erbärmlich und die Brandschale stank mehr, als Wärme zu erzeugen.


    Der Medicus der Familie meinte einst, Neros Herz würde zu schwach schlagen, woher auch seine extreme Blässe, seine kalte Haut und seine Trägheit kämen. Er hatte Nero regelmäßige Bewegung verordnet, was dieser natürlich nicht umgesetzt hatte. Nun schmerzte ihm sein ganzer Körper von dem Gewaltritt und er zitterte am eingerollt unter seiner im Regen nass gewordenen und nach Tang stinkenden Decke. Ihm war in den Nächten schmerzlich bewusst geworden, dass er viel zu dünne und zu wenig Kleidung dabei hatte.


    Einen Vorteil hatte das Elend jedoch - weil Neros Geist unentwegt damit beschäftigt war, sein gegenwärtiges Leid zu beklagen, vergaß er für die Zeit seine Vergangenheit, seinen Vater, seine unsäglichen Geschwister, die Subura und er vergaß sogar seine Mutter. Alles, wonach er sich sehnte, war ein warmes, trockenes Bett und ein heißes Getränk, während seine Zähne lautstark klapperten und sein Atem in einem tremolierenden Zischen seinen Körper verließ.

  • Etwas müde war Fango nach dem wochenlangen Ritt mittlerweile schon. Aber er freute sich, bald wieder zurück im Castellum zu sein.


    Er hoffte, dass es dann auch Tisander wieder besser ging, der kaum noch sprach und sehr viel schlief. Hinzu kam die Sorge um die beiden Zivilisten, denen man deutlich zeigte, dass sie unerwünscht waren. Fango konnte das nachvollziehen - Zivilisten in einer militärischen Einheit brachten viel Ärger und keinerlei Nutzen. Sie hielten alle auf, störten die Abläufe und nervten mit Fragen, die kein Soldat je stellen würde. Trotzdem waren die zwei nun einmal hier und somit fand Fango, dass sie für sie verantwortlich waren, ob freudig oder nicht.


    Dem zitternden Nero schleppte er im Feuer erhitzte Steine heran und platzierte sie ihm an den Füßen und vor dem Bauch. Dabei merkte er, dass der Junge, der wohl nicht älter war als Fango, sich eiskalt anfühlte und seine Decke war nass und schimmelig. Eigentlich gehörte Nero in eine heiße Wanne und vor allem gehörte er in eine andere Umgebung als diese. Fango brachte noch mehr heiße Steine, die er überall um ihn herum stopfte.


    Auch Apollinaris wurde mit heißen Steinen bedacht, wenngleich der nicht ganz so kälteempfindlich zu sein schien. "Wenn euch nicht warm wird, rutscht zusammen und legt die beiden Decken übereinander", empfahl Fango, ehe er mit seinem schweren Korb verschwand und von Zelt zu Zelt wanderte.


    "Braucht jemand große heiße Steine für die Füße?", fragte er in die Runde. "Oder kleine für die Hände? Ich hab welche übrig."

  • Apollinaris konnte Fango gerade noch ein "Danke" hinterher rufen, da war er auch schon wieder verschwunden. Mühsam gesellte er sich zu Nero, seine Glieder fühlten sich schwer wie Bei an. Zuerst legte er seine Steine mit zu denen von Nero, ehe er zurückkehrte, mit seiner Decke in der Hand und sich seitlich neben seinen Freund legte. Die Steine hatten sie so in der Mitte und sie würden sie beide gut durchwärmen. Seine Decke warf er zusätzlich über die von Nero. Er hoffte durch ihre Wärme und die der Steine würde die Nässe verschwinden. So nah er konnte rutsche er heran um Nero und sich selbst zu wärmen.


    "Morgen früh wird alles gut, es muss einfach. Ich werde Steine nie wieder mit den gleichen Augen sehen Nero, glaub es mir. Diese hier haben mehr Wärme als mancher Mensch jemals in sich trug, oder speichern könnte", murmelte er leise vor sich hin.

  • Wie recht Apollinaris hatte. "Die meisten Menschen sind mistig", urteilte Nero. "Eigentlich fast alle." Und meinte vor allen Dingen sich selbst.


    Nero rutschte an Apollinaris heran. Von unten kroch erneut die Kälte nach oben, weil dieses Stück der Tannenzweige nicht von seinem Körper gewärmt worden war bislang. Er war dankbar für die heißen Steine und fragte sich, warum keine der nichtsnutzigen Sklavinnen aus Vaters Haushalt ihm je einen heißen Stein gebracht hatte, wenn er sich die Seele aus dem Leib schlotterte. Sicher, sein Raum war gut geheizt wie die ganze Casa Aemilia, doch Nero war besonders kälteempfindlich und hätte Fürsorge wie dieser mehr als nötig bedurft.


    "Der Trick mit den Steinen ist gut", murmelte er mit klappernden Zähnen. "Dieser Fango würde einen guten Sklaven abgeben."


    Er sollte sich irgendwann einen eigenen kaufen, damit nicht immer die von Vater an ihm herumfummelten, die ihn nur aushorchen und schikanieren wollten. Leider stand ihm seine Abneigung gegen diese Bevölkerungsgruppe im Weg - nun auch noch das fehlende Geld. Es war alles Lepidus´ Schuld.


    Als Nero das erste Mal seit Tagen wieder richtig durchgewärmt war, schlief er trotz der wieder aufgeflammten finsteren Gedanken so fest, als wäre er selbst einer der Steine.

  • Apollinaris musste trotz des traurigen Themas aufpassen nicht loszulachen. Wenn Fango das gehört hätte! Vermutlich hätte er die nächsten heißen Steine dann nach ihnen geworfen!


    "Der Trick mit den Steinen ist wirklich gut, den werden wir uns merken. Es werden noch genug kalte Tage vor uns liegen und die werden nicht allein dem Wetter geschuldet sein", antwortete Apollinaris so leise wie möglich.


    Langsam kroch die Wärme wieder in seinen Körper und er fühlte sich nicht mehr wie ein Eisklotz. Sanft lehnte er sich an Nero, der sich regelrecht klamm anfühlte. Fast glaubte Apo, dass Nero die Schlange war und nicht er. Die meisten Menschen waren wirklich mies, aber darauf wollte er nicht eingehen. Er wollte seinen Freund aufbauen und nicht noch in seinem Elend bestätigen. Er versuchte ihn am Schopf aus dem Sumpf zu ziehen und nicht ihm beizubringen, im Sumpf zu schwimmen. Apollinaris rückte die Steine zu Recht, so dass Nero angenehm liegen konnte. Er selbst rückte näher und schlang seinen kalten Freund fest in die Decken ein. Decken, warme Steine und Freundschaft, dass müsste Nero doch etwas auftauen. Ein Herz brauchte Wärme um zu schlagen.

  • Es war noch dunkel, als Calenus eine nervtötende Melodie mit dem Horn schmettern ließ. Die Männer wurden aus ihren Nestern gejagt, als sie gerade erstmalig seit Tagen dank Fangos heißer Steine wieder die Ahnung eines warmen Bettes verspürten. Der weiße Federbusch von Calenus´ Helms hing schlaff hinab und tropfte ihm die Schultern voll, während er vor den nassen Zelten durch den Schlamm stolzierte. Tiefhängende graue Wolken gossen ihre Fracht auf die Reisetruppe. Schwere Tropfen trommelten auf die Zeltplanen. Das omnipräsentes Genörgel des Decurios, der jeden Handgriff kontrollierte, verdarb jeden noch vorhandenen Anflug guter Laune.


    Um diese noch weiter in den Keller zu treiben, befahl er, dass sich heute mal wieder gründlich gewaschen werden würde und jagte die durchgefrorenen Milites - und auch die Zivilisten - runter zum Fluss, wo sie baden mussten. Bei ihrer Rückkehr schleuderten ihre Augen ihm Blitze aus Eis entgegen, die jedoch an ihm abprallten. Er würde diese Einheit nicht verkommen lassen, nur weil ein paar Tage nicht die Sonne schien. Mit ungebrochener Motivation marschierte er zum Zelt des Subpraefectus Alae.


    "Subpraefectus, Wir könnten eine Abkürzung nehmen", schlug er seinem Vorgesetzten vor, nachdem man ihn vorgelassen hatte. Dann legte er auf der Karte seine Vorstellungen dar.


    Sie hatten Order, bestimmte Wege zu meiden und sich vom Limes fernzuhalten, doch in Anbetracht des Wetters rechnete Calenus nicht damit, dass der Feind aus seinen Löchern kroch. Ihm kam daher der Gedanke, ein paar Tage gutzumachen - nicht für die schlotternden Männer, sondern um Germanicus Varro einen glänzenden Bericht abliefern zu können, wenn sie mehrere Tage vor dem anvisierten Termin eintrafen. So dachte er daran, unbemerkt den kurzen Weg zu wählen und nachher so zu tun, als hätten sie vorschriftsmäßig die vorgeschriebene Route genommen.


    Natürlich sprach er diese Beweggründe nicht aus. Er machte stattdessen einen verächtlichen Kommentar über die schlotternden Zivilisten, verbunden mit dem Hinweis, dass einer davon immerhin der Neffe des Legatus Augusti Pro Praetore war. Den wollte man seinem Onkel nicht mit einer Lungenentzündung vor die Tür kippen.

  • Bassus, der gerade von einer Besprechung mit Bala zurückkam, war ziemlich genervt. Es ging dem Caesar alles zu langsam. Dann noch die Sache mit seinem Cousain und seinem Begleiter.

    Dieser Nero legte sich wie ein dunkler Schatten auf sein Leben und seine Karriere. Was Nero wohl in Mogontiacum wollte? Mit ziemlicher Sicherheit zu..., der Gedanke machte ihn wütend, er würde sicherlich seinen Vater um Geld bitten. Nepos hatte ein seltsam positives Verhältnis zu seinem Neffen. Es war ähnlich wie sein eigenes Verhältnis zu Lepidus.

    In diesen düsteren Gedanken versunken traf er auf den Decurio. Wie immer sah er aus wie ein Held aus einer griechischen Erzählung. Irgendetwas stieß ihn an diesem Mann ab. Doch er rief sich zur Ordnung. Als Subpraefect musste er professionell sein. Er wandte sich Calenus zu und hörte sich dessen Vorschlag an. Doch dieser kam zu spät, denn der Caesar hatte bereits eine Route festgelegt.

    Danke Decurio, ich weiß dein Engagement zu schätzen, doch ich komme gerade von Caesar. Er hat eine neue Route festgelegt und entgegen deiner Empfehlung führt sie am Limes entlang. Er will sich einen Eindruck von der Anlage machen...was uns zu einem Problem führt.

    Sein Blick fiel auf die beiden Zivilisten, die sich gerade in der Nähe aufhielten und wie Falschgeld zwischen den zum Aufbruch bereiten Equites herumstanden. Calenus´Bemerkung amüsierte ihn auf eine dunkle Weise. Nun, wir sind nicht auf einer Begleitmissio für streunende Zivilisten, wir geleiten Caesar nach Mogontiacum...ich glaube nicht, daß der LAPP Argumente vorbringen kann wenn wir den guten Nero tatsächlich halbtot dort abliefern. Für die Welt, besonders seine Welt wäre Nero kein wirklicher Verlust.

    Bassus fing sich wieder und meinte...Na schön Decurio, Endspurt!...wir brechen in 15 Minuten auf, wir müssen in zwei Tagen in Borbetomagus sein. Ein letzter Aufenthalt vor Mogo um sich ein wenig heraus zu putzen und einen vernünftigen Eindruck zu machen.

    Sein Blick fiel auf den hochglänzenden Calenus und er zog eine Augenbraue hoch. Wie schaffte es dieser Kerl nur immer so zu funkeln? ...wegtreten! meinte er lächelnd und begab sich zu seinem Pferd, jedoch nicht ohne Nero einen finsteren Blick zuzuwerfen.

  • Fango beherrschte die Abläufe. Er war noch vor der Zeit fertig, da er sich besonders beeilte, und half den zwei Zivilisten, rechtzeitig reisebereit auf ihrem Pferd zu sitzen. Dann schwang er sich selbst auf seinen kleinen Schecken. Die Aussicht, bald wieder im Castellum zu sein, gefiel ihm. Der wochenlange Ritt hatte ihn müde gemacht und ihm wunde Oberschenkel beschert. Auch wenn der Dienst in der Ala kein Zuckerschlecken war, freute er sich auf die übliche Routine der Ausbildung, die ihm auf einmal erholsam erschien im Vergleich zu dem langen Ritt. Trockene Füße erschienen ihm wie ein großer Luxus, ein Privileg, das er zu lange als selbstverständlich wahrgenommen hatte. Besonders in Anbetracht des Dauerregens freute er sich auf das Leben im Castellum, wo er Gelegenheit haben würde, seine inzwischen nach Moder und Tang stinkenden Kleider abzulegen, ein heißes Bad zu genießen und danach trockene Kleider auf der Haut zu spüren und ein warmes Bett.

  • Furius brachte seine Schar mit wenigen, meist wortlosen Gesten, dazu sich für den Abmarsch bereit zu machen. Das Ziel ihrer Reise lag näher denn je. Noch ein paar Meilen den Limes entlang, dann würden sie sich in Mogo ausruhen können.

    Er zog seine Spatha und fettete die Klinge am Schaft. Zuweilen blieb sie den Witterungsverhältnissen in der Scheide stecken.

    Ein kalter Wind wehte um seine Beine und ließ ihn erschaudern. Er rief sich zur Ordnung. Das war Wind, ein dunkler Wald ...keine bösesn Omen. Er schalt sich einen Narren. Mit einem Ruck stieß er die Spatha zurück. Bisherhat es noch niemand überlebt ihm in die Quere zu kommen.

  • Bala´s Ungeduld wuchs, wie seine schlechte Laune. Es dauerte ihm schon alles viel zu lange. Natürlich wäre es einfach gewesen es diesem Auswurf von einem Aemilier und seinem Bettgenossen zuzuschieben. Doch die hielten einigermaßen mit. Nein. Es war das Wetter. Sein Blick wanderte nach Oben. Keine Sicht, nur dunkle Wolken in allen Schattierungen trieben dahin. Es war als würde sich das Land gegen ihn wehren. Ein wölfisches Grinsen umspielte seine schmalen Lippen.

    Nur zu, dachte er, wehr´dich,...so macht es wenigstens Spaß.

    Er nickte dem Terentier zu und schwang sich behände in den Sattel. Er trug die Rüstung der Praetorianer, niemand sollte ihn erkennen, oder auf dumme Gedanken kommen.

    Er stieß die Faust in die Luft und trabte an. Es war ihm egal ob alle mitkamen, zur Not würde er sich allein durch diese düstere Provinz kämpfen.

  • Es ging los. Der Caesar trabte an und die Praetorianer folgten ihm nahtlos. Bassus, leicht überrumpelt sprang in den Sattel nickte Calenus zu und trabte ebenfalls los. Ein kurzer Blick nach hinten beruhigte ihn. Die Eskorte der Ala folgte.

    Er gab dem Pferd die Fersen und bald schloß er zu den Praetorianern auf.

    Ein erhebendes Gefühl machte sich in ihm breit. Die Strapazen der Reise hatten bald ein Ende. Mogontiacum war relativ nah und er würde seinen bisher wichtigsten Posten antreten.

    Er richtete sich im Sattel ein wenig auf und wiegte sich in den Trab des Pferdes. Ob Nero Schritt hielt?

    Grinsend verwarf er den Gedanken...

  • Und ob Nero schritthielt, schon allein aus Prinzip. Er hasste diesen Ritt, er hasste dieses Wetter und am meisten hatte er seinen Vetter zu hassen gelernt. Nero wünschte ihm alles Schlechte, während er gegen die Schmerzen auf seinem Gesäß ankämpfte. Die Soldaten hatten vermutlich Hornhaut in diesen Regionen, doch Nero hatte weiche, zarte und empfindsame Patrizierhaut, die ihm bis aufs Fleisch heruntergescheuert worden war. Das erste Mal wünschte er sich die Sklavin Maria herbei, die ihm die schmerzende Haut salben würde. Er hätte nie gedacht, sie je zu vermissen, eifersüchtig, wie er war, weil Vater sie mehr schätzte als ihn. Der Entzug potenzierte seine miese Laune. Wenn Bassus vom Pferd fiel, würde er an ihm vorbeireiten oder über ihn hinweg. Doch das verwöhnte Musterkind war nicht nur der Liebling von Vater, sondern auch der Liebling der Götter, so dass Nero nicht damit rechnete, dass Bassus ihm diesen Gefallen erwies. Mit verkniffenem Gesicht schluckte er die Schmerzen herunter und hielt durch, um Bassus keine Gelegenheit zu Freude und Triumph zu geben.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!