Die Manen der Nacht
Intro
Ein Sturm zog auf. Sabaco hatte am Nachmittag mit seinen Männern die Schiffe gesichert und den kurzen Feierabend drinnen verbracht. Der Wind rüttelte an den Fensterläden, fauchte von oben durch den Kamin, stürzte sich in den kleinen Ofen und die Glut flammte knisternd auf. Das Horn dröhnte in der Ferne zum Wachwechsel, jemand bellte ein Kommando. Die Kameraden, die nun ihren Wachdienst auf dem Wall antreten mussten, taten Sabaco nicht leid - er beneidete sie. Schritte nahten vor dem Fenster, die sich wieder entfernen. Während Sabaco mit offenen Augen im Bett lag und in die Nacht starrte, sah er sich selbst. Die Dunkelheit war Teil von ihm und keineswegs der Beste. Sabaco ließ den Kopf zur Seite sinken und blickt an die gegenüberliegende Wand, wo kein Etagenbett stand, wo niemand schlief.
Im Grunde ist jeder Mensch ein Einzelgänger.
War es Ocella, der ihm das gesagt hatte? Vermutlich. Sein Bruder war es auch gewesen, der ihm diese großzügige Offiziersunterkunft verschafft hatte. Seine Äußerung klang nach einer simplen Wahrheit, doch je länger Sabaco darüber nachdachte, desto komplizierter erschien sie ihm. Er konnte allein überleben, sicher. Und doch fühlte er sich gerade, als würde er langsam sterben. Sein Blick strich über die kahle Wand. Die meisten Kameraden hätten ihn beneidet für seine geräumige Unterkunft, doch er hätte sie sofort gegen die schäbigste Hundehütte getauscht, wenn er darin nur nicht hätte allein schlafen müssen.
War er der Einzige, dem es so ging? War er weich? Oder war er nur der einzige, der zugab, jemanden zu brauchen?
Regentropfen prasselten gegen die Fensterläden, doch sie störten ihn nicht. Seine Gedanken waren es, die verhinderten, dass er einschlief. In der Dunkelheit lauerten seine Manen. Sie trugen Sabacos vergangenen Tage auf schwarzen Schwingen zu ihm zurück, wiederholten längst verklungene Worte unablässig in seinem Hirn und erinnerten ihn an alles, was gewesen war und von dem er das meiste lieber vergessen hätte.
Vielleicht war er geisteskrank.