Triclinium: Cena mit Marcus Annaeus Conservator

  • Porta >>>


    Ich trug eine kurze Tunika, Sandalen und einen Efeukranz, und ließ Diocles nicht so weit gehen, sondern kam dem Gast entgegen, um ihn besonders zu ehren.

    „Salve amice“, grüßte ich fröhlich: „Schön, dass du hergefunden hast! Es ist mir eine Ehre, dich in der Casa Furia willkommen zu heißen.“


    Gerade noch hatte mir Rhea, die Köchin, die Speisefolge dargelegt. Sie würde mit Diocles zusammen auftragen; Andreas und Gadir würden zerteilen und servieren, wobei jedoch nur der Jüngling Gadir das rechte Alter für einen ministrator vini, einen Mundschenk, der Ganymed verkörpern sollte, besaß.


    Ich wies auf die Klinen, und da Conservator und ich nur zu zweit waren, würden wir sie nicht teilen: „Leg dich bitte zu Tisch, wo es dir gefällt.“


    Die kleine Chloe, sehr lieblich anzusehen mit einem Blumenkranz auf dem dunklen Haar, kam mit gesenktem Blick, um dem Herren wohlriechendes unguentum und einen Efeukranz zu reichen. Sie war die nämliche Sklavin, die auch vorhin schon mit dem Rosenwasser gekommen war.

    Ich hoffte, der Annaeus würde mir meinen bescheidenen Bestand an Dienerschaft nachsehen.


    Wir wurden mit Wein, Wasser zum Mischen, und geeistem Mulsum versorgt, die Wand war zurückgeschoben, im Perystilium brannten Fackeln. Es war ein linder Frühlingsabend, einer der besseren, bevor die brütende Hitze die Urbs in Besitz nahm; der Cedratbaum duftete und die Calendula auch.


    Die Vorspeisen kamen: Und da gerade Erntezeit war, gab es ein kaltes Gericht aus grünem Spargel mit Liebstöckel und Koriander, dazu Brot, hartgekochte Eier und Rettichsalat, alles so hergerichtet, dass man es bequem aus der Hand essen konnte.


    „Wir hatten über mancherlei gesprochen – über zu sehr frequentierte Urlaubsorte und über Helden der Mythologie. Ich sagte, dass ich unter dem listenreichen Odysseus den Vorzug gebe, und welcher war der deine?“


    Dies war zunächst ein lockerer Gesprächsauftakt, schien es mir, so wie sich überhaupt Reisen, Theaterstücke oder Frauen anboten, um ein Mahl zu genießen; ich kannte Annaeus Conservator ja schon ein wenig aus dem Jurakurs und wusste, dass er einen scharfen Verstand und großes Wissen besaß.

    – die Kunst war hier, mich wie ein moderner Odysseus aus jeder Lage herauszuwieseln.

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    KLIENT - LUCIUS ANNAEUS FLORUS MINOR

  • Mārcus folgte dem servus und sie hatten gerade erst einige pēdes in das triclīnium gesetzt, da kam Sāturnīnus ihm entgegen, bekränzt mit einem Efeukranz und einer Tunica, die leicht kürzer war, als man gewöhnlich für außer Haus angelegt hätte, aber hier war sein Gastgeber zu Hause und da darf es ruhig bequemer sein, vor allem, wenn die Gesellschaft überschaubar war und fern aktueller Ränkeschmiede. Wie viel Römer hatte er im Hause Sandalen angelegt, Schuhe gehören auf die Straße, Sandalen ins Haus.

    „Salve amice“, grüßte ich fröhlich: „Schön, dass du hergefunden hast! Es ist mir eine Ehre, dich in der Casa Furia willkommen zu heißen.“

    "Salvē mi amice! Tibi maximas grātias agō pro cēna domī Fūriī."(*1), grüßte Mārcus zurück und legte sein sagum ab und in die Hände seiner Begleitung.


    Ich wies auf die Klinen, und da Conservator und ich nur zu zweit waren, würden wir sie nicht teilen: „Leg dich bitte zu Tisch, wo es dir gefällt.“

    Sāturnīnus wieß auf die Kline, mit dem Hinweis, sich frei einen Platz zu wählen. Bevor Mārcus seine Wahl getroffen hatte, kam die serva, die ihm schon zuvor im Eingangsbereich das Rosenwasser gereicht hatte, diesmal mit einem hübsch anzusehenden Blumenkranz behütet, und reichte ihm neben dem Efeukranz auch ein wohlriechendes unguentum, welches er auch dankend nutzte um sich damit Handgelenke und Ellenbogenbeugen einzureiben. Die hier austretende Wärme des Blutes sorgte so für eine dezente langanhaltende Abgabe an Düften.


    So bestens ausgestattet legte sich Mārcus auf eine Kline und ließ den Eindruck auf sich wirken. Sāturnīnus hatte sich wirklich Mühe gegeben, alles so vorzubereiten, daß die Atmosphäre eine wirklich eindrucksvolle war und zu einem interessanten Abend bestens beitrug. Die Schein der Fackeln im peristȳlium beleuchtet die Umgebung und warf dezentes Licht ins triclīnium. Der Abend war angenehm mild und durch die duftenden Pflanzen in Verbund mit dem aufgetragendem unguentum wurde Mārcus von einer Fülle angenehmer Gerüche umgeben.

    Die aufgetragenen Getränke bezeugten einen erlesenen Geschmack seines Gastgebers und der geeiste mulsum verriet, wie viel Mühe sich Sāturnīnus auferlegt hatte für diesen Abend. Während die servī familiāris die Vorspeisen auftrugen, die eine erfreuliche Leichtigkeit des Augenblicks und Frische wiederspiegelten, fuhr sein Gastgeber Sāturnīnus fort.


    „Wir hatten über mancherlei gesprochen – über zu sehr frequentierte Urlaubsorte und über Helden der Mythologie. Ich sagte, dass ich unter dem listenreichen Odysseus den Vorzug gebe, und welcher war der deine?“

    "Es gibt da zwei, die an exemplum in meinen Augen herausstechen und jeweils für sich das zur Geltung bringen, was doch im Grunde typisch für uns ist.


    Aenēās verkörpert unsere Tugenden, unsere familiäre Frömmigkeit und angemessenes Verhalten gegenüber den Göttern. Seine Reise kommt der deinigen des Ulixēs nicht nur nahe, sondern über sie hinaus." Mārcus genoß einen Schluck des geeisten mulsum bevor er fortführend ergänzte.


    "Der andere ist Lūcius Quīnctius Cincinnātus, der seine Pflicht gegenüber dem Staat ohne zu zögern erfüllte, und obwohl mit der Macht eines dictātor ausgestattet, diese wieder in die Hand des Volkes legte, nachdem er seine Aufgaben erfüllt hatte, ohne Lohn zu erwarten oder zu fordern."


    Er nahm sich etwas Brot und von dem köstlichen grünen Spargel.

  • Der gebotene Rahmen schien den gediegenen Eindruck bei Annaeus Conservator zu hinterlassen, den ich beabsichtigt hatte. Der Verwandte meines Patrons war jeder Ehrung wert.

    Außerdem mochte ich den Mann gut leiden, auch wenn er sich ab und zu so gebärdete als sei er Marcus Porcius Cato Censorius* persönlich, der seinen Sohn Marcus in seinem „Libri ad Marcum filium ** vor Übernahme von griechischen Einflüssen warnte. Sein Cognomen Conservator*** schien mir recht passend gewählt.


    Auch ich nahm mir von dem grünen Spargel und den Eiern und den anderen Frühlingsspeisen.


    „Während Odysseus bei all seinen Irrfahrten sein Ziel bereits kannte: nämlich seine Heimat Ithaka, blieb es dem edlen Stammvater der Römer lange Zeit unbekannt, wohin seine Reise letztendlich führte.

    Zweifellos bedarf es größeren Mutes, sein Schicksal erst suchen zu müssen anstatt einfach nur nach Hause zu wollen.",
    nickte ich beistimmend:

    „Und der ehrenwerte Cincinnatus ist auch nach Jahrhunderten das leuchtende Beispiel für altrömische Sitte.
    Ich merke, du hälst es mit den Helden, die althergebrachte Tugenden Romas verkörpern: virtus, disciplina, fides und pietas.****


    Das bringt mich zur Frage, ob allgemein literarisches Werk immer im Dienste des Lehrreichen stehen sollte oder ob auch ein einfallsreicher und moralisch flexibler, ja verschlagen nennender Charakter wie Oulixeús der Held einer Dichtung sein darf? Das ist ja auch eine grundsätzliche Diskussion: Besser Zensur oder keine Zensur von schriftstellerischen Werken?"


    Ich gebrauchte den dorischen***** Namen des Odysseus, der mir geläufiger war, und nahm noch einen Schluck Mulsum, er war kalt und honiggesüßt, aber nicht zu viel davon, dazu waren die Frische von Mastix und die Schärfe des Pfeffers recht angenehm.


    So leicht drang bereits der anregende Geruch von geschmortem Lamm und Kaninchen herüber, der in der culina, die auf Grund der stets gegenwärtigen Brandgefahr in einem Wirtschaftsgebäude im Garten integriert war, vor sich hinköchelten. Nach einer angemessenen Pause würde Rhea den zweiten Gang servieren.


    Sim-Off:


    *Cato Maior
    ** latein: Erhalter, Retter, Bewahrer
    *** Buch an den Sohn Marcus, nur fragmentarisch erhalten
    **** Tugenden (Virtudes)
    ***** dorisch

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    KLIENT - LUCIUS ANNAEUS FLORUS MINOR

  • Die hereinbrechende Dunkelheit, erhellt durch den Schein der Fakeln im peristȳlium und die Lichter im triclīnium, so wie die milde Abendluft unterstrichen das angenehme Gespräch, welches Mārcus mit seinem Gastgeber Sāturnīnus führte.Es begann mit der Odyssēa des Homērus und dem eingebauten Vergleich zwischen des Ulixēs Ziel und dem des Aenēās und endete mit einer Frage des Sāturnīnus, wobei er diese mit einer weiteren Frage verknüpfte, die jedoch elegant das Thema auf einen anderen Punkt brachte – cēnsūra.

    Mārcus hörte sich die Aussage seines Gastgebers an, beide sich an den wirklich köstlichen Vorspeisen labend, und folgte im Geiste den Ausführungen des Sāturnīnus. Die Verwendung des dorischen Namens seitens des Gastgebers ließ Mārcus seine linke Augenbraue kurzzeitig nach oben zucken. Verriet ihm dies doch eine besondere Position seines Gastgebers zu den griechischen Landen. Welche, war ihm nicht bewußt, doch das eine vorhanden war, sagte der Name Oulixeús.

    „Während Odysseus bei all seinen Irrfahrten sein Ziel bereits kannte: nämlich seine Heimat Ithaka, blieb es dem edlen Stammvater der Römer lange Zeit unbekannt, wohin seine Reise letztendlich führte.

    Zweifellos bedarf es größeren Mutes, sein Schicksal erst suchen zu müssen anstatt einfach nur nach Hause zu wollen.",
    nickte ich beistimmend:

    „Und der ehrenwerte Cincinnatus ist auch nach Jahrhunderten das leuchtende Beispiel für altrömische Sitte.
    Ich merke, du hälst es mit den Helden, die althergebrachte Tugenden Romas verkörpern: virtus, disciplina, fides und pietas.

    "Listenreich zu sein ist genauso wenig verwerflich wie Einfallsreichtum und in der Tat war Ulixēs fähig genug, sich aus vielen Situationen zu befreien. Doch, geschätzter Sāturnīnus, stellt sich hier genau eine Frage. Eine Frage, die alles andere überlagert und sekundär werden läßt: Warum mußte er sich befreien?"

    Marcus trank einen Schluck des köstlichen mulsum. In der Tat hatte Sāturnīnus die beginnende cēna hervorragend zusammengestellt, jedenfalls was den Beginn des Abends versprach.

    "Genau! Die Danaer hielten sich eben nicht an die Ordnung, sondern traten diese mit ihren Füßen. Sogar ihre eigene Schutzgöttin, Athēna, beleidigten sie. Dennoch stand sie Ulixēs bei, der ihr stehts verbunden war. Und nur diesem Umstand ist es zu verdanken, dass Ulixēs einen göttlichen Fürsprecher hatte.


    Ulixēs Fahrt, die wir alle als Odyssēa kennen, ist ein beständiger Kampf gegen Poseidon, den zu ärgern die Danaer sich ausgesucht hatte. Und weil der Ärger mit einem Gott nicht reichte, nahmen sie auch noch Helios mit in das Reigen auf und mißachteten gar Aiolos Gebot, der es gut mit ihnen meinte.


    Sie blenden den Sohn des Poseidon, Polyphēmus, und verspotten diesen gar zum Schluß.


    Sie ignorieren Aeolus, der ihnen nur den günstigen Wind hat gegeben und die andern eingesperrt in einen Schlauch, indem sie diesen öffnen, nur um nachher nochmals seine Gunst zu erbitten. Er wies sie ab mit dem Satz: '
    Hebe dich hinfort, du Unglückseliger, denn dich verfolgt der Zorn der Götter!'


    Und obwohl gewarnt durch den blinden Seher Tīresiās, den Ulixēs in der Unterwelt aufsuchte, vergriffen sie sich an den Rindern des Helios.


    Erst auf das Betreiben der Athēna, einen Ratschluß der Götter zu betreiben, gewähren diese Ulixēs die Rückkehr nach Ithaca.


    War all das zuvor Getane weise, geschätzter Freund?"


    Er hatte zwischen den einzelnen Verfehlungen gegen die Götter bewußt ein zwei Atemzüge Zeit gelassen. Nicht weil er davon ausging, daß Sāturnīnus nicht zu folgen im Stande war, sondern um die Punkte besser zu verdeutlichen.


    "Wie unterschiedliche der Gegensatz zu Aenēās, der sich um seine Familie kümmert und sorgt. Ja, er erlebt seine familiäre Odyssēa, um im Bild zu bleiben. Jedoch nicht weil er und die seinen sich dauernd mit den Göttern anlegen, sondern weil der Rückschluß aus der Weissagung falsch gezogen wurde. Und ja, es gibt auch eine göttlliche Widerspielerin, Iūnō.


    Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied: pietās


    Er ordnet sein Schicksal dem fātum unter, trotz schwerer Opfer, wie den Verlust seiner geliebten Frau Creūsa und seine Pflichterfüllung wird schon dadurch besonders deutlich, daß er Dīdō, Tochter des Bēlus von Tyrus und Gründerin von Carthāgō, verläßt, um eben diese Pflicht zu erfüllen. Italiam nōn sponte sequor." (*1)



    Das bringt mich zur Frage, ob allgemein literarisches Werk immer im Dienste des Lehrreichen stehen sollte oder ob auch ein einfallsreicher und moralisch flexibler, ja verschlagen nennender Charakter wie Oulixeús der Held einer Dichtung sein darf? Das ist ja auch eine grundsätzliche Diskussion: Besser Zensur oder keine Zensur von schriftstellerischen Werken?"

    "Jede Erzählung beinhaltet Lehrreiches. Selbst profane Unterhaltung, die wir in den vielen Theatern dieser, unserer Stadt, uns ansehen können. Die Frage wäre wohl: Ist der Inhalt jedem gleich zu erschließen, oder verbleibt der Zuhörer, der Leser in seinem Status der Ahnungslosigkeit. Und ja, viele verbleiben eben da und manch einer erlebt auch seine eigene Odyssēa, doch bedeutet das nicht, es gäbe in dem Dargebotenen keine Lehre, die zu erschließen wir uns schon bemühen müssen.


    Was du, geschätzter Freund, anbringst, ist eine utopia, da es keine Dichtung, kein Theaterstück, ohne Lehre gibt. Stelle die vor, du schreibest eine Dichtung, facettenreich, mitreisend, den Leser fesselnd und dem Ohr schmeichelnd. Sagen wir ferner, es würde sich dabei um Zauberei, Geister und Magier handeln und du beherrscht die Kunst der Wortspiele so gut, dass noch Jahre nach deinem vollbrachten Werk gelehrte versuchen deine wirklichen Beweggründe anhand von Wort- und Satzanalysen zu ergründen.
    (*2)

    Was packst du also in deine Dichtung? Alles woran du glaubst und wovon du überzeugt bist? Oder nimmst du das Gegenteil all deiner Ethik und Moral? Vielleicht gar eine Mischung aus Beidem und deine Überzeugungen verpackst du als dichterische Entwicklung des Epos?"


    Mārcus ließ das Gesagte kurz nachklingen und fuhr fort:


    "Keine Dichtung, selbst wenn sie profan und unbedeutend sein mag, ist ohne Lehre, da der Autor immer seine Grundwerte einfließen läßt. Und sollten es nicht die seinigen sein, sind es die Ansichten des Auftraggebers.


    Sāturnīne! Cēnsūra findet doch immer statt. Auf jeder ebene des täglichen Lebens. Sei es durch einen selbst und hier schaute Mārcus ihn direkt an sei es durch andere. Die Frage der Zensur ist doch vielmehr, in welchem Umfang und zu welchem Zweck. Daher lasse mich deine Frage der Zensur mit einer anderen beantworten:


    Ist Zensur grundsätzlich dunkel wie die Nacht oder doch eher wie die Dämmerung, mit verschiedenen Schatten und Lichtern?"




    Sim-Off:

    *1) Italiam nōn sponte sequor. - Eigener Trieb führt nicht nach Italien mich
    *2) Anspielung Harry Potter

  • Ich lauschte den klugen und detaillierten Ausführungen meines Gastes, ab und zu nickte ich und dann sagte ich zur Verteidigung meines Helden:

    „Nun Polyphem, der Sohn des Poseidon, war nicht ganz so gastfreundlich, nicht wahr, es sei denn, man versteht unter Gastfreundschaft, dass man in eigener Person zum Hauptgang auserkoren wird.


    Und mit der Konstruktion des Pferdes hat Odysseus Poseidon beleidigt, aber jedes Tier ist einer Gottheit heilig, hätte er eine Kuh konstruiert, so wäre es Hera gewesen, die sich beleidigt gefühlt hätte. Dann wäre er zur Strafe nicht durch die Meere geirrt, sondern hätte vielleicht seine Penelope an einen anderen Mann und damit Ithaka verloren.


    Doch grundsätzlich kommt es mir so vor, dass wir Sterbliche eben vielen Irrtümern erliegen und ja, das Wort Ovids Video meliora proboque, deteriora sequor * hat seine Gültigkeit.


    Der edle Aeneas ist ...nun ein solch exemplarer Mensch, dass man ihm höchstens nacheifern kann als Ideal, erreichen kann man ihn nicht. Ulixes und seine Gefährten sind fehlerhaft und unweise, und hätten sie nicht die Huld der göttlichen Athene –und hier ist Athene sehr weiblich mit ihrer kleinen Schwäche für den vir audax ** Odysseus - wäre es schlecht ausgegangen.

    Er ist wie zumindest die meisten Leute, die wir mühesam streben und uns irren, aus Unwissenheit oder den Göttern geklagt, aus böser Lust und Gier.


    Natürlich gibt es auch etwas spezifisch Griechisches in der Odyssea, und verzeih mir, da ich kein besseres Wort dafür weiß, es ist der daimon dieses Volkes, der es dazu bringt, permanent die Grenzen auszuloten und die Unsterblichen selbst herauszufordern, etwas was uns nicht einfiele, da wir pietas und alle Tugenden besitzen. Nicht umsonst meint der Ausdruck fides graeca, griechischen Treue, gerade das Gegenteil. Daher ist es gut und in der Ordnung, dass wir die Weltherrschaft übertragen bekamen und nicht die Hellenen.


    Aber die anderen muss es innerhalb unserer Ordnung auch geben,sonst erstirbt das geistige Leben, verlangsamt sich der Pulsschlag und Roma wäre öde wie….“


    Mein Blick fiel auf Diocles, der eine Platte heranschleppte:

    „…wie das Kaff, woher mein Scriba stammt...was war es doch gleich, Diocles….Perinthus? Byzantium sagst du, na egal, es ist sehr unwahrscheinlich, dass das man das je Hauptstadt des Imperiums nennt, nicht wahr?“


    Diocles hatte keine Ahnung, warum ich von Byzanz sprach und schlug die Augen nieder.***


    Die Köchin hatte als prima mensa Kaninchen mit schwarzen Oliven und einen Lammeintopf vom Milchlamm mit Linsen kreiert, was er und sie natürlich mundgerecht geschnitten auftischten, dazu gab es Falerner, und der ministrator vini wartete artig, bis der Gast das Mischungsverhältnis bestimmte. Ich würde mich dem aus Höflichkeit anschließen.


    "Du meinst, eine Lehre wird immer gegeben, auch wenn sie im Konträren liegt, verehrter Conservator?", griff ich den nächsten Gedankengang des Annaeus auf:

    "Ja, wenn ich so überlege, teile ich diese Erfahrung, und doch gibt es auch Werke, die schon von vorne herein in lehrreicher Absicht geschrieben sind. Leider habe ich Vergilius da ein wenig in Verdacht, da er dem göttlichen Augustus so dankbar war, aber er ist ein zu großer Künstler, als dass er in die Falle reiner Moral getappt wäre. Vielleicht mag ich es einfach nicht, wenn man mich a priori dazu bringen möchte, etwas zu denken."


    Ich lächelte nun:

    „Zauberei und Geister, klingt für mich gut! Auf der Bühne liebe ich das, in der Realität nicht, die magoi machen mir Angst. Aber warum sollte eine Lehre nicht auch in völlig phantastischem Zeug liegen, gegeben durch den Charakter der Protagonisten und nicht dadurch, dass der Autor lehrt?


    Ich selbst mag Erzählungen von Fahrten wie die des Odysseus oder des Aeneas mit den Beziehungen zwischen treuen Gefährten und dem Auftreten böser Feinde, die letztendlich überwinden werden können. Je aussichtsloser die Situation, je größer die Findigkeit, um so besser. Der eine kommt wieder heim, der andere findet seinen Bestimmungsort, der eine sucht
    etwas, der andere möchte… das habe ich freilich auf der Bühne leider noch nicht gesehen - vielleicht etwas loswerden.


    Ich meinte übrigens nicht soziale Zensur, sondern die der Obrigkeit. Um bei deinem Bild zu bleiben, für mich ist sie dunkel wie die Nacht, und ich danke Iuppiter dafür, in aufgeklärten Zeiten zu leben, in denen das geistige Leben nicht erstickt wird.

    Aber vielleicht kannst du mich über die verschiedenen Schattierungen von Grau aufklären?“,

    hier bezog ich mich auf den letzten Satz des hochgeschätzten Conservator.


    Ich hob den Becher und verteilte mit den Fingerspitzen einige Tropfen:
    „Für Bacchus - prosit“


    Sim-Off:

    *Ich sehe das Bessere und heiße es gut, dem Schlechteren folge ich.“ –Ovid, Metamorphosen 7,20
    ** eine Übertragung von "bad boy", audax im Sinn von tollkühn und dreist
    *** Mit Spieler abgesprochen
    - Auch hier sind Anachronismen versteckt :D

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    KLIENT - LUCIUS ANNAEUS FLORUS MINOR

  • Ein köstlicher Duft lag in der Luft, der sich langsam doch unaufhaltsam in das triclīnium ausbreitete und nicht nur in Mārcus Nase drang. Die cēna versprach wohlschmeckend zu werden. Sāturnīnus wirkte auf ihn angeregt, doch auf eine entspannte Art. Jetzt war er gerade dabei, Ulixēs bedingt in Schutz zu nehmen, wobei er Polyphēmus der mangelnden Gastfreundschaft zichtigte. Es war Marcus durchaus bewußt, das Polyphēmus nicht der griechischen Vorstellung von Gastrecht entsprochen hatte.

    „Nun Polyphem, der Sohn des Poseidon, war nicht ganz so gastfreundlich, nicht wahr, es sei denn, man versteht unter Gastfreundschaft, dass man in eigener Person zum Hauptgang auserkoren wird.


    Und mit der Konstruktion des Pferdes hat Odysseus Poseidon beleidigt, aber jedes Tier ist einer Gottheit heilig, hätte er eine Kuh konstruiert, so wäre es Hera gewesen, die sich beleidigt gefühlt hätte. Dann wäre er zur Strafe nicht durch die Meere geirrt, sondern hätte vielleicht seine Penelope an einen anderen Mann und damit Ithaka verloren.

    "Geschätzter Freund, Ulixēs hat doch durch sein Verhalten, fremdes Eigentum zu schädigen, hier das ungefragte Verspeisen von ihm nicht gehörender Nahrung, die griechische Vorstellung von Gastrecht zuerst gebrochen. Ich gebe dir durchaus Recht, daß sich Polyphēmus als ein ungehobelter Grobian gegeben hat. Doch mit welchem Recht schädigt Ulixēs zuerst Polyphēmus, um dann noch Gastrecht einzufordern?"

    Die Einlassungen von Sāturnīnus waren durchaus jedem gesitteten Gespräch und Austausch positiv zugetan. Es fiel leicht, dem Gesagten zu folgen und an der gedankliche Welt des anderen teilzunehmen. Sein Einschlag, dem griechischem zugetan zu sein, tat dies keinen Abbruch, es war vielmehr mildernd.

    "Ich pflichte dir bei, daß die Verwendung des Pferdes zu einer Verstimmung geführt haben. Auch deine angeführten Vergleiche, gleich welches Tier man denn nun nehme, wohl eine andere Gottheit betrübt, gar erzürnt hätte. Wäre daher die Frage zu vermessen, anzunehmen, daß nur durch die Erzürnung eines Gottes ein, wenn auch zweifelhafter, Sieg möglich war? Man nimmt also billigend den Groll eines Gottes in Kauf für seinen Sieg, da man sonst nicht in der Lage war zu siegen und beweint im Anschluß des Gottes Zorn."


    So langsam machte sich der Magen von Mārcus bemerktbar, geschuldet den wohligen Düften, die eine versprechende cēna ankündigten. Dem ministrātor vīnī, welcher in wahrnehmbarer Nähe geduldig auf Zeichen der beiden Gesprächspartner wartete, gab Mārcus ein kurzes Zeichen, seinen Becher zu füllen. Dabei hob er den digitus index (*1) seiner Rechten und drei digitī seiner Linken, womit er das Mischungsverhältnis Wein zu Wasser mitteilte.

    „…wie das Kaff, woher mein Scriba stammt...was war es doch gleich, Diocles….Perinthus? Byzantium sagst du, na egal, es ist sehr unwahrscheinlich, dass das man das je Hauptstadt des Imperiums nennt, nicht wahr?“


    Diocles hatte keine Ahnung, warum ich von Byzanz sprach und schlug die Augen nieder.

    "Ist Bȳzantium nicht eine mittlbedeutende Handelsstadt in Thrācia? Ich bin da nicht sonderlich gut aufgestellt in dieser Region.", ging Marcus lachend auf Sāturnīnus Bemerkung ein, die Stadt seines scriba wäre unvorstellbar die Hauptstadt des Weltkreises. "In der Tat ein wirklich absurde Vorstellung. Da könnte dann ja selbst castra bonna zur Hauptstadt werden, da steht wenigstens ein legiō oder dieses, wie heißt der Ort nochmal an der Sēquana (*2) mit einer Insel in der Mitte. Eigentlich drei Orte. Ist so ein wichtiger Kreuzungspunkt." Marcus dachte kurz nach "L L Lu …, ah, jetzt aber, Lūtētia!. Und da steht nichts, noch nicht einmal eine numerus oder gar eine cohors." Er lachte dabei, so urkomisch war die Vorstellung. Dann nahm er den Becher wieder in Empfang und genoß sein Getränk.

    Ich meinte übrigens nicht soziale Zensur, sondern die der Obrigkeit. Um bei deinem Bild zu bleiben, für mich ist sie dunkel wie die Nacht, und ich danke Iuppiter dafür, in aufgeklärten Zeiten zu leben, in denen das geistige Leben nicht erstickt wird.

    Aber vielleicht kannst du mich über die verschiedenen Schattierungen von Grau aufklären?“,

    "Ich verstehe deinen Punkt, nicht in seinen Gedanken an etwas herangezwungen werden zu wollen. Doch da wir beide in dem Punkt übereinstimmen, daß alles eine Lehre enthält, bleibt dennoch die Möglichkeit einen anderen Schluß zu ziehen, aus dem, was gelehrt werden soll, Sāturnīnus.

    Sieh uns doch an, der eine erweckt vielleicht den Eindruck ein wiedergeborener Porcius Catō zu sein, der andere stellt im Rechtskurs einen Griechen dar. Die Frage, die sich jedem von uns fast schon aufdrängt: ist diese Lehre aus Augenblicken folglich, oder zieht man gar einen anderen Schluß.

    Wie es auch sei, werter Freund, wenn wir uns nach der cēna wiedersehen, und das werden wir, du bist der Klient meines Cousins", grinste Mārcus schelmisch Sāturnīnus an, "haben wir beide Lehren gezogen."


    Marcus trank einen Schluck und gönnte sich eine Kleinigkeit der köstlichen Speisen eher auf die Schatten zu sprechen kam.


    "Ja die Schatten, in all ihren Variationen, sind in der Tat ein Feld faßt schon philosophischen Ausmaßes. Laß mich, Sāturnīnus, als Beispiel den Kult des Bacchus nehmen. Er wurde ja ex senātūs cōnsultō (*4) 567 a.u.c. Verboten, da er staatsgefährdend war, und es zu vielen Verbrechen gekommen war. (*5) Gāius Iūlius Caesar hat ihn dann wieder unter vernünftigen Regelungen wieder erlaubt. Wir haben es hier ja eindeutig mit einer Zensur zu tun. Verbote sind erstmal eine Zensur.


    Dennoch werden wir beide darin übereinstimmen, daß diese Zensur notwendig war, da unser aller Staat zu tiefst gefährdet war. Wir haben hier also die Dunkelheit und das Licht in einem Beispiel, es wird grau. Ein weiteres wäre der Isis-Kult, der ja bekanntlich erst wieder nach Gāius Caesar Augustus Germānicus gedultet wird, unter vernünftigen Verordnungen.


    Ich bin dennoch bei dir, bei uns werden unliebsame Rollen weder verbrannt noch verbannt. Geschweige denn deren Autoren gemordet orde exiliert (*6). Wie sonst lassen sich die zahlreichen Bibliotheken in privater und öffentlicher Hand erklären, deren bedeutendste die in Alexandria ist."



    Sim-Off:

    *1) digitus index – Zeigefinger

    *2) Sēquana - Seine

    *3) Lūtētia - Paris

    *4) ex senātūs cōnsultō – auf Senatsbeschluß

    *5)
    https://de.wikipedia.org/wiki/Bacchanalienskandal
    https://www.grin.com/document/207319
    http://imperiumromanum.com/rel…kereligion/bacchus_01.htm

    *6) Anspielung auf die Diktaturen des 20ten Jhd auf EU/RUS Boden

  • Annaeus Conservator zeigte meinem Mundgeschenk das Verhältnis Drei zu Eins an, und ich nickte dazu, und Gadir, der heute unser Ganymed war, mischte uns den Wein mit dem Wasser, wobei ihm vor Anstrengung und Konzentration unbemerkt die Zungenspitze aus dem Mund lugte- schließlich lernte er noch - aber das verlieh ihm einen dümmlichen Ausdruck, und ich gab ihm einen leichten Klaps, worauf er die Lippen schloss und die Becher ordentlich reichte.


    „Den Groll eines Gottes in Kauf zu nehmen, um zu siegen, ist nichts, was leichtfertigen Herzens geschieht. Aber danach kann man den Gott wieder aussöhnen, auch wenn es zehn Jahre dauert.“,sprach ich:

    "Auch dem Stammvater deines ruhmreichen Geschlechtes, Aeneas, gelang es, die große Iuno mit Gebeten, Gelübden und Opfern wieder zu versöhnen, zumal der göttliche und größte Iuppiter ihr versprach, kein Volk werde sie mehr verehren. Und so ist es gekommen."


    Bei der nächsten Angelegenheit trat wieder Annaeus Conservators Humor hervor, den er unzweifelhaft besaß, denn er nannte mir, als ich Byzanz erwähnte, zwei weitere kuriose Orte aber diesmal in nördlichen Landen, bei denen auch ich mir nicht vorstellen konnte, dass sie jemals in der Geschichte des Menschengeschlechts irgendeine Bedeutung gewinnen sollten: Lutetia und Castra Bonna.*

    Ich lachte, dass ich fast den Becher verschüttet hatte – Gadir nahm ihn mir ab.


    „Doch richtig“, grinste ich: „Byzantium liegt in Thracia. Ich hoffe aber sehr, dass wir nicht eines Tages von Castra Bonna aus regiert werden, denn da ich kaiserlichere Primicierius bin, müsste ich mit mit umziehen… welch grausliche Vorstellung. Schon der Gedanke an die notwendige Maultierkarawane beladen mit Akten der Kanzlei über die Alpen…“

    Auch der Annaeus trank nun. Doch als er dann sagte, dass der eine vielleicht den Eindruck ein wiedergeborener Porcius Cato zu sein, erwecke und der andere im Rechtskurs einen Griechen darstelle, da horchte ich auf.

    Woher wusste der Mann, dass ich insgeheim für die Inkarnation des alten Cato hielt? Scharfsinn vielleicht oder ich war nicht der Erste, der das vermutete?:


    "Meintest du mich mit dem Griechen? Da wäre ich in guter Gesellschaft, denn auch unsere Urväter haben sich vor der Verfassung der Zwölftafelgesetze erstmal die Solonsche Verfassung aus Athen kommen lassen und die studiert. Ein Beweis: Das Wort „Poena“, das Maß der Strafe, das es vorher nicht gab, ein nettes Wortgeschenk der Achäer wie so vieles.

    Warum das Rad zweimal erfinden, wenn man es schon in Hellas erfunden hat?

    Unsere Stärke ist es gerade, von den Nachbarn abzuschauen, was gut ist, jedoch - da gebe ich Cato Maior sehr recht- nicht alles kritiklos aufzuschlabbern, was aus dem Osten kommt.

    Wir nehmen es, wir prüfen es, wir passen es an unsere althergebrachten Werte an.

    Und wenn wir einen parthischen Reiter dazu bringen, uns den gefürchteten Rückwärtsschuss **zu lehren, so hätten wir in drei Monaten Hilfstruppen an den Grenzen, die ihn genauso gut beherrschen wie die Parther selbst – ohne jemals zu Parthern zu werden, was ich doch sehr hoffe.“


    Beim Thema der östlichen Kulte, die mein Gastfreund mit den Verboten des Bacchus- und des Isiskultes und der jeweils sehr gezähmten Wiederzulassung aufs Tapet brachte, musste ich meinen gerade geäußerten Optimismus wieder einschränken:

    „ Aus dem Ruder laufende religiöse Umtriebe sind Beispiele, bei denen meine Rechnung nicht recht aufgeht.“,
    gestand ich:

    „Hier scheint nämlich ein ganz oder gar nicht und kein weises Abwägen oder Übernehmen vorzuherrschen. Damit meine ich nicht das Handeln der Obrigkeit, sondern die Anhänger, die sich fanatisieren. In beiden Fällen kam das Verbot in der Tat keine Minute zu früh. Dein Bild von der „grauen Zensur“, in der sich Licht und Schatten mischen, das trifft es.

    Alexandria – du erwähntest die Bibliothek – ist ein trauriges Beispiel, werter Conservator.: Zwei hochbegabte Völker schlugen sich dort kürzlich gegenseitig die Köpfe ein ***

    Aber einer dieser östlichen Kulte sind auch die Christianer – was hälst du von denen?“


    Ich fragte, weil ich in der Tat kein klares Bild hatte außer von Leuten, die sich über diese östliche Sekte lustig machten. Ich selbst hatte mich in Athen in die Eleusinischen Mysterien**** einweihen lassen, aber ich konnte guten Gewissens behaupten, dass niemand daran dachte, diesen Mysterienkult zu importieren, um Unruhe zu stiften.


    Als Secundae brachten Andreas und Rhea nun Dulcia Domestica, die beliebte lauwarme Nachspeise aus Datteln, Pinienkernen und schwarzem Pfeffer, die in Wein gekocht wurde, sowie verschiedenes Backwerk; alles eher leicht und zur Jahreszeit passend. Ich mochte Süßes, und hoffte, dass auch Annaeus Conservator, der mir in der Tat ein angenehmer Gastfreund war, es mochte.


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    SODALIS FACTIO VENETA - FACTIO VENETA

    KLIENT - LUCIUS ANNAEUS FLORUS MINOR

  • "Meintest du mich mit dem Griechen? Da wäre ich in guter Gesellschaft, denn auch unsere Urväter haben sich vor der Verfassung der Zwölftafelgesetze erstmal die Solonsche Verfassung aus Athen kommen lassen und die studiert. Ein Beweis: Das Wort „Poena“, das Maß der Strafe, das es vorher nicht gab, ein nettes Wortgeschenk der Achäer wie so vieles.

    Warum das Rad zweimal erfinden, wenn man es schon in Hellas erfunden hat?

    Unsere Stärke ist es gerade, von den Nachbarn abzuschauen, was gut ist, jedoch - da gebe ich Cato Maior sehr recht- nicht alles kritiklos aufzuschlabbern, was aus dem Osten kommt.

    Wir nehmen es, wir prüfen es, wir passen es an unsere althergebrachten Werte an.

    Und wenn wir einen parthischen Reiter dazu bringen, uns den gefürchteten Rückwärtsschuss zu lehren, so hätten wir in drei Monaten Hilfstruppen an den Grenzen, die ihn genauso gut beherrschen wie die Parther selbst – ohne jemals zu Parthern zu werden, was ich doch sehr hoffe.“

    "Ja, Sāturnīnus. Du bist der Krónos, gestatte mir das Wortspiel.", grinste er ihn an. "Ich weiß, du verweist gerne dahin und ich streite gewiß nicht ab, daß manch Anregung daraus gezogen wurde. Doch vertrete ich eine andere Ansicht. Es ging hier eher um die Katalogisierung, also die Art und Weise, wie es präsentiert werden soll, zugegeben mit weiteren Anregungen. Doch die Komplexität findet sich nicht bei den Griechen. Vieles ist originär unser. Ja, mit Einflüssen." Es folgte ein schelmisches Grinsen in die Richtung seines Gastgebers. "Man könnte meinen, du hast da deine Jugendjahre verbracht. Die sollen ja recht einflußreich sein. Sag, wo wir doch unter uns sind. Was ist es, daß dich so an jenen interessiert?"


    „Hier scheint nämlich ein ganz oder gar nicht und kein weises Abwägen oder Übernehmen vorzuherrschen. Damit meine ich nicht das Handeln der Obrigkeit, sondern die Anhänger, die sich fanatisieren. In beiden Fällen kam das Verbot in der Tat keine Minute zu früh. Dein Bild von der „grauen Zensur“, in der sich Licht und Schatten mischen, das trifft es.

    Alexandria – du erwähntest die Bibliothek – ist ein trauriges Beispiel, werter Conservator.: Zwei hochbegabte Völker schlugen sich dort kürzlich gegenseitig die Köpfe ein

    Mārcus blieb einen Augenblick stumm und trank etwas. Sāturnīnus erwähnte den Tumultus Iūdaicus und verknüpfte diesen mit Hochbegabung von zwei Völkern. Mārcus mußte erst seine Gedanken sammeln.

    "Nun, du sprichst von Hochbegabung, doch verzeih mir, Sāturnīnus, daß dem zuzustimmen ich nicht bereit bin. Auch wenn ich von manchem Verhalten und Ansichten der Danaer nicht sonderlich angetan bin, anerkenne ich deren kulturellen Leistungen und Wissen. Ich hechel ihnen nur nicht nach, wie eine läufige Hündin dem Rüden."


    Mārcus unterbrach kurz und nahm sich etwas zu essen, die Zeit für eine gedankliche Sortierung nutzend. Dann fuhr er fort:

    "Das Problem der anderen ist doch ein selbst verursachtes. Seit Anbeginn liegen sie im Streit mit ihren Nachbarn und mit sich selber. Keine Zeitspanne, ohne sich gegenseitig zu morden und dabei immer vor sich hertragend, jede Seite wäre gottesfürchtiger. Es mag daher nicht wirklich verwundern, daß sie anscheinend immer einer Aufsicht bedürfen. Und dann dieser Fanatismus, ein Verhalten, frei jedweder ratiō. Der neuerliche Tumultus, in der Cȳrēnaïca begonnen, forderte zu viele Leben und hätte schneller und viel härter niedergeschlagen werden müssen. Zurecht ist es jenen verboten worde, manch andere Provinz zu betreten, und sei es bei Schiffbruch. Die Zerstörung von Heiligtümern widerspricht unseren Prinzipien und läßt nur den Schluß zu, daß monotheistische Religionen, zu unsäglichem Leid führen, sollten sie jemals Einfluß und Macht erlangen. Die vergangene Geschichte der Regionen im Proximus Oriēns (*1) zeigt eindeutig auf, daß sie beständig in Unruhe und Aufstand ist - und wenn es gegen sich selber ist. (*2)"


    Er hielt für kurze Zeit inne, um seine Gedanken für die eigentliche Frage des Sāturnīnus zu ordnen:

    "Hm … , ja, ich habe von dieser jüdischen Sekte schon gehört. Eine dieser vielen Untergruppen, die wie die Pharisaei (*3), die Σαδδουκαῖοι (*4) und das Hellenistisches Judentum um die wahre Bedeutung ihrer Anbetung streiten und wie ihre religiösen Gesetzt am ehesten umzusetzen seien. Spaltet sich diese Sekte nicht mittlerweile auch schon in zahlreiche Untergruppen?
    Die Unterscheidung beinhaltet, so man den Berichten Glauben schenken mag, ja auch die Anerkennung von diversen Personen, die sich als reisende Propheten verstehen und mal mehr, mal weniger große Grüppchen an Anhänger um sich scharren.
    "


    Mārcus trank noch einen Schluck und reichte den nun leeren Becher an den ministrātor vīnī, damit dieser nachfüllen konnte.

    "Nun, ein wohl in seiner Ausprägung zu beachtendes Merkmal bei all den Glaubensgruppen dieser Religion ist ja, daß jene, die du, geschätzter Freund, anführst, sich auf den verurteilten Straftäter Iesus Nazarenus beziehen und ihn, der Recht und Gesetz mehrfach in einer Art und Weise brach, daß mit Unruhen zu rechnen gewesen ist, nicht nur vergöttlichten – was uns ja nicht unbekannt ist – sondern gar gleich zum Gott erhoben. Welch irre Handlung, welch Wahnsinn, einen Verbrecher anzubeten. Wer gegen Gesetze verstößt ist und bleibt nun einmal ein Straftäter und wer gar Marktgesetze mißachtet wird leicht zum Verbrecher."


    "Tja, was mich hin und wieder in Erstaunen versetzt, ist die belustigende Art, wie sich manch einer über den Mangel an Bildung belustigt. Und das leichtgläubige Volk dort glaubt den Aussagen auch noch. Haben seine Anhänger dem Iēsus (*5) nicht gar den Beinahmen Χριστός (*6) gegeben, was an sich schon gegen Gesetze verstößt. Auch wenn wir einen König ablehnen, wissen wir doch, daß zahlreiche andere Länder und Staaten einen haben. Gar die Juden selber hatten mehrere. Allen ist gemein, saß sie durch die Anwendung von Ritualen in Position, ihre Funktion, ihre Autorität – mal von den familiären Linien abgesehen – eingesetzt und so dem Volk präsentiert werden. Bei den Juden war es immer die Salbung, also Ölung. Nun daher zu kommen, einen Zimmermannssohn, so jedenfalls die Fallakten, zu einem König auszurufen, obwohl es schon aus dem Hordischen Geschlecht drei (*7) gab, ist nicht nur vermessen sondern auch ein Verbrechen. Da gibt es nichts zu belustigen. Man stelle sich nur einmal vor, ich erkläre dich, Sāturnīnus, zum Caesar Augustus, nur weil wir eine cēna haben."

    Nach einer künstlichen Pause von ein zwei Atmenzügen.

    "Genau, wir beide verschwinden schneller, als wir hier einen Becher Wein trinken könnten. Daher halte ich von der Belustigung nichts. Sie ist gefährlich und verkennt die Gefahr, die von Usurpatoren ausgeht."


    Marcus nahm die Gerüche der Speisen wahr, und sein Mund begann sich auf die kommenden Speisen zu freuen. Es roch sehr köstlich und sah äußerst delikat aus. Eine Mitteilung aus seiner Bauchregion gab ihm die Information, daß auch dort eine Vorfreude vorhanden war. Er trank seinen Becher aus und reichte ihn nochmals zum Nachschenken. Er empfand den bisherigen Verlauf des Abend als angenehm, zumal die sonst typischen Gespräche und Klatsch über wen auch immer in der Gesellschaft bisher nicht geführt wurden.




    Sim-Off:

    *1) Proximus Oriēns - Naher Osten
    *2) Titus Flāvius Iosephus
    *3) Pharisaei – Pharisäer
    *4) Σαδδουκαῖοι (Saddoukaîoi) – Sadduzäer
    *5)Iēsus Nazarenus - Jesus von Nazaret
    *6) Χριστός (Christos) - Gesalbte
    *7)
    Ἡρῴδης Ἀρχέλαος (Hērōidēs Archelaos) - Hērōdēs Archelāus
    Ἡρῴδης Ἀντίπατρος ( Hērōidēs Antipatros) - Hērōdēs Antipas
    Ἡρῴδης Φίλιππος (Hērōidēs Philippos) - Hērǭdēs Philippus

  • Ich lachte auf :„Kronos finde ich durchaus amüsant. Ich kam an den Achäern wirklich nicht vorbei.“, gestand ich:

    „Ich bin in Parthenope aufgewachsen, im ältesten Teil von Neapel, sozusagen direkt in der Magna Graecia.*

    Und die letzten drei Jahre habe ich größtenteils in Athen und ein wenig in Alexandria verbracht, wobei du nicht denken darfst, dass mir meine Jugendzeit da einen Vorteil brachte, dazu hat man meinen italischen Akzent zu sehr bespöttelt.“


    Den für junge Römer üblichen Bildungsabschluss in Achaea hatte ich zeitlich so weit ausgedehnt, wie mir meine Finanzen erlaubten:

    „Der griechische Osten war für mich ein wie ein langer dösiger Sommernachmittag zwischen Gesprächen und Studien, Wein und ab und an in den Armen von willigen Geliebten – sehr selten, ich war nicht wohlhabend genug - gewesen.“

    Ich lächelte vermutlich etwas blöde in seliger Erinnerung:


    „In Eleusis habe ich das erste Mal gespürt,dass es mehr gibt, als ich mit bloßem Auge sehen oder studieren kann, und dass es vielleicht nicht genug war, mit den Göttern auf dem Wege überlieferter Formeln und akribisch dargebrachte Opfer zu sprechen.“


    Ich trank einen tiefen Schluck Wein und ließ mir von meinem Ganymed nachschenken.


    Ob ich Conservator die Anziehung deutlich machen konnte, die von dieser Welt ausging?

    Hunderte von Jahren waren wir zufrieden gewesen, uns in den festgelegten Bahnen zu bewegen, die die Vorväter geebnet hatten. Unsere ordnende Hand ließ unser Imperium blühen. Auch ich war ein kleines Rädchen, und ja, stolz darauf, der Patria dienen zu können.

    Aber neue Ideen wurden aus dem Alten in der Ferne geboren. Sie brandeten unaufhörlich wie eine Sturmflut an die starke Hafenmauer, die das Imperium war. Der Osten brachte die Sirenenklänge des reinen Intellektes. Der Osten brachte aber auch die Sirenenklänge des Irrationalen.

    Aus diesem langen Sommernachmittag mit seinen wirren Träumen hatte ich mich noch einmal in das tätige Leben eines civis retten können.


    Annaeus Conservator erwies sich übrigens als profunder Kenner der Verhältnisse im Osten, obwohl er diesmal Partei ergriff – für die Achäer als kleineres Übel vermutlich, wenn man die Wahl zwischen Pest und Cholera hatte.


    „Es gab auch einmal andere Zeiten; Zeiten in der die alexandrinischen Judaäer ihre heiligen Schriften in Griechische übertrugen, die so genannte Septuaginta** nicht allein, um sie in ihrer Alltagssprache lesen zu können, sondern auch um sie als Philosophie mit anderen Philosophen zu diskutieren.“, wandte ich ein:

    "Aber du hast recht damit, dass die Zeiten eines Philon Alexandrinus*** leider lange vorüber sind. Und als ich im letzten Jahr in Alexandria war, gab es niemanden mehr, der darüber sprechen wollte. Kein Kunststück, fast jede ansässige Familie hatte Opfer oder den Verlust von Besitztümern zu beklagen.

    Was du mir erläuterst, erschreckt mich aber zutiefst, werter Freund.

    Meinst du denn, diese monotheistischen Religionen haben überhaupt irgendeine Chance, an die Macht zu kommen?

    Sie sind meines Erachtens nach völlig unlogisch, nimm doch nur das Beispiel, dass zwei Völker im Krieg stehen.

    Wie kann ein Gott die eine und die andere Seite gleichzeitig beschützen?"


    Bei den nächsten Erläuterungen spürte ich, wie das Blut mir in den Kopf schoss – vor Scham. Denn auch ich hatte es meinen Studienkollegen gleichgetan und mich über die Sekte der Christianer lustig gemacht:


    „Also dieser Iesus ist ein gewöhnlicher Mensch gewesen, der sich den Königstitel angemaßt hat, wenn auch nicht so schlimm wie König Andreas, der in der Cyrene das Massaker anrichten ließ?“****,
    fragte ich nach:

    „Mir erzählten die Alexandriner, der Gott der Christianer hätte einen Eselskopf *****– oder war es ein Fischkopf? Ein Zimmermann, der gekreuzigt wurde....“, das war eine sehr erniedrigende Todesstrafe, und ich schüttelte fassungslos den Kopf:


    „Offen gesagt betrachtete ich sie damals noch als harmlose Verrückte, doch deine Erläuterung gibt weit mehr Sinn. Und man sieht ja auch, dass sie gefährlich sind. Danke dafür, dass du mir die Augen geöffnet hast.“


    Wieder etwas dazu gelernt:

    „Leider sind derartige Fanatiker von den christiani sogar schon hier in der Stadt, es gab kürzlich eine Schändung des Flaviertempels.“,

    ich hielt mich selbst nicht für grausam, aber Heiligtümer waren zu respektieren, und der Glaube des Nachbarn, auch wenn man den betreffenden Gott nicht verehrte, auch; alles andere war unrömisch:

    „Ich hoffe, sie werden ad bestia verurteilt, da tun die Löwen ein frommes Werk.“


    Auf die Empörung hin brauchte ich erst einmal einen frischen Becher Wein und einen gehäuften Teller mit dulcia domestica und Honigkuchen.

    Und da Conservator den Caesar Augustus erwähnt hatte – ich zuckte leicht zusammen, denn auch ich wusste, was aus Männern geworden war, die Ansprüche auf den Thron entweder anmeldeten oder auch nur verdächtigt wurden, welche haben zu können – brachte ich einen Trinkspruch dem Kaiser zu Ehren aus.


    Sim-Off:

    * Magna Graecia** Septuaginta*** Philon **** Immer noch der Diaspora-Aufstand *****Diese Ansicht basierte auf einer Behauptung des Alexandriners Apion, dass Juden einen Esel verehrten

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    SODALIS FACTIO VENETA - FACTIO VENETA

    KLIENT - LUCIUS ANNAEUS FLORUS MINOR

  • (pars prima)


    "Ah, daher deine Verbundenheit, geschätzter Freund. Auch wenn sie manchmal wie eine Verteidigung und Huldigung der Danaer klingt.", ging Mārcus auf Sāturnīnus Geburtsortangabe ein. Den Bildungsaufenthalt in Achāia, welchen viele Römer antraten, nahm er interessiert zur Kenntnis, dabei den Kopf leicht schräg links haltend und an seinem Wein nippend.
    "Ja, Athēnae scheint mir immer von vielen als Ziel zu dienen, wobei es doch weit mehr als nur eben diese gibt. Rōma selber hat bekanntlich gute Schulen in Philosophie und Rhetorik. Es wäre vielleicht der bessere Weg gewesen in Rōma zu beginnen und in der Achāia den Extraschliff und deiner Neigung nachzugehen.


    Ja warme dösige Sommernachmittage können einen schon vom Ziel abbringen. Sie sind wie die Sīrēnēs (*1) mit mädchenhaften schönen Stimmen, die einen dazu verleiten, sich hinzugeben dem Nichtstun, ihrer Verführung zu erliegen und so zu Grunde zu gehen. Es hat Gründe, dass vor ihnen gewarnt wird. Bei den Göttern, du hast widerstanden, und das zeichnet dich aus.


    Bei Alexandrīa gehe ich davon aus, du meinst die Stadt in unserer prōvinciā Aegyptus und nicht Alexandrīa in der prōvinciā Syria oder jenes in der prōvinciā Asia.", bemerkte Mārcus schmunzelnd mit einer rhetorischen Frage. Sāturnīnus hatte den Osten, er eher den Westen gesehen. Zumindest zu Hause hatte er die Welt bereist, durch die zahlreichen Geschichten, die seine Mutter ihm vorgelesen hatte, die Besucher und Kunden des Vater, jeder mit einer anderen Geschichte im Gepäck.


    Sāturnīnus glitt mit seiner Stimme etwas ins melancholische, jedenfalls bemerkte Mārcus eine leichte Veränderung der Stimmfarbe, als sein Gastgeber über Götter und Wahrnehmung sprach.

    "Sāturnīnus, ich höre Zweifel in deiner Stimme, Zweifel daran, ob Regeln nicht überholt sind und angepasst werden müßten, weil einem ein Gefühl beschleicht es würde nicht ausreichend sein." Mārcus winkte den ministrātor vīnī zu seiner Seite und wies ihn an genau da stehen zu beiben.
    "Mein Freund, ich erbitte deine Nachsicht, und du", an den ministrātor vīnī gewandt, "bleibst hier still stehen, …. bitte.
    Sieh Sāturnīnus, dieser hier ist dein
    ", sein Finger zeigte auf den Sklaven "und die Regeln besagen, wenn ich ihn hier beschädige", Mārcus nahm sein Tischmesser in die rechte Hand und setzte die Klinge an den Unterarm des Sklaven ohne diese zu bewegen "hast du das Recht, mich zu verklagen und Entschädigung zu verlangen." Er sah Sāturnīnus direkt an, als er fortfuhr, "Nun, jetzt habe ich aber das Gefühl, diese Regeln reichen nicht aus, sprechen mich nicht so an wie ich mir erhoffe. Ich will mehr Freiheiten haben, warum also nicht eine Sache schmucker gestalten, sagen wir mit Verzierungen, die sehen doch immer so toll aus.", und mit einer blitzschnellen Bewegung drehte er die Messerklingen von der scharfen auf ihre stumpfe Seite und zog sie mit Druck über den Unterarm des Sklaven herunter. Ein zutiefst überrraschter, dann geschockter und beim Ausbleiben von Schmerz und Blut erleichteter Ausdruck war auf dem Gesicht des Sklaven sichtbar. Eine kleine Schweißperle lief über seine Stirn des Sklaven, der Nase zu, über den Nasenrücken zur Spitze, verharrte dort und begann sich in Zeitlupentempo zu lösen und herunter zu tropfen.
    Mārcus legte das Messer zurück auf den Tisch, während der fortfuh. "Und genau dafür gibt es Regeln, Gesetze, daß Ordnung und Übersicht herrscht und nicht durch Wirrheiten und Vergesslichkeiten jemand zu Schaden kommt oder beleidigt wird. So auch mit den Göttern, es hat alles seinen Grund, weshalb es vielfach zu Formalitäten kommt. Sie dienen dem eigenen Schutz vor Verfehlungen. Auch deine angeführten Mysterien folgen einem festgesetzten Regular. Es hindert dich doch keiner mit den Göttern in deiner Art zu reden nach dem formalen Intro."
    An den ministrātor vīnī gewandt sagte Mārcus "Schenke mir bitte nach. Diesmal bitte im Verhältnis 1zu2. Und um dir zu zeigen, daß deine Dienst zu schätzen ich weiß, hebe für dich später Wein auf, sofern dein Herr dem nicht widerspricht.


    Vielleicht sollten wir alle deine Sklaven auch augenblicklich freilassen, Sāturnīnus. Einfach jetzt, auf der Stelle, ohne die Steuer, die Namen, die Verpflichtungen, einfach so, weil es sonst so herkömmlich, formalistisch und überliefert ist.", sah er Sāturnīnus bei dem Gesagten an.

    "Was ich dir versuche mit diesen beiden Beispielen zu erläutern, auch wenn das erste etwas, nunja, derb war, ist, daß tradiertes sinnstiftend ist und vor eignen Fehlern schützen soll, die man so nicht mehr rückgängig machen kann, da der Schaden schon ausgeführt wurde. Würdest du nun anfangen, diese Regeln anzuzweifeln, nur weil ich gerade das so will, mein Freund?"


    Er unterbrach seine Ausführungen und begann von den weiteren Speisen zu kosten, die vorzüglich schmeckten. Mittlerweile hatte er auch seinen gefüllte Becher zurück, der ihm durch eine noch leicht zitternde Hand gereicht wurde. "Dein Arm ist noch dran, mein Bester. Du kannst das Zittern einstellen, hinterher versaust du mir noch meine tunica.", bemerkte Mārcus mit einem sarkastischen Unterton.



    Sim-Off:

    *1) Sīrēnēs - (Seirenes) Sirenen

  • (pars fīnis)


    "Die Nachlässigkeit und die Verlotterung sind es, die ein Grundübel sind. Es scheint, mancher in Geld schwimmend, gibt sich eher dem Müßiggang hin, denn seiner Verantwortung gegenüber Familie und Staat. Und hier liegt doch das heuchlerische dieser Sekte, dieser singulär ausgerichteten Religion. Sie verspricht dir ungestraftes Handeln, fördert also das Schlechte, welches in jedem von uns inne wohnt und durch beständigen Kampf gezähmt werden muß. Ferner versprechen sie dir das Elysium, unabhängig davon, was du getan hast. Du mußt nur ganz zum Schluß dich für alles entschuldigen und schon bist du frei von Strafe. Wie soll damit Staat gemacht werden, wenn keiner mehr Verantwortung zu tragen braucht, auch nicht vor den Göttern?


    Das die verschiedenen Wanderprediger sich auf das heftigste widersprechen, ist da schon fast eine Randbemerkung.

    Und dennoch besteht hier eine Gefahr. Sāturnīnus, du kennst die Menschen, hast schon das eine oder andere Lebensjahr gesehen und so auch den menschlichen Hang, verantwortungslos leben zu wollen, gerade so, wie es einem beliebt. Und da kommt ein Verurteilter Sohn eines Zimmermann und behauptet ein Sohn eines Gottes zu sein und verspricht dir das Tollste und Beste und du mußt nur sagen, ok halt nur einen Gott, am Lebensende einmal sich entschuldigen und sagen es tue dir leid und du bist im Elysium. Es spricht das Schlechteste im Menschen an, anstatt das Beste zu fördern. Und genau hier liegt die Gefahr. Der Mensch sucht sich viel zu häufig den bequemsten Weg.


    (Wie kann ein Gott die eine und die andere Seite gleichzeitig beschützen?)

    Nun, dieser eine Gott steht ja nur auf der Seite der Juden, da die anderen sich diesem ja nicht angeschlossen haben. In sofern mußte er sich ja nicht wirklich entscheiden. Die vielleicht interessantere Frage ist: haben die Juden sich nur einen bestimmten Gott ausgesucht, ihn mit weiteren Aufgaben versehen und die anderen einfach ausgeblendet. Gar noch schlimmer, handelt es sich um einen Titanen, die schon einmal die Welt in den Abgrund reißen wollten und sich diesmal die menschliche Schwäche zu Nutze machen wollen, im zweiten Anlauf."


    Mārcus trank einen weiteren Schluck Wein und nahm sich etwas Brot dazu. "Dieser Iēsus ist so menschlich wie du und ich, oder kannst du einen der Götter töten, als Mensch? Nun, ich denke wir beide wissen, daß dies unmöglich ist. Eine Zimmermann und seine Frau bekommen Kinder und der eine beginnt ein Leben als Wanderprediger, weil ihm seine Arbeit keinen Spaß mehr macht. Nichts Neues an sich, doch kommt einer von uns auf den irrsinnigen Gedanken, nur weil wir etwas anderes ausprobieren wollen, gleich alles in Aufruhr zu versetzten und auf einen tumultus hinzu arbeiten?

    Eben! Natürlich nicht. Ich denke, es handelt sich dabei um ein schreckliches Beispiel und Versagen väterlicher Erziehung und mütterliche Verziehung in einer religiös-fanatischen Gesellschaft und in einer Region, die, seit es Aufzeichnungen gibt, beständig im Krieg und Zerwürfnis liegt. Wir hätten wesentlich früher und viel strenge mit hartem Besen den Saustall auskehren sollen, von Anfang an. Es wären uns die beiden Kriege erspart geblieben.


    Von der Eselskopfgeschichte haben wir auch in Gādēs gehört, doch scheint die Fischgeschicht logischer zu sein, wenn auch nicht als Kopf. War er dort doch zeitweise Fischer. Man hätte ihm mehr Erfolg wünschen sollen, vielleicht wäre er einer geblieben.


    Ja, von der Schändung habe ich erzählt bekommen. Eine sehr schreckliche Sache und es bleibt wirklich zu hoffen, daß die Priester ein entsprechendes Sühne und Reinigungsopfer darbieten. Erinnere dich doch bitte an die Wahrsagung, wenn einst der Friedensaltar aus der Stadt gebracht wird, wird Rom untergehen. All jene, die gegen die Gesetze verstoßen sind auf das härteste zu bestrafen und wenn wir die viā Appiā von Rōma bis Brundisium mit Kreuzen bestücken müßten."


    Sāturnīnus schien richtig in Empörung geraten zu sein, und als Mārcus das Beispiel mit Caesar Ausgustus brachte, schien es kurz so, als zucke er zusammen. Mit einem wohlgefälligen Trinkspruch auf das Kaiserhaus durch Sāturnīnus löste sich diese Verspannung jedoch schnell und Mārcus ergänzt den Trinkspruch mit: "Rōma!"

  • (pars prima)

    „Zu verteidigen gibt es bei den Hellenen wenig und noch weniger zu huldigen. Zumindest ihr politisches Schicksal betrifft, haben sie sich alles selbst zuzuschreiben, wobei sie in ihrem Verderben dann ja auch den göttlichen Plan erfüllten; Aber ja, ich mag viele ihrer Ideen, gerade auf philosophischem Gebiet. Und die Stoa hindert im Gegensatz zu superstitio* niemanden daran, für die res republica tätig zu werden, im Gegenteil. “,

    antwortete ich, ohne mit der Erwähnung meines Großvaters die Sache zu komplizieren.


    Der Vergleich mit den Sirenen gefiel mir, und ich scherzte kurz darauf:

    „Ich meinte Alexandria ad Caucasum**; hatte ich das nicht erwähnt?

    Nein, ich sprach in der Tat von Alexandria ad Aegyptum.Mich interessierten die dortigen angewandten empirischen Methoden.“


    Ich griff herzhaft bei den Süßigkeiten zu und war ruhig auf meiner Kline liegen geblieben, als Conservator den puer Gadir zu sich befahl und zu seinem Messer griff.

    Ich dachte mir schon, dass der Annaeus meine Gastfreundschaft nicht auf diese Weise ausnutzen würde, einen der furischen familia ernstlich zu verletzen. Ich meinte, ein Pferd hätte er mir ja auch nicht zu Schanden geritten.


    Leider hatte mein Sklave diese Einsicht nicht und hatte sich fürchterlich erschrocken.


    „Wenn es dir Freude macht, die Dienerschaft in Angst zu versetzen, so kann ich durch meinen Maiordomus vielleicht noch lohnendere will sagen ängstlichere Exemplare als diesen hier herholen lassen, werter Conservator.“, sagte ich zuvorkommend, wobei ich doch einen klitzekleinen Tadel über das gezeigte Taschenspielerkunststück einfließen ließ.


    Beim nächsten Satz des Gastfreundes hob ich in gespieltem Entsetzen die Hand:

    "Lass meine Sklaven bitte nicht frei, ich kann mir keine neuen leisten, und was mache ich mit dieser Masse an Klienten?!

    Ich denke, ich habe verstanden, was du mir sagen möchtest.

    Eine Reform der Regeln hieße jedoch in meiner Vorstellung nicht, dass man sie vollkommen über Bord wirft, und alles in ochlokratia***endet. Ich fragte mich nur, warum östliche Kulte im privaten solchen Zulauf finde und versuche zu ergründen, welches menschliche Bedürfnis sie befriedigen....

    Und ja, Gadir, wenn du uns Wein gemischt hast...“, ich schloss mich der freundlichen Geste von Annaeus Conservator an:

    „Geh in die culina und trinke einen Schluck, damit deine Wangenröte zurückkehrt. Andreas wird dich solange vertreten - “, Andreas war älter und kein so anmutiger Anblick, doch immer noch besser als der bereits bärtige Diocles.


    (pars fīnis)


    Dann ging es im Gespräch weiter, und ich nickte dazu, während ich mich nun an gefüllten Datteln gütlich tat:

    „Die Gefährlichkeit dieser Christianer für das ganze Staatswesen leuchtet mir ein, wenn alle sich nur noch auf das Elysium konzentrieren und keiner mehr auf die Bürgerpflichten, dann wäre dies äußerst fatal. “, sagte ich:

    „Und Götter können nicht von Menschen getötet werden, obwohl sie sich manchmal untereinander töten und in der Zeit des Caesar Augustus Tiberius ja angeblich der große Pan gestorben ist, sofern die Geschichte von Plutarch**** so geschehen ist.

    Doch was man mir auch erzählt, ist, dass der Zimmermannssohn, also der mit dem Eselskopf, auch wieder von den Toten auferstanden sei. Seine Anhänger glauben an eine wahrhaftige resurrectio*****, wobei mir ein alexandrinischer Arzt jedoch versicherte, dass es sich um einen Zustand handelt, der in der Medizin höchst bekannt ist: Der Scheintod nämlich.

    Falls das wahr ist, haben die Männer,die jenen Iesus gekreuzigt haben, ihr Handwerk nicht verstanden, was ich mir aber wiederum nicht vorstellen kann.“


    Als Conservator nun die äußerste Härte des Gesetzes für die Tempelschänder forderte, stimmte ich aus ganzem Herzen zu. (Obwohl mir die Via Appia persönlich als Hinrichtungsstätte nicht so recht war, denn auf ihr fuhr meine Cousine nach Brundisium, wenn sie sich in Sommerfrische begab, und die ganze Reise über Leichengestank war nicht nach unserm Geschmack.)

    Aber ein Exempel musste statuiert werden.


    Da ich nun pappsatt und in versöhnlicher Stimmung war, lenkte ich die Konservation wieder in privatere und hoffentlich friedlichere Bereiche:

    „ Aber nun sprachen wir ausführlich über meine Jugend, wie steht es mit der deinen, werter Annaeus Conservator? An welchem Ort des Imperiums bist du aufgewachsen und was oder wer prägte dich, als du ein Jüngling warst?“

    Kurz tippte ich auf Tusculum******als Geburtsort. Was den Charakter des Annaeus geformt hatte, interessierte mich jedoch aufrichtig.




    Sim-Off:

    *lat. Aberglaube, im Sinn von religiöser Schwärmerei ** Im heutigen Afganisthan ***griech. Pöbelherrschaft **** Plutarch: De defectu oraculorum***** lat. Wiederauferstehung ****** Geburtsort von Cato maior

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    SODALIS FACTIO VENETA - FACTIO VENETA

    KLIENT - LUCIUS ANNAEUS FLORUS MINOR

  • Da ich nun pappsatt und in versöhnlicher Stimmung war, lenkte ich die Konservation wieder in privatere und hoffentlich friedlichere Bereiche:

    „ Aber nun sprachen wir ausführlich über meine Jugend, wie steht es mit der deinen, werter Annaeus Conservator? An welchem Ort des Imperiums bist du aufgewachsen und was oder wer prägte dich, als du ein Jüngling warst?“

    Kurz tippte ich auf Tusculum******als Geburtsort. Was den Charakter des Annaeus geformt hatte, interessierte mich jedoch aufrichtig.


    Er lauschte den Worten und Ansichten Sāturnīnus und als dieser dann sich zu einem gelungenen Scherz hat hinreisen lassen mit der Alexandrīa ad Caucasum mußte Mārcus lachen. Es gab so viele von diesen Städten, wer weiß schon wieviele Anekdoten und Scherze es darüber gab. Das Angebot, weniger schreckhafte Sklaven kommen zu lassen, lehnte er lachend ab, sich nochmals bei Sāturnīnus entschuldigend, diesen hier in innere Unruhe versetzt zu haben. Bei den Göttern, nicht das er noch Brustkrämpfe bekommt und umkippt.

    Während Sāturnīnus, augenscheinlich gut gelaunt und entspannt, das Gespräch führte, genoß Mārcus die dargereichten Speißen. In Gedanken notierte es sich, dass er bei sich zu Hause dringend in der Küche mit den Sklaven reden mußte. Das Gespräch wurde von Sāturnīnus, was das Thema dieser jüdischen Sekte anging, auch für Mārcus gut abgeschlossen und verlagerte sich hin zu Fragen nach Mārcus selber. 'Was hat mich in meiner Jugend geprägt', wiederholte er in Gedanken die Frage.


    "Ich bin in Gādēs, Baetica, geboren. Ein schmuckes Fleckchen Land im Süden und die Säulen des Herculēs liegen nur 54 mīlliārium entfernt. Du kannst fast schon in die Tingitāna auf der gegenüberliegenden Seite spucken. Im Sommer wird es sehr warm, im Winter mild.

    Meine Familie entstammt dem italo-hispanischem Zweig der Gēns Annaea, und mein Großvater stammt aus Pompēī, wo auch mein Vater geboren wurde. Meine Mutter selber, Servīlia Decula, kommt aus Gādēs und ihre Familie kommt aus einer Veteranenansiedlung aus der goldenen Zeit des Imperator Caesar Divi filius Augustus.

    Mein Vater, gebildet, willensstark, streng, konservativ, sittsam und Götter gefällig, doch zu mir immer gerecht.
    Meine Mutter, auch gebildet und willensstark, sehr belesen und eine so römisch-traditionelle Hausfrau und Mutter, da könnten die Vestalien rot vor Neid werden.

    Ich hatte zwei Brüder, die jedoch beide schon tot sind. Sie waren im Dienst des Imperator. Der eine in Germanien, der andere hier in Rōma.


    Mein Vater beginnt jeden Tag mit der täglichen Ehrung der Larēs Praestitēs bevor er seine Geschäfte und Tätigkeiten als mercātor ac argentārius (*1) beginnt. Das habe ich nun eindeutig von ihm, da ich es auch so halte.", grinste er. Er hat mich früh in alle Notwendigkeiten der Ordnung eingeführt und unterwiesen.


    Meine Mutter hat mir das Tor zur Welt geöffnet – sie sammelt viele Schriftrollen, aus denen sie mir als Kind immer vorgelesen hat. Und sie konnte das wirklich sehr gut. Ganze Welten entstanden bei mir so. Daher gehe ich davon aus, daß meine Wissensneugierde von ihr kommt.

    Durch die Kundschaft und Tätigkeit meines Vaters hatten wir auch häufig Fremde aus anderen Provinzen bei uns. Und ich sage dir mein Freund, es gibt eine Vielzahl an Sprachen und Gewohnheiten. Manche davon versetzen einen in Verwunderung – jedenfalls mich damals als Kind.


    Schon früh hat mich mein Vater unter seine Hand genommen, und mich ausgebildet und schulen lassen. Ich vermute, daß ihn das einen großen Beutel Dēnāriī gekostet hat - vor allem mein doctor gladiōrum (*2), Mānius Ligārius Celer. Er war ein optiō mit missiō honesta aus dem Zweiten Dacer-Krieg. Er hatte mich vom 12ten bis 17ten Lebensjahr unterrichtet und ausgebildet und ist leider zu früh von mir zu den Göttern gegangen."

    Mārcus Augen änderten sich bei der Erinnerung an und dem Sprechen über Celer. Sie nahmen einen Fernblick an, ganz so, als ob er hunderte von Schritten in die Ferne sehen könnte, wobei die periphere Sicht begann zu verschwimmen.


    "Er hat mir den Adler geschenkt. Einen schönen, mächtigen und stolzen Adler.", seine Stimme wurde dabei immer leiser und begann fast schon in ein Flüstern abzugleiten. Ja er hatte viele Erinnerungen an Celer. Erinnerungen an Schmerzen, die ganz zu Anfang seine Tage prägten und die erst im Nachhinein sinnig wurden. Und stolze Erinnerungen an seine Entwicklung und wie Celer so stolz auf ihn wurde.
    "Celer hat mir alles beigebracht, was mein Vater nicht konnte, aber als wichtig erachtete. Härte gegen sich selber und andere, Brüderschaft, Kampfgeist, einen festen Willen und das man sich nicht selber bemitleiden sollte und die Entscheidungen der Götter anzunehmen hat wie ein Mann."
    Mārcus schluckte kurz und trank danach einen größeren Schluck. "Er und Vater hatten recht, ich war mit 12 wie ein Kinderbrei. Weich, schlapp, willenlos – das alles liegt aber zum Glück hinter mir. Ich habe mich um ihn in seiner schwersten Zeit gekümmert, er hat nicht geklagt in der Zeit. Auch um seine Beerdigung habe ich mich gekümmert und ihn ehrenvoll bestattet, so das er hinübergehen kann, ohne Sorge."


    Mārcus rechte Hand hatte sich derweilen halb geschlossen, so als ob er gerade noch den Adler hineingelegt bekommen hatte. Er starrte immer noch in Leere gegenüber. Dann schüttelte er sich kurz, sammelte seine Stimme und wandte sich wieder seinem Gastgeber zu und fuhr, diesmal mit wesentlich deutlicherer Lautstärke, fort:

    "Ja, im Grunde hat meine Mutter für meine Bildung und mein Wissen über andere Regionen und Menschen gesorgt, mein Vater mich geschäftlich ausgebildet und in den göttlichen Bereichen unterwiesen, sowie mich schulisch ausbilden lassen. Celer hat dafür gesorgt, daß ich all dies auch begreife und verinnerliche und mir und meinem Körper den Kinderbrei heraustrainiert. Wir waren Brüder, weißt du Sāturnīnus. Nicht familiär, doch Brüder. Ich habe ihm, neben meinen Eltern, alles zu verdanken. Und ich dank meinem Vater sehr, für seine Entscheidung Celer zu holen. Mein Vater ist ein stolzer Mann und ein Vorbild an unseren Tugenden."


    Mārcus nahm sich etwas von den Süßspeisen und begann diese zu genießen. Es war eine wirklich vorzüglilche Cēna. Sein Gesichtsausdruck hatte wieder jene Züge angenommen, wie vor der Erwähnung von Celer, so als ob nichts gewesen war.



    Sim-Off:

    *1) mercātor ac argentārius - Kaufmann und Händler
    *2) doctor gladiōrum - Fechtmeister

  • Annaeus Conservator sprach von seiner Jugend, die im besten Sinne römisch gewesen war; fast sah ich es vor mir, den Pater familias, wie er im Ehrengewand unseres Volkes die Laren ehrte, bevor der Morgen anbrach; die kluge Mutter, die ihre Söhne unterwies, während sie am Webstuhl saß und die auch bei den Sklaven keinen Müßiggang gestattete; die stille Größe, so wie einst Latium wohl gewesen war, bevor die Götter uns zu den Herren der Welt bestimmt hatten und bevor alles hereinbrach, was es vorher nicht gegeben hatte: Laster, Zügellosigkeit und um es mit Vergilius zu sagen, natürlich: Auri sacra fames!*


    Etwas wie Sehnsucht nach diesem Leben brach in mir auf. Hatte nicht einst der Botschafter Kineas König Pyrrhos berichtet, der Senat von Roma wäre ihm wie eine Versammlung von Königen erschienen**in ihrer schlichten Würde?

    Diese doch abgelegene Provinz Hispania im äußersten Westen hatte wohl mehr Züge des mos maiorum bewahrt als die Urbs selbst.


    Doch als nun mein Gastfreund über seinen Doctor gladiorum Celer sprach, da spürte ich seine tiefe Liebe zu jenem Mann, die über pietas, die man dem Vater entgegenbrachte, noch hinausging. Ich selbst gab gerne den Spötter, doch ich verachtete die Liebe keineswegs, und es sprach für Conservator, dass er einst jemanden so geliebt hatte.


    Ich ließ mir von Andreas nachschenken, und nahm dann wahr, wie Gadir, nun mit selig geröteten Wangen, wieder seinen Platz einnahm, noch bevor wir Safranküchlein und Wein den Laren geopfert hatten.***

    „Ligarius Celer muss ein großartiger Mann und wahrer Römer gewesen sein, und du nennst ihn deinen Bruder. Solange du seiner gedenkst, wird er nicht vergessen sein, und wir sollten ihm auch in diesem Moment gedenken.“, sagte ich voller Wärme und sah Conservator an:

    „Auf Härte gegen sich selber und andere, Brüderschaft, Kampfgeist, einen festen Willen, kein Selbstmitleid und den Willen der Götter akzeptieren, wie du sagtest, lass uns darauf trinken.“


    Ich selbst war ganz anders aufgewachsen, und mein lieber guter Lehrer Erotókritos, der mich später bewog, in Athen meine Studien zu vollenden, oder meine genauso nachgiebige Pflegemutter hätten alles andere getan, als den Kinderbrei aus mir herauszuprügeln, wie es mein Gast nannte – beide hätten mich eher noch bis weit über das zwanzigste Jahr mit Kinderbrei vollgestopft.


    „Doch du sprachst von einem Adler, werter Conservator? Meinst du Iuppiters mächtigen Vogel, also ein reales Tier?
    Bitte mach mir die Freude, mir davon zu berichten.“



    Sim-Off:

    *O verfluchter Hunger nach Gold! ** Plutarch. Pyrrhus. 19,6 *** Also noch vor der mesa secunda

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    SODALIS FACTIO VENETA - FACTIO VENETA

    KLIENT - LUCIUS ANNAEUS FLORUS MINOR

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