Eine Besucherin auf der Suche nach Arbeit.

  • Die junge Angestellte hatte die Besucherin von der Porta in das Peristylium geführt. Sie deutete ihr sich in der einen Ecke auf einem der Stühle Platz zu nehmen. Auf dem kleinen Tisch, der zwischen den zwei Korbstühlen stand, befand sich eine Schale mit den letzten Äpfeln. Sie waren nicht mehr die Frischesten, aber durchaus genießbar. "Bitte nimm Platz, ich werde die Hausherrin holen." Ilda machte sich auf die Suche nach Petronia Octavena. Wenn sie diese gefunden hatte, würde sie auch etwas zum Trinken besorgen, das sie dann dem Gast anbieten konnte.

  • Duccia Venusia

    Hat den Titel des Themas von „Eine Besucherin auf der Suache nach Arbeit.“ zu „Eine Besucherin auf der Suche nach Arbeit.“ geändert.
  • Ilda musste nicht lang suchen und die Besucherin dementsprechend nicht lange warten, da betrat auch schon Octavena selbst das Peristylium. Als sie die Fremde sah, runzelte sie kurz die Stirn. Die alte Frau kam ihr vage bekannt vor, doch sie konnte nicht ganz genau sagen, woher, und so schob sie den Gedanken stattdessen so schnell wieder zur Seite, wie er aufgekommen war.

    "Salve", begrüßte sie stattdessen die Fremde. "Ich bin Petronia Octavena. Ilda sagt, du bist hier, weil du nach Arbeit suchst?"

  • Adalheidis hatte sich bei Ilda, die sie in das Peristyl geführt hatte, bedankt und sich in einen der Korbsessel niedergelassen. Ihr Bündel stellte sie sich zu Füßen, das Borkenschiffchen legte sie in ihren Schoß.

    Die Hausherrin, die nun eintrat,war noch jung, eine schlanke, braunhaarige Römerin. Sie sah ihre Besucherin an und runzelte kurz die Stirn, nicht aus Missbilligung, sondern als würde sie versuchen, sich an etwas zu erinnern. Adalheidis erster Eindruck war, dass Petronia Octavenas wachem Blick nicht viel entging, als sie sie auch schon begrüßte.


    "Salve Petronia Octavena", sprach Adalheidis: "Ilda hat recht gesprochen. Ich suche in der Tat Arbeit, deshalb bin ich gekommen. Mein Name ist Adalheidis. Ich war bisher einige Zeit Haushälterin bei Germanicus Cerretanus in der Casa Germanica auch hier in Mogontiacum. Ich arbeite immer nur für Kost und Logis, Geld brauche ich nicht."


    Sie lächelte nun Petronia Octavena an, fast still vergnügt:

    "Was wäre meine Aufgabe? Und bitte frag mich, Petronia Octavena, was immer du wissen möchtest."


    Und mit wem werde ich Schiffe schnitzen? Mit wem werde ich Kohlemännchen bauen und Tiere aus Tannenzapfen? Und wer...wird mich beim Nüssespiel schlagen?, dachte sie.

  • Germanicus Cerretanus also, das erklärte, warum die Frau Octavena vage bekannt vorgekommen war. Sie musterte Adalheidis dennoch einen Moment lang, während sie sich vorstellte. Sie wirkte freundlich und motiviert, auf eine angenehm zielstrebige, konstruktive Weise, die Octavena nur genehm war. Ein paar Hände, deren Besitzerin wusste, was sie tat und warum, schadeten selten und dass Adalheidis offenbar kein Geld wollte, war natürlich auch nicht wirklich ein Argument zu ihrem Nachteil.


    "Du hast Glück, ich suche tatsächlich gerade jemanden, um hier im Haushalt mitzuhelfen", sagte sie dann. "Deine Aufgaben könnten allerdings stark variieren. An manchen Tagen würdest du vermutlich in der Küche aushelfen und an anderen Tagen mir mit Besorgungen und was sonst so ansteht helfen." Wie aufs Stichwort erklang von irgendwo hinter ihr aus einem anderen Teil des Hauses das gedämpfte Gequäke von Kindern und Octavena meinte, die Stimme ihrer Tochter dabei rauszuhören, und stieß ein kleines, müdes Lachen aus. "Und dann wären da natürlich noch meine Kinder, die, wie man hört, das Haus auch gut im Griff haben. Die beiden sind inzwischen in einem Alter, in dem es ganz gut ist, wenn meistens ein Erwachsener ein Auge auf sie hat, weil sie tausend Ideen haben, aber nicht alle davon gut sind, und auch das würde sehr wahrscheinlich zu deinen Aufgaben gehören."

    Sie bedachte Adalheidis mit einem fragenden Blick. "Wie klingt das für dich?"

  • Auch Adalheidis erinnerte sich an das Gartenfest, aber noch mehr daran, dass Petronia Octavena mit ihrem Mann dort gewesen war. Sie hatte die gute Organisation und das Essen freundlich gelobt. Sie hatte glücklich gewirkt.

    Es war einer jener Feste gewesen, die in der Erinnerung später zum Vorabend anderer Ereignisse werden; es wurde gegessen, getrunken und sich unterhalten, und kurze Zeit darauf waren viele der Anwesenden nicht mehr am Leben.


    "Das klingt perfekt, und ich habe großes Glück.", sagte sie lächelnd: "Zeig mir nur die Küche. Und Kinder, die tausend Ideen im Kopf haben, die möchte ich zu gerne kennen lernen."


    Jetzt verstand sie, warum sie hier war.

    Einen Moment wurde ihr Blick sehr weich. Sie hatte nie eigene Kinder bekommen können, aber sie hatte Maxi, die Tochter ihres früheren Herren groß gezogen, die nun für ihr Volk eine Weise Frau war. Adalheidis hatte Kinder lieb. Sie würde sich gerne um sie kümmern.

    Manchmal brauchten auch die Erwachsenen, dass sie sich kümmerte, doch das war schwieriger, und man musste behutsamer vorgehen als bei den Kleinen.

  • Es war einiges in den Gärten der Villa zu tun. Die Duccia mit ihren germanischen Wurzeln zeichnete sich gern für diese Aufgabe verantwortlich. Venusia mochte die Ruhe, die sie dort finden konnte. liebte die Düfte und Gerüche und zu dem brachten zum Beispiel die Beeren für den Winter für den Winter haltbar gemacht etwas Abwehcslung auf den Tisch. Die germanischsprachigen Angestellten nannten sie bei ihrem germanischen Namen und so auf der Angestellte mit welchem sie gerade aus dem Garten zurückkam und den Säulengang der Villa betrat. "Für den Herbst werden werden wir für den Obstgarten einige Bäume nachsetzen müssen, Dagmar," erklärte er und Venusia nickte. "In Odnung, Gerolf. Dann sage mir zu gegebener Zeit Bescheid und wir werden sehen wie wir die Lücken auffüllen können, die dier Winter geschlagen hat." Gerolf verabschiedete sich und Venusia schickte sich an ihr Zimmer aufzusuchen als sie Petronia und einen Gast in einer Ecke entdeckte. Eine Frau, wie sie beim Näherkommen erkennen konnte. Sie wollte den Anstand wahren und den Gast zumindest begrüßen nach dem sie das Gespräch schon unabsichtlich gestört hatten. "Bitte entschuldigt die Störung," sprach sie als sie näherkam und lächelte kurz die beiden Frauen an ehe ihr Gesicht wieder einen neutralen Ausdruck annahm. Eine Art Maske, die sie sich antrainiert hatte, um die Trauer, die sie noch immer tief in sich vergraben trug nicht stets und ständig zur Schau zu stellen. Ihre Augen hatte sie jedoch noch nicht in diese Maske einbauen können und diese waren nun ein Mal der Spiegel der Seele. "Ich heiße Duccia Venusia," stellte sie sich vor. Nur kurz vorstellen und dann würde sie die beiden Frauen in Ruhe weiter ihr Gespräch führen lassen.

  • Octavena blinzelte ein paar mal überrascht, als Adalheidis ihrer Beschreibung nicht einmal im Detail widersprach oder sonst irgendwelche Forderungen stellte, sondern nur direkt die Küche sehen und die Kinder kennenlernen wollte. Sie hatte eigentlich erwartet, dass die andere Frau, wenn sie schon nicht extra bezahlt werden wollte, zumindest irgendeine andere Form von Bedingung stellen würde, die wenigstens ansatzweise ausglich oder erklärte, warum sie so sehr darauf erpicht war, auf eine Weise für Octavena zu arbeiten, die eigentlich nicht wirklich zu ihrem Vorteil war. Ehe ihre kurze überraschte Stille aber unangenehm werden konnte, betrat Venusia den Raum und rettete Octavena so davor, ihre Überraschung erklären zu müssen. Sie schob ihre Überraschung von eben bei Seite und erwiderte das Lächeln, das die Duccia den anderen beiden Frauen zu warf.

    "Ah, du kommst gerade richtig", sagte sie dann und nickte in Adalheidis' Richtung. "Das ist Adalheidis, sie ist hier, weil sie eine Anstellung sucht, und ich wollte ja ohnehin gerne noch jemanden für den Haushalt und die Kinder einstellen."

    Sie überging damit, dass sie über diese Pläne bisher genau genommen nicht geredet hatten und der Grund dafür wenigstens zum Teil Octavenas eigene Überforderung mit der Situation seit dem Tod ihres Mannes war, aber das waren Details, die sie erstmal nicht vor Adalheidis breittreten würde. Ganz zu schweigen davon, dass die Venusia und Octavena zwar seit der Rückkehr ersterer nicht nennenswert Zeit miteinander verbracht hatten, Octavena aber vermutete, dass sie trotzdem zumindest lose darüber im Bilde war. Die Villa mochte zwar groß genug sein, um aneinander vorbeileben zu können, aber geredet wurde innerhalb dieser Mauern ja trotzdem.

  • Für Adalheidis war es normal, dass man jemanden, den man sich ins Haus holte, tüchtig ausfragte, daher war sie natürlich bereit gewesen, Auskunft über sich zu geben. Aber Petronia Octavena fragte nicht nach. Offensichtlich war sie ein Mensch, der abwarten konnte, das gab es nicht allzu häufig.

    Eine zweite Hausherrin kam nun dazu, eine Frau, die einheimisch aussah, doch einen römischen Namen trug: Duccia Venusia.

    "Salve Duccia Venusia", sagte die Germanin daher und schenkte ihr einen genauen Blick. Sie sah ihre würdevolle Haltung, doch in ihren Augen eine tiefgründige Traurigkeit, die selbst diese prächtige Natur auf diesem blühenden Anwesen nicht wesentlich lindern konnte.

    Beide Frauen waren auf ihre eigene Weise traurig, und das obwohl sie alles zu haben schienen, was Besitz nur hergab. Adalheidis war noch nie in einem Haus gewesen, das so alt und ehrwürdig war, und das Geheimnisse in seinen Mauern und auch in dem Beziehungsgeflecht seiner Einwohner barg.

    Sie schaute von der dunklen Octavena zur blonden Venusia:

    "Adalheidis ist richtig.", sagte sie mit einem breiten Lächeln: "Wenn ihr etwas von mir wissen wollt, fragt ruhig. Das Borkernschiffchen habe ich mit Materialien gemacht,die ich auf dem Weg gefunden habe, das ergab sich gerade so." Sie hatte es immer noch auf ihrem Schoss.

  • Innerlich hatte sich Venusia darauf vorbereitet nur kurz vorbeizuschauen und dann den beiden Frauen wieder ihrem Gespräch zu überlassen. Doch ihre angeheiratete Verwandte bat sie dazu und so nickte sie nur lächelnd und lauschte der Vorstellung des Gastes und warum diese den Weg zur Villa auf sich genommen hatte. „Es freut mich sehr dich kennenzulernen, Adalheidis, und dass du dich für unseren Haushalt interessierst,“ erklärte sie und bedachte auch Adalheidis mit einem weiteren recht kurzen Lächeln. Sie hatte mitbekommen was hier im Haus los war, ganz war dies auch nicht zu vermeiden gewesen und eigentlich hatte sie dies auch gar nicht gewollt, aber es hatte einfach noch zu viel Anderes gegeben, dass sie vorher erst mit sich selbst ins Reine hatte bringen müssen. Gerade als sie sich nach einem weiteren Sessel umsehen wollte, kam Ilda zurück und brachte Becher und einen Krug verdünnten Wein. Die junge Frau stellte das Tablett ab und bewegte sich sofort auf eine andere Sitzgruppe um einen weiteren Sessel herbeizuholen. Venusia dankte der jungen Angestellten auf germanisch und nahm dann Platz. „Adalheidis ist ein germanischer Name,“ fragte sie nach. Selbst hatte sie den Namen noch nicht gehört, aber einzelne Bestandteile schon. „Wurdest du jenseits des Limes geboren,“ fragte Venusia nach und merkte erst jetzt, dass sich diese Frage vielleicht falsch anhören mochte. „Ich bin auch jenseits des Limes geboren worden und meiner Familie wurde das römische Bürgerrecht verliehen als sie hierher geflohen sind und dem damaligen Legaten zur Hilfe gekommen sind.“ Dies war ein kurzer Abriss ihrer Familiengeschichte um zu erklären warum es sie
    interessierte woher Adalheidis genau stammte. Dann erinnerte sich Venusia wieder daran, dass die Besucherin das Borkenschiffchen auf ihrem Schoß ruhen hatte. „Ähnliche kleine Schiffchen haben wir früher auf der Amisia auch schwimmen lassen,“ wie die Ems von den Römern genannt wurde. Aufgrund dieser schönen Erinnerung strahlte Venusia und blickte zwischen den beiden anderen Frauen hin und her. Ilda hatte sich in der Zwischenzeit zurückgezogen nachdem sie die Becher gefüllt hatte.

  • Adalheidis fand das Nachfragen wie gesagt nicht befremdlich, da sie auch nichts zu verbergen hatte, was ihr Leben betraf, und sie würde über alles freimütig Auskunft geben. Und die Dinge, die in der Tat verborgen bleiben mussten, wurde sie selten gefragt, denn dann hätte man von ihnen etwas ahnen müssen.


    "Ich freue mich auch, euch kennen zu lernen, ihr Frauen.", erwiderte sie und nickte auch Ilda wieder freundlich zu, die ein Tablett hinstellte: "Ich danke dir" -

    "Ja, eigentlich heißt es Apalahaiduz*,aber das war für meinen römischen Herren zu schwierig auszusprechen." erklärte sie:

    "Ich wurde in der Nähe des Flusses Eidora als eine Myrginge**, eine von den Sumpfleuten, geboren. Doch ich blieb nicht lange an meinem Geburtsort. Ein anderer germanischer Stamm nahm mich mit, als ich ein Mädchen war.


    Du stammst aus den Landen, die die Ems durchfließt, Duccia Venusia? Und du auch, Petronia Octavena?"


    Sie schaute beide Frauen an:


    "Das ist sehr weit fort von Mogontiacum. Die Römer haben eure Familie hochgeehrt für ihre Taten, Segen war mit ihnen.",


    Als Venusia nun strahlte, war das, als bräche ein Sonnenstrahl zwischen Wolken hervor, und Adalheidis gab das Lächeln zurück:

    "Ich habe hier einen Bach gesehen, auch hier müsste es möglich sein, Borkenschiffchen schwimmen zu lassen.", sagte sie:

    "Es verspricht ein schöner, heißer Tag zu werden. Wenn es in Ordnung ist, würde ich nach getaner Arbeit mit den Kindern dorthin gehen.",

    das sprach sie zu Petronia Octavena, die die Mutter der Kinder war.

    Damit würde sie hoffentlich die Erwachsenen entlasten, und die Kleinen rechtschaffend müde machen.


    Sim-Off:

    * Protogermanisch: etwa Von edler Art **Myrginge


  • Auf die Nachfrage hin, ob sie auch in Germanien geboren worden war, huschte ein amüsiertes Lächeln über Octavenas Züge. Es war keine abfällige oder gar beleidigte Reaktion, viel mehr ließ die Frage eine gewisse bittersüße Überraschung in ihr aufsteigen. "Nein", erwiderte sie dann und lehnte sich etwas in dem Sessel zurück, in dem sie inzwischen Platz genommen hatte, und dreht dabei den Becher in ihren Händen zwischen den Fingern hin und her. "Ich stamme ursprünglich aus deutlich wärmeren Gefilden in Hispania. Ich bin in Tarraco geboren und aufgewachsen und erst als junge Frau nach Germanien gekommen, ein paar Jahre bevor ich meinen verstorbenen Mann dann hier geheiratet habe und geblieben bin." Sie zuckte mit den Achseln. "Aber das ist inzwischen auch schon eine ganze Weile her und ich lebe jetzt schon fast so lange hier wie ich vorher in Tarraco gelebt habe." Sie legte den Kopf ein klein wenig schief. "Und was hat dich dann von diesem anderen Stamm aus nach Mogontiacum gebracht? Hast du Familie hier?"


    Das Borkenschiffchen auf Adalheidis' Schoß dagegen registrierte Octavena erst in dem Moment aktiv, in dem Venusia es bemerkte, dafür hatte das Strahlen auf dem Gesicht ihrer angeheirateten Verwandten etwas Ansteckendes und auch bei Adalheidis' warmer Reaktion darauf konnte Octavena nicht anders, als selbst ein nostalgisch-warmes Gefühl in ihrer Brust zu spüren. Sie wusste nicht ganz genau, warum, aber in diesem Augenblick hatte sie plötzlich ein sehr gutes Gefühl bei dem Gedanken, Adalheidis öfter im Haus um sich zu haben.

    "Sicher", erwiderte sie dann auf den Vorschlag, mit den Kindern solche Schiffchen schwimmen zu lassen. "Sofern du es schaffst, mit den beiden mitzuhalten oder sie davon zu überzeugen, auf dich zu warten. Die beiden können manchmal etwas wild sein, gerade meine Älteste." Sie zögerte einen Moment, unsicher, wie viel sie jetzt schon offenbaren sollte, entschied sich dann aber doch für die geradlinige und ehrliche Variante. "Sie ... tut sich noch immer schwer mit dem Tod ihres Vaters und kann deshalb im Moment manchmal ganz besonders eigenwillig sein."

  • Hispania war eine ferne Provinz, noch weiter weg als ihr Sommerland, aus dem die Römer kamen. Aber es war auch Rom, so wie alles Rom war, so viele Tagesreisen man nach Süden oder Westen unternahm.

    Und dennoch war Germania nun das Zuhause der römischen Dame, und sie hatte die meiste Zeit ihres Lebens hier gelebt.


    „Ich wurde als ganz junges Mädchen, ein Kind noch, von Männern der Ingaevonen mitgenommen, die auf Raubzug waren. An meine Eltern erinnere ich mich kaum noch.“, erwiderte sie:

    „Ich kam dann noch in andere Hände, bis meine Herren später, die nicht mehr als Iatrunculi, kleine Räuber, waren, einen Trupp Römer überfielen, das war in der Gegend des Anfang des Limes. Sie wurden getötet, und ich wechselte erneut den Herren. Praepositus Lucius Valerius Maximus beanspruchte mich als seine Beute und rettete mir damit das Leben.“


    Sie dachte wieder einmal daran, dass es in jedem Volk anständige und weniger anständige Menschen gab. Weder waren die Germanen alle blonde edelmütige Freiheitskämpfer noch die Römer alle blutdurstige gierige Eroberer. Wenn sie etwas während ihrer Odyssee gelernt hatte, dann war es das:

    „Meine Geschichte begann vielleicht traurig, aber das soll euch nicht betrüben, ihr Frauen, denn sie endete fröhlich:

    Ich lebte lange mit meinem römischen Herren Lucius in der Civitas Aquensis, er ließ mich später frei, und immer hat er es so gehalten, dass er mir in allem vertraute, was seine Angelegenheiten betraf. Er versteht, dass ich ab und zu auf Wanderschaft gehen muss."


    Nun strahlte sie ganz und gar, denn Lucius hatte sie sehr gerne, dann sagte sie immer noch lächelnd, aber ernst:

    „Es ist gut, dass deine Tochter eigenwillig ist, Frau Octavena, das mag sie davor bewahren, zu verzweifeln. Sag mir, wie ist ihr Vater gestorben und war sie denn anwesend?“


    Ohne sie zu kennen, spürte sie, dass sie es etwas zu den beiden fremden Kindern hinzog, etwas, das tiefer lag als nur ihre Zuneigung zu Kindern.

  • Octavena hörte Adalheidis aufmerksam zu, während sie ihre Lebensgeschichte erzählte. Die ältere Frau hatte definitiv eine ereignisreiche Biografie hinter sich, sie hatte viel gesehen, vermutlich mehr als Octavena selbst. Schaden konnte das sicher nicht, denn wahrscheinlich würde sie sich dann auch nicht von Octavenas lebhaften Kindern einschüchtern lassen.


    Die Frage nach Witjon und seinem Tod danach kam nicht überraschend, dennoch spürte Octavena wie sie ihr einen Stich versetzte. Wahrscheinlich war es lächerlich, war ihre Ehe damals doch von Octavenas Onkel arrangiert worden und Witjon älter als sie gewesen, aber der Gedanke an ihn und seinen Tod tat nach wie vor weh. Es war nur wahrscheinlich gewesen, dass er vor ihr sterben würde, wenn sie nicht gerade doch noch im Kindbett starb, aber wahrscheinlich hatte sie einfach angenommen, dass dieser Gedanke trotz allem noch in weiter Ferne liegen würde.


    So unmittelbar wie die Trauer in ihr aufgestiegen war, so vehement kämpfte Octavena sie auch noch im selben Moment wieder nieder. Das war nicht der richtige Moment für solche Gedanken und so räusperte sie sich einmal, um sicherzugehen, dass ihre Stimme klar und ruhig klang, ehe sie zu einer Antwort ansetzte. "Ein Fieber, im Frühling." Sie zwang sich zu einem möglichst beherrschten Gesichtsausdruck. "Unsere Kinder haben ihn nicht direkt gesehen, während er … im Sterben lag, aber die beiden haben natürlich gemerkt, was vor sich ging. Und Ildrun, das heißt Duccia Camelia, meine Tochter … Nun, sie ist die Ältere der beiden und hat immer sehr an ihrem Vater gehangen."


    Octavena musste unwillkürlich an die vielen Geschichten von germanischen Göttern und Helden denken, die Witjon Ildrun so oft vor dem Schlafengehen erzählt hatte, und daran, wie sehr die Augen ihrer Tochter dann immer vor Begeisterung geleuchtet hatten. Ihr Blick glitt zurück zu Adalheidis und der ruhigen, freundlichen Art, mit der sie schon die ganze Zeit zu Octavena hinübersah. Vielleicht war es wirklich eine gute Idee, sie einzustellen. Vielleicht würde diese Ruhe auch die Lage mit Ildrun verbessern. Und damit war die Entscheidung gefallen.


    "In Ordnung, Adalheidis, wenn du wirklich hier arbeiten willst, hast du die Anstellung", sagte Octavena dann und erhob sich abrupt, um ihren Becher auf einem Tisch abzustellen und zwischen den anderen beiden Frauen hin und her zu blicken. "Wenn du willst, kann ich dir jetzt gerne meine Kinder einmal vorstellen und die Küche zeigen."

  • Venusia verstand das Problem mit der Aussprache mancher germanischer Namen und so nickte sie als die Besucherin es näher erklärte. Sie legte die Stirn etwas in Falten als sie überlegte, ob sie schon mal etwas von dieser Gegend gehört hatte. Aber sie konnte es nicht sicher sagen. Es würde bestimmt auch noch eine andere Möglichkeit geben sich über das Land der Geburt ihrer zukünftigen Hausangestellten zu unterhalten. „Ja. Von der Ems hat mich mein Weg in den Norden nach Britannien geführt und dann hierher.“ Diese Zeit wirkte so als
    würde sie schon eine Ewigkeit zurückliegen. Es war danach so viel passiert, dass sie das Gefühl bekommen hatte, dass es nur noch eine ferne Erinnerung war. Wieder nickte Venusia als Adalheidis das Glück ansprach, das ihrer Familie geschehen war. „Die Götter waren uns wirklich hold gewesen und wir haben als Sippe immer im Dienst dieser Provinz gestanden". Zuletzt weniger, da es ihre Familie ziemlich ausgedünnt hatte. Aber nun hatte sie selbst wieder die Möglichkeit sich erkenntlich zu zeigen. „Das ist bestimmt möglich,“ bestätigte sie und den Kindern würde es sicher Spaß machen zuzusehen wie sich die kleinen Schiffchen ihren Weg auf dem Bach bahnten wenn es Octavena zuließ. Octavena sprach davon welche Wirbelwinde ihre Kinder waren und auch sie erinnerte sich an ihre Beiden. Sie waren auch immer gut dafür gewesen Leben ins Haus zu bringen.


    Auch Adalheidis hatte eine sehr bewegte Vergangenheit und in gewissen Zügen, war sie ihrer eigenen gar nicht so unähnlich. Als Familie des Richs hatten sie einen hohen Stand innegehabt und ein einfaches aber gutes Leben geführt. Dann waren sie überfallen und vertrieben worden, hatten ihr Heil in Britannien gesucht und den Tod gefunden. Sie hatte überlebt und war in Gefangenschaft hierher gekommen. Aber auch das war nichts, das sie jetzt besprechen wollte. Octavena kannte die Geschichte ihrer Familie und sie wollte ihre
    eigenen Gedanken nicht wieder trüb werden lassen. „Das hast du wirklich einen weisen Herren gefunden,“ bestätigte Venusia die Worte der Frau und sie lächelte, ganz so wie es Adalheidis gewünscht hatte. Der folgenden Unterhaltung lauschte Venusia still. Es war an Octavena zu entscheiden ob sie Adalheidis einstellen wollte und sie sich auch etwas um die Kinder kümmern sollte. Ihre kleine Verwandte tat ihr sehr leid. Wie wusste wie sie sich fühlen musste und vielleicht konnte es ihr auch schon etwas helfen wenn sie sich mal
    mit ihr unterhalten würde. Auch sie hatte ihre Familie verloren. Ihre Eltern, ihre Brüder, die Cousins und Cousinen, ihren Mann und auch ihre Tochter. Nachher würde sie Octavena fragen, ob es dieser recht war, wenn sie versuchte etwas zu helfen. In Zukunft würde Adalheidis also häufiger im Haus anzutreffen sein und Venusia verspürte eine kleine Vorfreude. Auch sie erhob sich nachdem sie noch einen Schluck aus getrunken hatte und der Becher wieder seinen Platz auf dem Tisch fand. „Möchtest du die Führung allein vornehmen? Ich würde mich dann zurückziehen, aber später würde ich dich gern noch kurz sprechen,“ richtete sie ihre Worte an Octavena und wartete deren Entscheidung ab.


  • Ildrun – Duccia Camelia, dachte Adalheidis, dies ist also der Name des Mädchens, und es war Krankheit, die ihr den Vater nahm, nicht die Hand eines Mörders. So wird sie vielleicht das böse Geschick, aber noch keinen Menschen hassen. Es war noch nie gut, die Jungen den Hass zu lehren und darauf zu warten, dass in der nächsten die Rächer für die vergangene Generation heranwuchsen.


    Auf dem Gesicht der Petronia Octavena spiegelten sich einen Moment Trauer, bevor sie zu ihrer Haltung zurückfand. Beide Frauen im duccschen Hause hatten diese stille Würde an sich.

    Dann sagte sie, dass Adalheidis hier arbeiten könne, und dass sie ihr die Kinder vorstellen und die Küche zeigen wolle.

    „Es ist mir eine Freude, Frau Octavena“, nickte Adalheidis: „Bitte verfahre so wie du gesagt hast.“


    Frau Duccia Venusia erwähnte derweil, dass sie früher nach ihrer Zeit an der Ems in der Provinz Britannia sich aufgehalten hatte, und als sie den Namen dieser Lande nannte, glitt auch über ihr Gesicht der Schatten einer ereignisreichen Vergangenheit.


    Als sie Lucius einen weisen Herren nannte, schmunzelte Adalheidis. Der Römer und seine germanische Vilica hatten ja beinahe wie ein altes Ehepaar zusammengelebt, nachdem sie sich über die Jahre zusammengerauft hatten. Beide waren nicht mehr jung, und Adalheidis war nie ein im landläufigen Sinne hübsches Mädchen gewesen, das passte gut zu dem nach außen hin so knurrigen Römer.

    „Er ist ein gütiger Mann.“, bestätigte sie.


    Dann wartete sie ab, denn sie bemerkte wohl, dass Duccia Venusia und Petronia Octavena noch einen Moment zu reden hatten.

    Hätte sich Adalheidis in der Küche schon ausgekannt, hätte sie derweil schon eine nützlich Arbeit verrichtet, denn es war mitten am Tag, und die Germanin saß für sie ganz ungewohnt bereits über eine Stunde in einem Stuhl, ohne einen Finger zu rühren.

  • Auch sie erhob sich nachdem sie noch einen Schluck aus getrunken hatte und der Becher wieder seinen Platz auf dem Tisch fand. „Möchtest du die Führung allein vornehmen? Ich würde mich dann zurückziehen, aber später würde ich dich gern noch kurz sprechen,“ richtete sie ihre Worte an Octavena und wartete deren Entscheidung ab.

    "Geh nur", erwiderte Octavena auf Venusias Frage hin und nickte knapp, wenn auch freundlich, "ich kümmere mich um die Führung. Wir können gerne danach reden."


    Tatsächlich weckte die Ankündigung, dass die andere Frau mit ihr über irgendetwas reden wollte, kurz Octavenas Neugier und sie betete innerlich, dass die Sache - was auch immer es war - ihr nicht noch mehr Probleme bereiten würde, aber das war erstmal nebensächlich. Stattdessen wandte sie sich wieder Adalheidis zu und lächelte, um sich nun daranzumachen, ihre neue Angestellte herumzuführen. "Folge mir, ich werde dir alles zeigen, was du kennen musst."

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