Die Navis lusoria "Keto"

  • Da Nero als Ranghöherer ihm das empfahl, war es in Ordnung und damit war es Gesetz. Während Nero die Mannschaft anfeuerte und die Keto weiter beschleunigte, verschränkte Sabaco die Hände hinter dem Rücken, setzte seine Offiziersmine auf und spazierte die Ruderreihen entlang.


    "Hergehört! Wir werden noch einmal wenden, der Artemis entgegenfahren und sie auf gleiche Weise passieren", erklärte er in den Pausen von Neros Gebrüll. "Sobald wir an ihr vorbeiziehen, gebe ich das Kommando, die Ruder hochzunehmen. Gleichzeitig hebt ihr eure Ärsche samt eurer Tunika hoch. Wir werden wir das andere Schiff auf unsere Weise grüßen. Also! Wende Steuerbord! Ausführung!"


    Sabaco spazierte zurück an seinen Platz. Die Keto beschrieb eine erneute Kurve und diese war perfekt. Was für eine schöne Kurve. Kurz darauf fuhren sie erneut an der Artemis vorbei. Ob alle Marini dabei mehr als nur ihr Ruder hoben, sah Sabaco nicht, weil er aufrecht an Deck stand, um in Rugas Gesicht zu sehen, während ihm ein Haufen weißer Ärsche zum Gruß entgegen leuchtete.

  • Natürlich würde der ungestüme Matinier versuchen es der Artemis heimzuzahlen. Doch wie er es machte und betonte war schon recht amüsant. Er ließ ihm seinen Triumph,...für etwa zwei Ruderschläge.

    Denn Marini, die ihre Ärsche entblößten konnten nicht rudern und brauchten auch eine Weile sich wie am Ruder einzurichten.

    Die Kommandos kamen und rissen den Männern das Grinsen aus den Gesichtern.

    Ein Knirschen ging durch die Artemis, als alle Ruder wie Senkanker in die Fluten stachen und danach die Blätter gedreht wurden. Das Boot schien wie von Titanenhand gebremst zu sein. Die Keto zog vorbei.

    Gleichzeitig flog das Segel auf, fast schon zu stark, es bedurfte einiger Trimmung um nicht ins Wanken zu kommen. Die Mannschaft warf sich gegen die Fallrichtung, so blieb der Kiel im Wasser und das Ganze sah dabei spektakulär aus, vermittelte dem Kennerblick aber die Gefahr und die Arbeit dahinter.

    Bug und Heck der beiden Schiffe verfehlten sich um Armeslänge und kurz darauf, die Nacktärschte dürften jetzt wieder an den Plätzen sein, trieb die Artemis an der Backbordseite vorbei und setzte die ersten Ruderschläge knapp neben den Rudern der Keto.

    Seine Schützen warfen einige Amphoren mit abgelaufenem Garum gegen die Bordwand der Keto.

    Wäre es ein Kriegsakt gewesen und dies griechisches Feuer,...nun,...man hätte es auch auf die Decksplanken werfen können, aber sie waren Kameraden,...hier ging es nur um das Spiel und nicht um Demütigung.

    Das Segel, die Ströumg, die kräftigen Ruderschläge, all das brachte die Artemis wieder vor die Keto.

    Ruga gestattete sich wieder ein leichtes Grinsen...als er am Ufer, 100 Fuß entfernt etwas leuchten sah...sofort war der Spieltrieb verdrängt und er gab Befehl zum Signal an die Keto. Gefahr!...Gefahr!

    Das Segel wurde eingeholt, die Fahrt wieder gebremst.

    Ruga versuchte etwas zu erkennen. Doch was er da sah war keine Freude.

    Zwei Körper hatten sich im Ufergeäst verfangen, die leuchtend rote Farbe ließ auf Legionäre schließen.

    Ruga befahl eine Bremswende und während sich die Artemis in Flußrichtung drehte gingen die Buganker über Bord. Das Gegenrudern stabilisierte das Boot in Sichtweite der Körper.

    Ruga wartete bis die Keta längsseits kam.

  • Unelegant kamen die entblößten Ärsche wieder auf ihre angedachten Plätze, als die Artemis mit dem Ramsporn nur knapp das Heck der Keto verfehlte. Dieser Punkt ging an Ruga. Sabacos Mundwinkel zuckten, als einige volle Amphoren den nagelneuen Rumpf der Keto trafen. Der Gestank, der ihm in die Nase stieg, verriet die Fracht. Für Sabacos Männer hieß das eine Zusatzschicht nach der Heimkehr, denn so stinkend würde das Schiff nicht bleiben.


    Na warte.


    Erneut beschleunigte die Keto, um das derbe Spiel fortzusetzen, doch etwas stimmte nicht. Schlagartig änderte sich die Stimmung an Bord des anderen Schiffes, noch bevor Ruga das Signal für Gefahr an die Keto rübergab. Ruga ließ halten und den Anker auswerfen. Sabaco sah auch an der Körperhaltung der Männer auf der Artemis, dass die Übung vorbei war. Sabaco bestätigte das erhaltene Signal. Sofort marschierte er an den Bug, so dass er einen guten Blick auf das Wasser hatte, während er Nero zu verstehen gab, am Heck zu verbleiben. Die Schützen drängten sich neben ihn und ihre Augen folgten seinem Blick.


    "Halbe Kraft ..." Seine Stimme klang nicht länger feurig erregt, sondern dunkel. Die gefühlte Rivalität zu Ruga verpuffte, als hätte sie nie existiert, als Sabaco einen kurzen Blick mit ihm wechselte. Langsam ließ Sabaco die Keto neben die Artemis fahren, damit er sehen konnte, worauf Rugas Mannschaft starrte. Zwei Körper trieben am Ufersaum.


    Oh Nein ... die Tuniken ... das waren Kameraden!


    "Zwei bewegungslose Personen im Wasser!", brüllte er, damit jeder wusste, was los war. "Anker, lass fallen."


    Die Strömung würde die Keto stabilisieren, es war momentan gleichgültig, in welche Richtung sie zeigte. Der Abstand zur Artemis war ausreichend, um diese nicht zu behindern. Sofort leitete Sabaco alle Maßnahmen zur Rettung ein. Er unterdrückte den Impuls, selbst ins Wasser zu springen. Er war ein hervorragender Schwimmer und konnte Leute aus einer Notsituation wie dieser holen, aber seine Aufgabe war es, zu koordinieren.


    "Trupp eins - Rettungstrupp bilden. Ansgar und Fiete", bellte er zwei seiner Marini aus Trupp eins zu. "Raus aus den Klamotten und rein ins Wasser!" Diese Sekunden, in denen alles Störende abgelegt wurde, mussten sein, damit Ansgar und Fiete sich nicht gefährdeten, denn Metallteile waren schwer und eine herumtreibende Tunika konnte sich im Geäst verfangen. Im ungünstigsten Fall hatte man sonst vier Notfälle statt zwei. "Eike! Maßnahmen zur Ersten Hilfe vorbereiten!" Eike war der Capsarius an Bord.


    Und an Nero gewandt rief er: "Ich übernehme den Rettungstrupp. Gubernator - Kommando über das Schiff."


    Wäre Sabaco allein, müsste er alles selbst im Auge behalten, doch sie hatten den Luxus, Arbeitsteilung vornehmen zu können und gerade in einer Notsituation wäre er dumm, das nicht zu nutzen. Die Männer zogen die Ruder hoch und Trupp eins erhob sich von den Bänken. Sie würden Ansgar und Fiete unterstützen, die regungslosen Menschen an Bord der Keto zu bringen. Angespannt krallte Sabaco eine Hand in die Reling, den Blick auf die beiden treibenden Körper gerichtet.

  • "Verstanden, Kommandoübernahme durch mich", bestätigte Nero und schaute ebenfalls angestrengt nach vorne. Der Anker der Keto griff, die Strömung hielt sie auf Kurs auch wenn sie etwas am schwojen war. Dafür hatte sie genug Seil.


    Nero machte sich keine Sorgen um die Keto, er hatte das Kommando und bis dato alles fest im Griff. Aber das vor ihnen sah nicht gut aus, Sabaco hatte gut reagiert. Der Gubernator hoffte, dass die beiden Kameraden gerettet werden konnten und das der Fluss keinen Tribut von ihnen gefordert hatte. Aber noch war alles offen und er wartete ab. Seine Aufgabe war klar, die Keto lag in seiner Hand. Den Rest übernahm Sabaco.



    Sim-Off:

    Schwojen: Tanzen/Bewegen des Schiffes am Anker

  • Na toll,...er sah Fiete auf der Nebenbank an und grinste über dessen Begeisterung, welche die seine noch übertraf. Schnell erhoben sie sich, ließen sich beim ablegen der Lorica helfen, Cingullum und Waffen abgelegt und ab an die Bordwand.

    Sie ließen sich abwärts gleiten und schwammen dann auf die beiden Körper zu.

    Das Wasser war recht kalt und es galt die Strömung auszugleichen.

    Bald waren sie bei dem Ufergestrüpp, in welchem sich die Körper verfangen hatten.

    Ansgar sah Fiete an, der inzwischen festen Boden unter den Füßen hatte. Da war nichts mehr zu machen. Die beiden waren mehr als tot. Nun hatte auch Ansgar festen Boden unter sich und watete zu den Körpern. Ihre Köpfe waren mit dem Gesichtern im Wasser, Arme und Beine sichtbar aufgequollen. Er griff den ihm am nächsten an die Schulter und versuchte ihn zu drehen.

    Er brach bald darauf einpaar hinderliche Äste ab und sah auf, als Fiete einen Ächzlaut von sich gab.

    Bald darauf stieß auch er die Luft aus. Sein Flussopfer hatte die Kehle durchtrennt und lag wohl schon seit Tagen im Wasser.

    Er schüttelte sich und zog den Toten aus dem Gestrüpp. Nach ein paar Schwimmzügen war er bei der Keto, band dem Toten ein herabgelassenes Seil um die Brust und sah zu wie man ihn an Bord hievte. Dann half er Fiete den zweiten Toten festzumachen.

    Als auf dieser hochglitt schwammen sie um die Keto herum, wohl um das Gefühl loszuwerden, die Toten würden an ihnen haften.

    Dann galt es an Bord zu klettern.

    Dort angekommen sahen sie kaum hin wie der Sub und ein paar Kameraden die Toten inspizierten. Ansgar schüttelte sich und wischte das noch vorhandene Wasser mit einem Halstuch ab bevor er wieder in die Tunica schlüpfte.

    Er dankte den Göttern noch am Leben zu sein und vor allem kein Wasser geschluckt zu haben, denn auch wenn die Toten nicht stanken, so sahen sie doch widerwärtig, ja albtraumhaft aus, aufgequollen und teilweise angefressen von was auch immer.

    Baldus, sein Rudernachbar half ihn mit betretener Miene in die Lorica und kurz darauf saß er wieder, mit leerem Blick auf der Ruderbank. Freiwilliger sein war Scheisse.

  • Eike untersuchte die beiden geborgenen Personen trotz ihres offensichtlichen Zustands, um dem sichtlich aufgebrachten Suboptio zu zeigen, dass er alles in seiner Macht Stehende unternahm. Der hatte die Gesichter der beiden Toten erkannt und beugte sich mit steinerner Miene über sie. Hätte Eike ein Wunder vollbringen können, so hätte er es. Doch er war Capsarius und das Wundervollbringen musste er den Heiligen überlassen. Nur durch den Mund atmend schaute sich die Halswunden an und drückte die Hände, welche die Totenstarre schon wieder hinter sich hatten. Dann sah er den Suboptio an und schüttelte den Kopf. "Die sind Ex", war alles, was es noch zu sagen gab.


    "Aber das sind Adalrich und Tiro", rief Sabaco, als würde dieses Detail etwas an den Tatsachen ändern. "Meine zwei Tirones!"


    Da lagen sie, die zwei Prinzesschen, über die ein jeder hatte gelacht. Aber sie waren Sabacos Prinzesschen gewesen, er hätte sie schon noch zu Männern geformt. Nun lagen sie hier, nur noch Fleisch, aufgeschlitzt und blutleer, kalt und aufgequollen. Aufgebracht drehte Sabaco sich in die andere Richtung, stapfte ein paar Schritte und kam wieder zurück. Er durfte jetzt nicht die Nerven verlieren.


    Neben Ansgar und Fiete blieb er stehen, sah sie an. "Ihr habt alles getan, was ihr tun konntet", sprach er nun ruhig. "Gut gemacht." Dabei legte er ihnen die Hand auf die Schulter und drückte diese kurz. Sie hielten sich tapfer, aber eine Wasserleiche zu bergen, die man obendrein im lebenden Zustand gekannt hatte, war eine nervenzerreißende Aufgabe. Kurz überlegte Sabaco, ob er Ansgar und Fiete für die Heimfahrt mit den Schützen abwechseln lassen sollte, damit sie pausieren konnten, entschied sich jedoch dagegen. Es war besser, wenn sie nun etwas zu tun hatten.


    Sabaco schritt weiter. Lauter und an alle gewandt sagte er: "Wie kurz Adalrich und Tiro auch bei uns gewesen sein mögen, sie waren ein Teil von uns. Sie werden immer Teil von uns sein. Sie haben alles gegeben, was sie geben konnten und waren würdige Soldaten Roms. Erweisen wir unseren beiden Kameraden den letzten Dienst. Eike, bette sie in Rettungsdecken. Wir bringen die Kameraden nach Hause, wo sie eine würdige Bestattung erhalten werden. Gubernator, ich übernehme wieder. Trupp eins an die Plätze, Schützen wieder in Position. Anker lichten und Kurs auf Mogontiacum, wir fahren heim."

  • Nero betrachtete die beiden Toten. In ihm sträubte sich alles, die Leichen an Bord zu holen. Jeder Fischer wusste, sollte sich ein Toter in seinem Netz verfangen musste er dieses Netz durchtrennen und den Toten der See überlassen. Aber dies hier war das Militär, sie gaben scheinbar nichts auf alte Bräuche und dem Wissen rund um die Schiffe.


    Die Toten waren zwei junge Männer, die sich bei ihnen beworben hatten. Zu schwach waren sie für die Classis gewesen, so dass sie schon vor dem ersten Seegang das Weite gesucht hatten. Der Fluss hatte sie sich zurückgeholt, auf andere Art und Weise. Ihre aufgeschlitzen und aufgedunsenen Körper waren in den Fluten getrieben und hatten sich im Geäst der Bäume verfangen. Ganz so als wollte der Fluss jene mahnen, mit ihm zu spielen. Niemand verschrieb sich der See und verließ sie wieder. Die beiden hatten es getan und teuer dafür bezahlt.


    Nero war eines klar, sein erster Gang sobald sie wieder an Land waren, galt dem Tempel. Die Keto musste dringend von einem Priester gereinigt und geweiht werden. Aber all das behielt er für sich, auch wenn möglicherweise sein finsterer Gesichtsausrdruck Bände sprach. Nero schaute Sabaco an, als dieser davon sprach dass die beiden ein Teil von ihnen gewesen waren.


    Wären sie es gewesen, wären sie vielleicht noch am Leben.


    Nero schloss für einen Moment die Augen und seine Hand umfasste fest die Reling der Keto.

  • Ansgar saß auf seinem Platz. Alles an ihm juckte und er meinte einen fauligen Geschmack im Mund zu haben. Selbst das Ausspülen mit Posca half nicht. Ihm war übel. Nicht nur wegen der körperlichen Dinge, auch wegen der Toten auf Deck. Es lief ihm eiskalt den Rücken herunter. Das würde die Keto sicherlich verfluchen.

    Die schönen Worte des Sub halfen ihm nicht. Man hätte sie nach der Bergung an Land bringen und dort bestatten sollen. Er fragte sich ob er das dem Sub vorschlagen sollte und sah den Gubernator an. Doch der hielt sich mit geschlossenen Augen an der Reling fest. Ganz toll. Blieb der Optio spei...Ansgar lugte rüber zur Artemis.

  • Das Miasma der Toten zog in übelriechenden Schwaden über Deck. Ein Schwarm Krähen erhob sich aus einer Weide am Ufer, um mit vielstimmigem Gekreisch über sie hinwegzuziehen. Da Sabaco Krähen mochte, was für einen Angehörigen des Militärs nicht selbstverständlich war, hieß er die kleine Abwechslung willkommen. An den Gedanken, dass die Götter das Schiff mit weniger wohlwollenden Augen sehen könnten, seit zwei Tote darauf lagen, kam er nicht. Seiner Meinung nach hassten die Götter ihn ohnehin. In Sabacos Welt gab es nur die Option, die beiden Kameraden zurück an den Ort zu bringen, an den sie gehörten. Adalrich und Tiro waren davongelaufen und hatten dafür mit dem Leben bezahlt. Sabaco würde die beiden Tirones wieder nach Hause holen, in einem anderen Zustand, als er sich wünschen würde, doch nach Hause. Die Keto würde langsamer vorankommen, wenn die Männer gegen Übelkeit ankämpfen mussten, aber früher oder später würden sie alle den heimatlichen Hafen erreichen.

  • Der Gubernator wartete einen Augenblick ab, dann trat er zu Sabaco.


    "Auf ein Wort Sub Optio", bat er und begab sich wieder nach achtern. Als Sabaco zu ihm aufgeschlossen hatte, schaute er ihn ernst an.


    "Bei Neptun die Kadaver müssen von der Keto. Sabaco wenn sich eine Leiche im Fischernetz verfängt, kappt man das Netz. Die Leiche, besser gesagt die Seele gehört der See. Findet sie allein aus dem Netz geht sie in die andere Welt über. Aber bei den Göttern niemand nimmt der See eine Seele die sie sich geholt hat. Die zwei waren nicht mal in einem Netz. Du machst aus der Keto ein Totenschiff, einen Seelenfänger. Wirf sie über Bord zurück ins Wasser. Oder schmeiß die Landratten an Land.


    Du untergräbst die Moral nicht, wenn Du auf die Bergung verzichtest. Sehr wohl aber, wenn Du die Kadaver der Kameradenschweine und Fahnenflüchtigen hier an Bord holst.


    Spürst Du nicht den üblen Hauch den sie schon jetzt verbreiten? Es waren Verräter Sabaco. Sie haben uns und der See den Rücken gekehrt. Das ist der Preis für einen gebrochenen Schwur.


    Retten wir sie, stellen wir uns mit ihnen gleich. Sie müssen von der Keto, jetzt. Ehe alles zu spät ist", flüsterte Nero Sabaco eindringlich zu.


    Notfalls würde er die zwei aufgedunsenen Diven zurück in den Fluss wuchten. Neptun war sein Zeuge!

  • Ruga verfolgte wie seine Mannschaft die Bergung der beiden Leichen. Er wunderte sich warum er die beiden nicht gleich nach der Identifikation wieder ins Wasser ließ. Offenbar gab es auch noch einen Disput zwischen dem Sub und dem Gubernator.

    Ruga fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger über das Kinn. Er beschloss zu warten, vielleicht war der Sub ja offen für Ratschläge.

    Er ließ die Artemis neben die Keto treiben, stütze sich mit einem Bein an der Reling ab und betrachtete interessiert die Vorgänge auf der Keto. Er war der Patrouillenführer, wie es weiterging lag allein an ihm.

  • Sabaco sah Nero noch lange an, nachdem dieser seine Ausführungen bereits beendet hatte, als ob er in dessen Gesicht die ganze Geschichte lesen wolle, die sich darunter noch verbarg. Die Augen des Gubernators wirkten nicht wirklich blau, sondern vielmehr blass wie die eines Fisches, gräulich und kalt. Die faltige Haut war wettergegerbt, auch wenn die Arbeit im Officium ihn hatte bleich werden lassen. Erst, als die Artemis neben die Keto aufschloss, wandte Sabaco den Blick von ihm ab, um zum Optio spei hinüberzusehen. Terentius Ruga war wie Nero eine Kreatur der See, genau so verwittert, genau so unergründlich. Der Optio spei wartete schweigend und beide Offiziere sahen Sabaco an.


    Stille lag über den Schiffen. Die Geräusche aus der Stadt wirkten so weit entfernt, als kämen sie aus einer anderen Welt, einer Welt des Lebens und des Lichts, während Sabaco spürte, wie sich die Dunkelheit über ihn legte. Er fröstelte, war froh über die zweite Tunika, die er unter der blauen Diensttunika trug, doch diese Kälte kroch nicht von außen über seine Haut.


    Er blickte zu den eingewickelten Körpern, sah die Konturen der Arme und suchte, wo die Gesichter lagen. Seine arbeitende Kiefermuskulatur ließ erahnen, dass einiges in ihm vorgehen musste. Sie offenbarte auch, dass diese Entscheidung ihre Zeit brauchte. Seeleute nannten eine andere Sicht auf die Dinge ihr Eigen, als der neue Suboptio es von der Legio gewohnt war. Karren rollten schwerfällig mit erdverklumpten Rädern durch seinen Geist, die Ladeflächen voll mit dem, was nach dem Gefecht übrig geblieben war. Doch Sabaco war nicht mehr bei der Legio und ein Transport für die Gefallenen nicht bei der Classis vorgesehen. Dass dies ein Scheideweg war, spürte er.


    "Gebt dem Rhenus, was des Rhenus ist", sprach er schließlich.

  • Es dauerte eine Weile bis der Sub etwas entschied...richtig entschied. Ruga nickte leicht und wandte sich ab. Die Artemis trieb etwas ab, in den Mitte des Flusses gingen die Ruder wieder ins Wasser. Ruga ließ leichten Takt rudern, quasi ein Ausgleich um das Boot auf Kurs zu halten. Es interessierte ihn nicht was der Sub mit den Leichen machte und wenn er um deren Status gewusst hätte, wer konnte das schon sagen. Bald kam eine Biegung,...er ließ die Bordschützen ihre Waffen klar machen.

  • Nero wartete bis sich sich Sabaco entschieden hatte. Die Entscheidung fiel ihm sichtlich schwer. Er dachte noch in alten Bahnen, jenen der Landläufer. Zudem dachte er zu gut von zwei Burschen, denen bereits die Musterung zu viel gewesen war. Solche Memmen wurden niemals Männer, sie hatten sich nicht einmal feige beim Wind verzogen, wo andere dem Sturm trotzten. Sie waren schon bei Windstille im Hafen flüchten gegangen. Männer die Arbeit scheuten und gemeint hatten die Welt hätte nur auf sie gewartet. Nun wartete tatsächlich jemand auf sie, der Rhenus und die Fische.


    "Er soll sie haben", sagte Nero mit fester Stimme.


    Mit sicherem Gang schritt Nero zu den beiden eingewickelten Leichen. Seine Finger gruben sich in den Stoff des ersten Leichnams und wuchtete ihn hoch.


    "Höre kleiner Bruder der See!", brüllte der Gubernator in einer Lautstärke die die Stille zerriss.

    "Die Keto und ihre Mannschaft erhebt keinen Anspruch auf diese Männer! Sie waren Dein, sie sind Dein", rief Nero und warf den ersten Leichnam über Bord. Der Zweite folgte einige Augenblicke später.


    Der Gubernator gesellte sich wieder zu dem Sub Optio.

    "Befehl ausgeführt. Vergiss auf der nächsten Fahrt nicht den Schluck für Neptun, am besten eine ganze Amphore für die Keto", sagte Nero erleichtert.

  • "Zwei. Eine für Neptun und eine für den zwiegehörnten Rhenus*", grummelte Sabaco und setzte sich hin. Ihm war nicht gut und er war dankbar, dass Nero die Seebestattung übernahm. Den Anblick, wie er die zwei eingewickelten Körper anhob und wie Getreidesäcke ins Wasser wuchtete, würde er so schnell nicht loswerden. Die Veränderung von atmendem Mensch zu reglosem, seelenlosen Fleisch - nicht greifbar, wenn man es nicht selbst gesehen hatte.


    Als die Keto den Rückweg antrat, erinnerten nur das Schweigen der Männer und der Geruch an Deck noch an die beiden Toten. Sie zogen an den baumbewachsenen Ufern vorbei und Sabaco entdeckte das erste braune Laub auf den Fluten treiben. Die Dinge schienen ihm seltsam fern und entrückt. Zug um Zug brachten die Ruderschläge die Keto und ihre Mannschaft in Richtung Mogontiacum. Sabaco empfand keine Freude. Sein Magen knurrte und seine Blase drückte. Eigentlich hatte er in Borbetomagus mit den Männern rasten wollen, damit sie etwas essen und sich die Beine vertreten konnten. Als sie an der großen Furt vorbeikamen, leuchtete kurz die Nachmittagssonne zwischen den grauen Wolken hervor, doch dann zog der Himmel wieder vollständig zu. Es waren keine Rinder mehr zu sehen und keine winkenden Bauern.


    Man roch die Stadt, bevor man sieh sah. Rund um die Uhr schickten zahllose Öfen schwarze Rauchsäulen hinauf in die Wolken. Jetzt, da es nachts kälter wurde, noch mehr als im Sommer. Pünktlich mit dem Einbruch der Dunkelheit grüßte die dunkle Mauer der Castra der Ala sie, auf der die Wachposten gelangweilt ihre Runden zogen. Das Hämmern der Schmiede in der Fabricia hörte man bis hier. Wie immer, wenn er daran vorbeikam - was bisher nur auf dem Landweg der Fall gewesen war - nahm Sabaco sich die Zeit, nach Ocella Ausschau zu halten, während die Keto sich an der 1000 pes vom Ufersaum entfernten Mauer vorbeischob. Es war aussichtslos, auf die Entfernung würde er seinen Bruder mit Helm und Rüstung nicht erkennen. Enttäuscht schaute er wieder nach vorn.


  • Den Zinnober des Gubernators verfolgte Ansgar, wie seine Kameraden mit gemischten Gefühlen. Bei dem Getöse was der Gubernator veranstaltete wurde auf der müdeste Flußgott aufwachen. Mit wachsendem Argwohn warf er immer wieder den Wasserspiegel. Aber außer den üblichen Linien und Kräuseln tat sich nichts. Die beiden Leichname trieben ungehindert gen Norden zur rauen See. Ansgar nickte wie um sich selbst zu bestätigen, daß alles gut war...

    Bald kam der Befehl zum Abrücken und sie folgten der Artemis, die im Gegensatz zu ihnen noch Manöver durchführte.

    Der Rest der Flusspatrouille verlief ohne weitere Zwischenfälle, er war dankbar als sie die Ausläufer der Stadt erkannten.

  • Sicher glitt die Keto durch die Hafeneinfahrt des Portus Militaris. Die Molen dienten als Ankerplätze, schützten aber zugleich das künstlich angelegte Hafenbecken vor der Abtragung durch die Strömung. Sabaco brauchte nichts zu sagen, die Männer wussten, was zu tun war. Nur er wusste es nicht. Das Leichenwasser musste herunter, aber wahrscheinlich musste auch noch ein Opfer her. Müde rieb er sich den Hinterkopf. Er wusste es nicht.


    "Die Keto muss noch gründlicher als sonst gereinigt werden. Kennt sich jemand mit Entsühnungen und so was aus? Muss die sofort erfolgen?"

  • Nero warf während der Fahrt argwöhnische Blicke auf das Gewässer. Der Gubernator las die Wogen, die Kräuselungen und in den winzigen Strudeln wie auch Unebenheiten. Der Rhenus blieb ruhig, sein Wohlwollen war weiterhin mit ihnen. Auch Neptun schwieg, keiner zeigte seinen Unwillen über den Fehler der begangen worden war. Ein Fehler, den sie schnellstmöglich korrigiert hatten. Nero hoffte dass dies Neptun wie Rhenus milde gestimmt hatte. Kein Bote war entsandt worden, kein Zeichen war zu lesen was anderes verkündete.


    Nero wischte sich erleichtert über die Glatze und schaute über die Männer, er hatte laut genug verkündet wem die beiden Seelen gehörten. Ihre Männer waren wohlauf, Neptun sei Dank. Gerade als er sich minimal entspannte, zersplitterte förmlich seine entspannte Mimik, als der Sub Optio eine Frage stellte, die ihm fast Seepocken bescherte.


    Umbrenus Augen zuckten wie eine Viper zu seinem Vorgesetzten herüber. Das war ein Test, wie Nero wusste. Was er nicht wusste, war wer eigentlich getestet werden sollte. Die Keto, Sabaco oder er? Gut er ging nicht davon aus, dass jemand für den Test die beiden Diven gemeuchelt und in den Rhein geworfen hatte. Tests sollten natürlich unter so echten Bedingungen wie möglich abgehalten werden, aber das wäre dann doch etwas zu viel des Guten.


    Der Gubernator atmete durch und nickte beipflichtend. Konnte man Falten auf der Glatze bekommen? Vermutlich war er der Erste mit Stirnfalten bis zum Nacken. Gleichgültig, er musste für die Keto, den Sub und ihre Männer handeln. Sorge war sein Beruf, ebenso die Steuerung, notfalls auch durch religiöse oder nautische Sitten und Bräuche.


    "Richtig, wir müssen die Keto grundreinigen damit kein Unheil an ihr haftet. Wir bringen Neptun und Rhenus ein Trankopfer dar und wir müssen einen Priester herbeischaffen der die Keto reinigt und weiht. Und das so schnell wie möglich. Welcher Tempel liegt in der Nähe? Haben wir einen Priester in der Nähe?", fragte Nero an alle gewandt.

  • Die Keto lief ohne weitere Zwischenfälle in den Hafen ein. Nachdem sie vertäut war kam es zur Frage der Säuberung, die ja nach einer Fahrt ohnehin anstand. Ansgar hatte sich auch schon gefragt ob da vielleicht zusätzlich etwas zu geschehen hatte. Auf die Frage nach dem Priester hob er die Hand und meldete,

    Einen Priester nicht, aber für solche Dinge ist doch der Coronarius zuständig?!

    Was ein kleines Problem aufwarf, denn der amtierende Coronarius war niemand anderes als der Optio spei,...Terentius Ruga,...der Patrouillenführer. Dessen Boot, die Artemis war aber nirgends zu sehen. Ansgar bekam zu seinem ohnehin verunsicherten Gemütszustand noch ein weiteres Gefühl, ein mulmiges hinzu.

    Auch er hatte nach der Geschichte mit den beiden Toten keinen Gedanken mehr an die Patrouille verschwendet. Er dachte vielmehr an Wiedergänger und andere unheimliche Dinge. Wie ertappt sah er die beiden Offiziere an und war in diesem Moment froh nicht in deren Haut zu stecken.

  • Ein Muskel arbeitete an Sabacos Wange, während er das Mienenspiel des Gubernators beobachtete und ihn nicht aus den Augen ließ. Aus seiner Zeit bei der Legio, die er mit einem wahren Zuckerstückchen von einem Ausbilder hatte durchleben müssen, war er es gewohnt, dass ihm in solchen Momenten vor versammelter Mannschaft der Kopf abgerissen wurde. Zu seiner Überraschung folgte jedoch eine ruhige und durchaus wohlwollende Erklärung. Er richtete sich weiter auf und entspannte sich.


    "In der Nähe des Kriegshafens gibt es ein Sacellum des Merkur und eine Jupitersäule. Zu beidem gehört aber keine Priester, das sind nur den Göttern geweihte Orte, die jeder benutzen kann. Ein Heiligtum der Magna Mater befindet sich in der Stadt. Sonst ist mir in Mogontiacum kein Tempel bekannt."


    Der einzige von Priestern bemannte Tempel musste natürlich ausgerechnet diesen Kult beherbergen! Kurz dachte er an Zmertorix und fragte sich, ob er tatsächlich einen Eunuchen in Damenkleidern an seinem Schiff herumfummeln lassen sollte. Waren Frauen nicht auf Schiffen verboten? Gestresst stemmte er eine Hand in die Hüfte, die Stirn von Sorgenfalten zerklüftet, als Ansgar den rettenden Hinweis gab.


    "Der Coronarius, na klar", freute Sabaco sich. "Terentius Ruga wird bald eintreffen. Bis dahin putzen und wienern wir die Keto, bis sie glänzt! An die Arbeit!"

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