• Als Nero ihn anstarrte, blickte Sabaco ruhig zurück. Er kannte die Suche in der Mimik des anderen, die Suche nach der Lüge, nach dem Verrat. Das ewige Misstrauen, die Suche nach der Bestätigung seiner bösen Vorahnung. So ließ er Nero in seinen Augen lesen, denn Sabaco hatte gerade nichts zu verbergen. In dem Moment erkannte er, dass diese Suche gar nicht der Grund war, warum Nero ihn anstarrte. Nero kam lediglich Sabacos Drang, das Verhalten der Leute zu sezieren, entgegen, indem er ihm alles offenbarte, was man aus seinem Gesicht nur lesen konnte. Sabacos Nackenhaare richteten sich auf, als ihm die Tiefe des Blickes bewusst wurde, er hatte das Gefühl, ins Wasser zu fallen und komplett unterzutauchen, bis hinab zum schlammigen Grund, nur um dort die Flussperlmuscheln zu finden, nach denen er bisher vergebens gesucht hatte. Er spürte es als eine Gänsehaut, die sich sogleich wieder entspannte.


    Als Nero weiter auf Erkundungstour ging, schloss Sabco halb die Augen, den verschleierten Blick auf das Feuer gerichtet. Nero ließ es ruhig angehen und spannte ihn auf die Folter. Sabaco war es nicht unbedingt gewohnt, sich Zeit zu lassen, denn das tat er nur, wenn er auch mit dem Herzen bei der Sache war. Wie oft kam das vor? Gemessen daran, wie umtriebig er in den 27 Jahren seines Lebens gewesen war ... wie er Menschen konsumiert hatte ... verschlungen, gefressen, abgenagt fallen gelassen ... fast nie. Er benötigte keine ganze Hand, um diese Gelegenheiten an den Fingern abzählen zu können. Seine Hände wanderten nun zu Neros Schultern und über die Oberarme, wo sie die gut entwickelten Muskeln fest drückten, die ihm gefielen.


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    Nero würde er nicht fressen und wieder auswürgen ... er würde ihn fressen und zu einem untrennbaren Teil von sich machen.

  • Eine Pause kehrte ein, ausgefüllt von Neros Herzschlag und seinem Atem, der sich langsam beruhigte, während sie still übereinander lagen. Vor der Tür ging irgendjemand vorbei und am Fenster rüttelte der Wind. Im Schankraum zerbarst ein Becher und die Gäste johlten. In ihrer Kammer waren sie von allem Weltlichen entrückt. Die Geräusche erreichten sie nur gedämpft. Sabaco streichelte Neros verschwitzten, glitschigen Rücken, das Feuer knisterte. Im Raum war es nun wohlig warm.


    Während Nero langsam wieder zu Atem kam, war Sabaco noch immer in bester Stimmung, übte sich in Geduld, gab ihm Zeit, das Nachbeben zu genießen, während er selbst es kaum noch aushielt. Als er fand, es sei genug, wälzte er sich ohne Vorwarnung mit Nero herum.


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    Als der Sturm vorüber war, lagen sie einträchtig nebeneinander, draußen wurde es langsam ruhig. Sabaco hatte den Arm über Nero gelegt. Seine Augen glommen im Feuerschein, er schlief nicht, noch döste er. Er lag mit allen Sinnen wach und betrachtete ihn. Nero musste sich immer wieder befummeln und küssen lassen, ehe Sabaco wieder still lag und ihn erneut anstarrte.

  • "Hast du das Geld dafür, wenn du schon kein Grundstück hast? Dann kaufen wir uns ein Hausboot. Die Idee ist die Beste seit langem. Das Hausboot machen wir im Zivilhafen fest und jedes Mal, wenn wir unsere Ruhe haben wollen, schnappen wir uns das Angelzeug und schippern los. Oder bleiben im Hafen vor Anker liegen und schließen hinter uns die Tür."


    Zärtlich zwickte er Nero mit den Zähnen in die Wange, nur um ihm hernach erneut die Zunge in den Mund zu schieben. Dort streichelte sie ihn und bohrte ein wenig, ehe er sie wieder einzog.


    "Jetzt aufzustehen und zurück in die Castra zu marschieren, ist keine gute Aussicht." Seine Hand fuhr langsam über die Glatze, die er nicht erwähnen durfte, weil Nero sie nicht freiwillig trug, die Sabaco aber mochte. "Es gibt Pflanzen, die das Schlafbedürfnis reduzieren. Das Germanenpack verrät die Kräutermischung nicht, vermutlich irgendwelches Giftzeug, mit dem man auch wen umbringen könnte, aber in kleinen Mengen ist es praktisch. Nächte wie diese könnten wir damit einfach durchmachen und am nächsten Morgen direkt auf den Campus marschieren. Man darf es nur nicht übertreiben, irgendwann holt einen der Schlaf in Form einer tiefen Ohnmacht ein. Wäre ungünstig, wenn das im Alarmfall passiert."


    Die Vorstellung, sich nun aus dem warmen Bett zu schälen und nebeneinander in gefühlten zwei Meilen Abstand voneinander durch die Kälte zurückzugehen, missfiel Sabaco zutiefst. Hier drin war es gemütlich.


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  • "Mich?", fragte Sabaco erschüttert.


    Dann fuhr er plötzlich herum, als hätte er hinter seinem Rücken etwas gehört. Doch da war nur das Fenster. Er reckte sich und sah sich im ganzen Raum um, dann sprang er auf, zog den Pugio, ging leise zur Tür. Er drehte den Schlüssel herum. Nackt und durchgenudelt wie er war, öffnete er und schaute nach rechts und links in den Gang. Nichts. Er schloss sie wieder ab, schob den Pugio zurück in die Scheide. Schnaufend ließ er sich neben Nero nieder, schob den Arm über ihn und zog ihn fest an sich heran.


    Sabaco wusste, dass Nero die Wahrheit sprach. Aber das L-Wort war gefährlich. Es war wie mit dem Tod: Man hoffte, ihm bis ins hohe Alter zu entgehen, indem man ihn nicht beim Namen nannte.


    "Wir haben es gewusst von dem Tag an, da du mich am Rhenushafen gefunden hast, nicht wahr? Du hattest Schiss, aber du hast es auch gespürt. Es lag wortlos zwischen uns, ein unsichtbares Band, das wir heute zur Kette geschmiedet haben. Manche Dinge sind unabänderlich, Speichen im Rad des Schicksals, Säulen im Palast der Wahrheit, zu groß und zu mächtig, um etwas dagegen zu tun. Wir waren dazu bestimmt, heute hier zu liegen, die Summe aller Augenblicke hat uns hierhergeführt. Da soll noch einer an den Unsterblichen zweifeln."

    Er redete sich in pathetische Stimmung, wozu der Wein in seinem Blut einiges beitrug. Bei den Göttern, Sabaco wollte diesen Mann!


    "Es ist gut, dass du mich überall spürst, so vergisst du mich nicht beim ersten Hahnenschrei. Wir haben es besiegelt, Nero, du gehörst jetzt mir. Wenn man das Liebe nennt, dann liebe ich dich. Es gibt keine Zweifel über die Richtigkeit, es muss so sein. Am Ende wird sich alles fügen. Wir werden uns das Hausboot kaufen. Es wird unsere Insel, wo Wasser und Land sich berühren."

  • Kaum hatte er Saba gesagt was er empfand, da spitzte dieser die Ohren. Ein erstauntes "mich" entrang sich Sabacos Kehle, ehe er aufsprang und lauschte. Der Seehund zückte seine Waffe und schlich zur Tür. Sabaco öffnete sie, schaute von links nach rechts und verschloss die Tür wieder. Einen Atemzug später schloss er ab. Erst dann ließ er sich neben Nero nieder, der nun seinerseits in höchster Alarmbereitschaft war. Was hatte Saba gehört? Fragend schaute er ihn an und nickte leicht Richtung Tür.


    Als Sabaco dann etwas sagte, hatte das überhaupt nichts mit der Gefahr zu tun, die er vorher scheinbar bemerkt hatte. Oder es hatte nie eine Gefahr gegeben. Die Worte waren die reine Wahrheit, sie beide hatten von Anfang an gewusst, wie es enden würde. Nein nicht wie es enden würde, denn es endete nicht. Das würde es niemals. Nero schloss die Augen, lächelte versonnen und machte es sich erneut neben Sabaco gemütlich.


    "Wir beide haben es gewusst und ja, ich hatte Angst. Mehr als Du Dir vorstellen kannst. Ein falsches Wort, ein missverstandener Blick und alles wäre verloren gewesen. Das was ich befürchtet habe ist nicht eingetreten. Das was ich mir wünschte voll und ganz. Poethische Worte, die ich gerne unterschreibe. Die Gezeiten der Zeit haben uns an den gleichen Strand gespült Sabaco. Einen Seehund und ein Seepferd, wir stellen die Entscheidungen des Meeres nicht in Frage. Wir tanzen lieber auf seinen Wellen und fühlen uns der Umarmung seiner Fluten Zuhause.


    Dich vergessen? Ich werde Dich niemals vergessen, oder verlassen oder ziehen lassen. Das weißt Du so gut wie ich. Auch wenn mir gerade alles schmerzt, aber ich weiß wovon und dass verwandelt den Schmerz in Süße", antwortete Nero leise an Sabacos Brust.


    "Ja das stimmt, ich gehöre Dir und Du mir. Ein besiegelter Bund Sabaco, aber es schadet nicht, die Besiegelung zu wiederholen", lachte Nero leise.

    "Unser Hausboot wird viel mehr sein, als unsere Insel Sabaco. Sie wird unser Zuhause sein. Unser Ort, wo Du Deine kleinen Heiligtümer aufstellen kannst und wo ich meine Schätze verwahre. Ein Ort wo wir den Abend ausklingen lassen können und zieht die erste Kälte auf, dann wärmen wir uns an einer Feuerschale und an uns. Dort im Hausboot Saba, trifft mehr aufeinander als Wasser und Land. Viel mehr", flüsterte Nero und küsste Sabaco.

  • Sie verbrachten noch einige Stunden miteinander. Einzuschlafen wagte Sabaco nicht, aus Angst, morgens zu spät zum Dienst zu kommen. Er ließ auch Nero nicht viel Ruhe. Als sie endlich aufbrachen, dämmerte grau der Morgen. Die Handwerker begannen ihr Tagewerk, die Händler bereiteten ihre Stände vor. Die alte Asche wurde von den Hausfrauen aus den Häusern gebracht, neues Holz nach drinnen geschleppt, die Feuer in den Öfen neu entfacht. Mogontiacum erwachte zum Leben.


    Müde, aber glücklich kehrten Nero und Sabaco in das Castellum der Classis Germanica zurück. Es war noch genügend Zeit bis zum Weckruf und so gönnten sie sich ein frühmorgendliches Bad im heißen Becken der Therme, ehe der Dienstalltag sie wieder hatte. An Schlaf war in dieser Nacht nicht zu denken gewesen, doch Sabaco fühlte sich dennoch auf eine merkwürdige Weise erholt und erfrischt.

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