• Die Zeit seit dem Tod der Matinia und der deswegen abgebrochenen Sitzung der Societas Veneris war im Flug vergangen. Die Schwangerschaft hatte mich in den letzten Tagen gezwungen immer weniger zu arbeiten und immer mehr dem Maiordomus und den Sklaven zu überlassen. Ich fühlte mich wie eine riesige Ente, watschelte vermutlich auch wie eine herum und brauchte bereits nach kurzer Zeit wieder eine längere Pause.


    Einige Male hatten sich Schmerzen gezeigt und die Hebamme hatte in einem Zimmer des Hauses ihr Quartier bezogen. Noch machte sie sich keine Sorgen, doch der von ihr berechnete Geburtstermin war schon einige Tage vorbei. Mit jedem Schmerz konnte die Geburt beginnen und ich hoffte inständig, dass das Kind nicht warten würde bis Florus sein Amt als Volkstribun antreten durfte sondern noch vor dem offiziellen Beginn der Amtsperiode zur Welt kommen würde.


    Natürlich hoffte ich auch, dass es ein Junge werden würde, ein Erbe, doch das lag nicht mehr in meinen Möglichkeiten zu entscheiden.

  • Der Maiordomus war gerade dabei die von mir beauftragten Arbeiten zu verteilen, da ertönte ein langgezogener Schrei, gefolgt von einem kläglichen Wimmern. Erschrocken sahen sich alle an, der Maiordomus runzelte seine buschigen Brauen. Alle sprangen auf. "Bei allen Göttern!" rief jemand. "Das Baby!"

    Schnell rannten einige Sklaven in mein Zimmer. Ich lag auf dem Boden und atmete tief ein und aus. Eine Sklavin fächelte mir Luft zu. Die Hebamme stürmte herein und kniete sich neben mich. "Stella, was ist los?", fragte sie atemlos. "Ich weiss nicht genau", presste ich hervor, "aber eben fühlte es sich so an, als hätten die Wehen eingesetzt ... jetzt gerade ist es wieder besser."

    Die Hebamme hielt meine Hand. "Alle Männer verlassen jetzt den Raum!" ordnete sie als Erstes an. Die männlichen Sklaven wandten sich zum Ausgang. "Dass das Kind etwas zu spät kommt ist kein Problem", sagte die Hebamme. "Eine oder zwei Wochen machen nichts aus. Aber wir müssen jetzt schnell alle Vorbereitungen treffen. Wir brauchen einen Badezuber und heisses Wasser, dazu sauberes Olivenöl und Wein. Ausserdem Schwämme und Wollbinden, und natürlich den Gebärstuhl."

    Die Hebamme legte in den nächsten Stunden in aufgewärmtem Olivenöl getränkte Tücher auf meine Stirn und meinen Bauch, den sie unablässig massierte. Die Schwämme waren zum Säubern gedacht und die Wollbinden für das Baby, das gleich nach dem Waschen darin eingewickelt werden sollte. Der seltsame Gebärstuhl war eine Vorrichtung zur Erleichterung der Geburt: Im Sitzen sollte das Baby leichter zur Welt kommen.


    Unter Anleitung der Hebamme verbrannten die Sklavinnen duftende Kräuter und beteten zu Fortuna Primigena, die mir die Schmerzen nehmen und das Kind beschützen sollte. Als nach einigen Stunden das Baby zur Welt kam und ich es glückstrahlend in den Arm nehmen konnte, liefen mir Tränen der Rührung und Anstrengung über die Wangen. ... Es war ein Junge.


    Sim-Off:

    Text stark gekürzt und massiv an die Situation angepasst aus: Aurea Bulla, Latein. Mehrsprachigkeit. Kulturgeschichte, Lehrbuch der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft, M. Müller, R. Gutierrez, A. Netti, K. Wesselmann, Liestal 2016

  • Den ersten Schrei von Stella hatte ich nicht gehört, aber die allgemeine Aufregung im Haushalt hatte ich natürlich mitbekommen. Auch meine Leibdienerin Mella und ich waren Teil der Aufregung im Geburtsraum. Während die Sklaven und die Hebamme sich um alles Wichtige kümmerten, nahm ich meine Rolle als Stütze für Stella wahr. Ich hielt ihr die Hand und sprach ihr gut zu. Ab und an reichte ich ihr kühles Quellwasser und warf immer mal wieder ein Auge darauf, dass die Hebamme alles im Griff hatte. Auch ich betete immer wieder zu den Göttern, dass Stella und das Kind gesund sein würden.


    Als nach den Presswehen endlich das Kind auf die Welt kam, rollten auch mir die Tränen vom Gesicht in purer Erleichterung. Die Anspannung der letzten Stunden löste sich und ich umarmte Stella überschwänglich. "Du hast es geschafft, Stella." Es war nicht die erste Geburt, bei der ich anwesend war, aber es war jedes Mal wieder ein monumentales Erlebnis, das nicht ohne einen Strudel an Emotionen an mir vorüber zog.

  • Nach der Arbeit der letzten Stunden war ich todmüde und wollte nur noch schlafen. Crispina war die ganze Zeit bei mir gewesen und hatte mich unterstützt, was ich jedoch kaum wahrgenommen hatte. Die Mischung aus Schmerzen, Pflichtgefühl und Versagensangst hatte mich derart auf Trab gehalten, dass ich mich nur auf die Hebamme konzentrieren konnte.


    Nun sicherte mir diese zu, dass sie mich wecken würde, wenn Florus nach Hause kam und dass das Kind bis dahin gewaschen und gut behütet sein würde. Wenig später war ich im Land der Träume angekommen, wobei ich zu erschöpft war, um zu träumen.

  • Als ich am Abend nach Hause kam war sehr schnell klar, dass dies kein Abend war wie jeder zuvor. Die Sklaven behandelten mich leicht anders, Stella erwartete mich auf der Schwelle zu unseren Zimmern und ihr Bauch war deutlich kleiner als am Morgen.

    Als ich auf Stella zutrat und sie schon fragen wollte, was geschehen sei, trat von der Seite die Hebamme herbei und legte mir ein kleines Bündel vor die Füsse.


    Für einen Moment war ich überwältigt und es dauerte wirklich etwas, bis ich realisierte, was dies zu bedeuten hatte:


    Unser KIND war da! Ich war Vater!


    Ohne weiter zu zögern hob ich das Bündel auf. Mir war es in diesem Moment völlig egal, ob es ein Knabe oder Mädchen war. Es war Stellas Kind, mein Kind, unser Kind und da durfte es keinen Zweifel geben! Mit dem kleinen Ding im Arm ging ich zu Stella hinüber und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn.


    Du gehörst ins Bett, Liebste! Ruh dich jetzt aus, das ist wichtig!

    Erst als ich darauf die fragenden Blicke Stellas bemerkte, wurde ich mir bewusst, dass meine Freude und Liebe zu ihr mich ganz vom Nachwuchs abgelenkt hatte.


    Ist es ein Junge? fragte ich dann pflichtbewusst und als ich Stellas breites Lachen sah und sie dazu noch nickte, übermannten mich die Gefühle. Ich sank in mir zusammen, meinen Erstgeborenen im Arm und schluchzte vor mich hin.


    Was meinst du zu Faustus Annaeus Primus? stellte Stella in den Raum, während sie zu mir trat und mir über den Kopf streichelte.


    Das tönt fantastisch! war alles, was ich noch hervorbrachte, bevor ich definitiv die Beherrschung verlor und weinend meinen Jungen küsste.

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    DOMINUS FACTIONIS - FACTIO ALBATA

    SODALIS - AUGUSTALES

    Klient - Marcus Decimus Livianus

  • Faustus, oder wie wir ihn nannten, Primus, machte prächtige Fortschritte. Er war ein richtiger Lausebengel geworden seit seiner Geburt. Die Zeit, in welcher er bloss schreien konnte, wenn ihm etwas nicht passte, war scheinbar vorüber. Er hatte angefangen in der Domus umher zu krabbeln. Nun musste man aufpassen, dass er nicht plötzlich verschwunden war, wenn ihm etwas nicht passte oder ihn die Neugierde wieder einmal packte. Die Amme war natürlich auch noch da und ich hatte mir fest vorgenommen, mich auch um meinen Sohn zu kümmern und ihn nicht von einer Fremden erziehen zu lassen, auch wenn dies in der gehobenen Gesellschaft Roms durchaus üblich war.


    Zum Glück waren Stufen noch ein Hindernis und somit waren einige gefährliche Orte in der Domus noch kein Thema. Trotzdem hielt uns der Kleine immer auf Trab. Kleine Püppchen und Tierchen waren im Moment seine Spielsachen und seine alltäglichen Sorgen schienen sich im Moment noch um das Essen zu drehen.

  • Zwischen der Hausarbeit und der Karriere meines Mannes, gehörte Primus, oder eben Faustus Annaeus Primus, wie er offiziell hiess, zu meinen grössten Aufgaben. Ich hasste es, im Vordergrund zu stehen und obwohl ich natürlich meinen Mann bei seiner Arbeit als Curator Aquarum unterstützte wo ich konnte und er mich immer wieder um meine Meinung und Einschätzung bat, genoss ich es, dass meine eigentlichen Aufgaben in der Domus und somit auch bei unserem Sohn lagen. Noch war er zu klein, um einen Lehrer zu erhalten, der ihn den halben Tag von mir fernhalten würde und auch die Amme, welche wir natürlich eingestellt hatten, durfte ihn nicht ständig betreuen.


    In der Zwischenzeit hatte Primus gelernt zu gehen und auch erste Worte und Sätze hatte er bereits erfolgreich von sich gegeben. Er ass und trank, nicht mehr von meiner Brust, worauf ich entgegen der alten römischen Traditionen bestanden hatte, sondern mit den Händen und aus einem kleinen hölzernen Becher, den wir extra für ihn gekauft hatten. Seine erste Phase des Zahnwuchses hatte er hinter sich gebracht und das tägliche Geschrei, welches zum Teil fast ohne ersichtlichen Grund die Domus erfüllt hatte, wich wieder glücklichem Lachen.


    Primus Tage waren erfüllt mit Spass und Spiel, vom Holzschwert über die Spindel und den Webstuhl, bis zur Wachstafel und den Stilus, Würfel-, Nuss- und Steinspiele. Gerade im Moment waren wir damit beschäftigt, 5 kleine Wirbel eines Kaninchens aufzuwerfen und so viele wie möglich auf dem Handrücken zu fangen. Primus kleine Hände waren dabei erstaunlich geschickt, aber trotzdem waren die Wirbelchen noch immer zu gross, als dass er mehr als jeweils 1 hätte auffangen können.

  • Ein komischer Tag


    Der heutige Tag stand entweder unter komischen Sternen oder es war sonst irgend etwas nicht in Ordnung. Primus war den ganzen Tag lang mürrisch gewesen, hatte das halbe Haus gegen ihn aufgebracht, die Sklavinnen und Sklaven verrückt gemacht und auch mich komplett genervt. Nichts war gut genug heute, nichts machte Spass, alle waren doof oder gar noch schlimmer. Ich hatte bis anhin gar nicht gewusst, dass der Kleine bereits solche Worte kannte, die er heute in Massen versprühte.


    Als dann Florus nach Hause kam, sich mehr oder weniger wortlos eine Buchrolle schnappte und sich ins Officium verzog, war der Tag für mich definitiv gelaufen. Ich stellte sicher, dass Primus rechtzeitig in seinem Zimmer war, beauftragte die zuständigen Sklavinnen, sich entsprechend um ihn und seine Nachtruhe zu kümmern und verzog mich ins Cubiculum.

  • Die Zeit des Wahlkampfes brach an und entsprechend wenig würden wir in den nächsten Monaten unseren Mann und Vater sehen. Wahlkampf war immer zeitaufwändig und auch Abends würde Florus bald kaum mehr hier sein, sondern sich an Festen und Cenae mit Politikern, Senatoren, Juristen und anderen wichtigen Männern treffen. Vielleicht würden wir selbst auch einige Cenae ausrichten müssen und Primus würde sich entsprechend verhalten müssen.

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