Genauer gesagt war es die Straße von Satala nach Melitene, wo die XII Fulminata ihren Standort hatte, die sanierungsbedürftig war. Im unmittelbaren Umfeld von Satala war die Straße in Ordnung, bis zum zweiten Meilenstein jedenfalls – danach war der Zustand nur noch... mäßig. Schon älter und oft repariert, aber nicht so oft und gründlich wie es wohl nötig gewesen wäre. Hadamar vermutete, dass da wahrscheinlich einfach von der Provinzverwaltung gespart worden war, und jetzt durfte die Legio sich mal wieder drum kümmern. So oder so: anstatt sie ein weiteres Mal zu reparieren, was wahrscheinlich auch nicht allzu viel gebracht hätte auf Dauer, war nun offenbar beschlossen worden, doch etwas mehr Geld in die Hand zu nehmen und sie jetzt vernünftig zu sanieren, mitsamt der darunter liegenden Schichten, damit man ein paar Jahre wieder Ruhe damit hatte.
Als sie beim zweiten Meilenstein angekommen waren, war bereits zu sehen, dass mit den Arbeiten auch schon begonnen worden war. Sehr gut. Sollten seine Leute ruhig sehen, dass dafür eigentlich schon andere Milites eingeteilt gewesen waren und sie das jetzt tatsächlich nur abkriegten, weil ein paar von ihnen sie in die Scheiße geritten hatten.
Sie machten also da weiter, wo die Kameraden tags zuvor aufgehörten – Kameraden, die jetzt gerade wahrscheinlich am Jubeln waren, dass sie vom Straßenbau erlöst waren. Hadamar teilte seine Leute ein, schickte ein Contubernium voraus, um zu prüfen wie weit die obere Schicht der Straße schon aufgerissen war, die nächsten hatten sich um die abgedeckten Steine zu kümmern, die kaputten beiseite schaffen, die vernünftigen ordentlich zu lagern, weitere sollten den Untergrund prüfen, und die, die für all das hier erst verantwortlich waren, bekamen die schönste Aufgabe: Ausgraben der unteren Schichten, wo es nötig war, und Erneuern. Und weil das die waren, denen er am meisten auf die Finger schauen wollte – und er gleichzeitig fand, dass er die Plackerei selbst irgendwo verdient hatte, auch wenn er das vor seinen Männern nicht laut sagen würde, die sollten ruhig glauben er machte das, damit sie sich auch ja keinen Schlendrian erlaubten – war auch klar, wo er die meiste Zeit sein würde.
Sie waren schon einige Stunden am Schuften, und trotz des Wetters, das eindeutig vom kommenden Winter kündete, schweißüberströmt, als Hadamar von seinem Optio gerufen wurde. Er schwang sich aus dem Graben heraus und ging auf den Mann zu – nur um neben ihm einen Zivilisten zu sehen. Sklave, wenn er die Aufmachung richtig deutete, aber mit römischem Sklaventum und was zumindest manche darunter verstanden hatte Hadamar noch nie sonderlich viel anfangen können. Für sich schob er das immer in die Kategorie Muntlinge, von denen seine Familie in Germanien auch einige hatte, und ging entsprechend mit ihnen um – Bedienstete halt, wenn auch von der Art, dass sie ohne Einwilligung des Muntherrn nicht einfach so die Arbeitsstelle wechseln konnten, dafür aber im Prinzip oft Teil der erweiterten Familie waren. „Ja?“
„Aleksan ist mein Name. Ich komme von der Verwaltung und bin beauftragt, die Arbeiten zu überwachen.“
Hadamar verengte die Augen. Irrte er sich, oder klang der Kerl amüsiert? Er wechselte kurz einen Blick mit seinem Optio und wiederholte: „Überwachen.“
„Überwachen“, wiederholte der andere nickend, und sah dabei so aus, als könne er sich ein Grinsen nur schwer verkneifen, und ergänzte in gespielt hilfreichem Tonfall: „Ich kann es auch buchstabieren, wenn es dem Verständnis dienlich ist.“
Hadamar starrte ihn. „So einer bist du also.“
Aleksan setzte eine unschuldige Miene auf. „Ich weiß nicht, was du meinst, Centurio.“
Für einen winzigen Moment war Hadamar versucht, ihm jetzt schon ein paar Takte zu erzählen. Wie das hier laufen würde, und vor allem, wie es nicht laufen würde. Dass er nicht die geringste Lust darauf hatte, sich jetzt auch noch mit jemandem wie ihm rumzuschlagen. Er kannte solche Sklaven. Sirius, der Sklave seines Vetters, war so einer von der Sorte – der zwar, nach allem was Hadamar mitbekommen hatte, Alrik treu ergeben war, aber auch immer ausgenutzt hatte, dass Alrik ihn nie wirklich als Sklaven gesehen hatte, sondern halt als: Muntling, und ihm für römische Verhältnisse daher viel hatte durchgehen lassen. Oder Linos, der Sklave des Legatus Legionis der II, damals, als er dort Tiro und Legionär gewesen war. Meine Fresse, wenn er nur daran zurückdachte wie der Kerl es damals geschafft hatte, ihn quer durchs Castellum zu jagen auf der Suche nach sämtlichen Tesserarii, und das abends bis in die Nacht hinein, wo er von den meisten eins auf den Deckel gekriegt hatte wegen der Störung. Und das, nur um bei der Berichterstattung danach, die durch Zufall der Legat persönlich entgegengenommen hatte, zu erfahren, dass Linos das eigentlich selbst hätte machen sollen. Für die Aktion hatte er Linos wirklich Respekt gezollt, so was musste man erst mal hinkriegen. Stinksauer war er trotzdem gewesen. Nicht zuletzt, weil der Legat ihn trotzdem noch losgeschickt hatte, um einen weiteren Tesserarius zurück ins Lager zu holen, der Ausgang gehabt hatte, und den er – wegen Linos – unbedingt hatte persönlich sprechen wollen. Als Hadamar in jener Nacht ins Bett gekommen war, war es fast schon wieder Morgen gewesen.
Für einen winzigen Moment also war Hadamar versucht, gleich Tacheles zu reden. Aber wenn Aleksan sich so entpuppte, wie er es befürchtete, würde das nichts bringen – außer, dass er erst recht versuchen würde ihn zu ärgern, ohne dafür belangt werden zu können.
Was Hadamar also machte, am Ende eines kurzen Schweigens: zähneknirschend Achseln zucken. „Na dann. Überwach.“ Sprach’s, und sprang wieder in den Graben zurück. Das würde noch lustig werden... nicht.
Mag wer?