[Schulung] Prophylaxe gegen Darmparasiten

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    Ausbildung der Tirones


    Lurco führte seine Ausbildungstruppe wie angekündigt zum Valetudinarium. Genauer gesagt führte er die jungen Männer zum Officium von Optio Valetudinarii Sisenna Iunius Scato. Lurco klopfte an und betrat gemeinsam mit seiner kleinen Truppe das Officium.


    "Salve Optio Valetudinarii Iunius", grüßte Lurco vorschriftsgemäß.


    "Scato darf ich Dir meine Schützlinge vorstellen. Das sind meine Tirones, die ich ausbilde.


    Titus Sempronius Carus

    Marcus Sittius Crus

    Decimus Nummius

    Sisenna Postumius Dolabella

    Spurius Plancius Phormio

    Iullus Tettius Natalis


    Heute ist ihr erster Tag, demzufolge lernen sie sich, die Cohortes Urbanae und die Castra kennen. Aber noch etwas mehr, sie erlernen die Grundzüge der Gesunderhaltung. So habe ich meinen Tirones von dem Schrecken des Garum berichtet und was in diesem Gebräu lauert. Ich möchte Dich bitten, meine Tirones genau über die Gefahr des Garum zu informieren. Zudem sollten sie erfahren, WAS im Garum lauert. Wärst Du so freundlich?", bat Lurco und deutete den Tirones an, ruhig näher zu treten.

  • Scato blickte von seinen Unterlagen auf. Lurco war es, der samt hochmotiviertem Anhang hereingepoltert war. "Salve, Cornicularius." Scato stand auf und betrachtete die erwartungsvollen Gesichter der Neulinge. Jeden einzelnen hatte er vor kurzem gemustert und für tauglich befunden. Wohlwollend nickte er. Das Thema war sehr wichtig.


    "Garum, Kameraden", sagte er im Tonfall eines christlichen Weltuntergangspredigers, "ist flüssiges Miasma." Er verschwand kurz im Lager und kehrte zurück mit einem sehr großen Einmachglas. Darin schwamm ein unwahrscheinlich langes, weißliches Etwas, das an einen eingelegten Tierdarm erinnerte. "Diesen Bandwurm hat ein Medicus dieses Valetudinariums aus dem Rektum eines Patienten gezogen, der diese Warnung nicht beherzigt hat. Seht ihn euch genau an!"


    Mahnend hielt er das Glas in Richtung der Tirones.


    "Das wird in allen Größenordnungen in euren Eingeweiden wachsen und im Schlaf aus eurem Anus kriechen, wenn ihr weiterhin mit Garum euer gutes Essen verderbt. Würmer, Freunde, sind in einer zivilisierten Gesellschaft ein vermeidbares Übel, weshalb wir Garum getrost in den Bereich der Barbarei verweisen dürfen."

  • Nicht als Erster, sondern mittendrin in der Tirogruppe trat Sempronius nach seinem Ausbilder ins Officium. Er grüßte den Optio nur mit Blickkontakt und nicht per Wort, weil die Offiziere redeten. Es ging erneut um das Garum, und da Sempronius bereits beim ersten Sezieren der Gewürzsoße beinahe übel geworden wäre, hoffe er, dieser zweite Vortrag würde erträglicher ausfallen. Eigentlich wollte er nicht wissen, was er jeweils aß. Im Grunde kochte er auch nie, aber das würde sich ändern. Beim Militär wurde er vom Bewirteten zum Selbstversorger, zumindest was die Zubereitung betraf. Einkaufen musste er bis auf Weiteres nicht.

    Er atmete einmal tief durch und strengte sich an, noch einmal zuzuhören, obwohl es ihm widerstrebte.

    Leider wurde es noch übler als beim ersten Mal: Sie bekamen etwas Widerliches zu sehen. Sempronius' kleinste Härchen stellten sich auf, als er den Inhalt im Glas anstierte. Als dann aber noch die Erklärung folgte, das Ding würde nachts aus dem Hintern kriechen, rülpste Sempronius mehrmals laut. Nur er wusste, dass dies Vorläufer des Übergebens waren, so fing es bei ihm immer an.

    Um sich abzulenken und das Thema zu wechseln, stellte er eine Frage. "Mit was würze ich dann?" Er hoffte, dass Fragen stellen erlaubt war. Für ihn entschied dieser Themenwechsel über Kotzen oder nicht Kotzen. Schweißperlen traten auf seine Stirn.

  • Die Blicke der Tirones sprachen Bände, jedem war das Ausmaß der Bedrohung durch Garum bildlich vor Augen geführt worden. Sempronius stellte eine Frage, die sich wunderbar für Purgitius dazu eignete sich zu seinen Rekruten umzudrehen und selbst den grauenerregenden Wurm im Glas nicht länger ansehen zu müssen. Denn ihm erging es keinen Deut besser, als seinen Schützlingen. Nur mühsam konnte er den Drang unterdrücken, fluchtartig das Officium von Scato zu verlassen, wohlwissend dass sich das Ungetüm im Glas nun auch noch hinter ihm befand. Er hatte ein ganz seltsames Gefühl im Nacken, dennoch blickte er ernst seine Auszubildenden an.


    "Eine sehr gute Frage Sempronius. Hier lernt Ihr nicht nur Rom, sondern auch Euch selbst vor Schaden zu bewahren. Meine Triones, was nützt Euch die beste Ausbildung und ein trainierter Körper, wenn Derartiges in Eurem Körper lauert durch falsche Ernährung? Nichts. Deshalb verbiete ich Euch zu Eurer Eigensicherung den Verzehr von Garum.


    Hier möchte ich gleich die Frage von Eurem Kameraden Sempronius aufgreifen. In der Cohortes Urbanae werdet Ihr lernen Euch selbst zu versorgen. Ihr werdet für Euch und Eure Kameraden kochen. Essen ist ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens und trägt nicht nur zur Gesundheit, sondern auch zum Wohlbefinden bei. Folglich möchtet Ihr auch etwas kochen, dass Euch schmeckt.


    Womit würzt man also nun, wenn nicht mit Garum?

    Antwort - Gewürze!


    Das wohl bekannteste und beliebteste Gewürz in der römischen Küche ist der Pfeffer. Mit Pfeffer wird fast alles gewürzt. Wein, Obst, Fleisch, Fisch, es gibt kaum ein Gericht, wo eine Prise Pfeffer fehl am Platz wäre. Der lange Pfeffer ist sehr teuer, der weiße Pfeffer liegt im Mittelfeld was die Kosten angeht, der schwarze Pfeffer ist erschwinglich. Weitere Gewürze sind Petersilie, Kerbel, Minze, Salbei, Sellerie findet als Gemüse und Gewürz Verwendung, Rauke, Schnittlauch, Zwiebeln, Bohnenkraut, Dill, Weinraute und Oregano um Euch einige Beispiele zu nennen.


    Ebenso zum Würzen geeignet in süßer Variante sind Honig und Defrutum. Bei Defrutum achtet bitte darauf, dass der eingekochte, konzentrierte Traubensaft nicht in einer Bleipfanne eingekocht wurde. Dies ist ebenso für Eure Gesundheit gefährlich. Davor warnte schon Galen. Genauer gesagt meine Tirones Galenos von Pergamon, auch Aelius Galenus, üblicherweise Galen ein vorwiegend in Rom tätiger griechischer Medicus und Universalgelehrter. Deshalb nehmt Euch mein Verbot zu Herzen, es geht um Eure Gesundheit", erläuterte Lurco seinen Rekruten.


    Tettius hob etwas schüchtern die Hand und Lurco nickte ihm aufmunternd zu.

    "Nur zu, nur wer Fragen stellt, lernt. Am ersten Tag ist noch kein Drill angesagt", gestand er seinen Rekruten umgänglich zu.


    "Optio Valetudinarii Iunius, ist der Wurm im Glas tot oder lebt er da drinnen? Und noch eine Frage, wenn er Nachts aus den befallenen Kameraden kriecht, kriecht er in unbefallene Kameraden hinein?", fragte Tettius mit einem Schaudern in der Stimme.


    Lurco musste bei der Frage blinzeln, kämpfte gegen seine Übelkeit an und schluckte. Darüber hatte er sich noch gar keine Gedanken gemacht, ob diese Würmer von Kamerad zu Kamerad kriechen konnten, um über diese in ihrer wehrlosen Situation herzufallen. Bei Mars! Lurco schaute Scato abwartend an.


    "Wie wird man denn so einen Wurm los Medicus Iunius?", wollte Sittius mit bleichem Gesicht wissen.

  • Zu seinem Glück beschäftigten sich seine Sinne nicht mehr mit dem Ekeltier, sondern mit den aufgezählten Gewürzen, von denen Sempronius einzelne schon gehört, aber die meisten nicht kannte. Er tröstete sich damit, keine Taberna führen zu wollen und vielleicht schloss er mit den Kameraden auf der Stube einen Packt, indem er das gebrauchte Geschirr aller reinigte, dafür aber nicht kochen musste. Andererseits dürfte Puls nicht schwer herzustellen sein, wenn selbst kleine Mädchen den Brei anrühren durften. Auf alle Fälle würde sich Sempronius nicht als kleines Mädchen beschimpfen lassen, weder indem er beim Kochen versagte, noch indem er sich die Blöße gab und von einem widerlichen Wurm umhauen ließ. Der Kamerad, der das Thema erneut auf den Wurm brachte, erntete allerdings von ihm einen Stoß mit dem Ellenbogen.

    "Muss das sein? Nicht essen und gut ist! Kommt er nicht oben rein, kommt er auch nicht unten raus."


    Zu Sempronius' Leidwesen fragte ein anderer Kamerad weiter und er fühlte, wie der Speichel in seinem Mund zusammenlief. Er begann schneller zu atmen und rülpste wieder mehrmals. Erste Würgreflexe ließen seinen Körper erbeben. Seine Gesichtsfarbe wechselte zu grau und er schlug reflexartig die Hand vor den Mund.

    Ob der Wurm lebte oder nicht, wie man ihn loswurde und ob er von einem Römer zum anderen schlich, war Sempronius herzlich egal. Das Valetudinarium speicherte er als Schreckenskabinett ab und er würde gewiss nicht hier um die Behandlung seiner Verspannungen bitten. Verspannungen, das war ein gutes Stichwort. Er spürte sich in den Schmerz hinein, um nicht an diesen Wurm zu denken.

  • "Der Wurm im Glas ist inzwischen tot. Als er entfernt wurde, lebte er noch. Der Patient kam nach einem Gang zur Latrine hierher, da er dachte, er müsse sterben, weil er seine Gedärme verliere. Allerdings hat das, was aus ihm heraushing, sich bewegt! Bei so großformatigem Übeln kann eine manuelle Entfernung erforderlich sein. Der Wurm wurde vorsichtig im Ganzen herausgezogen. Ausgerollt ist er fast zwei Meter lang."


    Scato brachte dem würgenden Kameraden fürsorglich eine Schale. Dann öffnete er das Fenster für ein wenig frische Luft und trug den eingelegten Wurm fort. Mit einem Ohr schnappte er dabei etwas Interessantes auf, was da getuschelt wurde.


    "Das ist ein guter Merksatz"
    , verkündete er, als er wiederkam. "Kommt er nicht oben rein, kommt er auch nicht unten raus. Und nein, die Würmer kriechen nicht selbstständig von Darm zu Darm, allerdings kann man sich anstecken, wenn einer sich den juckenden Hintern kratzt und dann mit seinen Fingern das gemeinsame Essen anfasst." Das waren die gleichen Leute, die schamlos popelten oder mit dem kleinen Finger in ihrem Ohr herumbohrten und danach den Tisch deckten.


    "Zu den Gewürzen hat Cornicularius Purgitius ja schon alles Wesentliche erklärt, man kann auch frische Kräuter und Salz nutzen. Falls irgendwer verwurmt ist oder glaubt, es zu sein, meldet er sich bei mir und bekommt dann in allen normalen Fällen eine Spezialdiät verschrieben, die mit brachialer Urgewalt alles Übel aus dem Darm herausspült."


    Er setzte einen liebenswürdigen Blick auf. "Noch Fragen?"

  • Tettius atmete erleichtert aus und hatte gar nicht mitbekommen, dass er die Luft angehalten hatte. Mit beiden Zeigefingern rieb er sich die Schläfen und dankte allen Göttern auf Knien, als Scato das Wesen aus dem Raum schaffte. Er schaute Sempronius entschuldigend an und wandte sich dann an Scato.


    "Optio Valetudinarii Iunius Danke für die Antwort", keuchte Tettius. Als Erstes würde er sich mit einigen getrockneten Kräutern eindecken, dass stand fest.


    "Vielen Dank Scato für die ausführliche und anschauliche Erläuterung der Garum Gefahr", dankte Lurco seinem Freund erleichtert. Er wartete noch einen Augenblick ab, falls jemand etwas fragen wollte. Danach würde es weitergehen, aber so hatten die Tirones etwas für den Beruf und für das Leben gelernt, damit es lang und gesund blieb.

  • Drei Dinge retteten Sempronius vor der Blamage: eine Schale, in der er die sich sammelnde Spucke loswurde, frische Luft und dass endlich dieser Wurm aus dem Sichtfeld genommen wurde. Die Verbindung vom Hinternkratzen zum Essen provozierte noch einmal einen Rückfall, aber danach ging es mit dem Befinden bergauf. Abwechselnd spuckte Sempronius und japste nach Luft. Es blieb abzuwarten, von welchem Kamerad er zukünftig gekochtes Essen anrühren würde, allerdings hoffte er auch, dass er heute Gehörtes im Verlauf der Zeit verdrängen würde. Bilder und Geschichten verblassten, so lief das immer ab.

    Auf die Spezialdiät würde er verzichten, das stand fest. Er wollte auch nicht wissen, was passierte, wenn "alle normale Fälle" nicht zutrafen. Er wollte nur eins: hier raus. Einen Dank von seiner Seite würde es nicht geben. Fast schon bittend sah er den Ausbilder an, bevor sein Blick zur Tür glitt und er sich bereit für den Abmarsch zeigte. Die Spuckschale stellte er an erstbester Stelle ab.

  • Scato trat beherzt gegen einen der beiden Scherenstühle. Das Sitzmöbel schlitterte rüber zum würgenden Tiro, falls er sich setzen wollte. Fast schon triumphierend stemmte Scato die Hände in die schmale Hüfte.


    "Ihr werdet im Laufe des Dienstes noch viel schrecklichere Dinge zu sehen bekommen als einen Bandwurm. Und sie werden genau dort kleben, wo ihr sie am wenigsten haben wollt, an Menschen, die ihr festnehmen müsst, an Gegenständen, die ihr eigentlich benutzen wolltet und an euch selbst. Da darf man nicht zimperlich sein!


    Aber keine Sorge, mit der Zeit gewöhnt man sich an das meiste. Dann ist es zwar immer noch ekelerregend, aber verursacht keine körperlichen Reaktionen mehr, welche die Handlungsfähigkeit beeinträchtigen. Und mal unter uns: Wenn man einem Kameraden beistehen muss, der auf unsere Hilfe angewiesen ist, ist es einem dann auch egal, selbst wenn er von oben bis unten eingedreckt ist und ihm zehn Bandwürmer aus dem Hinterteil winken."


    Sein Blick haftete kurz auf dem kleinen kugelrunden Bruder Kerl, dessen schiere Anwesenheit Scato entzückte. Den hatte er natürlich auch gemustert, das war der kleine Bruder von Potitus Sittius Pullus. Da Scato selbst zwei Brüder hatte, genoss das Kerlchen einen Bonus.


    "Nicht wahr?", gurrte er. "Keine weiteren Fragen? Niemand?"


    Er blickte in die Runde und äugte auf den würgenden Kameraden. Das war doch der mit den unterschiedlich langen Armen. "Titus Sempronius Carus. Was machen die Verspannungen? Hast du jemanden gefunden, der dich knetet?"

  • Marcus Sittius Crus nickte dankbar auf Scatos Worte hin. Von seinem großen Bruder kannte er dessen Kameraden und er wusste mit wem er es zu tun hatte. Dennoch galt es hier Respekt zu zeigen, den er auch bis in die Knochen hatte. Wer so eine Abscheulichkeit besiegen, erschlagen und in ein Glas stopfen konnte, hatte jeden Respekt verdient. Crus fragte sich, was sie noch zu sehen bekamen. Pullus hatte ganz ähnliches angedeutet, dass man manche Dinge sah, tun und wieder vergessen musste, für Rom und jene die sie schützten. Für Leute die nicht einmal wussten, dass die Urbaner der Grund waren, dass sie Nachts etwas besser und sicherer schlafen konnten.


    Aus diesem Grund hatte er sich selbst auch eingeschrieben und nun stand er hier, wohlwissend mit wem er es zu tun hatte. Mars war mit diesen Männern und eines Tages würde er auch mit ihnen sein, wenn sie auf die Straßen traten und ihr Amt ausübten. Dass dabei nicht alles sauber, rein und ordentlich war, damit hatte Scato als Optio Valetudinarii Recht. Ein Verletzter war kein schöner Anblick, dennoch musste man ihm helfen. Und das waren sicher nur die kleineren Dinge, die Scato und Lurco wie alle anderen Urbaner tagtäglich sahen.


    In den Straßen und Gassen Roms herrschte ein raues Klima, also mussten sie ebenso rau, wenn nicht eine Spur rauer sein. Crus war jedenfalls froh, dass er diesen widerlichen Wurm gesehen hatte. Bei jeder Garumamphore würde er an dieses Monstrum denken, da darin lauerte und nur darauf wartete von jemanden verspeist zu werden, um sich in ihm einzunisten.


    "Ich habe keine weiteren Fragen Optio Valentudinarri, vielen Dank", antwortete Sittius.


    Decimus Nummius Myrtilus schaute Scato an und wagte sich eine Frage zu stellen.

    "Optio ich habe gehört, dass durch das Kochen die Speisen von Miasmen die möglicherweise drin sind, gereinigt werden. Stimmt das nicht?", fragte Myrtilus erstaunt.

    "Selbst wenn, dann wäre das gekocht! Willst Du sowas gekocht essen?", zischte Spurius Plancius Phormio kaum hörbar.


    "Das wird weder gekocht, noch roh gegessen, es wird gar kein Garum gegessen", antwortete Lurco ernst.


    "Sobald alles geklärt ist, sind unsere nächsten Anlaufpunkte die Latrine und die Therme. Keine Sorge, die Latrine betreten wir nicht zur Besichtigung, dass wäre auch etwas unhöflich den dort sitzenden Kameraden gegenüber. Ihr sollt nur wissen wo sie liegen. Denn nichts ist unangenehmer als bei einem dringenden Bedürfnis suchen zu müssen. Auf der Latrine und wie in den Thermen gilt Sauberkeit als oberstes Gebot. Für Euch und Eure Kameraden, einen der Gründe habt Ihr bereits erfahren. Danach widmen wir uns den Dienstgebäuden. Ihr sollt und müsst Eure Castra wie Eure Reisebeutel in und auswendig kennen, denn dies ist ab heute Euer Zuhause, Eure Stadt in der Stadt", erklärte Lurco und wartete kurz ab, ob noch jemand etwas sagen wollte, bevor sie weiterzogen.

  • Sempronius bremste den Schwung des Scherenstuhls mit dem Fuß ab, aber setzen wollte er sich nicht, denn er wollte ja gehen. Mit den nachfolgenden Hinweisen des Optio Valetudinarii konnte er wenig anfangen, denn er ekelte sich nicht vor Sachen, die äußerlich an anderen oder ihm klebten. In sich drin wollte er nichts Bewegliches haben. Alles, was sich nicht rührte, durfte auch in seinem Körper herumlungern. Er zuckte daher die Schultern und bezog die Erläuterungen nicht auf sich, zumal der Optio auch jemand anderen ansah. Ganz zum Schluss galt ihm aber doch die Aufmerksamkeit, wenngleich sie sich nur auf seine Verspannungen richtete.

    "Nein, ich habe noch niemand gefunden, aber auch keinen gefragt. Ich bin ja erst seit gestern hier und es gab viele Wege zu erledigen." Das entsprach der Wahrheit, obwohl für Sempronius feststand, dass er höchstens im akuten Notfall das Valetudinarium betreten würde. Außerhalb dieser Mauern würde er sich bestimmt freier mit dem Optio austauschen können.


    Myrtilus aus Ostia fragte natürlich weiter, aber zum Glück fuhr ihm der aus Cappadocia über den Mund. Gekochtes und damit abgetötetes Zeugs würde Sempronius essen, aber er sparte sich einen Kommentar, weil reden die Verabschiedung hinauszögerte. Er freute sich regelrecht auf die Latrinen. "Lasst uns Bandwürmern suchen gehen." Er merkte, dass ihn weniger die Optik des Wurmes angeekelt hatte, sondern vielmehr die Ausdrucksweise des Optio, die dafür gesorgt hatte, dass er in seiner Fantasie den Bandwurm fast schon in sich spürte. Er schalt sich einen Narr, denn der Wurm war im Glas und noch nicht einmal mehr zu sehen. Bei diesem Gedanken angekommen, atmete Sempronius auf. Er hatte sich zu sehr beeindrucken lassen und nahm sich vor, dass ihm das kein zweites Mal passierte.

  • "Miasmen werden nicht durchs Kochen neutralisiert. Würmer und Wurmeier sterben dadurch, aber Miasmen bleiben! Carus, denk dran, dir einen Kameraden oder Sklaven für die regelmäßige Massage zu suchen, das ist keine Empfehlung. So. Und jetzt fort mit euch."


    Die Türen im Valetudinarium standen selten still. Es war ein Kommen und Gehen, ein Wuseln und Räumen. Selbst in Zeiten mit wenigen Verletzten kümmerte sich das Personal sorgfältig um die Gesundheit der in der Castra stationierten Soldaten und konnte sich Zeit für die kleinen Zipperlein nehmen, die bei einem Massenanfall von Verletzten ignoriert werden mussten. Man kümmerte sich zwischendurch auch um den Kräutergarten und um die Weiterbildung der hier arbeitenden Soldaten, räumte auf, putzte, renovierte. Auf die Idee, in ruhigen Zeiten die Hände in den Schoß zu legen und das Nichtstun zu genießen, würde hier niemand kommen.

  • Als sein Name fiel, blickte Sempronius noch einmal zum Optio. Beim ersten Satz nickte er, denn wenn sich die Möglichkeit ergab, würde er bei den Kameraden einmal fragen, nur beim zweiten Satz stutzte er. Der Hinweis galt nicht als Empfehlung? Als was galt er dann? Dies zu ergründen, blieb Sempronius verwehrt, denn sie brachen auf, was er seit einiger Zeit wünschte und jetzt nicht durch Nachfragen verzögern wollte.

    Angekündigt war die Besichtigung der Latrinen, daher atmete Sempronius mehrmals tief durch, um nach dem Brechreiz bestens für die neuen Gerüche gewappnet zu sein. Der Latrinenbesuch würde ein Spaziergang werden. Außerdem nahm er sich vor, nicht noch einmal Opfer seiner bildhaften Fantasie zu werden.

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