Die Ankunft von Aulus Iunius Tacitus

  • Terpander geleitete den Gast durch die Porta in den Innenhof, wo das bepflanzte Wasserbecken den klaren Himmel des Spätsommers spiegelte. Eine Libelle flog über die glatte Wasseroberfläche, unter der die dunklen Rücken von Fischen schimmerten.


    "Gern zeige ich dir Rom, sobald du dich dafür bereit fühlst. Was interessiert dich am meisten? Einstweilen solltest du dir aber eine Unterkunft aussuchen*. Hier im Bereich des Atriums haben wir sechs Zimmer. Wenn du es ruhiger wünschst, sind auch hinten beim Garte noch zwei Zimmer frei. Im Dritten wohnt mein Herr Sisenna Iunius Scato."


    Wo die Sklaven es sich gemütlich gemacht hatten, wusste er aus dem Kopf nicht, doch das würden sie gleich sehen.


  • "Ehrlicherweise wünsche ich es mir etwas ruhiger. Ich befasse mich weiterhin mit Philosophie, da hilft manchmal etwas Ruhe." Ich dachte kurz nach, ob ich mitgeteilt hatte, wo ich die letzten zehn Jahre verbracht hatte, konnte dies aber für mich verneinen. Diese Information erschien mir bedeutsam als Argument für die ruhigere Unterkunft, so dass ich sie mitteilte. "Ich habe meine Abwesenheit in Alexandreia am Museion verbracht. Zunächst als Schüler, später als Gehilfe eines Philosophen. Der gute Alexios hatte mir sehr große Freiheiten bei meinen Studien gelassen."


    Ich deutete auf den Sack mit meinen Habseligkeiten. "Wichtiger noch als ein Platz für mich ist aber ein Platz für meine Bücher. Das hat Priorität."


    Rom konnte ich mir später ansehen. Höchste Priorität hatten die Bücher. Sie machten auch den größeren Teil meines Gepäcks aus. Alle 13 Bücher der Elemente des Euklid, dazu noch Schriften von Demokrit und Archimedes. Und, beinahe noch wichtiger, meiner Notizen. Ganz unten im Gepäck waren meine Toga, zwei Tuniken und ein paar Calcei.

  • "In den Gemächern am Hortus wirst du dich wohlfühlen, dominus. Ich werde dir eines zeigen, von dem ich glaube, dass es dir besonders gefallen könnte, und dann entscheidest du. Die Sklaven werde ich anweisen", das hieß ihnen bei Bedarf einprügeln, "in dem Bereich besonders auf Ruhe zu achten. Deine Bücher kannst du entweder in deinem Zimmer unterbringen oder in der gut sortierten Bibliothek* dieses Hauses. Wie es dir recht ist.


    Alexandria also, da hast du eine weite Reise hinter dir und wünschst sicher ein Bad. Darf ich fragen, welcher Lehre dein Philosophen-Lehrer Alexios anhing und welche du bevorzugst?" Das musste ja nicht übereinstimmen. Terpander selbst war im Gegensatz zu anderen Hellenen für Philosophie und die schönen Künste völlig taubblind, doch interessierte es ihn zu erfahren, wie der neue Iunier dachte, und so war seine Interesse dennoch aufrichtig.


    Sim-Off:

    *Bibliotheca

  • "Ich werde die Bücher in der Bibliothek unterbringen." Das erschien mir am sinnvollsten zu sein. "Und ein Bad wäre sicher nicht verkehrt. Du kannst die Bücher in die Bibliothek bringen lassen, während ich bade. Einsortieren werde ich sie selber."


    "Nun zu deiner Frage. Alexios ist Platoniker durch und durch. Ich persönlich erachte Platons Ideen grundsätzlich für sinnvoll, auf jeden Fall logisch, halte aber eine Synthese mit den Lehren Zenons von Kithion und Chrysippos von Soloi für besser geeignet, um einen ethisch einwandfreien Lebenswandel zu führen. In der Philosophie der Natur lehne ich die Lehren des Empedokles ab und stehe eher Demokritos nahe. Die Weiterentwicklungen der atomistischen Lehre durch Epikouros unterstütze ich, doch lehne ich seine Ethik ab. Zwar stimme ich in der Ablehnung der Ethik des Epikouros mit Alexios überein, doch ist mein Lehrer ein Anhänger der Lehre von den vier Elementen, welche ich ablehne. Berechtigt, wie ich meine. Wir stimmen aber darin überein, dass die Mathematik des Eukleides von Alexandria wegweisend und in ihrer Klarheit der Definitionen von sehr großem Nutzen ist. Unsere Uneinigkeit in einigen Themengebieten wurde von Alexios immer sehr geschätzt. Ein Philosoph soll eigenständig denken, pflegte er immer zu sagen. Wer nur seinem Lehrer nachplappere, sei der Bezeichnung als Philosoph unwürdig. Diese Meinung trifft auf meine vollste Zustimmung."


    Ich sah ihn an. "Du beschäftigst dich auch mit Philosophie, Terpander?"

  • Eine Synthese mit den Lehren Zenons und Chrysippos ... einwandfreier Lebenswandel, atomistische Lehre ... aber Terpander hatte ja gefragt. Brav hörte er dem neuen Hausherren zu und blickte wissend drein, so lange, bis dieser die Rückfrage stellte.


    "Du bist ein belesener Mann, dominus. Aber was meinst du mit einem ethisch einwandfreien Lebenswandel? Ist dies dein Ziel? Nein, ich selbst habe davon keine Ahnung. Meinen jungen Herrn habe ich damals in Griechisch unterrichtet." Und ihm die hölzerne Grammatiktabelle um die Ohren gehauen, wenn er wieder falsch konjugierte und den Unterschied zwischen dem durativen Aorist und und dem punktuell-ingressiven Präsens beziehungsweise Imperfekt nicht begreifen wollte. Als paedagogus hatte er selbstverständlich das Züchtigungsrecht innegehabt.


    Terpander winkte einen der Sklaven herbei. "Malachi! Bereite dem Herrn ein heißes Bad vor." Malachi war als ehemaliger Gladiator einer der wenigen Sklaven, denen Terpander so etwas wie Respekt entgegenbringen konnte und den er noch nie körperlich gezüchtigt hatte. Für die übrigen war der Hellene ein Schreckgespenst, das sie lieber gehen als kommen sahen. In seiner Gegenwart wagte niemand, weniger als alles zu geben. Mochten die Iunii im Allgemeinen auch milde mit den Sklaven umgehen - der von ihnen eingesetzte Maiordomus sah das anders, so wie er generell fast alles anders sah.


    Er führte den neuen Iunier in das Zimmer hinten am Hortus, welches er für ihn im Sinne hatte.

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