Es war eine düstere Zeit und Marcellus knabberte lustlos an einer Olive herum, während er wie so oft in letzter Zeit seinen Gedanken nachhing. In den letzten Wochen war vieles passiert. Nun, eigentlich war nur eines passiert. Herius Claudius Menecrates war gestorben. Er war ein Vater gewesen und ein Großvater, aber er war gleichzeitig noch so vieles mehr gewesen. Er war das Oberhaupt der Familie gewesen, der Fels in der Brandung, das Leuchtfeuer an dem sich alle orientiert hatten. Menecrates war das Sinnbild römischer Ideale und Tugenden gewesen. Als Praefectus Urbi und angesehener Senator war er einer der wichtigsten Männer Roms gewesen. Sein Wort hatte Gewicht gehabt und nun, nun war er fort.
Und was blieb? Es blieb eine Gens Claudia ohne nennenswerte politische Persönlichkeiten, ja fast komplett ohne Persönlichkeiten. Da war Claudia Romana, welche Marcellus gerade gegenübersaß. Sie war eine Tochter von Menecrates und somit seine Tante. Als Vestalin war sie eine ehrbare Persönlichkeit, aber sie würde natürlich die Lücke niemals ausfüllen können, welche Menecrates ließ. Dann waren da Marcellus und seine Schwester, sowie noch einige entferntere Verwandte, welche sich auf Landgütern ein ruhiges Leben machten und Rom den rücken gekehrt hatten. Niemand würde Menecrates ersetzen können. Nicht einmal ansatzweise. Marcellus Vater, Galeo Claudius Gallus, war seit einiger Zeit verschollen. Er war von einer längeren Reise nie zurückgekehrt und Marcellus hatte es aufgegeben auf diese Rückkehr zu warten.
Also blieb er selber. Er hatte Ambitionen, oh und was für Ambitionen er hatte. Doch im Vergleich zu Menecrates war er ein Niemand und er hatte auf dem Weg zu einem erfolgreichen Staatsmann erst die ersten kleinen Schritte getan. Als sein Großvater noch lebte, da hatte er sich ausgemalt wie er sich Stück für Stück seiner Karriere hingeben wollte. Alles unter der Anleitung seines großen Vorbilds. Aber nun... nun fühlte er sich wie ins kalte Wasser geworfen.
Sein Blick ging zu Romana hin und ihm wurde bewusst, dass er kein guter Gesprächspartner war. Zu still. Er suchte nach einem Thema, doch dann kam Proculus herein und meldete jemanden an. Marcellus stutzte. "Sabinus, Sabinus... diesen Namen habe ich doch schon einmal gehört. Romana, lebt der nicht in Alexandria?" die Familie war nicht so groß, dass man sich nicht mehr untereinander kannte. Und auch wenn Marcellus kein Gesicht zu dem Namen im Kopf hatte so wusste er doch, dass Sabinus ein Sohn von Menecrates jüngerem, inzwischen verstorbenen Bruder war. Und er wusste, dass dieser Verwandte im weit entfernten Alexandria seine Heimat gefunden hatte. Nun war er hier. Ohne ein Wort von sich hören zu lassen, kurios.
Doch Familie war Familie und so erhob sich Marcellus und verließ das Triclinium, vermutlich mit Romana im Schlepptau. Mit geöffneten Armen trat er in das Peristyl hinaus und sah dort einen wahrlich... beleibten Mann stehen. "Sabinus?" fragte er und man mochte seiner Stimme die Skepsis heraushören. Sein Blick ging zu Romana hin, bei der er hoffte sie möge entscheiden ob dies nun ein Schwindler war oder nicht. Eine Idee kam ihm allerdings noch. "Unser entfernter Verwandter aus Antiochia. Wie schön, dass es dich nach Rom verschlagen hat!" es war kein Versprecher, der ihm da unterlaufen war. Wenn er einen Schwindler vor sich hatte, dann würde dieser die Sache mit Antiochia nicht richtig stellen. Wenn es der richtige Sabinus war, dann war dieser Fehler für Marcellus höchstens ein bisschen peinlich.