• Heilstube


    Die kleine Heilstube dient der Versorgung von Angehörigen des Haushalts. Selten werden auch Privatpatienten versorgt, die meist aus dem Bekanntenkreis der Gens Iunia stammen. Die Heilstube ist klein, enthält aber alles, was ein Medicus benötigt. Durch das große Fenster fällt ausreichend Tageslicht herein, um ein gutes Arbeiten zu ermöglichen. Die Wände und die Decke zeigen auf einem rosa Grund verschiedene Blumen in warmen und freundlichen Farben, um nervöse Patienten zu beruhigen und ihren Augen während der Untersuchung eine Aufgabe zu geben. Der Kräutervorrat entstammt dem eigenen Anbau, so dass nur selten auf Trockenkräuter zurückgegriffen werden muss. Viele der Pasten, Essenzen und Tinkturen im Regal sind selbst hergestellt. Durch die Fußbodenheizung ist es in der Heilstube angenehm warm. Bei Bedarf kann eine Feuerschale entzündet werden.

  • Sporus hatte sich etwas übergezogen und kam in die Heilstube. "Hier ist der Brief meines Herren, und die 100 Sesterzen, welche ich Euch geben soll.", sagte Sporus.

    Nervös schaute er sich um. Der Medicus sammelte irgendwelches Besteck für die Heilkunst zusammen. Sporus konnte mit diesen Messern, Pinzetten etc nichts anfangen, aber die machten ihn noch nervöser, als er schon war.

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  • Scato las den Brief, wobei er keine Regung zeigte. Trotzdem ging einiges in ihm vor. Das war mal wieder typisch Onkel Stilo - seine Angehörigen und Freunde vernachlässigen und dann einen andern bitten, ihn dafür zu entschuldigen. Er nahm es mit Humor, aber ob er der Bitte nachkommen würde, musste er sich überlegen. Jetzt war erstmal der kranke Sklave dran.


    Scato legte den Brief auf dem Tisch ab, hinter dem er saß, und sah zu Sporus auf. "So, Sporus. Dann erzähl mal, wie es dir geht."

  • "Nicht gut, Herr", antwortete Sporus traurig. "Mein ehemaliger Herr, und ein anderer Mann, hatten mich kastriert. Sie haben beides abgeschnitten. Das ist jetzt 4 Jahre her, aber die Narben entzünden sich ständig und schmerzen bei Berührung." Sporus zog sich unaufgefordert aus, und zeigte seine Narben. "Könnt Ihr mir helfen, Herr?"

    Er schaute fragend zu Scato,ob es richtig war, dass er sich einfach entblößte, aber er dachte sich, dass der Medicus die Narben sicherlich ansehen muss. Sporus würde am liebsten wieder weinen, aber er nahm sich zusammen, erinnerte sich daran, dass sein neuer Herr, Stilo ihm gesagt hatte, er solle nicht heulen. Dennoch waren ihm seine Gefühle mit Sicherheit anzusehen.

  • Dass Sporus sich auszog, war aus Scatos Sicht richtig, da er ihn sonst ohnehin gleich dazu aufgefordert hätte. Der arme Sklave war den Tränen nahe. Scato verkniff sich einen Kommentar darüber, was er von dessen ehemaligem Herrn hielt. Wie kam man nur auf solche idiotischen und grausamen Ideen? Aber Scatos Urteil konnte Sporus nicht helfen. Seine Aufgabe war nicht die eines Richters, sondern die des Heilers.


    Als Sporus ihn fragte, ob er ihm helfen könnte, legte Scato ihm sanft eine Hand auf die Schulter. "Ich schaue mir dich mal an, von oben bis unten. Mit Schnittverletzungen kennen wir uns beim Militär gut aus. Ich bin zuversichtlich, dass wir die Wundheilung auch bei dir in den Griff bekommen." Er legte beide Mittelfinger unter die Ohren von Sporus und fühlte, ob er Verdickungen ertasten konnte. "Hast du sonst noch Beschwerden? Auch solche, die vielleicht nichts mit der Narbe zu tun haben?"

  • Sporus wunderte sich, dass Scato seine Finger unter die Ohren hielt, konnte er nicht verstehen, warum er das tat. Aber es war auch das erste Mal in seinem Leben, dass er bei einem Medicus war. Hoffentlich ist da alles gut mit den Ohren, dachte sich Sporus. "Nein", sagte er,"sonst habe ich keine Beschwerden. ....Nur.....Ich habe eigentlich immer Angst", sagte er noch zögerlich, und sehr leise, um gleich voller Stolz und laut vorzufahren,

    "Aber sonst geht es mir gut." Sporus wollte einen guten Eindruck hinterlassen, und versuchte etwas zu lächeln, was ihm nicht wirklich gelang.

  • Scato schaute sich Sporus' Zähne an. Anschließend zog mit Daumen und Zeigefinger vorsichtig die Lider von Sporus auseinander und schaute sich die Augäpfel an. Eine Verfärbung konnte auf ein Ungleichgewicht der Körpersäfte hindeuten, vor allem ein Übermaß an Gelbgalle ließ sich dadurch bestens identifzieren.


    "Du hast immer Angst?", wiederholte Scato mitfühlend. "Gibt es Dinge vor denen du besonders Angst hast? Oder bestimmte Situationen?" Er wanderte weiter nach unten und betastete nun dessen Achselhöhlen. Das würde eher etwas wehtun als kitzeln, da Scato tief mit den Fingern in das weiche Fleisch bohrte, um auch dort nach möglichen Verdickungen zu suchen, wie sie bei Entzündungen oft entstanden, aber manchmal auch bei Stress.


    Er verkniff sich ein: 'Ob es dir gut geht, entscheide ich.' Diese spitzfindigen Worte lagen ihm oft auf der Zunge, denn auch im Lazarett war es manchmal äußerst mühsam, den Soldaten, die es gewohnt waren, die Zähne zusammenzubeißen, Informationen über ihren Gesundheitszustand zu entlocken. Ausgesprochen hatte er sie jedoch noch nie.


  • Sporus war etwas irritiert über die Untersuchung. Er hatte sich das irgendwie anders vorgestellt. Er wusste nicht wie, aber das Abtasten kam ihm merkwürdig vor. Aber ein Medicus weiß, was er macht, dachte er sich.

    "Herr, ich habe Angst, was falsch zu machen. Mein früherer Herr hat mich oft bestraft, auch als ich noch kleiner war. Er bearbeitete mich mit Stock oder Peitsche, aber er hat mir nie gesagt, warum er mich bestrafen musste. Vor einer Bestrafung lächelte er immer, und ich wusste dann, dass ich jetzt den Stock und die Ketten holen muss. Ich habe das nie verstanden, warum er dann immer lächelte."

  • "Wenn er bei der Bestrafung gelächelt hat, dann waren die Probleme vielleicht eher am anderen Ende des Stocks zu finden. Wie auch immer, er ist weit weg. Die Sklaven der Gens Iunia werden anständig behandelt, das gilt auch für Gast-Sklaven. Wir wünschen uns natürlich auch, dass die Sklaven ihre Arbeit gut machen, aber über Fehler wird gesprochen und dann werden sie korrigiert. Stock und Peische habe ich noch nie eingesetzt."


    Das war eher das Metier von Terpander, aber auch er strafte selten und nicht grundlos - und nie so, dass die Sklaven anschließend ernsthaft verletzt waren. Eher würde man einen erziehungsresistenten Sklaven wieder verkaufen, anstatt sich ewig mit ihm herumzuärgern. Da Sporus bemüht war, alles richtig zu machen, standen die Chancen gut, dass er im Zweifelsfall mit einem Anschiss davonkam.


    "Lege dich bitte rücklings auf die Liege."

  • "Ja, mein verstorbener Herr war nicht gut zu mir. Er ist sehr weit weg, für immer." sagte Sporus. Aber ob er damit wirklich richtig lag....?.

    Fest steht nur, dass er nicht bei seinem ehemaligen Herrn war, als dieser angeblich verstarb.


    Sporus legte sich hin, wie es ihm gesagt wurde. Seine Ängste schwanden immer mehr. Er fühlte sich sicherer.

    So gewann er Vertrauen zu Scato. Die Worte von ihm taten Sporus gut. Wenn Scato oder Terpander Liebe von mir mal haben wollen, dachte er sich, werde ich ihnen meine allerbeste Liebeskunst erweisen.

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  • Scatos Brauen spannten sich minimal an, als Sporus von seinem ehemaligen Herrn berichtete. Doch jetzt lag der Fokus auf dem Opfer und nicht auf dem Täter, weshalb er im Moment nichts weiter über diesen Mann hören wollte. Vielleicht später, falls es Sporus half, darüber zu reden. Was ihn selbst betraf, so hatte Scato festgestellt, das Worte ihm keinerlei Erleichterung brachten, weshalb er lieber alles in sich hineinfraß, was in ihm vorging, besonders, seit er die Verantwortung als Optio valetudinarii trug, aber da war jeder Mensch anders. Er fegte alle Gedanken, die ihn selbst betrafen, aus dem Kopf und konzentrierte sich auf seinen Patienten.


    Während Sporus sich hinlegte, wusch Scato sich die Hände und trocknete sie gründlich mit einem Baumwolltuch ab. Dass kein Dreck in Wunden und Narben kommen sollte, war eine seiner ersten Lektionen gewesen. Er verzog keine Miene, als er die wulstige Narbe betrachtete, doch ihm wurde ein wenig übel. Er hatte schon viele Verletzungen und Narben gesehen, auch Amputationsstümpfe behandelt, aber das hier war keine Kriegsverletzung, sondern das Ergebnis eines Verbrechens. Man merkte Sporus an, dass er nicht nur körperlich, sondern auch seelisch Qualen litt. Scatos Aufgabe war es, Qualen zu mindern, aber ob er das in diesem Fall konnte?


    Vorsichtig drückte er erst auf das gesunde Fleisch im Umkreis der Narbe ab, dann näherte er sich dem wulstigen rosa Narbengewebe, um den Schmerz zu lokalisieren und die Intensität abzuschätzen. "Wie wurde die frische Wunde denn damals behandelt?"

  • Sporus verzog leicht sein Gesicht, als die Hände des Medicus näher an die Narben kamen. Es tat ihm etwas weh, aber nicht so, dass er wirklich litt, hatte er da schon ganz andere Dinge erleben müssen. "Ich weiß nicht, wie die Wunden behandelt wurden, weil ich ohne Besinnung war.", sagte Sporus leise. "Als ich aufwachte, befand ich mich in meiner Kammer auf der Liege", erinnerte er sich. "Aber sonst wurde da nichts mehr gemacht", schob er noch hinterher.

    Trotz der leichten Schmerzen, die er gerade durch die Untersuchung hatte, überkam ihn ein Gefühl, welches er bisher nicht kannte... Geborgenheit.

  • "Irgendwie wurden sie behandelt, da du sonst nicht mehr am Leben wärst. Aber die Behandlung hätte anders stattfinden müssen."


    Scato tastete die Narben nun mit etwas mehr Druck ab, um ihre Dicke zu ergründen. Es war eine nicht gerade alltägliche Untersuchung und für den Patienten wahrscheinlich mit viel Scham verbunden, weshalb es ihm umso mehr anzurechnen war, wie geduldig und tapfer er alles über sich ergehen ließ.


    "Diese Narben haben eine Wucherung entwickelt, festes und völlig unelastisches Gewebe", diagnostizierte Scato schließlich. "Da dein Körper sich bewegt, in dieser Region naturgemäß besonders, führt das zu chronischen Schmerzen und ständiger Reizung."


    Er ließ von Sporus' Unterleib ab und setzte sich an dessen Kopfende. "Wir haben nun zwei Möglichkeiten. Entweder, wir versuchen, die Narben mit einer speziellen Narbensalbe geschmeidiger zu bekommen, oder wir entfernen das gewucherte Gewebe und versuchen, es diesmal besser zu machen. Dein Körper, deine Entscheidung. Mein Rat wäre, es ersteinmal mit einer Salbe zu versuchen, die du über einige Wochen anwendest, da jede Operation mit einem Risiko behaftet ist. Aber die Entscheidung hängt auch davon ab, wie stark du unter der Entzündung leidest. Wenn die Schmerzen wirklich quälend sind, wird die Salbe allein vermutlich nicht viel ausrichten können."


    Die Worte waren so leicht ausgesprochen, doch Scato mochte sich nicht ausmalen, was im Kopf des armen Sklaven vorgehen mochte, dem so übel mitgespielt worden war. Er hoffte, dass er ihm zumindest Linderung verschaffen konnte, doch wenn er ehrlich war, rechnete er sich nicht viele Chancen aus. Das würde er dem Patienten jedoch nicht sagen. Er teilte auch niemandem mit, wenn er todgeweiht war. Scatos Aufgabe war es, bis zum Schluss um jeden einzelnen zu kämpfen und nicht, ihn aufzugeben.

  • Sporus war ernüchtert über die Worte des Medicus. Damit hatte er nicht gerechnet. Auf der anderen Seite war er stolz darauf, dass er selbst eine Entscheidung treffen durfte. Es war das erste mal, dass ihm so etwas erlaubt wurde. Er dachte nach. Er litt besonders unter den Entzündungen, nicht nur körperlich, sondern vor allem seelisch. Wenn nur Salben Verwendung fänden, würde es ihm körperlich wohl besser gehen, aber er erhoffte sich, dass durch eine Operation die Narben auch unauffälliger werden könnten, und vielleicht sogar besser aussehen würden. Dicke verhärtete Narben, wo einst seine Genitalien waren, war schrecklich für ihn. "Bitte Herr, wenn es möglich ist, mich zu operieren, dann würde ich das gerne so haben wollen", sagte er etwas zögerlich. "Ich bin noch jung, und kann einiges verkraften, und mit Schmerzen kenne ich mich aus, durch meinen ehemaligen Herrn. Bitte, operiert mich," sagte er noch anschließend. Er legte seine Hände fest zusammen, als ob er beten wollte, und schaute anflehend in Richtung Scato. Sporus wollte mit dieser bittenden Geste

    Scato überzeugen, dass dies für ihn der einzige Weg ist.

  • Scato hatte schon vieles erlebt und hielt sich für sehr professionell, aber der junge Sklave tat ihm dennoch unsagbar leid. Es gab Fälle, die auch einem erfahrenen Medicus nicht gleichgültig waren. Als Sporus bittend die Hände zusammenlegte, legte Scato ihm eine Hand auf die Schulter und streichelte ihn beruhigend mit dem Daumen.


    "Ich werde mich vorher noch zu dieser Art Operation erkundigen und mich von einem Experten beraten lassen, denn das ist für mich Neuland. Hier in Mogontiacum gibt es einen Tempel der Magna Mater, in der Eunuchen dienen. Dort wird es die eine oder andere Empfehlung geben, wie Kastrationsnarben am besten zu behandeln und zu pflegen sind." Die Eunuchen der Großen Mutter waren im Gegensatz zu Sporus freiwllig ihren blutigen Weg gegangen. Wenn jemand wusste, wie mit Kastrationsnarben zu verfahren sei, dann diese Menschen. Scato hoffte, dass sein Anliegen keinem Tabu unterlag und sie mit ihm darüber sprechen würden.


    "Ich gebe dir ein Narbenöl mit, das du mindestens morgens und abends bitte dünn aufträgst. Wenn sich die Narbe trocken anfühlt, brennt, juckt oder spannt, kannst du es ruhig auch öfter verwenden. Das Narbenöl besteht hauptsächlich aus Johanniskrautöl, Wildrose und Weihrauch, aber das genaue Rezept gebe ich nicht heraus. Ich finde, es riecht ziemlich gut und die Patienten sind mit der Wirkung zufrieden. Bitte laufe in nächster Zeit nicht so viel herum, damit die Narben sich erstmal beruhigen können. Probleme beim Wasserlassen hast du keine?"

  • "Nein Herr, ich habe keine Probleme beim Wasserlassen", sagte Sporus leise. "Ich werde mich an eure Anweisung halten. Danke Herr", sagte er noch uns nahm das Narbenöl an sich. "Wenn ich darf, würde ich gerne auf mein Zimmer gehen und mich ausruhen", führte er noch an. "Bitte sagt mir Bescheid, wenn ich euch behilflich sein kann".

  • Scato winkte ab. "Frag lieber Terpander, der gibt dir schon eine Aufgabe. Aber erst morgen. Heute sollst du dich von der Reise erholen."

  • "Danke Herr", sagte Sporus, "Danke für eure Hilfe." Sporus stand auf, verbeugte sich tief vor Scato, und ging in sein Zimmer, wo er sich auch direkt hinlegte, um zu entspannen. Schnell schlief er ein.

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