[Atrium] Am nächsten Morgen

  • Der Morgen graute, kalt und neblig. Ein feuchter Hauch hing in der Luft, der sich an die Haut schmiegte und den Abschied noch bitterer machte. Stilo stand im Atrium. In wenigen Stunden würde er dieses Haus verlassen, seine Familie und Freunde zurücklassen, um sich bei der Ala zu melden. Ein mulmiges Gefühl lag in seinem Magen. Angst war es nicht, aber eine tiefe Beklemmung, die ihm die Kehle zuschnürte. Was würde ihn erwarten?

    Seinen Beutel hatte er fest verknotet, lediglich eine Sache, eine Rolle, hielt er noch in seinen Händen. Aus einer Ecke sah er Unauris herauskommen - wahrscheinlich bereitete er gerade das Frühstück vor.


    "Kannst du bitte die Bewohner holen, damit ich mich verabschieden kann?", sagte er zu Unauris.


    Er nahm noch einmal tief Luft und versuchte, seine Gefühle zu ordnen. Es war schwer, Abschied zu nehmen von den Menschen, die ihm am meisten bedeuteten. Matidia und Scato kannte er nur seit ein paar Stunden, Tacitus hingegen vertraute er voll und ganz, doch trotzdem waren Sie alle Familie - die einzige Familie, die er hier hatte.


  • Sextus Iunius Stilo

    Hat den Titel des Themas von „[Atrium] Der nächste Morgen“ zu „[Atrium] Am nächsten Morgen“ geändert.
  • Unauris versuchte, nichts falsch zu machen, als er Sextus Iunius Stilo helfen wollte. Er hatte gesehen, dass der junge Herr schon wach war und irgendetwas tat. Allerdings musste Unauris feststellen, dass Stilo anscheinend schon fix und fertig war, fertig angezogen, gekämmt und rasiert - bereit zum Aufbruch ins Unbekannte. Unauris war schon wieder zu langsam gewesen. Würde das Ärger geben? Die Herren waren nicht seine Sorge, sie waren alle freundlich, aber die Angst vor Terpander saß tief, obwohl der Hellene in all den Jahren, die sie sich kannten, ihm noch nie ernsthaft etwas angetan hatte. Von dem Mann ging etwas Dunkles aus, das sich für Unauris' beschränkten Verstand nicht in Worte fassen ließ, aber in seinem Inneren alle Alarmglocke gellen ließ.


    Er wollte gerade fragen, was er tun dürfe und öffnete den Mund, da erhielt er schon einen Auftrag, so dass er seine Frage wieder herunterschluckte. "Ja, Herr", sagte er und machte sich auf die Suche nach den Verwandten des jungen Herrn, um sie ins Atrium zu bitten.


  • "Du hättest das alles nicht selbst machen müssen", rügte Terpander den jungen Herrn, der schon aufbruchsbereit im Atrium stand. "Dazu gibt es Sklaven." Dabei warf er Unauris einen Blick zu.

  • Matidia hasste es, früh aufzustehen, das war wirklich eher etwas für Sklaven, Soldaten und ... Andere, die die römische Welt am laufen hielten. Die junge Römerin führte ein anderes Leben, welches nicht weniger Pflichten beinhaltete, die zugegeben hier in Germanien ein wenig spärlich ausfielen, welches aber natürlich nicht weniger wichtig war. Eine römische Frau stellte ebenso einen Pfeiler der Gesellschaft dar, und sobald sie - endlich - verheiratet wäre, würde sie dieser Rolle auch sicherlich begeistert nachkommen, selbstverständlich ebenfalls mit der tatkräftigen Hilfe einer kleinen Horde von Sklaven, sodass das frühe Aufstehen wiederum vermeidbar wäre.

    Manchmal rief aber auch jetzt bereits die Pflicht, und so war Matidia heute vorbereitet, ihren Verwandten, den sie erst seit gestern kannte, bereits wieder zu verabschieden. Entsprechend war sie angemessen gekleidet und hatte ihre Haare gebunden, bot also einen hübschen Anblick. Und sie beherrschte sich, mühte sich um guter Laune, als sie ins Atrium trat, wo sie, natürlich nicht die erste war. Nun, zumindest Stilo und die zwei Sklaven waren bereits dort.

    Sie lächelte und trat zu Stilo. "Guten Morgen, Stilo!" Ein wenig übermütig legte sie eine Hand auf die seine und drückte sanft. "Ich wünsche Dir alles Gute bei der Ala." Sie neigte sich ein wenig vor und für in etwas verschwörerischem Ton fort: "Und falls du an Sabaco gerätst, sag ihm, dass Matidia ihn grüßt." Verschmitzt lächelnd entfernte sie sich wieder zu angemessenem Abstand. Sie hatte keine Ahnung, ob das etwas Milde bringen könnte oder ob Stilo das mit seiner Männlichkeit vereinbaren wollte, schließlich dachte sie eher an sich und wollte dem Decurio so einen ungewöhnlichen Gruß zukommen lassen.

  • Scato freute sich, dass er Zeit fand, seinen Vettern zu verabschieden, denn er war leider nur selten in der Domus Iunia. Ein wenig schade war es schon, dass das Haus nun wieder ein Stück mehr verwaiste, doch die Castra der Ala war praktisch nebenan und Stilo nicht aus der Welt. Er ließ zunächst Matidia den Vortritt, Stilo zu verabschieden.

  • Ich war ausnahmsweise mal der Letzte. Das lag aber auch daran, dass Unauris mir noch meine Toga angelegt hatte, da ich zum Forum musste bzw. wollte. Wie mein verstorbener Vater es stets sagte, sollte ein Jurist außer Haus immer so gekleidet sein, dass er jederzeit vor einen Praetor treten konnte. Abgesehen davon erschien es mir die richtige Kleidung, wusste ich doch, dass mein Vetter zur Ala aufbrechen wollte. So gab ich dem Abschied eine ordentliche Menge Würde.


    Als ich Stilo sah, erkannte ich, dass ihm die Tragweite seiner Entscheidung zumindest grob bewusst war. Er tat nun einen großen Schritt in eine sehr ungewisse Zukunft. Doch war ich mir sicher, dass er es schaffen würde. Andernfalls hätte ich ihm auch abgeraten.


    So stellte ich mich neben Scato und wartete. Stilo war mir ans Herz gewachsen und ich würde ihn sicher vermissen. Andererseits war ich wirklich stolz auf ihn, dass er diesen Schritt ging. Ich war mir recht sicher, dass ich kein guter Soldat wäre. Meine Gefechte waren Wortgefechte.

  • "Du hättest das alles nicht selbst machen müssen"

    "Das stimmt, Terpander. Ich war allerdings die ganze Nacht wach vor Aufregung. Sagen wir es mal so, ich war gestern Abend schon bereit aufzubrechen. Unauris kann wirklich nichts dafür." Stilo hoffte, dass Terpander dies auch so sah.


    Als Matidia den Raum betrat, sah Stilo eine vollkommen andere Frau als gestern. Gerichtet, hübsch gekleidet und das morgens, zu einer Zeit, an dem die Nacht noch in den Augen hängt.

    "Guten Morgen Matidia. Danke, das ist lieb von dir." erwiderte er und drückte ihre Hand, die noch auf seiner Schulter lag. Als Matidia dann vorkam, um über Sabacco zu reden, musste Stilo unwillkürlich lächeln. "Ich richte gerne deine Grüße aus.", versprach er. Sicherlich hoffte er, dass er dadurch keine Sonderbehandlung erhalten würde. Egal in welche Richtung. Weder wollte er bevorzugt werden, noch wollte er ein paar Runden zusätzlich um den Platz rennen müssen. Geschweige den Latrinendienst. Sein Lächeln verschwand. Die Vorstellung entsetzte ihn schlagartig.


    Zwischenzeitlich kam Scato und kurz darauf ebenfalls Tacitus ins Atrium. Stilos Lächern erschien wieder und er schaute alle drei an - wobei er ebenfalls Terpander anschließend mit einschloss. Tacitus mit seiner Toga, so wie man ihn kannte und ein Mann seines Schlages unterwegs ist. Stilo war sich nicht sicher, ob er diese nur für ihn angelegt hatte, aber er freute sich sehr darüber.


    Er nahm einen tiefen Atemzug bevor anfing, zu reden. "Familie, ich danke euch für euer kommen. Ihr seid alles, was ich hier habe. Für mich beginnt jetzt ein neuer Lebensabschnitt und ich wollte nicht einfach so gehen, ohne mich richtig zu verabschieden."


    Vielleicht war es die Aussicht auf Abenteuer oder die Hoffnung, dass er seine Familie stolz machen könnte, die ihn antrieb. Das er ebenfalls Angst hatte, das zeigte er niemand.


    "Matidia, ich fange bei dir an." Er ging zu ihr rüber und fasste sie nun an der Schulter. "Ich hoffe, wir werden uns bald richtig kennenlernen. Bis bald."




  • Unauris war in Terpanders Augen ein Nichtsnutz und er verachtete die ganze Person. Fehlende Stärke sollte mit Liebreiz oder Intelligenz ausgeglichen werden, doch Unauris war weder stark noch lieblich und noch weniger zu Geistesleistungen fähig, sondern existierte einfach vor sich hin. Wenn Terpander ihn auch nur sah, wurden seine dunkelsten Gedanken geweckt. Dennoch nickte er, als Iunius Stilo ihm erklärte, dass Unauris nichts für sein Versagen konnte, und zog kurz die Mundwinkel auseinander. Mit viel Fantasie konnte das als Lächeln durchgehen. Er sagte jedoch nichts, da die Herren gerade sprachen. Stattdessen versuchte er, nicht nachzudenken, denn das Thema Militär war für ihn äußerst schwere Kost.

  • Man merkte Stilo an, dass er nervös war, was Matidia absolut nachvollziehbar fand. Auch sie würde - vielleicht - bald heiraten, was für sie ein ähnlicher Schritt wäre, und daher sah sie hier auch einen Ausblick auf ihre eigene Zukunft.

    Jetzt aber war es wichtig, dem Mann einen schönen Abschied zu bereiten, daher lächelte sie und nickte.

    "Ich wünsche Dir alles Gute. Ich bin sicher, Du machst Deine Sache gut. Und wir bleiben ja in der Nähe."

  • Prompt erwiderte Stilo ihr Lächeln. "Ich danke dir. Ich hoffe es, aber ich werde mich auch richtig anstrengen."


    Nun wendete er sich zu Scato, dessen Gesicht Freude ausstrahlte. Sicherlich auch darüber, dass diese Oase inmitten eines unübersichtlichen Urwaldes bewohnt wurde. Um so schade, dass einer davon die Domus nach nur einer Nacht bereits wieder verlassen würde.


    "Danke für alles, Scato. Es war mir eine große Freude und ich hoffe, wir sehen uns bald wieder. Allerdings flehe ich die Götter an, dich nicht bald sehen zu müssen, um deine Dienste in Anspruch nehmen zu müssen." Stilo lachte dabei. Es müsste ja ein Unding sein, während der Grundausbildung schon im Lazaret zu landen. Dies konnte er sich ruhig ersparen, dachte er sich.


    Inzwischen weilten seine Augen auf Terpander und Unauris gleichermaßen. Beider erhielten ein freundliches Nicken zum Abschied - den nun war Tacitus an der Reihe.


    Sicherlich würde dieser Abschied für Stilo am schwersten fallen. . .

  • Stilo musste sich von Scato brüderlich umarmen lassen und bekam den Rücken getätschelt. So war das nun mal. "Keine Ursache, pass auf dich auf und lass dich nicht unterkriegen!"


    Die meisten Neulinge kamen allerdings recht schnell auf die Hilfe ihrer medizinisch geschulten Kameraden zurück, zuerst bei der Musterung und dann, weil sie aufgeplatzte Blasen an den Händen und Füßen hatten, die unter der andauernden Belastung nicht heilen wollten. Bei der Ala wurde Wundsalbe auch anderweitig schnell ein Thema, aber all dies würde Stilo später noch allein merken. Jetzt war Zeit für Aufbruchsstimmung.


    Zum Schluss gab es einen kleinen Klaps, dann gab Scato seinen Vettern frei, der auch gleich weiterwanderte.

  • Auf diese Umarmung war Stilo nicht vorbereitet, fühlte sie sich jedoch warm und herzlich an, und so erwiderte er die Umarmung. Mit dem kleinen Klaps wurde er auch in Richtung Tacitus gelenkt - nun kam der wirklich schwierige Teil für ihn.


    "Tacitus" Stilo lächelte schwer, "ich habe dir wirklich viel zu verdanken. Dank dir hab ich mich in Rom heimisch gefühlt. Ich durfte die faszinierendste Stadtführung überhaupt genießen. Ich habe so viel gelernt und durfte so tolle Orte sehen. Wir haben gut gegessen und du hast mir bei meiner Entscheidung geholfen, hier nach Germania zu kommen. Und das Terpander und du dann ebenfalls hier her gekommen seit gab mir ein großes Gefühl der Sicherheit. Du bist für mich und sicherlich für viele andere ein großes Vorbild."


    Stilo nahm die Rolle, die er die ganze Zeit hoch hielt, und streckte sie Tacitus entgegen.


    " Als wir in Rom auf dem Markt waren sagtest du, das du noch nie de bello iudaico gelesen hattest. Ein Autor wie du, der mehrere Bücher geschrieben hat und unzählige Bücher gelesen hat, kann dies nun nachholen. Ich habe sie dir gekauft und möchte sie dir als Dank schenken. So kannst du immer an mich denken wenn du später dann dem Stab des Kaisers angehörst."


    Stilo zwinkerte und lachte, war er sich doch gewiss, das dieser Mensch es sehr weit bringen würde.

    Er ging auf Tacitus zu und umarmte ihn herzlich.


    Er wusste, dass Tacitus kein Mann großer Emotionen war, aber das war ihm in diesem Moment egal, und so merkte er nicht, dass eine kleine Träne die Wange runterlief...



  • Das Lob war mir fast schon peinlich. Ich war zu Bescheidenheit erzogen worden, vor allem am Museion. Ein Philosoph strebte nicht nach Lob. Er erfreute sich vielmehr daran, dass seine Taten einen positiven Effekt hatten. Ganz abgesehen davon rührte mich diese Ansprache und ich mochte es nicht, wenn mich etwas rührte. Das machte die Selbstbeherrschung immer so schwer.


    Als Stilo mir dann die Schriftrolle gab und erzählte, was für ein Buch es war, konnte ich meine Freude nicht mehr verbergen. Bücher, diese großartigen Schätze, wertvoller als Gold. Und dann umarmte er mich. Warum umarmte einen hier dauernd jemand? Und gerade jetzt, wo ich in die Toga gekleidet war. Die Falten waren alle so schön geordnet gewesen. Ach, scheiß auf die Toga! dachte ich mir. Ich mochte Stilo. Und ich kämpfte gerade gegen den Impuls, hinter Stilos Rücken die Schriftrolle zu öffnen und mit dem Lesen zu beginnen, während ich die Umarmung erwiderte. Verdammte Neugierde! Aber ich konnte mich beherrschen.


    "Wenn ich einmal im Stab des Kaisers sein sollte - was ich bezweifle - werde ich an den Kommandant der Ala denken, den ich gerade umarme."


    Ich klopfte mit einer Hand auf Stilos Rücken und flüsterte ihm ins Ohr "Ich denke, dass wir den Moment nicht überstrapazieren sollten, sonst wird es komisch." Dann ging ich einen Schritt zurück, wobei ich meine rechte Hand auf seiner Schulter ruhen ließ. Sie Spur der Träne ignorierte ich.


    "Stilo, als mein Vater mich im Hafen von Ostia verabschiedet hatte, als ich das Schiff nach Alexandria nahm, sagte er recht viel zu mir, was ich hier nicht alles wiederholen möchte, bis auf eins, weil es passt."


    Ich holte tief Luft, um das Zitat besser von der Einleitung zu trennen.


    "Du wirst nun ein neues Kapitel in deinem Leben beginnen. Du wirst viel Neues kennenlernen, und manches Altbekannte in einem anderen Licht betrachten. Aber eines wird sich nie ändern, und du wirst es nie vergessen: Du bist ein Iunius. Wir sind eine stolze Familie. Unser Vorfahre, Lucius Iunius Brutus, beendete die Königsherrschaft und bekleidete zusammen mit Lucius Tarquinius Collatinus das erste Konsulat. Aber unsere Bedeutung liegt nicht in unserer Geschichte, sondern in den Taten, die wir in Zukunft vollbringen werden. Tue alles, was du tust, zum Wohle Roms. Scheue dich nicht, Schwierigkeiten zu überwinden, aber scheue dich auch nicht, dir Hilfe zu holen, wenn du es alleine nicht schaffst. Vor allem aber, zeige allen, dass du ein Iunius bist und wir Iunii niemals aufgeben."


    Mir selbst kam dieser Moment, an den ich mich bei diesen Worten erinnerte, so unendlich fern vor. Und doch konnte ich noch jedes Wort exakt zitieren. Mein Vater war schon ein begnadeter Redner gewesen und ich hatte hoffentlich seinen Ton getroffen. Ich klopfte Stilo noch einmal auf die Schulter und nickte ihm leicht zu, bevor ich meine Hand von seiner Schulter nahm.

  • Inzwischen weilten seine Augen auf Terpander und Unauris gleichermaßen. Beider erhielten ein freundliches Nicken zum Abschied

    Terpander erwiderte das Nicken und ließ sich dazu herab, die Mundwinkel ein klein wenig nach oben zu ziehen. Man sah es nur, wenn man eine gute Beobachtungsgabe besaß oder konnte indirekt durch das Muskelspiel darauf schließen, wenn man Terpander kannte. Der junge Iunius Stilo hatte ihn anständig und respektvoll behandelt, so wurde ihm diese seltene Ehre zuteil.

  • Als Stilo seine Umarmung löste und er die Toga sah, die nun nicht mehr ordentlich gefaltet war, verschwand sämtliche Farbe von seinem Gesicht, wusste er doch, wie wichtig Tacitus ein ordentliches und würdevolles Erscheinen war. Ein Blick nach oben verriet allerdings, dass in dieser Situation es vollkommen egal war. Sicherlich freute sich Unauris bereits, seine zerstörte Arbeit nachher wieder in Ordnung zu bringen.

    Die Freude über die Schriftrolle, die Tacitus ausstrahlte, war immens. Wahrscheinlich hätte er sie am liebsten gleich ausgerollt und von vorne bis hinten studiert. Dass diese Kopie allerdings auf Griechisch statt auf Latein erfasst wurde, verschwieg er, sah allerdings kein Problem darin. Der Händler in Rom hatte noch versucht, eine auf Latein verfasste Version zu besorgen, hatte sich dann aber nicht mehr gemeldet.

    "Wenn ich einmal im Stab des Kaisers sein sollte - was ich bezweifle - werde ich an den Kommandant der Ala denken, den ich gerade umarme."

    Seine Mundwinkel formten ein Lächeln zusammen und er erwiderte, "Wenn ich einmal der Kommandant der Ala bin - was ich ebenfalls bezweifle - werde ich mit dem Berater des Kaisers, der vor mir steht, ein großes Opfer für die Götter veranstalten."


    Indessen merkte er selber, dass die Situation derweil etwas komisch wurde und als er die Träne merkte, wischte er sich sofort unauffällig weg. Die Erzählung vom Abschied in Ostia ließ ihn an seine eigene Verabschiedung in Crotona erinnern. Zwar wurde er traurig, schätze aber die aufmunterten Wörter, die sogleich eine ordentliche Portion Mut und Ehrgeiz in ihn hinein spülte.


    "Große Wörter, von einem großen Mann. Danke!" sagte er und schaute dann auf alle seine Lieben, die zu diesem kurzen aber entscheidenden Abschied gekommen sind.
    "Für mich ist die Zeit gekommen zu gehen. Ich danke euch für alles, für die Wörter und die Gesellschaft. Auf die Familie. Auf uns Iunii."


    Stilo wollte es nicht weiter in die Länge ziehen, da er merkte, dass seine Standhaftigkeit langsam nachließ und bald ein Meer aus Tränen von ihm fliesen würde. Dies konnte er nicht akzeptieren, war er doch ein Mann und Herr seiner eigenen Entscheidungen. Und seine Entscheidung war zu gehen. Er nahm sein Beutel, nickte in die Runde, und ging vom Atrium in die Porta. Ein Blick auf Terpander und Unauris verriet, dass er die Türe selber öffnen wollte, schließen konnten Sie es dann selbst.


    Draußen angekommen sah er noch einmal in die Wildnis dieser Villa, die so charmant von innen und so chaotisch von außen ist. Es war nur eine Nacht, aber nicht das letzte Mal, soviel war klar. Ein Wind wehte leicht und die Luft war weiterhin sehr kühl. Die Sonne kämpfte gegen eine scheinbar undurchdringbare Wolkendecke. Hier und da waren ein paar Sonnenstrahlen zu sehen. Er schnürte sich etwas enger an, um sich vor dem Wind zu schützen und ging den Weg in Richtung Via Borbetomaga.

  • Als Iunius Stilo die Straße betreten hatte, schloss Terpander hinter ihm behutsam die Tür. Den Iunii fiel die Verabschiedung ihres Verwandten sichtlich schwer, doch sie würden einander wiedersehen, früher oder später. Dies war kein Abschied für immer. Terpander zog sich zurück, um Frühstück vorzubereiten.

  • Nachdem Stilo gegangen war, sah ich meine Verwandten an, zuerst Matidia, dann Scato.


    "Wenn wir ihn das nächste Mal sehen, wird er wohl ein Soldat sein."


    Wie sich Stilo wohl verändern würde? Ob die Armee für ihn so wäre, wie er sich das vorgestellt hatte? Ich würde ihn auf jeden Fall fragen. Dann winkte ich Unauris zu mir.


    "Bitte die Toga richten, so kann ich nicht zum Forum gehen."

  • Auch, wenn Matidia Stilo nicht wirklich kannte, war der Abschied ein wenig traurig, denn es war ein großer Schritt für ihn. Aber als Soldat würde er sicherlich viel lernen und natürlich einen sehr wichtigen Dienst für Rom ableisten. Sie war stolz auf ihren Verwandten!

    "Sicherlich einer der Besseren.", lächelte sie.

    Dann schaute sie fragend zu ihrem Bruder. "Zum Forum? Jetzt?" Das war ihr eindeutig zu früh. Matidia würde sich wohl erst noch ein wenig ausruhen müssen, nach dieser anstrengenden Verabschiedung. "Ich ... habe Dinge hier zu erledigen.", meinte sie daher uneindeutig. Ihre Mutter sollte sie natürlich besuchen, aber das hatte Zeit.

  • Ich sah meine Schwester an. Die Frage machte für mich keinen Sinn, aber ich wollte sie dennoch benatworten.


    "Ja, jetzt. Ich hatte bereits während meinem Aufenthalt in Augusta Treverorum eine Taberna für mich reserviert, die ich nun in Augenschein nehmen möchte. So kann sie bis morgen Abend nach meinen Wünschen eingerichtet werden. Und außerdem möchte ich noch einen Aushang machen, dass ich in dieser Taberna einen Cursus Iuris anbieten werde. Kostenlos, aber dafür nach den Standards des Museion."


    Vermutlich würde sie das überraschen, aber so war ich nun einmal. Untätig rumsitzen kam nicht in Frage. Industria war schließlich eine Tugend. Unser Vater hatte es mir so beigebracht.

  • Tacitus war wirklich vorbildlich in allem, was er so tat. Er war vielleicht kein Soldat, aber dennoch ein mustergültiger römischer Bürger. Auf ihn war Matidia noch ein wenig stolzer als auf Stilo, auch, wenn sie sich von ihrem Bruder durchaus ein wenig unterschied.

    "Das klingt wirklich nach viel Arbeit. Darf ich mir das alles auch mal anschauen?", fragte sie lächelnd. "Du wirst ja kaum Zeit für eine Stadtführung haben." Und sie wollte ja gerne Zeit mit ihrem Bruder verbringen.

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