[Imperium Sinarum] Fossa Magna

  • Nachdem wir Luòyáng verlassen hatten, fuhr unser Konvoi für einige Meilen einen stark frequentierten Kanal entlang. Schließlich erreichten wir den Luò Hé, der gemächlich in einem weiten Tal floss, das sich zunehmend öffnete. Die Bootsmannschaften ruderten routiniert, aber nicht erschöpfend, die Boote und ich konnte mir in Ruhe die Landschaft mit weiten Feldern und Obsthainen, sowie kleineren Dörfern, die an meinem Boot vorbeizog, betrachten. Nach der Schleuse fuhren wir auf dem gemächlich dahinfließenden, gar nicht mal so kleinen Fluss entlang. Es war eine idyllische Landschaft, die mir sehr gefiel. Am Ende des Tages wurde das Tal wieder enger und wir erreichten wir ein Dorf an einer Biegung des Luò Hé, welches über einen größeren Hafen, Lagerhäuser und Gasthäuser verfügte. Das Dorf lag in einem Durchbruch des Luò Hé durch eine Hügelkette nach Norden. Im Licht der Dämmerung konnte ich noch erkennen, dass nach den Hügeln eine weite Ebene begann und wohl auch ein Fluss verlief. Nach meinen Informationen musste das bereits der Huáng Hé sein, den ich so also noch einmal sehen würde. Das Dorf war wohl als Rastplatz für die Boote gedacht, die hier entlang kamen.


    Die Offiziere und ich verbrachten die Nacht in Gasthäusern, während der Rest auf den Booten schlief. Nach einem kurzen Frühstück zur Morgendämmerung traf ich wieder bei den Booten ein und wir setzten unsere Reise fort. Der Huáng Hé floss hier deutlich ruhiger und breiter, als noch in dem engen Tal, in dem ich ihn zuletzt gesehen hatte. Allerdings wackelten die Boote doch merklich, als sich die Strömungen der beiden Flüsse vermischten. Wir folgten der stärksten Strömungen und landeten so in einem der mittleren Arme des Huáng Hé, die sich durch ockerfarbene Sandbänke schlängelten.


    Am frühen Nachmittag erblickte der Bootsführer auf meinem Boot, der letztlich den ganzen Konvoi leitete, eine Mauer, die in den Huáng Hé reichte und gab Anweisungen, an der Mauer festzumachen. Die Mauer war der Beginn einer gemauerten Anlegestelle. Sie war so gebaut, dass die durch die Mauer stets umströmt war, was den Bereich von Sediment frei hielt. Der Uferbereich fiel steil ab. Neben dem Anlegeplatz waren schräge Bahnen, über die Wasser floss, in das Ufer geschnitten. Ich konnte beobachten, wie Boote diese Bahnen hinabglitten. Man konnte die Schiffe auch diese Bahnen hinaufziehen lassen. Das konnte ich auch bei einigen Booten beobachten, entschied mich aber, dass mir das für unsere Fracht zu gefährlich war. Deshalb ließ ich die Fracht komplett nach oben transportieren, von wo aus ich genau beobachtete, dass auch wirklich alles nach oben transportiert wurde. Schließlich wurden die leeren Boote nach oben gezogen, wobei zwei Boote kenterten. Eines konnte gerettet werden und schließlich doch nach oben gezogen, während das zweite so beschädigt wurde, dass wir es nicht mehr verwenden konnten. Die Besatzung dieses Bootes hatte damit Feierabend. Ich sah mich oben um. Wir standen an einem gemauerten Kanal, an dessen Ufern unsere Boote festgemacht wurden und auch andere Boote standen. Da wir Ersatz für das verlorene Boot benötigten, sah ich mich nach Booten um, die gerade entladen wurden. Dabei achtete ich sehr darauf, welchen Eindruck die Besatzung und der Bootsführer auf mich machten. Schließlich fand ich ein Boot, dessen Besatzung mir vertrauenswürdig erschien. Die Besatzung bestand aus einer kompletten Familie. Das machte sie mir sympathisch. Ich beschloss, sie mitsamt ihrem Boot zu requirieren. Man erkannte zwar meinen Rang, leistete aber zunächst noch Widerstand, obwohl ich eine gute Miete anbot. Schließlich erhöhte ich den Mietpreis noch etwas und bot an, ein Empfehlungsschreiben zu erstellen, welches sie nutzen konnten, wenn sie gezielt Regierungsaufträge erlangen wollten. Das überzeugte sie schließlich. Dennoch beschloss ich, auf ihrem Boot den Offizier Wú Liàng und sechs seiner Soldaten unterzubringen. Sicher war sicher. Nachdem die Fracht verstaut war, wurde es bereits dunkel. So bestimmte ich, dass die Reise am nächsten Morgen weitergehen würde. Um unsere wertvolle Fracht zu sichern, übernachteten wir diesmal alle auf den Booten.



    Sim-Off:

    Den Kaiserkanal in China gab es zur bespielten Zeit noch nicht. Dennoch orientiere ich mich bei der lateinischen Bezeichnung "Fossa Magna" am chinesischen Namen des Kaiserkanals, Dà Yùnhé (großer Kanal). Die Strecke beginnt mit dem Luò-Kanal, der Luòyáng mit dem Luò-Fluss verbindet. Dem Fluss wird gefolgt, bis der Gelbe Fluss (Huáng Hé) erreicht wird, dem bis zum Hóng-Kanal gefolgt wird. Anschließend wird dem Hóng-Kanal auf voller Länge bis zum Huái Hé gefolgt. Dem Huái-Fluss wird dann bis zum Hán-Kanal gefolgt, der auf voller Länge bis zum Jangtsekiang (Cháng Jiāng) gefolgt. Der Hán-Kanal ist hierbei das einzige Teilstück, welches später Teil des Kaiserkanals werden sollte.

  • Am nächsten Morgen ging es weiter. Unser Konvoi setzte sich den Kanal entlang in Bewegung. Die Hügel, die wir hinter uns ließen, wurden immer kleiner und wir fuhren durch eine weite Ebene mit Feldern, Dörfern und kleineren Städten. Am Kanal befanden sich oft Dörfer und kleine Städte. Spätestens nach einer nicht allzu hektischen Tagesreise erreichte man einen Anlegeplatz mit Lagerhäusern und Gasthäusern, wo man rasten konnte. So kamen wir recht gut und bequem voran. Die Boote ließ ich stets bewachen, wenn wir übernachteten. Zwar hielt ich die Besatzungen für halbwegs loyal, doch machte die Gelegenheit bekanntlich den Dieb und so wollte ich verhindern, dass jemand in Versuchung kam. Außerdem gab es ja auch noch Fremde, die möglicherweise die Besatzungen überwältigen konnten. Kaiserliche Soldaten wirkten da schon abschreckender. Immerhin konnten die nächtlichen Wachen tagsüber beim ruhigen Gleiten der Boote durch den Kanal ihren Schlaf nachholen.


    Nach einer Woche kamen wir schließlich an einer befestigten mittelgroßen Stadt an. Es handelte sich um Suīyáng, die Hauptstadt des Königreichs Liáng. Das Königreich war hierbei vor allem als Verwaltungsstruktur im Reich Hàn zu sehen. Das bedeutete aber nicht, dass ich dem König keinen Respekt zollen musste, zumal es sich um einen Verwandten des Kaisers handelte. Nachdem wir im Hafen der Stadt angelegt hatten, wurden uns sofort Soldaten zur Verfügung gestellt, um die Waren in bewachte Lagerhäuser zu bringen. Außerdem wurden die Soldaten in Kasernen untergebracht und ich selbst in einem großzügigen Haus, das der König von Liáng seinen höherrangigen Gästen zur Verfügung stellte. Natürlich musste ich der Einladung des Königs zu einer Audienz Folge leisten, wozu ich mich in die rote Hoftracht kleidete. Es war eine Frage von Sitte und Respekt. Als König standen ihm ebenfalls auf der Zahl zwölf basierende Ehren zu, so wie ich es auch beim Kaiser kennengelernt hatte.


    Bei der Audienz sprachen wir über Neuigkeiten vom Hofe in Luòyáng, sowie meine Reise und meine Befehle. Der König versprach, mir Boote zu organisieren, die mich zum Huái Hé und weiter bis nach Huái'ān bringen sollten. Ich wies die Großzügigkeit des Königs, so wie es die Sitte forderte, zweimal auf Grund meines niedrigeren Standes zurück und akzeptierte beim dritten Angebot gespielt widerwillig. So war mein Gesicht bewahrt, indem ich bescheiden erschien. Der König war zufrieden und ließ mir ein fürstliches Abendmahl im Gästehaus bringen. Arpan konnte ich ebenfalls im Gästehaus unterbringen, wenngleich er abends keine Mahlzeiten mehr zu sich nahm.


    Das Organisieren der Boote nahm zwei Tage in Anspruch, so dass ich mir die Stadt ansehen konnte. Sie war weniger geordnet als die beiden Hauptstädte, die ich gesehen hatte. Die Gassen waren kleiner und verwinkelter. Ich lernte, dass diese Stadt eine der ältesten Städte in Serica war und deshalb noch einen sehr ursprünglichen Baustil hatte. Die einzige Ordnung schufen zwei sich am großen Königspalast kreuzende Hauptstraßen und die Straßen, die die jeweiligen Wohnviertel umschlossen.


    Nachdem die Boote beladen waren, ließ mir der König noch eine Botschaft für den Kommandant von Huái'ān überbringen und als Dank für meine Botschafterdienste einen Ballen wertvolle bunte Seide als Geschenk, den ich nach zweimaligem Zurückweisen bescheiden und demütig annahm. Wenn man mir vorher gesagt hätte, dass ich hier überall mit Seide beschenkt würde, hätte ich es mir sparen können, in Cháng'ān einen Großteil des übrig gebliebenen Geldes in Seide zu stecken. Zumal die Seidenqualität anscheinend immer besser wurde, je weiter ich reiste. Natürlich war Seide hier nicht so teuer, wie in Rom, aber dennoch ein Luxusgut. Ich fragte mich, ob das jemals anders werden würde.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!