[Peristylium] Planung der Gedenkriten für Terpander.

  • Nachdem ich mit Amytis im Peristylium angelangt war, atmete ich tief durch und schloss für einen Moment die Augen, um mich ohne äußere Eindrücke zu fokussieren. "Mir fällt es nicht leicht, die Fassung zu bewahren. Aber wenn ich versage, dann läuft alles völlig aus dem Ruder. Terpander war streng, aber beliebt. Und von allen respektiert. Ich werde ihn sehr vermissen." Es fiel mir leichter, zu reden, während ich mich bewegte, und so ging ich langsam durch den Säulengang. "Eine Bestattung fällt aus, also muss ich andere Riten durchführen. Das verlangt bereits der Respekt gegenüber Terpander. Und, auch wenn ich selbst gefasst wirke... das täuscht. Ich brauche eine zweite Person, die mir hilft, eine würdevolle Zeremonie zu planen und abzuhalten. Mir ist bewusst, dass ich viel von dir verlange. Aber ich brauche im Moment Hilfe." Mir gefiel es nicht, dass dem so war, doch hatte ich gelernt, dass es keine Schande war, um Hilfe zu bitten. Auch der Edle bat um Hilfe, wenn er alleine nicht weiter kam.

  • Amytis folgte Yúnzi aus dem Atrium und nahm eine Stellung ein. Sie war gespannt, was er sagen würde, so ganz allein hatte sie ihn ja noch nicht erlebt. Auch wenn sie ihn bisher als gar nicht mal so unnahbar wahrgenommen hatte, sprach er nun doch nochmals freier. Sie ließ ihn ausreden, verneigte sich dann und sprach, als er ihr es erlaubte.
    "Ich bin mir sicher, du wirst nicht versagen, Yunzi." Sie machte eine kurze Pause und legte sich die Worte nochmals zurecht. "Solange Terpander geehrt wird und man die ehrliche Absicht hat, ist das gar nicht möglich, glaube ich. Jeder wird sehen, das es ernst gemeint ist. Woher stammte er denn, und an welche Götter richtete er seine Gebete?" Die, für sie, entscheidende Frage, denn in ihrer Welt kam ein Felssturz in den Bergen einer Himmelsbestattung schon recht nahe, wobei das hier vermutlich anders lag. "Es ehrt mich, dass du mich auswählst." Sie gestattete sich ein zaghaftes stolzes Lächeln, welches sie rasch wieder versteckte. "Ich helfe gerne. Mein Beileid.", fügte sie, deutlich ernster, an.

  • Woher stammte Terpander? Griechenland, da war ich mir sicher. Aber woher genau? Ich wusste es nicht, aber ich hatte eine Vermutung. Welche Götter hatte er angebetet? Ich wusste es nicht. Ich hatte ihn aber nie beten gesehen. Es war erschreckend, wie wenig ich wusste. "Er war Grieche. Ich vermute, dass er aus Lakonien stammt. Jedenfalls scheint mir da ein leichter lakonischer Akzent in seiner Sprache gewesen zu sein. Welche Götter er anbetete weiß ich nicht, habe ich ihn doch nie beten gesehen. Seiner Persönlichkeit nach bin ich mir aber sicher, dass er, wenn überhaupt, dann zu den griechischen Göttern sprach." Während ich sprach, ging ich langsam weiter. Es half mir, meine Gedanken zu sortieren. "Ich sollte eigentlich mehr über ihn wissen. Natürlich war er nicht mein Sklave, aber ich hatte mit ihm eine Reise von hier bis nach Mogontiacum hinter mich gebracht. Da hätte man sich gut unterhalten können. Nun muss ich improvisieren." Damals hatte ich mich noch nicht so dafür interessiert, was ein Sklave dachte und was für ein Mensch ein Sklave war. Nun war es mir wichtiger. Serica hatte mich verändert. Das merkte ich daran, dass es an mir nagte, nicht mehr über Terpander zu wissen. "Ich sollte Hermes bitten, ihn sicher in die Unterwelt zu geleiten. Und den Unsichtbaren und seine Frau Persephone darum bitten, ihm keine Qualen zu bereiten."

  • "Ich denke, du weißt mehr über ihn als mein Herr über mich." Amytis biss sich auf die Lippen. Das war unnötig gewesen, auch wenn es die Wahrheit war. "Es ist nicht verkehrt, die Götter darum zu bitten. Ihn für seine Arbeit und sein Dasein in diesem Haus zu loben sicher ebensowenig. Dafür könnte man Sporus oder die anderen Sklaven fragen?" Sie hob vorsichtig den Blick und war gespannt auf seine Reaktion, immerhin wäre das im Hause ihres Herrn absolut undenkbar, hier erschien es aber wie eine Möglichkeit. "Und natürlich ein Opfer, wenn man möchte." Damit erschöpfte sich auch schon ihr Wissen über griechische Totenkulte, aber letztlich war der Respekt, den man dem Andenken an Tote zollte, wohl überall ähnlich.

  • Die Bemerkung über ihren Herrn nahm ich wahr, doch zeigte ich keine Reaktion. Ob es normaler war, nichts über seine Sklaven zu wissen, oder viel über seine Sklaven zu wissen, konnte ich nicht beurteilen. Nach der Philosophie, die ich in der Ferne kennen und schätzen gelernt hatte, verdiente ein Sklave ebenfalls Respekt und deshalb erschien es mir angemessen, mehr über die Menschen, die uns als Sklaven dienten, zu erfahren. "Sporus fragen, das klingt ganz gut. Ich denke, das werde..." Ich sah Begoas mit einer Wachstafel auf mich zukommen. Das verhieß nichts Gutes, wenn er es jetzt zu stören wagte. Als er näher kam, erkannte ich, dass es zwei Wachstafeln waren.


    "Zwei wichtige Nachrichten, Herr." Er überreichte mir die Wachstafeln, verneigte sich, und ging wieder. Tatsächlich hatte er es ziemlich eilig, wegzukommen.


    Ich öffnete die erste Wachstafel. Das Siegel der Gens Flavia war bereits gebrochen, daher wusste ich, dass Begoas sie bereits gelesen hatte. Ohne es zu merken, murmelte ich ein paar der Worte, die geschrieben standen. "... Quaestor Principis... Galeo Seius Ravilla... unerwartet... leider verstorben..." Ich hatte ihn zwar nur flüchtig kennengelernt, aber dennoch seine Bildung und Person geschätzt. Er war in der Villa Flavia Felix untergekommen, daher wusste ich, dass man sich um seine Bestattung kümmern würde. Immerhin. Meine Stimmung förderte es dennoch nicht, obwohl ich nach außen keine Regung zeigte.


    Die zweite Tafel war noch versiegelt, und zwar mit dem Siegel der Prätorianer. Ich öffnete es und las den Text. "... Centurio der Cohortes Praetoriae Sisenna Seius Stilo... im Dienst... verstorben..." Seius Stilo hatte ich besser gekannt. Er war mir eine große Hilfe gewesen, als ich nach Jahren des Studiums am Museion nach Rom zurückgekehrt war. Wenn er nicht in der Kaserne nächtigte, hatte er hier gelebt. Wenn ich das richtig im Kopf hatte, war er ein Onkel meines Vetters Iunius Scato. Und außerdem der Herr von Sporus. Ich gab beide Wachstafeln zu Amytis, damit ich sie nicht fallen ließ. "Beide Brüder..." sagte ich leise, fast tonlos. Man konnte mir gut ansehen, dass ich mit meiner Fassung rang. Das war jetzt doch alles etwas viel auf einmal. "Meinst du..." Ich atmete tief durch, weil ich merkte, dass meine Stimme immer noch recht tonlos war. "Meinst du... entschuldige, ich..." Noch einmal atmete ich tief durch und schloss die Augen, ließ einen Moment lang meine Gedanken schweifen, bis ich meine Selbstbeherrschung so weit wiederhergestellt hatte, dass ich klare Sätze formulieren konnte. "Neuer Versuch. Meinst du, Sporus wird es jetzt bereits ertragen, wenn ich ihm sage, dass sein Herr gestorben ist? Er gehörte Sisenna Seius Stilo."

  • "Mein Herr ist auch tot?", fragte Sporus, immer noch mit den Tränen kämpfend, wegen Terpander. Sporus war unerwartet gerade im Peristylium erschienen. "Verzeih mir, Yunzi. Ich habe nicht alles mitbekommen, nur deinen letzten Satz", sagte Sporus, wohl wissend, dass er sich falsch verhalten hatte. Er verbeugte sich tief vor Tacitus, während er um Verzeihung bat. Seine Trauer um Terpander saß sehr tief, so tief, dass sein Mitgefühl für Stilo nicht im Vordergrund stand. Er hatte seinen Herrn sowieso nur kurz gekannt, bevor er von ihm zu Scato geschickt wurde. Sporus erinnerte sich an seine erste Begegnung mit Stilo.

  • Ich hatte Sporus nicht kommen hören, war ich doch ins Gespräch mit Amytis und meine eigenen Gedanken vertieft. Auf seine Frage nickte ich dann zunächst nachdenklich, bevor ich antwortete. "Ja, Sisenna Seius Stilo ist ebenfalls verstorben. Ich werde morgen versuchen, den legitimen Erben herauszufinden. Seius Stilo hatte mir geholfen, als ich nach zehnjährigem Studium zurück nach Rom kam. Jetzt kann ich ihm etwas dafür zurückgeben. Ich wünschte, ich hätte ihm zu Lebzeiten etwas zurückgeben können, nun will ich für seinen oder seine Erben als Advocatus die Interessen vertreten." Das war letztlich das, was ich besonders gut konnte.


    "Aber wo du schon einmal hier bist, kannst du mir helfen. Du kanntest Terpander besser, als ich ihn kannte. Zu welchen Göttern hat er gebetet? Liege ich richtig in der Annahme, dass er Lakonier war? Hatte er Wünsche für den Fall seines Todes?" Mir war klar, dass ich Sporus damit womöglich seelischen Schmerz zufügte, aber ich wollte unbedingt die richtigen Riten durchführen. Das würde auch Sporus' Schmerz langfristig heilen.

  • "Ja, Yunzi. Er kam aus Sparta. Über den Tod haben wir aber nie gesprochen", sagte Sporus. "Ich weiss nicht, zu welchen Göttern er gebetet hat, ich war nie dabei gewesen, weil er das nicht wollte." fügte Sporus noch hinzu. Dann liefen wieder die Tränen. Sein Schmerz war noch sehr stark.

  • Ich legte meine rechte Hand auf seine Schulter. "Danke, das hilft mir bei den Vorbereitungen." Dann fügte ich mit einem sanften Lächeln hinzu "Der Schmerz wird vergehen. Aber die guten Erinnerungen werden bleiben. Weißt du, die Stoiker aus Athen und die Buddhisten aus Indien haben eine Sache gemeinsam. Sie sind beide der Meinung, dass man nicht an materiellen Dingen hängen sollte. Eine andere Person, auch wenn man sie liebt, ist dennoch etwas Materielles. Doch die Erinnerungen an die Zeit, die man mit einer Person verbringen durfte, die sind nichts Materielles. Sie gehören uns. Man kann sie uns nicht nehmen."


    Ich nahm die Hand von seiner Schulter und stellte mich vor ihn. "Sieh mich an, denn ich muss dir etwas sagen. Vielleicht hilft es dir. Dein Herr, Seius Stilo, war ein Mensch, den ich sehr schätzte. Nicht nur, weil er mir geholfen hatte, sondern vor allem, weil man einfach gerne in seiner Gesellschaft war. Und sein Bruder, der Quaestor Principis Seius Ravilla, war ebenfalls ein von mir sehr geschätzter Mensch. Vor allem wegen seiner Bildung und seiner Zivilisiertheit. Beider Tode haben mich getroffen. Auch, weil sie nun noch zum Tod von Terpander hinzukommen, den ich ebenfalls sehr geschätzt habe. Das ist alles etwas viel auf einmal. Doch noch tragischer wird das alles, weil vor einigen Jahren die Schwester der beiden Seier, Seia Fusca, ebenfalls jung verstorben ist. Sie war schön, gebildet und..." Ich zuckte mit den Schultern. "Sagen wir einfach, dass ich sie sehr mochte. Wäre sie nicht verstorben und ich hätte etwas mehr Zeit gehabt, sie besser kennenzulernen, dann hätte ich bei Seius Ravilla um die Hand von Seia Fusca angehalten. Aber es sollte eben nicht sein. Dass nun alle drei Geschwister verstorben sind, ist für mich nicht einfach." Nun sah ich Sporus direkt in die Augen. "Andererseits hätte ich meine Reise nach Serica nicht angetreten, wenn ich mit Fusca vermählt gewesen wäre. Dann hätte ich nicht die Philosophien aus Serica kennengelernt. Und dann hätte ich nicht die Gewissheit, die ich jetzt habe und die es mir erlaubt, meine Fassung zu bewahren. Denn eines ist klar: Mit dem Moment unserer Geburt begeben wir uns auf den Weg zu unserem Tod. Wir wissen nicht, wie lang er sein wird. Wir wissen nicht, mit wem wir den Weg oder Teile des Weges gehen. Wir wissen auch nicht, ob der Weg uns glücklich machen wird, oder nicht. Das alles ist ungewiss. Sicher ist nur das Ende. Wir werden sterben. Wir wissen nicht, wann, aber wir wissen, dass wir sterben werden. Aber wir können ein paar Dinge beeinflussen. Wir können den Weg in Würde beschreiten. Wir können die schönen Momente in unserem Leben in unseren Erinnerungen bewahren und es später immer wieder daran erfreuen, auch dann, wenn es unschöne Momente gibt. Und man kann uns diese Erinnerungen niemals wegnehmen. Merke dir das gut, und versuche danach zu leben."

  • Amytis war persönlich nicht betroffen, denn sie kannte keine der drei Personen, aber es war klar, dass dies ein großer Zufall war und für die mittlerweile beiden anderen Männer ein sehr wichtiger Moment war. Selbst der bisher so beherrscht und zumindest kontrolliert wirkende Yúnzi war erschüttert, und Sporus wirkte, als hätte man ihm den festen Boden unter den Füßen fortgezogen. Sie hatte keine Ahnung, wie sie etwas besser machen sollte, also trat sie schweigend zu Sporus und legte einen Arm um ihn. Eine universelle Geste des Trostes, unabhängig von Religionen und Göttern, und auch, wenn es ihre Kompetenzen als Sklavin überschreiten mochte, war sie sich sicher, dass Yúnzi nichts dagegen hatte. Sie war ein Mensch und für einen anderen Menschen da, weshalb sie nicht nur weitaus wertvoller in ihren Diensten sein würde, sondern auch loyaler, und das verstand dieser Mann offensichtlich deutlich besser als ihr eigener Herr.
    Wie es schien, würden die drei Männer an der Činvat-Brücke keine Angst haben müssen, aber so genau konnte sie das natürlich nicht sagen, und es würde auch kein Trost für Sporus oder Yúnzi sein. Sie schaute letzterem, erneut etwas dreist, ins Gesicht, als er geendet hatte, und lächelte warm. Ein stiller Dank für diese tröstenden, weisen Worte. "Ich bin für dich da, wenn du möchtest.", sagte sie leise zu Sporus. "Wir werden einen Weg finden, damit du nicht bei Pinus bleiben musst.", flüsterte sie dann, noch ein wenig leiser. Sie wusste nicht wie, aber auch in der kurzen Zeit hatte sie gemerkt, dass ihr Herr ein besonderes Auge auf Sporus geworfen hatte, obwohl dieser ihm ja nicht einmal zu gehören schien.

  • Sporus nickte, während er das Gesagte versuchte zu verarbeiten. Es waren viele Worte, und Sporus war damit etwas überfordert. Noch immer liefen die Tränen, aber er fasste sich etwas wieder. Er konnte nichts sagen. Es war überwältigt von den Gefühlen und der Fürsorge, die ihm entgegengebracht wurde. Auch das, was Tacitus und auch Amytis gesagt hatten, waren weise Worte. Dass Menschen so offen und herzlich zu ihm sprachen, kannte er bis dato nicht. Er fühlte sich, wie einst bei Scato, zum zweiten mal in seinem Leben, geborgen. Dann erinnerte er sich wieder an Terpander und die Zeit, die er mit ihm verbracht hatte.

  • Ich warf Sporus noch einmal einen Blick zu, dann Amytis. "Ich bin mir inzwischen sicher, welche Götter ich anrufen werde und was ich sagen will. Fehlt nur noch die passende Kleidung. Einerseits bin ich, so lange meine Mission noch nicht abgeschlossen ist, vor allem serischer Gesandter. Als solcher müsste ich serische Trauerkleidung tragen. Andererseits werden die Götter wohl eher einen Römer ernstnehmen. Dann wäre römische Kleidung angemessen. Oder ein Kompromiss? Wenn ich einfach über der serischen Trauerkleidung eine Toga pulla trage, hätte ich beides vereint. Was meint ihr?" Die Meinung der beiden Sklaven war mir wichtig. Die von Sporus, weil er das war, was einem Familienmitglied von Terpander am nächsten kam. Und die von Amytis, weil ich sie als Person schätzte.

  • Amytis überlegte kurz, und war mittlerweile schon nicht mehr gar so verwundert, dass man sie um ihren Rat fragte und wie einen Menschen behandelte. "Ein Kompromiss zwischen deiner Stellung und dem Respekt für die Götter erscheint mir sehr sinnvoll, Yúnzi." Sicherlich wäre jeder Sklave stolz, wenn er wüsste, dass man sich nach seinem Tod so viele Gedanken um ihn machte.

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