• Es war bereits dunkel, als ich die schwere Holztür hinter mir schloss. Mein Rücken schmerzte vom langen Stehen, und meine Hände waren rau und rissig. Ton, Wasser und Feuer hatten ihre Spuren hinterlassen. Seit dem Morgengrauen hatte ich auf dem Markt Töpfe und Schalen verkauft. Nicht viel, aber genug, um den Tag zu überstehen. Vielleicht.


    Der warme Duft von gebratenem Fleisch und frischem Brot umhüllte mich sofort. Stimmengewirr, das Klirren von Bechern, ein knisterndes Feuer in der Ecke. Die Taberna war voll, wie immer zu dieser Stunde. Ich ließ mich auf einer Holzbank nieder, nicht weit vom Feuer, und bestellte mir einen Becher gewürzten Wein. Den hatte ich mir verdient. Ich nippte gerade an meinem Becher, als die Tür erneut aufflog. Männer in Rüstung stapften herein. Legionäre, mehrere, und einer trug einen roten Mantel. Ein Offizier? Er ließ seinen Blick über die Gäste schweifen, musterte jeden Tisch. "Sila!" hörte ich plötzlich eine Stimme rufen. Ich fuhr herum, es war Livia. Eine alte Bekannte aus besseren Tagen. Sie winkte mich zu sich herüber. Ich spürte ein ungutes Kribbeln. Etwas lag in der Luft… und ich bezweifelte, dass dieser Abend so friedlich enden würde, wie ich es mir erhofft hatte.

  • Matidia hatte sich an diesem Abend bewusst etwas abseits vom Zentrum der lärmenden Schenke niedergelassen, auf einem breiten, aber abgewetzten Holzbänkchen unter einem Wandfresko, das bessere Zeiten gesehen hatte. Sie fröstelte leicht, obwohl der Raum warm war – vielleicht, weil sie den ganzen Tag damit verbracht hatte, zwischen Ärzten, Offizieren und neugierigen Soldaten um Auskünfte über den Zustand ihrer Mutter zu ringen. Noch immer lag Tillia Ursicana im Lager, bettlägerig, erschöpft vom Angriff und von der Reise.

    Matidia jedoch hatte dringend Abstand gebraucht, wenigstens für einen Moment. Und ein Becher gewürzten Weines, der ihr versprach, die Anspannung aus Schultern und Nacken zu lösen.



    Sie saß, wie immer, tadellos zurechtgemacht: das braune Haar in kunstvoller Hochsteckung, die Tunika frisch gegürtet, der Mantel elegant über die Schulter gelegt. Aber in ihren blauen Augen lag Müdigkeit, die sich nicht so leicht überschminken ließ.

    Gerade schien alles erledigt, als die Tür aufflog. Kalte Luft, das Scheppern von Metall. Mehrere Legionäre traten ein, und mit ihnen ein Offizier im roten Mantel. Sein Blick streifte über die Tische wie der einer Raubkatze, die prüfte, wo sich Beute verbarg.

    Matidia senkte instinktiv das Kinn, genug, um nicht zu auffällig zu wirken, aber nicht so sehr, dass sie an Haltung verloren hätte. Die Atmosphäre im Schankraum spannte sich, wie kurz vor einem Gewitter. Sie kannte dieses Gefühl: wenn Soldaten etwas suchten, war es selten angenehm.

    Dann ein Rufen, nicht weit von ihr.

    Die Stimme kam vom Nachbartisch. Matidia fuhr herum. Eine Frau winkte, energisch, fast zu eilig und eine Blonde reagierte darauf. Wie hing das nun zusammen? Sie beobachtete weiter.

  • Ich setzte mich zu ihr, und sie beugte sich sofort näher. "Du hättest heute nicht hierherkommen sollen", murmelte sie. "Das sagst du immer", antwortete ich und versuchte zu lächeln. Es misslang. Mein Blick wanderte zu den Legionären. Der Offizier war inzwischen nähergekommen. Zu nah. "Was ist los?" flüsterte ich. "Sie suchen eine Frau. Eine Töpferin", sagte Livia leise. "Gestern auf dem Markt Streit mit einem Soldaten. Er liegt heute mit gebrochener Nase im Lager. Er sagt, du warst es." Mir wurde kalt. Gestern. Markt. Der betrunkene Soldat, der einen Krug nahm, ohne zu zahlen. Ich hatte ihm nur die Hand weggeschlagen. Mehr nicht.


    Bevor ich antworten konnte, spürte ich den Blick des Offiziers im Rücken, als hätte er mir ein Gewicht zwischen die Schulterblätter gelegt. Für einen Herzschlag lang sah ich nur zwei Möglichkeiten... aufstehen oder etwas sehr Dummes, sehr Mutiges tun. Ich griff nach meinem Becher, als hätte ich es mir anders überlegt, stand halb auf, stolperte absichtlich ein wenig und wandte mich vom Tisch weg. "Ups...", murmelte ich laut genug, um gehört zu werden, "ich sehe schlecht im Halbdunkel." Dann ging ich nicht zur Tür, sondern machte zwei Schritte zur Seite, direkt zu der Frau mit dem dunklen Mantel und der aufrechten Haltung, die mir schon zuvor aufgefallen war. Sie wirkte fehl am Platz zwischen all dem Lärm, zu gesammelt, zu wachsam. Wenn jemand hier wusste, wie man sich in brenzligen Momenten benahm, dann sie.


    Ich ließ mich neben ihr auf die Bank sinken, ohne zu fragen, und stellte meinen Becher auf den Tisch, als wäre ich mitten in einer längst begonnenen Unterhaltung. "Du bist spät dran", sagte ich leise, aber bestimmt, den Blick auf den Wein gerichtet. "Ich dachte schon, du kommst heute gar nicht mehr." Aus dem Augenwinkel sah ich, wie der Offizier innehielt. Unsicherheit. Nur ein Hauch davon, aber genug. Ich beugte mich näher zu der Frau und senkte die Stimme noch weiter. "Bitte spiel mit. Sie suchen mich." Lauter fügte ich hinzu, während ich mit dem Finger eine feuchte Spur im Holz nachzeichnete. "Wie fandest du gestern den gemeinsamen Ausflug?" Mein Herz hämmerte mir bis in die Schläfen. "Ich hoffe, es war erfreulich." Ich wagte es nun, sie anzusehen, nur kurz, flehend. Und hoffte, dass sie verstand, was hier gerade auf dem Spiel stand.

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