Unterkünfte der Cohortes Urbanae

  • Antias griff grinsend zu seiner alten Tunica, zog sie über und machte sich dann an den Rest der Uniform. „Na wunderbar ..“ lachte er zu Macro hinüber
    „Meine Tunica und deine Caligae .. sollte uns jemals ein verwachsener Gnom mit gigantischen Schultern und winzigen Füßen zugeteilt werden, können wir ihn wenigstens vernünftig ankleiden.“
    Die neuen Stiefel ließ er natürlich an, und im Grunde war das mit der Tunica nichts, worüber es sich aufzuregen lohnte, denn ehrlich betrachtet, trug er auch die alten Klamotten noch nicht länger als ein paar Tage. Solange das Donativum nicht aus falschen Münzen bestand war alles in bester Ordnung. Und was nun damit anstellen? Scato hatte augenscheinlich den gleichen Gedanken, sein Vorschlag kam Antias gerade recht.


    „Verdammt überlegenswerte Idee!“ strahlte Antias den Kameraden an. „Kennst du dich ein wenig aus in der Stadt?“

  • "Naja, es geht. Ich war schon als Kind ein paar Mal hier in Rom. Allerdings habe ich da wohl nicht die Bezirke kennengelernt, in die es uns hinziehen wird." grinste Scato schelmisch. "Aber mach dir keine Sorgen, wir werden uns schon durchschlagen."


    Dann sah er zu seinen anderen Kameraden. "Wie sieht es mit euch aus? Seit ihr dabei?"

  • Aus den Tiefen der Barracke wurde zustimmendes Gemurmel vernehmbar. Hispo, ein baumlanger Bursche aus Ostia, sprang begeistert von seiner Pritsche auf. „Weiber!“
    Antias grinste noch breiter. Hispo war kurz davor, aus den Mundwinkeln zu tropfen. „Weiber aber auch, oder nicht?“


    Verdient hatten sie es sich alle. Die ersten Tage der Ausbildung waren hart gewesen, beinhart. Auf dem Ausbildungsplan hatten zwar Exerzierübungen und Theorie gestanden, tatsächlich aber waren sie erst einmal kreuz und quer über den Platz gejagt worden, in voller Montur, Stunde um Stunde. Anschließend hatte man ihnen eine lächerlich kurze Zeitspanne eingeräumt, um ihre Ausrüstung wieder auf Vordermann zu bringen, nur um gleich wieder durch den Staub gescheucht zu werden. Laufschritt! Stillgestanden! Liegestützen! Laufschritt! Kehrt! …. da staute sich so einiges an, vor allem in den Lenden.
    „Wo's Wein gibt, gibt’s auch Weiber, soviel steht mal fest.“ beruhigte Antias den lechzenden Riesen.
    Hispo ließ einen Freudenjauler hören und verfiel in rhythmisches Beckenzucken.


    „Ohnehin sollten wir unser zukünftiges Einsatzgebiet erstmal gründlichst auskundschaften.“ lachte Antias und sah augenzwinkernd zu Macro hinüber.
    „Und was meint unser Iulier? Stülpen wir uns die Stadt morgen über?“

  • Mit der Schulter gegen die Barackenwand gelehnt beobachtete ich schweigend die Szenerie. Der sonst so besonnende Hispo sprang wie ein kleines Kind durch die Gegend und freute sich auf die Ausführung des Plans. Auch ich hatte nichts dagegen einzuwenden, auch wenn ich noch nicht so oft mit dem Genuss von Wein in Berührung gekommen bin. Mein Vater sagte immer, dass man nicht saufen können musste, um ein Mann zu sein, sondern Verantwortung übernehmen. Eine Familie führen, beispielsweise, oder erst einmal auf sich selbst aufpassen können. Aber warum sich nicht einmal was gönnen. Von seinen Freunden in Misenum hatte er auch eigentlich nur gutes von Wein gehört, es sei denn, man übertrieb es. Achselzuckend stimmte ich also den Männern zu.
    "Von mir aus können wir ein wenig die Gegend um die Castra auskundschaften, ja. Nur sollten wir uns versuchen zu benehmen- fürs erste. Oder wollt ihr gleich eine Ausgangssperre oder Latrinendienst bekommen, wenn dem Zenturio zu Ohren kommt, wie sich die Männer aus seiner Zenturie in Rom benommen haben?"
    Es war sicherlich kein Geheimnis, dass es Strafen hageln würde, wenn sie sich beim ersten mal Ausgang daneben benehmen würden und von irgendwem angeschwärzt werden würden. Immerhin war ihre Kohorte sicher nicht die Einzige, die Ausgang haben würde. Ich hatte nicht sonderlich viel Lust eine Woche lang die Latrinen zu schrubben.
    "Lasst uns ein wenig die Örtlichkeiten um die Castra herum auskundschaften und uns etwas trinken gehen.", schlug ich vor.

  • Antias nickte nachdenklich. An Besäufnissen hatte er wahrlich keinen Nachholbedarf. Vergiss nicht, warum du hier bist! sagte er sich. Außerdem wusste er nur zu gut, wie schnell sich die Kunde von ausgegebenen Prämien in einer Garnison verbreitete. Sämtliche Huren, Wirte, Spieler und Halsabschneider im Umkreis der Castra rieben sich sicher bereits die Hände angesichts des zu erwartenden Frischfleisches. Andererseits waren solche Anlässe wichtig, geradezu notwendig, um den Druck der Ausbildung wenigstens vorübergehend loszuwerden. Zudem konnte niemand wissen, wann sich die nächste Gelegenheit zu einem ausgelassenen Abend bieten würde.


    „Pah! Wer braucht Wein, wenn er Weiber hat!“ stellte Hispo fest und krazte sich ausgiebig am Gemächt. "Na, ich vielleicht?" protestierte ein anderer Kamerad.


    „Macro hat recht. Alles in Maßen.“ sagte Antias schließlich. „Die warten da draußen schon auf uns. Also sollten wir nicht unser ganzes Geld mitschleppen und außerdem versuchen, zusammen zu bleiben.“ sein Blick blieb am selig lächelnden Hispo hängen. „Wenigstens so gut es geht.“
    Hispo zuckte unschuldig die Achseln.
    „An mir soll's nicht liegen. Gebt mir Weiber und ich geb Ruhe“

  • Sim-Off:

    Lasst euch hiervon nicht stören. Ich gehe mal von zwei unterschiedlichen Zeitebenen aus.


    Heute nicht der Cornicularius selbst, sondern ein anderer nicht minder wichtig dreinschauender Soldat suchte die Unterkünfte der dritten Centuria Ferocis auf, wo er sich bis zum Contubernium, dem auch ein Tiro Iulius Macro angehörte, durchfragte. Zweimal kurz pochte er an der Tür, dann öffnete er selbige ohne auf eine Antwort von drinnen zu warten.
    "Befehl von oben: Der Tiro Iulius Macro hat sich unverzüglich am Officium des Tribunus Iulius einzufinden.", teilte der Militär einmal laut und deutlich mit, bevor er die Stube sodann wieder verließ. Wäre der Tiro nicht persönlich dagewesen und hätte diese Order vernommen, so würden ihm die Kameraden seines Contubernium - wohl die mit engsten Freunde, die ein Berufssoldat hatte - schon ausrichten, dass man nach ihm verlangt hatte... erneut binnen recht kurzer Zeit.

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    CIVIS
    DECURIO - OSTIA
    INSTITOR - MARCUS IULIUS LICINUS
    IUS LIBERORUM
    VICARIUS DOMINI FACTIONIS - FACTIO VENETA

    Klient - Marcus Vinicius Hungaricus

  • Die Rekruten waren kaum dazu gekommen, Haltung anzunehmen, da knallte die Barackentür bereits wieder zu und der Soldat war verschwunden.
    „Was war das denn?“ zischte Antias und sah stirnrunzelnd zu Macro hinüber.
    „Hast du was ausgefressen? Kann ich mir gar nicht vorstellen.“
    „Wenn das mal nix mit dem Ausgang morgen zu tun hat?" rätselte Hispo besorgt.
    „Ach was.“ wiegelte Antias ab. „Aber du solltest dich wohl beeilen, Macro. Der Kerl war amtlich bis in die Arschbacken. Viel Glück.“

  • "Ich habe keine Ahnung.", sagte ich etwas irritiert. Es war nun schon das zweite mal, dass ich mich beim Tribun zu melden hatte. Wenn es dieses mal nur keinen Ärger gab. Doch wenn ich so darüber nachdachte, konnte ich mir nicht erklären warum mich Dives erneut sehen wollte. Wir hatten keinen Ärger bereitet und auch so waren wir meist pünktlich und taten dass, was man uns auftrug.
    "Ich kann mir ehrlich gesagt auch nicht vorstellen, dass es wegen morgen ist, aber das werde ich dann schon herausfinden, habe ich das Gefühl."
    Ich verstaute also schnell meine aus der Kleiderkammer geholten Sachen und machte mich auf den Weg ins Officium.
    "Bis später dann!", verabschiedete ich mich von meinen Kameraden, in der Türe stehend, bevor ich sie hinter mir zuzog.

  • „All zu schlimm wird’s nicht sein.“ beruhigte Antias den besorgten Hispo. „Vermutlich nur irgendwelche Formalitäten.“ Antias konnte sich tatsächlich nicht vorstellen, dass Macro sich irgend etwas hatte zuschulden kommen lassen, der junge Iulier war stets pflichtbewusst und achtete sehr auf korrektes Benehmen.
    Offensichtlich waren nun auch Hispos Zweifel zerstreut. Mit genießerischem Blick schnüffelte der triebhafte Riese vor sich hin. „Gut! Ich kann sie nämlich schon riechen. Allerfeinstes Garum, fangfrisch und abgekocht “
    Antias grinste. „Alte Pottsau. Erstmal müssen wir den Tag überstehn, der Centurio wird's uns morgen nochmal so richtig geben, verlass dich drauf.“
    Stöhnend erhoben sich die Rekruten und machten sich auf den Weg zum Appell. Eineinhalb Tage noch Staub fressen und dann winkten ihnen die Verheißungen der Stadt.


    >>>

  • Regen. Nun schon den vierten Tag in Folge. Nichts als Regen in all seinen Ausprägungen. Nieselregen, Platzregen, kalter Regen, warmer Regen, durchsetzt mit Hagelkörnern oder einfach nur nervtötend nass. Vier verdammte Tage hintereinander, und eine Änderung war nicht in Sicht. Immer neue Wolkenstrudel zogen aus Richtung Küste über die Stadt, wurden im Osten von den Monti Sabini wieder zurückgedrängt um sich in endlosen Strömen über das Latium zu ergießen. Auf den Castra lastete ein schier unerträglich schwüler Dunst, der klamm in die Wollkleidung kroch, Leder und und Holz zum Quellen brachte und Bronze und Eisen anlaufen ließ. Das Wetter war pures Gift für die Ausrüstung und nagte allmählich an den Gemütern.


    Die Rekruten schoben leichten Dienst. Witterungsbedingt. So lautete zumindest die irreführende offizielle Bezeichnung, denn leicht war der Dienst erst am dritten Tag geworden. Während die Miles sich in ihre Unterkünfte verzogen hatten, waren die Tirones damit betraut worden, schadhafte Rüstungsteile der Offiziere zu den Waffenschmieden zu schleppen, morsche Schindeln auf den Barackendächern auszuwechseln und die ständig wachsende Zahl von Pfützen auf den gestampften Durchgängen mit Sand und Schotter aufzufüllen. Am dritten Tag waren den Ausbildern dann endlich die Ideen ausgegangen und den Rekruten war gnädig gestattet worden, sich um ihren eigenen Kram zu kümmern. So saßen sie nun trübsinnig auf den Pritschen, ölten, fetteten, schliffen und flickten und lauschten dabei den wehmütigen Gesängen Fimbirias aus dem Halbdunkel der hinteren Baracke.


    Antias versuchte sich weitgehend vergeblich auf seine linke Caliga zu konzentrieren, die er mit der Sohle nach oben auf den Schenkel gepresst hielt, um ausgerissene Stollennägel zu ersetzen. Mit dem Dolchknauf hämmerte er abwesend auf die ovalen Nagelköpfe ein, traf dabei mehrmals seine Finger, nahm aber kaum Notiz davon. Fimbrias schwermütige Melodien züngelten unruhig an seinem Herzen und wehten seine Gedanken davon. Etwas war hinter allem. Hinter Fimbrias Liedern strahlte die blanke Schönheit. Hinter allem Geschwätz leuchtete reinste Poesie. Aus den wütenden Stürmen in seiner Brust erhob sich friedlich und klar Apolonia.


    „Bei den Klauen des Pluto .. der Kerl jammert mir noch das Mark aus den Knochen.“ knurrte Hispo von der Nebenpritsche und warf seufzend den Polierlappen in seinen Helm.
    „Wie wär's mal mit was erbaulichem? Ein Witz, ein Trinklied, ein paar launige Verse?“
    Antias hämmerte weiter auf seinen Fingern herum. Hispo, mein treuer Freund und Kamerad, etwas ist hinter allem, du hast es nur noch nicht kapiert. Versonnen legte er den Dolch beiseite und besann sich.
    ‚ .. dann vergehen die Sinne mir und die Farbe, dann schleicht heimlich ein Tropfen sich auf die Wang‘ und verrät den Brand, der mir langsam das Mark in den Gebeinen frisst ..“


    Hispo glotze nur blöde.
    „Horatius Flaccus. Tribun und Poet.“ klärte Antias ihn auf.
    „So? Klingt mir eher nach einem kastrierten Palastbarden. Ihr macht mich echt fertig, wisst ihr das?“ Schnaufend erhob sich sich Hispo, ging zur Barackentür und wagte einen forschenden Blick in die prasselnden Schwaden.
    „Elende Sauerei! Da hätt ich mich ja auch gleich zur Marine melden können!"

  • Die Nacht war schon weit fortgeschritten. Von den Mauern herüber hallten die schweren Schritte der dritten Wachablösung. Hundegebell, gedämpfte Gesprächsfetzen, leichter Wind über den Barackendächern, ansonsten lähmende Stille, draußen wie drinnen.


    Antias lag hellwach auf seiner Pritsche und starrte gedankenverloren ins Dunkel. Zum hundertsten mal ging er die Fakten durch. Also nochmal: Was geht raus, was kommt rein? Lieferanten gingen raus, Patrouillen, Boten, Soldaten mit Ausgangsgenehmigung, Offiziere, Lagernutten, aber das alles bei Tag. Nachts war das Haupttor geschlossen, und die wenigen Passanten, meist Eilboten oder Heimkehrer, wurden an den schmalen Durchgängen kontrolliert, die zu beiden Seiten der Tore die Mauern durchschnitten. Und was kam rein? Ebenjene Boten und Heimkehrer, das war's. Nachtpatrouillen zogen nur selten aus den Castra, dafür waren die Einheiten der Vigiles zuständig. Die Urbaner rückten nachts meist nur bei Unruhen aus oder wenn die Vigiles Verstärkung anforderten. Zumindest an normalen Tagen war das so. An höheren Feiertagen, Weinfesten zumal, sah das ganze schon etwas anders aus. Zu solchen Anlässen war das Volk in rauen Massen auf den Beinen bis tief in die Nacht, darunter Diebe, Betrüger, Totschläger, Aufrührer, die ganze Palette an lichtscheuem Gesindel, mit der eine Stadt aufzuwarten hatte. Hinzu kamen die schlicht Besoffenen, vom Wein übermütig oder ausfallend geworden, die unberechenbaren Prozessionszüge und die obligatorischen Sektierer. Zudem wurde an den weinseligen Festtagen sträflich leichtsinnig mit Herdfeueren und Fackeln umgegangen, was in der Summe dafür sorgte, dass die Vigiles bereits am Nachmittag mit ihren Aufgaben heillos überfordert waren. Antias kannte das alles aus Mogontiacum und mit welchen Ausmaßen musste da erst in Rom gerechnet werden? Er konnte also mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass am Abend des Iuppiter Liber Truppen der CU in die Stadt ausrücken würden, und es war nichtmal so unwahrscheinlich, dass es auch die Tirones der Dritten Centurie erwischen konnte. Immerhin gehörte ein derartiger Einsatz zu den eher unbeliebten Pflichten, da Mannschaften und Offiziere an Festtagen in erhöhter Zahl Ausgang zu beantragen pflegten oder nachts nur einfach ihre Ruhe haben wollten.


    All dies war von ihm bedacht worden, als er Babila mit Datum und Zeitpunkt zu Apolonia zurückgeschickt hatte. Nur, wie genau er diese Umstände für sich nutzen konnte, war ihm noch nicht so ganz klar. Mist, verdammter! Wenn er wenigstens Dienstplan und Tagesbefehle für den Festtag des Iuppiter Liber hätte in Erfahrung bringen können, aber die waren vielleicht noch nicht einmal festgelegt worden. Außerdem reichte ein Plan allein nicht aus. Sogar wenn Antias zum Einsatz kommen würde, er konnte nicht ohne weiteres das Glied verlassen und sich in die Gassen schlagen.


    Zerknirscht setzte er sich auf und blickte fast neidisch auf seine Kameraden, die im fahlen Schein der Herdglut friedlich vor sich hin schnarchten. Natürlich musste er sie früher oder später einweihen, und ihm war jetzt schon klar, was die ihm erzählen würden. Aber immer eins nach dem anderen. Seufzend stützte er den schwirrenden Kopf in die Hände. Also gut, und gleich nochmal: Was geht raus, was kommt rein?

  • Hä, Stubenkontrolle? Scheiße, Stubenkontrolle! Antias stand aufrecht neben der Pritsche, noch bevor er es richtig registriert hatte. Als er sich gähnend in der Baracke umsah, stellte er befriedigt fest, dass es den anderen Tirones eben so erging. Die Automatismen hatten sich allmählich eingeschliffen. Sehr gut. Bloß, wer wollte da in aller Frühe die Unterkünfte kontrollieren? Die Befehlsstimme kam ihm nicht bekannt vor. Optio oder Centurio waren das jedenfalls nicht, schon deswegen, weil beide als ausgesprochene Morgenmuffel bekannt waren, die den Dienst keinen Augenblick früher zu beginnen pflegten als es die Regel war. Die Sonne war kaum aufgegangen und bis zum Morgenappell war es eigentlich noch eine Weile hin. Üblicherweise. Was auch immer da draußen vor sich ging, sie würden es gleich erfahren.


    Gehetzt und unter leisem Gefluche warfen sich die Rekruten in ihre Ausrüstung, schnappten nach Helmen, Schilden und Waffen und stürmten hastig hinaus vor die Baracke.

  • Über zu wenig Ablenkung konnte er sich jetzt natürlich nicht mehr beschweren. Tirones hier, Papierkram da, Appell am Morgen, Wachdienst einteilen am Nachmittag... wobei Avianus dennoch nicht umhin kam, immer wieder Gedanken an sie zu verschwenden, was seine Ursache vermutlich nicht unwesentlich darin fand, dass er sowohl das Amulett als auch ihre zerfranste Haarsträhne noch immer bei sich trug. Ganz recht, er war tatsächlich so blöd. Selbst ein Greis der sich nachmittags nicht mehr daran erinnerte, was er zum Ientaculum gegessen hatte, würde sich auf diese Weise ständig wieder an seine verloren gegangene Geliebte erinnern.
    So versuchte er sich mehr schlecht als recht mit allem möglichen anderen Kram zu beschäftigen und gleichzeitig wehrte er sich dagegen, eben jene kleinen Erinnerungsstücke loszuwerden. Etwa gab es ganz nebenbei auch noch andere private Angelegenheiten, die ihm dabei helfen konnten, seine Gedanken für den Moment von Sibel fernzuhalten, wenn er gerade mal nicht im Dienst war. So war ihm eben erst in den Sinn gekommen, dass er Torquata besser mitteilen sollte, dass sie ihn über seine alte Einheit nur noch auf Umwegen erreichen würde. Und als ihm dann einmal die restlichen Aufgaben ausgingen, um sich selbst abzulenken, machte er sich daran, einen Brief an die Iulia aufzusetzen.



    Aulus Iunius Avianus Torquatae suae s.p.d.



    Torquata, ich bin nicht sicher, ob es dir recht ist, von mir diesen Brief zu erhalten, wo du es doch vorziehen würdest, vorerst jeglichen Kontakt zu vermeiden. Doch es ist vieles geschehen, Gutes wie Schlechtes …


    Da war sie schon wieder, schlich sich in seine Gedanken und ließ sich nur so furchtbar schwer wieder loswerden. Einen Augenblick lang setzte er ab, drehte den Stilus nachdenklich zwischen den Fingern… und entschied sich schließlich dafür, den Brief lieber möglichst kurz zu halten. Was auch immer ihn bis zu ihrem nächsten Treffen noch beschäftigen würde, wollte er ihr wenn überhaupt lieber persönlich erzählen, und am liebsten natürlich gar nicht. Aber so schlecht wie er sich dabei anstellte, die kleine Tragödie die sich mit Sibel abgespielt hatte, hinter sich zu lassen, würde sich vorerst sowieso gar nichts ändern. Noch immer in Gedanken versunken fuhr er fort:


    … doch nur von den guten Neuigkeiten möchte ich dir vorerst berichten:
    Von jetzt an wirst du am Tor der Castra nach einem Optio Iunius Avianus, Cohors XII Centuria III der Cohortes Urbanae fragen müssen. Und wie es der Zufall (oder eher das Schicksal?) so will, bin ich zwischen den Männern meiner neuen Einheit auf den Namen Servius Iulius Macro gestoßen. Ich hoffe wir können uns bald persönlich darüber unterhalten, und dass bei dir soweit alles gut verlaufen ist.


    Fac valeas.


    Avianus



    Er verschloss die Tabula mit einem Stück Schnur und hinterließ zur Sicherheit noch ein Siegel darauf. Torquata hatte bestimmt ihre Gründe gehabt, bei ihrer Nachricht an ihn Vorsicht walten zu lassen, und am Ende wollte nicht er Schuld daran haben, wenn sie irgendwelche Probleme bekam, bloß weil er sich ein bisschen Faden und Wachs sparen wollte.

  • Wer nicht Bescheid wusste, würde ihn vermutlich als übermotivierten Kerl betiteln, der keinen anderen Weg fand, seine Zeit totzuschlagen. Denn als Torquatas Antwort ihn erreichte, hatte er soeben die Wacheinteilung für die nächsten zwei Wochen fertiggestellt. Und im Grunde wusste ja niemand Bescheid.
    In einer Ecke der Stube stapelte sich ein gutes Dutzend Tabulae in welchen sich inzwischen allerlei Notizen und Listen angesammelt hatten, für so ziemlich alles, was ihm in den Sinn kam. Angefangen von schlichten Listen über die einzelnen Männer und deren Leistungen bis hin zu Reparaturen, die an den Unterkünften zu verrichten waren.
    Es gab kein Vor und kein Zurück. Alles um ihn herum nahm seinen alltäglichen Lauf, nur er steckte fest und erschuf die Illusion als wäre er dennoch Teil des Films, der sich um ihn herum abspielte, und siechte gleichzeitig in einem Strudel aus Gefühlen dahin, der ihn mindestens einmal täglich einsog, nur um ihn eine Weile später wieder als Häufchen Elend auszuspucken. Und er sollte möglichst nicht mal mit der Wimper zucken. Denn immer wieder stellte er sich eine Frage: Was wenn er nur einen Tag früher in den Carcer gegangen wäre? Ein einziger Tag hätte sie gerettet. Ein einziger Tag und er müsste jetzt nicht jeden Tag notdürftig hinter sich bringen, indem er jede noch so kleine Aufgabe ansprang, als würde sein Leben davon abhängen, und nachts müsste er nicht schlaflos und alleine die Decke anstarren.
    Ein dürftiges Lächeln umspielte seine Lippen, als er seine vollendete Wacheinteilung beiseite legte und einen Blick auf die wenigen Sätze warf, welche ihm Torquata zukommen ließ, und sobald der Tiro die Baracke wieder verlassen hatte, glättete er gedankenverloren das Wachs der Tabula, löschte seine Nachricht und jene der Iulia, um mit einer Übersicht der bevorstehenden Übungseinheiten zu beginnen.

  • Die Tirones marschierten eher gespannt als beunruhigt in die Unterkunft zurück und brachten sich am Fußende ihrer Pritschen in Stellung. Was Stubenkontrollen betraf, hatten sie sich mit der Zeit ein gehöriges Maß an Fatalismus angeeignet. Die Kontrollen der Vergangenheit hatten gezeigt, dass der Verlauf einer Stubenkontrolle eher vom Zustand des Offiziers abhing als vom Zustand der Baracke. Optio Ovidius war zwar immerhin so gnädig gewesen, keine Kontrollen vor dem Morgenappell abzuhalten, hatte ihnen aber mit den Caligae meist mehr Dreck in die Bude geschleppt als sich dort im Verlauf eines halben Monats angesammelt hätte, wenn die Rekruten ihrem Kehr- und Putzdienst nicht nachgekommen wären.


    Sie hatten schließlich alle ihren Stolz und wollten schon von sich aus nicht hausen wie die Säue. Hier wurde gekocht, gegessen, geschlafen und gearbeitet und obwohl sie es sich zur Gewohnheit gemacht hatten, zwei mal täglich zu fegen und alle Gegenstände, ob Kleidung, Werkzeug oder Geschirr sofort wieder an ihrem Platz zu verstauen, wenn sie nicht mehr benötigt wurden, war ihnen dennoch völlig klar, das jeder Optio noch genügend Mängel und Versäumnisse finden konnte, wenn er es ums verrecken darauf anlegte.

  • Mit geweiteten Augen hatte er in die Dunkelheit gestarrt. Sein Herz hatte gehämmert wie die Hufe eines galoppierenden Pferdes auf gepflasterten Straßen. Und das leise Schnarchen der anderen Soldaten, das nach und nach zu ihm durchgedrungen war, hatte ihn langsam zurück in die Wirklichkeit geholt. Doch auch die schien ihm nicht merklich besser.
    Noch immer brannten sich die Bilder des Traumes in seinen Verstand, sobald der Iunius die Augen schloss, vermischt mit Erinnerungen, die er viel lieber schon längst verdrängt hätte. Leere Gänge zwischen stickigen, dunklen Zellen. Eine Frau die vor seinen Augen zu Asche zerfiel. Be-ro-e, Be-ro-e, hallte es in seinem Kopf. Nein, vorerst würde er nicht mehr schlafen. Avianus saß draußen neben der Tür der Baracke und blickte abwesend durchs Lager. Nur Umrisse nahmen seine Augen war, denn der wolkenverhangene Himmel ließ jegliche Sterne missen und ließ selbst den Mond nur schwach durchschimmern. Eine dunkle Nacht. Hier und da erklang ein Ruf oder ein Husten und von irgendwoher trug der Wind die Schritte eines armen Tropfs, der bei Nacht Wache zu schieben hatte, in seine Richtung. Doch nichts davon sickerte wirklich bis zu ihm durch. Er tastete nach dem Amulett, bis seine Fingerspitzen unter dem Stoff der Tunika endlich den Anhänger fanden, und zog es behutsam hervor, um einen kummervollen Blick darauf zu werfen. Unter leisem Seufzen ließ er es wieder im Halsausschnitt der Tunika verschwinden.
    Er fragte sich, wie lange es noch so weitergehen würde. Er wusste, es wurde besser. Irgendwie. Irgendwann. Doch noch immer versetzte es ihm jedes einzelne Mal, wenn seine Gedanken in ihre Richtung abschweiften, erneut einen Stich. Und es gab keine Tabulae mehr, und nichts mehr um sie zu füllen.

  • Aus den Augenwinkeln überprüfte Antias sein Blickfeld nach etwaigen Beanstandungsgründen. Nichts, was ihm auf Anhieb ins Auge gesprungen wäre. Gut, die Garumschwaden bedurften vielleicht einer Erklärung – höchst peinlich, sich vorzustellen, dass der neue Opto die beißenden Dämpfe für die Ausdünstungen ungepflegter Tiornes halten könnte – aber ansonsten machte die Baracke einen recht ordentlichen Eindruck. Bis auf die ungemachten Betten natürlich.

  • Bevor er in die Baracke der Tirones trat, rechnete er mit dem Üblichen. Ein paar eingestaubte Rüstungen, dreckige Schüsseln oder ungemachte Betten zum Beispiel. Darauf war er vorbereitet. Aber nicht auf das, was ihn hier letzlich erwartete, und sein Geruchssinn erst recht nicht, denn in der Stube schlug ihm ein Gestank entgegen, der direkt aus den Tiefen des Tartarus hätte stammen können.
    "Verdammt nochmal, was bei den Göttern… ? Tirones, was soll dieser Gestank?!", forderte er eine Erklärung und zog sein Focale ein Stück hoch, damit ihm der beißende Geruch nicht weiter in die Nase stieg. Dass es hier überall nach altem Fisch roch, hatte er ja bereits bemerkt, aber in der Habitatio der Tirones war es noch ein ganzes Stück schlimmer… und die Kerle hausten hier auch noch. Konnte man sich an sowas etwa gewöhnen?
    Ansonsten sah es in der Stube ganz passabel aus, und er hätte nur zu gern wenigstens ein einziges Mal bei dieser Kontrolle nichts auszusetzen gehabt, aber da verlangte er anscheinend doch zu viel.

  • Die Zwillinge machten wie immer das Maul nicht auf. Wie die Stelen standen sie an ihren Betten als hätten sie mit alldem nicht das geringste zu schaffen, und vielleicht hatten sie das auch nicht. Antias wusste nie so recht, in welchen Sphären sich Marullus und Tutor gerade herumtrieben. Der penetrante Gestank war, wenn er es sich genau überlegte, die einzige dauerhafte Spur, die die Zwillinge bisher in ihrer Gemeinschaft hinterlassen hatten. Antias blickte verstohlen zu den beiden Standbildern hinüber. Da kam nichts, da würde auch nichts kommen.


    „Mit Verlaub, Optio ..“ begann er etwas zaghaft, „.. das ist Garum, das heißt, das soll zumindest mal Garum werden. Nachdem wir bei der letzten Rationszuteilung auch einige Fässer .. nicht mehr so ganz fangfrischen Fisch .. erhalten haben, sind .. wir .. auf die Idee gekommen, einen Teil davon zu Soße zu verarbeiten.“ Hoffentlich würde der Optio nicht wissen wollen, wer die ganze Soße fressen soll, denn das wusste er genau so wenig wie die Zwillinge.

  • "Ihr macht Garum? Hier?!?", rutschte es ihm sofort heraus und starrte die Truppe fragend an, obwohl er den Tiro sehr wohl genau verstanden hatte. Im Grunde fragte er sich nämlich sehr viel eher, wie sie auf so eine Idee gekommen waren. Und was wollten sie mit einem Jahresvorrat Garum überhaupt anstellen? Trinken?!? Inzwischen tendierte sein Blick eher Richtung Ratlosigkeit, denn was man mit Tirones machte, die den glorreichen Einfall hatten, Garum in ihrer Habitatio zu produzieren, und ihn dann auch noch umsetzten, hatte ihm nie jemand erklärt. Aber im Grunde war spielte das sowieso keine Rolle, er war der Optio. Wenn er was sagte, wurde es gemacht, vollkommen egal, ob es großen Sinn machte oder den Tirones gefiel. Deshalb gab er am Ende ganz einfach seine persönliche Meinung ab.
    "Ist mir wirklich scheißegal was ihr mit dem Zeug anstellt, aber den Gestank werdet ihr schnellstens los, klar?" Reicht doch schon, wenn überall der Fisch rumsteht... und die machen auch noch Garum draus. Wo gab's denn sowas.

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