[TEMPLUM] Tempel der Vesta

  • Natürlich bemerkte Occia, wie ihre Schülerin aufmerksam umherblickte, doch dagegen gab es ja keine Regel. Sie würde noch früh genug so an all das hier gewöhnt sein, dass sie kaum mehr aufblickte, wenn sie den Tempel betrat.


    Nachdem sie nun wieder am Eingang angekommen war, schob sie einen Vorhang neben dem Eingang beiseite und nahm eine archaische Schöpfkelle von einer Halterung. Damit trat sie an Romana heran und nahm ihr den Eimer ab, um ihn neben ein Loch in der Nähe des Herdes zu stellen. Langsam schöpfte sie das übrig gebliebene Wasser in den Schlund. Es dauerte eine ganze Weile, bis der Eimer leer war und die letzten Tropfen direkt hineingegossen wurden. Dann jedoch erhob sich Occia endlich und sah Romana an.


    "Keine Angst, du wirst dieses Ritual noch öfter mitmachen, bevor du es selbst durchführen musst. Das Herdfeuer wurde gerade erst nachgelegt, wir müssen also nichts mehr tun. Möchtest du noch etwas zum Tempel wissen?"

  • Romana sah dem Ritual sehr genau zu. Der Eimer wurde ihr direkt aus dem Arm gerupft, Occia schien durch das jahrelange Kübeltragen doch einigermaßen trainiert zu sein. Die Kelle betrachtete Romana misstrauisch. Die war so alt, würde sie nicht zusammenfallen oder zumindest aus Rostlöchern rinnen? Allerdings schien die Kelle gut gewartet zu sein, und es war kein Problem, mit ihr das Wasser der egerischen Quelle einzufüllen.


    Das Ritual war schnell fertig, doch Romana erschloss sich nicht ganz der Sinn der Kelle. Sie fasste den Entschluss, derenthalb nachzufragen. „Diese Kelle... ist schon ein wenig unhandlich. Wieso benützt du sie überhaupt? Ich meine, es wäre doch viel praktischer, einfach den Inhalt des Kübels in die Öffnung zu schütten. Es wäre weniger arbeits- und zeitintensiv.“, merkte die pragmatische Romana an.

  • "Es ist eine kultische Vorschrift. So geht zumindest nichts daneben. Ansonsten sind kultische Regeln eben manchmal nicht logisch. Aber immer bewährt!"


    erklärte die Vestalin, während sie die Kelle an ihren Platz zurückbrachte. Natürlich war sie nicht verrostet, denn sie wurde regelmäßig von den Vestalinnen gepflegt - so wie alles in diesem Tempel!

  • „Nun gut, wenn Vesta es so verlangt, ist das natürlich klar.“, machte Romana verständnisvoll und verfolgte selbst die Bewegung der Papirierin, als jene die Schöpfkelle zurückhängte. Dereinst würde sie dies auch machen! Innerlich fühlte sie sich ganz kribbelig und aufgeregt. Den Tag sehte sie herbei, da sie die Purgatio durchführen könnte!


    „Dann gehen wir jetzt? Sind wir fertig?“, fragte sie nach.

  • "Genau. Licinia wird sicherlich bald wieder kommen und nach dem Feuer sehen."


    meinte Occia und zuckte mit den Schultern. Offenbar war dieser Tempel recht selbsterklärend. Sie traten heraus auf das Forum und verabschiedeten sich von Popianus, der wieder in sein Kabuff in der Nähe des Atrium zurückkehrte. Die beiden Vestalinnen hingegen betraten wieder den abgeschlossenen Hof und gingen eine der Treppen hinauf in den 1. Stock...

  • „Dann ist ja alles gut.“, meinte Romana, welche mit Occia den Tempel nun verließ. Draußen sah sie den braven Popianus wieder, der wieder in seine Barracke musste. „Vale, Popianus.“, meinte sie zu ihm, ihn nur eine Sekunde länger als notwendig ansehend. Anschließend folgte sie Occia wieder ins Atrium vestae.

  • Es war eine denkwürdige Woche. Es war die Vestalia. Denkwürdig waren diese Tage besonders insofern, als dass nur an diesen der Tempel der Vesta, sonst für jedermann verschlossen, geöffnet war, aber dies auch nicht für jeden, sondern nur für die Matronen Roms. Schon in der Frühe, am Morgen, hatten sich die 6 praktizierenden Vestalinnen im Tempel aufgestellt, sodass die Rituale beginnen könnten. Der Tempel war nicht festlich geschmückt worden – das war nicht nötig gewesen.


    Romanas Hände schmerzten ein wenig. In letzter Zeit war sie nur noch mehr daran gewesen, Mola Salsa zu backen. Ja, wenn es darum ging, fade, viel zu salzige, eintönige Küchlein zu machen, die geradezu unessbar waren, war sie eine echte Spezialistin geworden. Das unreife Getreide, dass sie zerstoßen hatte, das Salz, welches sie mit ihm vermengt hatte, das ewige Rühren, das Backen – Romana war froh, dass diese Zeit zu Ende war. Denn ganz ehrlich gesagt, es hatte sie ein wenig geschlaucht. Wie gut aber, dass sie ausreichend Zeit gefunden hatte vor den Vestalia, ausreichend Schlaf zu finden.


    Lartia Restituta neben ihr allerdings sah ziemlich ermüdet aus, die Ringe unter den Augen sprachen Bände. Romana lächelte ihr aufmunternd zu, und erhielt im Gegenzug ein mattes Zucken der Mundwinkel. Die arme Lartia, sie sah aus, als ob sie gleich umfallen würde, und sie tat Romana Leid – was musste sie aber auch gestern noch wie besessen bis spät in die Nacht hinein Mola Salsa fabrizieren? Nichtsdestotrotz bewunderte Romana diese Art von Devotion, während manche sie vielleicht als an Superstitio grenzend abkanzlen würden.


    Die Mola Salsa lag also nun vor ihnen ausgebreitet, bereit, unters Volk verteilt zu werden. Der Platz vor dem heiligen Feuer war freigeräumt worden. Dorthin würden die Matronen, die nun kommen würden, jene Speisen, die sie bereitet hatten, zusammen mit einem Gebet um den heimischen Herd, platzieren. Natürlich waren dies keine elaboraten und ausgefeilten Speisen, sondern einfache römische Hausmannskost – diese liebte Vesta, im Gegensatz zu diesen dekadenten Speisen, vermutlich aus irgendwelchen gnadenlos verweichlichten Plätzen im Osten. Vor allem Brot, Gemüse und Käse erwartete sie sich, Fleisch eher weniger, außer, es war sehr schlciht gehalten.


    Sie straffte ihre Schultern, als sie die ersten Matronen herankommen sah. Sie würde jenen mit Rat und Tat beiseite stehen müssen, die das mit dem Opfern nicht so gut im Griff hatten. Mal sehen, wer heute alles so kam.


    Sim-Off:

    Jeder ist herzlich eingeladen, hier zu schreiben, sowohl Matronen als auch Nicht-Matronen, die sich einfach einen NPC schnappen können. ;)

  • Eine jener Matronen, die an diesem Tag den Tempel der Vesta besuchte war Flavia Celerina….


    Zugegeben, ich hatte etwas geschummelt. Die gläubigen Matronen Roms sollten barfüßig ihren Weg zum Tempel antreten. Ich hingegen ließ mich barbüßig bis kurz vor den Tempel in meiner Sänfte tragen. Die letzten Meter wenigstens ging ich zu Fuß. Dies war äußerst unangenehm, denn ständig spürte ich jedes noch so kleine Steinchen auf meinem Weg. Doch welche Torturen nahm man nicht alle auf sich, schließlich war heute Vestalia.
    Ich war gespannt darauf, wen ich alles heute treffen würde, nachdem mir schon nach dem Aufstehen wieder schmerzlich bewußt geworden war, daß Septima nicht mehr in Rom weilte und ich den Weg zum Tempel als einzige Matrona der Villa Aurelia antreten mußte. Ach, sie fehlte mir in der Tat! Bevor ich durch die Tür des Tempels schritt, hielt ich noch einmal inne, um vielleicht doch noch ein bekanntes Gesicht zu erkennen. Fürwahr, in letzter Zeit hatte ich mich nicht sehr oft in der Öffentlichkeit sehen lassen, was mit diversen privaten Dingen zu tun gehabt hatte. Heute jedoch sehnte ich mich regelrecht nach einem Plausch unter gleichgesinnten, selbst dann, wenn es Plebejerinnen waren.

  • Äusserlich unbeeindruckt von ihrem barfüßigen Marsch durch die halbe Stadt betrat Laevina den Tempel der Vesta und stellte zu ihrer Freude fest, dass sie eine der ersten Damen war, die den Weg hierher gefunden hatten. Nicht etwa weil sie Angst gehabt hätte, etwas von der Veranstaltung zu verpassen, die sie wie alle religiösen Riten und Zeremonien für abergläubischen Firlefanz hielt, sondern um sich einen guten Beobachtungsposten für die Ankunft der übrigen Damen der Gesellschaft zu sichern. Den durchaus schmerzhaften Weg ohne Schuhwerk hatte sie dabei notgedrungen in Kauf genommen, schließlich war es für eine Germanica Laevina undenkbar, sich in der Öffentlichkeit auch nur die kleinste Blöße zu geben oder irgendeine Schwäche zu offenbaren. Und ausserdem galt es der jüngeren Generation als leuchtendes Vorbild voranzugehen, die in ihren Augen ohnehin viel zu verweichlicht war.
    Eigentlich hatte Laevina ja mit ihrer Enkelin Serrana gemeinsam zum Tempel laufen wollen, aber die Kleine hatte sich unter irgendeinem fadenscheinigen Vorwand stundenlang in ihrem Cubiculum eingesperrt und ihr durch die geschlossenen Tür zugerufen, dass sie etwas später nachkommen würde. Ohnehin hatte sie bereits seit geraumer Zeit das Gefühl, dass ihr ihre Enkelin nach Möglichkeit aus dem Weg ging, ein Umstand, der nicht nur unbegreiflich sondern natürlich auch eine Frechheit war!
    Würdevoll und kerzengerade wie immer schritt Laevina langsam durch den Tempel auf Claudia Romana zu, die sie aufgrund ihrer immer aufs Neue beeindruckenden Körpergröße problemlos wiedererkannt hatte. Hatte sie die junge Dunkelhaarige, an der sie gerade vorbeikam eigentlich schon einmal irgendwo gesehen? Nein, ganz sicher nicht, denn Laevina vergaß niemals ein Gesicht, das von irgendeiner Bedeutung war, und dass diese Frau zu einer der besten Familien Roms gehörte, konnte man schon an ihrer Aufmachung sehen. Die alte Germanica schenkte der weitaus Jüngeren ein höfliches Kopfnicken und ging dann langsam weiter auf die Claudia zu.

  • Wäre der Anlass weniger wichtig gewesen, hätte Romana Restituta wohl dringend vorgeschlagen, ins Bett zu gehen. Die Lartierin starrte glasig in der Gegend herum, blinzelte wie ein Uhu und war kurz davor, im Stand einzuschlafen. Romana beugte sich kurz zu ihr hinüber und fragte nach: “Alles in Ordnung mit dir, Lartia?“ Restituta blickte wie erschrocken zurück und nickte dann. “A... alles in Ordnung, Claudia... dank... e.“ Weiter kamen sie nicht, denn schon kamen die ersten Matronen auf die Vestalinnen zu. Mit einer gewissen Erfreutheit sah Romana auch Laevina kommen, die Großmutter von Serrana, gegen deren Ansichten die erzkonservative Romana richtiggehend progressiv wirkte – wofür die Claudia die Germanica auch durchaus bewunderte – barfuß natürlich, und zwar direkt auf sie zu. Sie lächelte freundlich und meinte dann mit aller Würde, die diesem Raum hier auch zustand: “Salve, verehrte Germanica. Willkommen im Tempel der Vesta. Was hast du denn unserer Göttin mitgebracht?“ Ihr Blick fiel auf den Teller voll mit Speisen, den Laevina mitgebracht haben musste für dieses Opfer.


    Weiter hinten streiften ihre Augen auch ganz kurz die junge Flavierin, die draußen noch stand, ohne ihr jedoch Bedeutung zuzumessen, hatte sie sie ja noch nie gesehen. Von ihr gehört hatte die junge Claudierin aber durchaus, allerdings nicht unbedingt das Beste. Ob die Flavia ihr Bild bei Romana revidieren könnte?

  • Nur wenige Minuten nach ihrer Gromutter betrat auch Serrana den Tempel der Vesta und blieb kurz im Eingangsbereich stehen.
    Um sich auf dem Weg, der ohne Sandalen ohnehin schon unangenehm genug war, wenigstens Laevinas ständige Vorträge und Ermahnungen zu ersparen, war Serrana der alten Dame in sicherem Abstand gefolgt und hatte peinlich genau darauf geachtet, nicht von dieser entdeckt zu werden. Das hatte auch ganz gut geklappt, doch da dem Boden vor ihren Füßen auf diese Weise zu wenig Aufmerksamkeit beschert worden war, hatte sie sich kurz vor ihrer Ankunft im Tempel einen Dorn in den Fuß getreten.
    Bemüht, sich von dem Schmerz nichts anmerken zu lassen, warf Serrana erst einmal einen Blick in die Runde und ihr Gesicht erhellte sich, als sie in der Ferne Romana sah. Die Claudia hatte während des Besuchs der Iunia im Vestibulum des Atrium Vestae vor einigen Tagen etwas reservierten Eindruck auf diese gemacht, ihr aber trotzdem durch ihr geduldiges Zuhören und ihre Worte ungemein geholfen. Am liebsten hätte Serrana die junge Vestalin direkt begrüßt, entdeckte dann jedoch ihre Großmutter in unmittelbarer Nähe und beschloss, noch einen Augenblick zu warten. Während sie sich ein wenig rastlos im Tempel umsah, fiel ihr Blick plötzlich auf eine attraktive dunkelhaarige Frau, die ihr irgendwie bekannt vorkam. Irgendwo hatte sie die doch schon einmal gesehen...
    Serrana schaute ein zweites Mal hinüber, und dann fiel es ihr, gemeinsam mit der Erinnerung an warmes Badewasser und zuviel Wein wieder ein. Das war doch die junge Frau, die sich wegen Minos, dem kretischen Stier so ereifert hatte....Am heutigen Tag wirkte sie allerdings überhaupt nicht aggressiv, und so fasste sich Serrana nach kurzem Zögern ein Herz und ging zu der Dame hinüber.


    "Salve. Flavia Celerina, nicht wahr? Ich bin Iunia Serrana, wir haben uns im letzten Spätsommer in den Thermen kennengelernt."

  • Fürwahr, heute war ich recht umgänglich. Zumindest solange man nicht das falsche Thema anschnitt. Auf 'gebenedeit sei die Frucht deines Leibes' war ich dieser Tage ganz schlecht zu sprechen. Deswegen war es eigentlich gar nicht schlimm, kein bekanntes Gesicht zu erspähen. Dann trafen mich auch keine unangenehmen Fragen, wann es denn endlich soweit war, oder dergleichen.
    Um nun tatsächlich niemandem über den Weg zu laufen, entschloß ich mich, nun den Tempel zu betreten. Zum Glück hatte ich nur einen kleinen Teil des Weges barfuß zurückgelegt. Dieses kleine Stück war durchaus ausreichend gewesen. Man mußte es ja auch nicht übertreiben. Mir begegneten etliche Frauen, deren Füße schmerzten oder die gar in eine Scherbe oder in sonstigen Unrat getreten waren.
    Als ich am wenigsten damit gerechnet hatte, hörte ich plötzlich, wie jemand meinen Namen rief.
    "Ja?" antwortete ich der jungen Frau fragend, die mich offensichtlich kannte. Ich hingegen mußte mich geschlagen geben. Eine Iunia Serrana kannte ich nicht. Doch als sie die Thermen erwähnte, wurde mir einiges klar. Das mußte jener Tag gewesen sein, an dem ich mich mit dieser Germanica angelegt hatte. Es war um Minos, dem kretischen Stier gegangen.
    "Salve, Iunia Serrana! Es ist lange her. Wie geht es dir?" Ich wußte zwar absolut gar nichts über die Iunia, aber man wollte ja schließlich höflich sein. Und was noch nicht war, konnte sich ja auch noch ändern.

  • Ja, wenn man es recht überlegte, war es tatsächlich lange her. Naja, streng genommen waren neun Monate nicht ganz so furchtbar lang, aber Serranas Leben hatte sich in dieser Zeit tatsächlich komplett verändert. Bei ihrer Flucht aus Nola im vergangenen Jahr war sie eine verschüchterte und auch reichlich verängstigte Fünfzehnjährige gewesen, und jetzt stand sie hier als ausgebildete Priesterin und Ehefrau. Dummerweise als schwangere Ehefrau, was dazu führte, dass Serrana immer noch verängstigt war, wenn auch inzwischen aus anderen Gründen. Da bot die unerwartete Gelegenheit, die junge Flavia etwas besser kennenzulernen, doch eine willkommene Ablenkung. Und ganz sicher eine angenehmere Ablenkung als der Dorn in ihrem Fuß, der sich nach wie vor schmerzhaft bemerkbar machte.


    "Oh, es geht mir gut." log sie einigermaßen souverän. "Ich habe vor knapp zwei Monaten geheiratet, und vieles ist noch ziemlich ungewohnt. Aber das ist sicher bei allen Frauen so." Unauffällig musterte sie die junge Patrizierin, deren Haar und Kleidung perfekt hergerichtet waren. Auf diese Dinge achtete Serrana bei anderen Frauen nach wie vor besonders, denn schließlich war sie dank Adulas mehr als unterdurchschnittlichem Talent in Fragen der Schönheitspflege monatelang mit halb aufgelösten Frisuren durch Rom gelaufen. Doch auch das gehörte seit ihrem Umzug in ein Haus mit einer Vielzahl an gut ausgebildeten Sklaven erfreulicherweise jetzt der Vergangenheit an. "Und dir geht es auch gut, hoffe ich."

  • "Salve, werte Claudia Romana." erwiderte Laevina mit für sie ungewohnter Freundlichkeit den Gruß der jungen Vestalin, die es, im Gegensatz zu den meisten anderen Frauen, geschafft hatte, das Wohlwollen der alten Germanica zu gewinnen. Wirklich eine patente junge Dame mit erfreulich traditionellen Ansichten, nur schade, dass sie ihre Energien daran verschwendete, wie eine weisse Wachtel durch die Gegend zu laufen. "Nun..,"begann sie, den Blick auf dem mitgebrachten Teller, "da hätten wir Brot, ein wenig Kuchen und Käse von meinem Landgut in der Campania. Der ist wirklich hervorragend, du solltest ihn beizeiten auch kosten." Gut, dass Vesta eine Vorliebe für einfache Kost hatte, von teureren Bestandteilen ihrer Vorratskammer hätte sich Laevina nämlich nicht allzu gern getrennt. Ganz abgesehen davon, dass sie auch keine Lust gehabt hätte mit einem Teller voller Otternasen und kandierter Schweinsohren durchs Städtchen zu laufen wie die Schankmagd in irgendeinem dekadenten Lupanar.
    Jetzt fiel ihr Blick auf die reichlich angeschlagene Vestalin hinter Romana, und die Augenbraue der alten Germanica wanderte leicht indigniert ein wenig nach oben. Bei jeder anderen Berufsgruppe hätte sie auf eine ausschweifende Orgie getippt, aber das konnte man in diesem Fall wohl ausschließen. 'Wenn sie schon von ein bisschen Sauce zusammenrühren so zusammenklappt, dann ist es wohl besser, dass sie hier bei den Wachteln eingetreten ist und sich nicht um einen richtigen Haushalt kümmern muss.' dachte Laevina, wie üblich frei von jeglicher Art des Mitgefühls, und wandte ihre Aufmerksamkeit dann wieder der Claudia zu. "Wieviele Damen werden denn in etwa am heutigen Tag erwartet?"

  • Lächelnd begutachtete Romana die Speisen, die Laevina da mitgebracht hatte. Die Blicke, die sie über das Essen warf, waren allesamt erfreute, und sie nickte, als Laevina erklärte, was dies für Speisen kamen, und woher sie kamen. Romana war beeindruckt. Dies waren alles einfache Speisen, allerdings von ausgesuchter Qualität. Vesta würde es sicherlich mögen.


    “Ich würde mich enorm freuen! Vielleicht komme ich ja einmal bei euch Germanicern vorbei, wenn ich darf.“ Neugierig schaute sie zu Laevina hinunter. Es gehörte sich sicherlich nicht, sich selber einzuladen, aber Romana hatte das Gefühl, dass jener etwas an ihr lag. Wobei sie auch keine große Freundin von Otternasen oder Schweinsohren war, nein, sie hielt es ähnlich wie Vesta. Römische Hausmannskost war einfach das Beste!


    Laevinas Frage war durchaus interessant. Romana zuckte die Achseln. “Mehrere Tausend. Zehntausende gar. Gut, dass nicht alle auf einmal kommen!“ Und es war auch so, dass nicht alle Matronen Roms kamen – eine Erleichterung für die Vestalinnen, aber Romana fand es trotzdem schade.


    “Du weißt sicher schon, wie... Lartia, jetzt reiß dich dochmal am Riemen“, meinte sie etwas leiser zu ihre Nachbarsvestalin, die die erwartungsvoll schon vor ihr stehende Matrone in ihrem Dämmerzustand gar nicht gesehen hatte.


    “Verzeih. Du weißt sicher, was du zu tun hast? Leg den Teller am Besten vor das Herdfeuer hin, sprich eine Bitte um den Haussegen, und das war es dann auch schon. Wir sorgen dann dafür, dass das Essen zu Vesta gelangt.“ Oft wurde es einfach verbrannt oder versenkt – aber oft fand es den Weg zu Vesta auch durch den Magen ihrer Dienerinnen, dachte sich Romana mit einer gewissen inneren Befriedigung.

  • Calliphana bemühte sich rechtzeitig aus dem Haus zu machen, damit sie viel vom Tag im Vestatempel hat. Sie hatte sich zurecht gemacht, und wollte schon die Sandalen anziehen als ihr einfiel, dass sie barfuß gehen musste. Und wenn ich die Sandalen erst kurz vorm Ziel abnehmen würde? - grübelte sie, aber sie hat es dann auch dabei belassen, sie wollte die Götter nicht zürnen.


    Schweren Herzens blickte sie auf ihre Sandalen zurück während sie die Tür hinter sich schloss. Sie gab ihrem Carissime noch einen Kuss und machte sich auf den Weg zum Vestatempel. Sie machte große Schritte um früher als geplant dort zu sein, um die Menge zu vermeiden, es gab nichts was Calliphana mehr hasste als das Gedränge von Menschen. Ja genau, sie vergaß dabei die Tatsache dass sie in Rom lebte. Genau der richtige Ort um Gedränge zu vermeiden... Sie schmunzelte.


    Bona Dea, wie weit ist es denn noch? Ihr fiel das Laufen bis zum Tempel sehr schwer. Es konnte auch an der Hitze liegen, obwohl es so früh noch nicht so heiß sein konnte. Ihr war etwas schwindelig, aber sie machte sich keinen Kopf darüber, und dachte, es ginge bald wieder vorbei wenn sie im Tempel was zu trinken bekommt. Die letzten Meter waren dann nicht mehr so schlimm, zwar brannten ihre Füße vom barfuß laufen. Sie rannte als Kind und junges Mädchen immer barfuß durch die Gegend, aber in letzter Zeit war sie das nicht mehr gewohnt. Auf die Blasen an den Füßen freute sie sich schon regelrecht.


    Einige vertraute Gesichter erblickte sie am Horizont als sie hoch sah und spazierte in ihre Richtung weiter. Serrana und Celerina unterhielten sich gerade neben ein paar anderen Frauen die den Weg zum Tempel auf sich genommen haben.


    Sie legte die Hand auf Serranas Schultern und überraschte sie mit der Geste offensichtlich. Sie zeigte mit dem Zeigefinger dass es noch einen Moment dauerte, bis sie auch ein Wort sagen konnte. Schwer atmete sie als hätte sie ganz Rom auf ihren Rücken bis hierher getragen.


    "Sal... vete... euch... bei...den! Entschuldige Serrana, so sehr wollt ich dich dann doch nicht erschrecken! Ich hoffe euch beiden geht es gut. Celerina, dich habe ich ja seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen!"


    Sie war völlig außer Atem. Was stimmte bloß mit diesem Bild nicht? Sie war jung, sie war gesund, die Strecke dauerte nicht mal soooo lange, dass sie hätte so erschöpft sein müssen. Vielleicht lag es an dem wenig Schlaf letzte Nacht. Ja, ganz bestimmt...

  • Normalerweise hatte sie dank ihres gesunden Selbstbewusstseins, das sich auch in Körperhaltung und -sprache widerspiegelte, keinerlei Schwierigkeiten, auch größere Gesprächspartner zu beeindrucken, doch in Romanas Fall stieß selbst Laevina an ihre Grenzen und sie äugte ein wenig resigniert zu der Claudia hinauf.
    Deren plötzliches Besuchsangebot überraschte und erfreute sie dann zu gleichen Teilen, denn zur Zeit langweilte sie sich daheim mal wieder ganz enorm, und darüber hinaus war eine Vestalin im Bekanntenkreis ein nicht zu unterschätzender Prestigegewinn.


    "Oh, selbstverständlich darfst du. Es wäre eine Ehre für unser Haus und für mich ganz besonders, denn in meinem Alter erfährt man normalerweise nicht mehr allzuviel Aufmerksamkeit von anderen." Es sei denn, man sicherte sich diese auf andere Art und Weise, und in dieser Hinsicht hatte es der alten Germanica noch nie an dem nötigen Erfindungsreichtum gemangelt.
    Und es wurden noch tausende Frauen erwartet? Was für ein Glück, dass sie so früh dran war, so wie es aussah, würde sie wohl wieder weg sein, bevor die größten Herden schnatternder Weiber den Tempel bevölkerten. Laevina hatte seit über 30 Jahren nicht mehr an den Vestalia teilgenommen, aber damit konnte sie jetzt schlecht hausieren gehen. "Aber natürlich weiß ich das, meine Liebe." flötete sie daher, schritt routiniert mit ihrem Teller zum Herdfeuer, spulte schnell das entsprechende Gebet ab und kehrte dann entspannt zur Claudia zurück, als hätte sie in ihrem ganzen Leben nichts anderes getan. Ah, da am Eingang war ja auch Serrana! Ihre Enkelin unterhielt sich gerade mit der jungen Dunkelhaarigen und einer Rothaarigen, die Laevina auf irgendeiner Feier schon mal gesehen hatte. War das nicht eine Furia? Serrana sah für Laevinas Geschmack ein wenig zu blass aus, aber immerhin schien sie erfolgreich gesellschaftlichen Smalltalk zu betreiben und benahm sich nicht wie ein verschrecktes Kaninchen, was Laevina zu einem zufriedenen Kopfnicken veranlasste.


    "Deine Kollegin da macht einen etwas ramponierten Eindruck. Meinst du, sie übersteht den Tag mit tausenden frommen Römerinnen überhaupt?" fragte Laevina dann mit einem Seitenblick auf die Lartia.

  • Leider sah sie die drei Frauen draußen von ihrem Standpunkt aus gesehen überhaupt nicht, und selbst wenn, hätte sie wohl darauf gewartet, bis sie fertig war mit Laevina, vor der sie einfach schon aufgrund des Altersunterschiedes größten Respekt hatte. Dennoch amüsierte sie der Blick leicht, mit dem die Germanica zu ihr hinaufschaute, und sie lächelte leicht hinunter. Die Zeiten, wo sie sich ihres großen Körpers schämte, waren schon lange vorbei. Mittlerweile verspürte sie einen unerklärlichen Stolz auf ihre Größe – denn ihrer Meinung nach war es gut, etwas aus der Masse hervorzustechen!


    Ihr Lächeln wurde etwas breiter, als Laevina so gut auf ihren Vorschlag ansprach. “Ich werde gerne zu dir kommen. Vielleicht irgendwann einmal, wenn die Vestalia vorbei ist? Dann hätte ich auch Zeit genug dafür!“, bot sie an.


    Nochmal lächelte sie, als Laevina ihr versicherte, dass sie keine Hilfe gebrauchte, und während die Alte ihr Opfer darbrachte, unterwies die Claudia zwei sehr junge Matronen darin, wie genau man ein Gebet denn abzuschließen hatte. Als die beiden sich bedankend abwandten, sah Romana auch wieder Laevina daherkommen. Jene wandte ich kurz zum Eingang, und erst jetzt konnte die Claudierin etwas von Serrana und Calliphana erhaschen. Genau, da drüben standen sie! Das war nun wohl die erste Vestalia von beiden, sicher würden sie noch an ihr vorbei kommen. Offenbar unterhielten sich ihre Freundinnen mit einer anderen, die Romana aber nicht ausmachen konnte.


    Ihr Blick wandte sich wieder zu Laevina hin, die einen Kommentar bezüglich Restituta machte. Romana grinste kurz verlegen. Was sollte sie jetzt antworten? Denn die Lartierin hatte mitgehorcht und schenkte Laevina einen verdrossenen, müden Blick. “Ich bin mir da sicher, werte Dame. Danke für die Sorge.“ Der Tonfall der jungen Priesterin aber klang eher nach „ziehe die Qualifikation einer Vestalin nicht in Frage“, was wohl sowohl das Selbstverständnis der Vestalinnen wie auch des römischen Uradels, zu dem die Lartier ja gehörten, ausdrückte. “Also. Kein Grund zur Sorge“, setzte Romana, der die ganze Sache etwas unangenehm war, hinzu.

  • "Ach ja, tatsächlich!", antwortete ich mit gespieltem Interesse und einem Allerweltslächeln. "Nun ja, das wird sich sicher noch geben. Wer ist denn eigentlich der Glückliche?" Irgendwann wurde alles zur Gewohnheit, auch dann, wenn man nicht glücklich war. Selbst dann. Ich mußte kurz an die Entwicklung meiner Ehe denken. Kurzzeitig war das Lächeln aus meinem Gesicht gewichen. Doch nur kurz, denn ich verstand es gut, meine wahren Gefühle vor anderen zu verschleiern, besonders dann, wenn sie mich nicht näher kannten. Schnell lächelte ich wieder. "Oh ja, mir geht es bestens!" Natürlich hätte ich niemals vor einer Frau, die ich kaum kannte von meinem Eheproblemen gesprochen oder wie sehr es mich belastete, immer noch nicht schwanger zu sein. Aber daran wollte ich jetzt einfach nicht denken. -es gab doch noch tausend andere Themen, über die man sich unterhalten konnte. Und genau das war es doch, was ich anstrebte, Unterhaltung Zerstreuung. Ich hoffte, es im Gespräch mit anderen Frauen zu finden, selbst dann, wenn sie mir nicht sehr nahe standen. Dazu war ich sogar bereit gewesen, von meinem hohen Roß herabzusteigen und mich freiwillig mit Damen zu unterhalten, die nicht einer patrizischen Gens entstammten.


    Nicht nur die Iunia, auch ich war recht überrascht, als sich eine weitere Frau von hinten an uns heranpirschte. Auch an sie konnte ich mich vage erinnern, doch war mir auch ihr Name entfallen. Obschon sie meinen noch kannte.
    "Salve, meine Liebe! Laß mich raten, wir kennen uns aus den Thermen. Wie war doch gleich noch dein Name?" Auch ihren Namen hatte ich mir nicht gemerkt und ich hätte mir sehr den Kopf darüber zerbrechen müssen, in welchem Zusammenhang ich ihr in den Thermen begegnet war.

  • "Mein Mann? Das ist Senator Germanicus Sedulus. Kennst du ihn vielleicht?" antwortete Serrana mit einem glücklich verklärten Lächeln, das nur zum ersten Mal verliebte Sechzehnjährige derart überzeugend hinbekommen."Wir haben uns auf den Fontinalia in der Casa Germanica näher kennengelernt. Schade, dass du damals nicht dabei sein konntest, es war wirklich ein wunderschönes Fest." Serrana musterte ihr Gegenüber erneut. Im Grunde wusste sie so gut wie gar nichts über die junge Frau, wenn man mal davon absah, dass sie mit dem Pontifex Aurelius Corvinus verheiratet war und zumindest vor einigen Monaten eine Vorliebe für kretische Masseure gehabt hatte. Serrana, die in mancherlei Hinsicht immer noch mit einem gehörigen Maß an Naivität gesegnet war, fragte sich kurz, wie man sich für Masseure interessieren konnte, wenn man doch mit einem der wichtigsten Männer der Stadt verheiratet war, schob den Gedanken dann jedoch schnell wieder beiseite, weil Celerina einen zwar etwas reservierten aber trotzdem netten Eindruck auf sie machte.


    "Das freut mich wirklich. Darf ich fragen, ob dies auch deine ersten Vestalia sind? Oder bist du schon länger als ein Jahr verheiratet?" Während sie noch auf die Antwort der jungen Flavia wartete, legte sich plötzlich eine Hand auf ihre Schulter, und Serrana fuhr wegen der unerwarteten Berührung zusammen. Erschrocken sah sie sich um, doch ihr Gesicht erhellte sich recht schnell wieder, als sie Furia Calliphana erkannte. "Calliphana, wie schön, dass du auch hier bist! Wo hast du denn Chaerea gelassen?" Nachdem sie sich automatisch nach der blonden Sergia umgeschaut hatte, fiel Serrana selbst die Antwort ein und sie schüttelte ob ihrer eigenen Dummheit den Kopf. "Oh natürlich, sie kann gar nicht hier sein, sie ist ja noch unverheiratet. Irgendwie hab ich mich noch gar nicht richtig an den Gedanken gewöhnt, dass ich jetzt eine Matrone sein soll. Geht es euch auch so?"

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