• Gerade als Domitianus das Gefühl hatte der langhaarige Sklave würde das Gespräch zu offensichtlich belauschen sah er den Zettel unter Deandras Hand. Fast automatisch legte er seine Hand auf ihre, lächelte, verharrte fast einwenig zu lange und nahm den Zettel an sich.


    "Ich will euch zeitlassen eure Wünsche zu finden und würde gerne zum Teil ihrer Erfüllung betragen" sagte Domitianus als er sein Blümelein Deandra hinter das Ohr steckte


    "Doch jetzt muss ich gehen, ich reise noch heute nach Mantua müsst ihr wissen."

  • Längere Zeit noch nachdem Domitianus gegangen war, stand ich in meinem Zimmer – unfähig etwas zu tun und selbst unfähig zu denken. Was ich gerade erlebte, war einer jener Augenblicke im Leben, die man nie ganz verstand und die dennoch nachhaltigen Eindruck hinterließen. Als mein Kopf langsam wieder zu arbeiten anfing, kamen mir die letzten Worte des jungen Plebejer in den Sinn. Er sagte, er wolle nach Mantua.

    Mantua – mir fiel sofort mein Pater in diesem Zusammenhang ein. Er weilte ebenfalls dort und er meldete sich seit Tagen nicht bei mir. Dabei wartete ich sehnsüchtig auf einen Antwortbrief von ihm.
    Mantua – war es Zufall oder hatte es etwas zu bedeuten, dass Domitianus ausgerechnet dorthin wollte?


    ‚Schon merkwürdig’, sagte ich zu mir selbst. ‚Was wäre, wenn er wirklich Sophus sprechen wollte? Er wird doch wohl nicht….’ Komplett durcheinander suchte ich mir eine Ablenkung und die fand ich immer bei meinen Pferden. Also ging ich zu den Stallungen und schob meine Gedanken beiseite.

  • Eine unerklärliche Unruhe hielt mich heute schon den ganzen Tag gefangen. Rastlos lief ich in meinem Zimmer auf und ab und ebenso ruhelos kreisten meine Gedanken. Ich fragte mich, ob Domitianus wirklich zum Pater Familas der Aurelier wollte und wenn ja, um was es ihm bei diesem Treffen ging. Musste Sophus eine Entscheidung fällen und wenn ja, wie hatte er entschieden?


    Seit Domitianus Mantua erwähnt hatte, ging mir Sophus selbst auch nicht mehr aus dem Kopf. Wie mochte er wohl inzwischen aussehen? Längst war er kein Knabe mehr, aber in meinem Kopf existierte nur dieses eine Bild. Es passte so gar nicht zu den Briefen, die ich von ihm erhielt. Briefe voller Strenge und voller Tadel.


    Von der Ungewissheit geplagt, ging mein Puls immer schneller. Ich beschleunigte unwillkürlich meine Schritte. Der Raum schien nie so klein wie heute zu sein. Kaum begann ich meine Wanderung, war ich bereits am anderen Ende des Zimmers angelangt. So konnte das nicht weiter gehen. Ich musste etwas unternehmen. Abrupt blieb ich stehen, mein Entschluss stand fest.


    „Cadior“, rief ich laut vernehmbar in Richtung der Dienstbotenräume.

  • „Meine Herrin?“ Fragend blickte ich zu der aufgewühlt scheinenden Deandra.
    ‚Was sie bloß hat?’, fragte ich mich skeptisch. Die Spontaneität und das Temperament gingen oft mit ihr durch. Ich ahnte nichts Gutes.

  • „Spanne vier Pferde an. Nimm nicht die im Training für das Wagenrennen befindlichen, sondern andere. Wir brechen sofort auf. Ich reise nach Mantua.“


    Ich eilte an meinem verdutzt dastehenden Sklaven vorbei und suchte mir eine Palla. Diese wickelte ich mir um die Schultern. Ich konnte unmöglich in zu freizügiger Weise in dem Lager auftauchen. Ich wollte ja nicht die Männer der gesamten Legion sprechen, sondern nur Sophus.


    Unvermittelt huschte mir ein Lachen über das Gesicht. Was für ein Gedanke – ich inmitten eines Lagers dessen Männer vermutlich seit Wochen, vielleicht Monaten keine Frau mehr zu Gesicht bekommen hatten. Da waren also unauffällige Kleidung und große Wolltücher angesagt. Ein wenig erfreulicher Gedanke wie ich fand, aber was soll’s - Sophus kam nicht zu mir, also würde ich zu ihm kommen.


    Eilig verließ ich die Villa und stieg zu Cadior in den Wagen. Der schnalzte kurz mit der Zunge und los ging die Fahrt. Die Pferde waren ausgeruht und standen gut im Futter. Eine ganz bestimmt abenteuerliche Reise begann…


  • Auf dem Weg nach Norden – Richtung Mantua versuchte ich mir das Kastell der Legion vorzustellen. Nie hatte ich eines betreten. Ich hoffte dieses war bereits gut ausgebaut, denn auf sämtliche Annehmlichkeiten wollte ich nicht verzichten.


    Als Optio gehörte Sophus zu den Principales und würde vermutlich im Stabsgebäude anzutreffen sein. Principia und Praetorium befand sich immer in der Mitte eines jeden Lagers – so viel wusste ich. Auch sollte ihre Bauweise mir helfen, diese von den Valetudinaria, Horrea und Fabricae unterscheiden zu können. Dennoch war so ein Lager ziemlich groß; ich würde Hilfe benötigen.


    Erst jetzt wurde mir klar, auf welch ungewöhnliches Unterfangen ich mich eingelassen hatte, aber eine Aurelia würde niemals den Rückzug antreten. Entschlossen blickte ich nach vorn – Richtung Mantua.

  • Eines morgens betrat ein mittelgroßer, dunkelblonder Mann das Anwesen rund um die Villa Pellacia. Seine Kleidung war nicht standesgemäß genug. um mit diesem Haus in Verbindung zu stehen.
    Jedoch - sein Gesicht und dessen Mimik hatte etwas ehrenvolles und erfahrenes, gleich einem Aurelier.


    Am Hauptgebäude angekommen wurde ihm die Tür geöffnent
    "Salve! Mein Name ist Marius Aurelius Justus. Ihr müsst Eirene sein, von der mir Deandra berichtet hat. Sie lässt ausrichten, dass Ihr mir ein Zimmer bereiten sollt. Ich werde für die nächste Zeit hier verweilen."


    Überrascht von seinem Anblick, das dem Sophus' sehr nahe kam, ließ sie ihn sprachlos ein. Der verlorene Sohn war nach Hause gekommen.

    Iustitia sine prudentia multum poterit: sine iustitia nihil valebit prudentia.


    Gerechtigkeit ohne Klugheit wird viel vermögen, aber ohne Gerechtigkeit wird alle Klugheit nichts wert sein.

  • "Seid willkommen in der Villa Pellacia, Bruder Deandras! Ich werde meinem Herren sogleich über eure Ankunft schreiben und euch ein Zimmer herrichten lassen. Setzt euch, Herr."


    Eirene rief einige andere Sklaven herbei, die wenig später dem lange verschwundenen Iustus ein reiches Mahl auftischten.
    Eirene hatte nie Fragen gestellt und so nahm sie das Reisegepäck des Marius und richtete ihm ein Zimmer in der kleinen Landvilla ein.

    ANCILLA


    Im Besitz von Claudius Aurelius Crassus

  • Noch über dem Essen, das Marius, wie man sah, köstlich schmeckte, fragte er Eirene:
    "Sag, möchtest du mir nichr ein bisschen was über die Personen in diesem Haushalt erzählen? Deandra ist ja nach Mantua gereist und wird mir somit alles erst später erzählen können"

    Iustitia sine prudentia multum poterit: sine iustitia nihil valebit prudentia.


    Gerechtigkeit ohne Klugheit wird viel vermögen, aber ohne Gerechtigkeit wird alle Klugheit nichts wert sein.

  • "Gewiss, Herr. Diese Villa ist ein kleiner Landsitz der Aurelier in Ostia. Einige Jahre stand sie leer bis eure Schwester hier einzog und ein Gestüt gründete. Der eigentliche Stammsitz der Familie befindet sich in Rom, der großen Villa Aurelia, die euch gewiss Heimstätte sein wird - solltet ihr dies wünschen. Die Stadtvilla ist bis auf eine Reihe von Haussklaven, die das weitläufige Anwesen pflegen, momentan unbewohnt, da mein Herr in Mantua weilt.
    Deandra jedoch wird sicher bald nach Ostia zurückkehren. Sie ist in aller Eile nach Mantua aufgebrochen, den Grund aber kann ich euch nicht benennen."

    ANCILLA


    Im Besitz von Claudius Aurelius Crassus

  • Sagt, wisst Ihr, wo ich am Besten Arbeit finden kann oder Geld verdienen kann?

    Iustitia sine prudentia multum poterit: sine iustitia nihil valebit prudentia.


    Gerechtigkeit ohne Klugheit wird viel vermögen, aber ohne Gerechtigkeit wird alle Klugheit nichts wert sein.

  • "Oh, ich bin nur eine einfache Sklavin und verstehe nichts von solchen Dingen. Redet besser mit euer Schwester oder meinem Herren."

    ANCILLA


    Im Besitz von Claudius Aurelius Crassus

  • Wie es aussieht, ist wohl noch keiner aus der Familie da. Damei habe ich doch so viel neues zu berichten.
    Naja, morgen ist ja auch noch ein Tag, dann werde ich mich eben erst einmal schlafen legen.



    "Gute Nacht, Eirene. Seid bitte so gut und weckt mich morgen gleich nach Sonnenaufgang."

    Iustitia sine prudentia multum poterit: sine iustitia nihil valebit prudentia.


    Gerechtigkeit ohne Klugheit wird viel vermögen, aber ohne Gerechtigkeit wird alle Klugheit nichts wert sein.

  • "Ja, Herr. Mögen dir die Götter einen ruhigen und erholsamen Schlaf schenken."


    Nachdem Iustus die große Treppe emporgestiegen war, brach Eirene wie gewohnt zum allabendlichen Rundgang auf, warf einen letzten Blick auf Anwesen und Garten, ordnete die eingegangene Post, verriegelte alle Türen des Hauses und wies einige Sklaven an, noch etwas zu heizen um der heraufziehenden Nachteskälte zu trotzen, bevor auch sie im bescheidenen Quartier der Sklaven zu Bette ging.

    ANCILLA


    Im Besitz von Claudius Aurelius Crassus

  • Die Quadriga kam vor der Villa zum stehen und ich konnte es kaum abwarten, meinen Bruder zu sehen. Eher eilig als schicklich rannte ich hinein und hätte dabei fast noch Eirene umgerissen.


    „Iustus?“ rief ich laut in die Eingangshalle.


    „Eirene wo ist Iustus?“ Ganz aufgeregt schaute ich die treue Seele an.

  • "Er ist oben im Gästezimmer, Herrin..."
    Mehr konnte Eirene der vorbeieilenden Deandra nicht sagen und beschloss, deren Reisegepäck in die Villa zu schaffen. Bei dieser Gelegenheit grüßte sie Cadior, der sich gerade um die edlen Pferde kümmerte. Deandra war früher als erwartet eingetroffen und so richtete Eirene mit einigen anderen Haussklaven eilig ein warmes Essen her.

    ANCILLA


    Im Besitz von Claudius Aurelius Crassus

  • Schwungvoll rauschte ich in das Zimmer von Iustus. Ich freute mich so, dass meine Familie endlich ein Stück näher zusammenrückte. Dabei vergaß ich wirklich jede Form von gutem Benehmen.


    Etwas verlegen stand ich dann auch mitten im Raum. Er hatte sich ebenso sehr verändert wie Sophus. Zu lange war es her, seit wir uns sahen. Kaum erkannte ich seine Züge. Ob er wohl noch der Alte in seiner Art war?

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