• "Die Zeichnung gerade war der in Rom. Aber... Moment..." Er blätterte in seinen Bildern und zog schließlich ein Bild des Kaiserpalastes in Luoyang hervor. Das zentrale Gebäude war von einem Hof umgeben, der seinerseits ummauert war. Eine hohe Treppe führte zum Eingang. Die Mauer entsprang aus einem Gebäude gegenüber der Treppe, das zu einem weiteren Hof führte, der ebenfalls ummauert war und zu einem Tor führte. Außerdem waren noch weitere Höfe mit Gebäuden um den Palast herum zu sehen. "Das alles ist der Kaiserpalast von Luoyang. Hier lebt und herrscht der Kaiser von Han. Luoayang ist etwa halb so groß wie Rom und viel geordneter. Han selbst hat um die 100 Millionen Einwohner. Wie es aussieht, kann ich die zumindest teilweise zeigen." Er blätterte wieder und zog ein Bild der Großen Mauer hervor. "Das ist die Große Mauer, die unsere nördliche Grenze schützt. Das Land ist hier sehr bergig." Er blätterte weiter und zog ein Bild der Drei Schluchten hervor. "Das hier ist in der südlichen Gegend. Der Yangtse fließt hier durch und formt wunderschöne Schluchten." Er sah sich das Bild eine Weile an. Es war womöglich die schönste Gegend seiner Heimat. Dann legte er auch dieses Bild zur Seite und suchte ein weiteres hervor, das eine Ebene mit Reisfeldern zeigte. "Hier sehen wir die Gelbe Ebene." Er suchte noch ein weiteres Bild heraus. "Der Berg Taishan. Er ist einer unserer heiligen Berge. Die Kaiser suchen hier Rat von ihren Ahnen."

  • "Das war der in Rom?" Fragte ich überrascht. "Mhm, ich erinnere mich nicht. Ich war zwar schon in Rom, bin da auch damals überfallen worden und habe mein Gedächtnis verloren, aber ich glaube, ich war nie auch nur in der Nähe des Palastes. Verzeih, dass ich das nicht gleich verstanden habe, dass es der römische ist. Es hätte mir auffallen müssen, da Eure Architektur, so heisst das doch?, sicher nicht genauso aussieht wie die der Römer."
    Dann sah ich mir die interessantesten Bilder an und staunte besonders über die Mauer.
    "Wieso eine solche Mauer und wie lange hat es gedauert sie zu bauen und wie viele müsst ihr da gehabt haben." Ich war begeistert und fast schon ehrfürchtig. Wie lang ist sie, wenn sie Eure ganze Grenze schützt?
    Wie groß ist der Yangtse? Größer als der Ebro und der Tiber? Und gelbe Ebene? Wieso heisst sie so? Taishan," wiederholte ich langsam. "Kannst Du mir erklären, warum er heilig ist?"
    ICh fühlte mich wieder wie ein Kind mit meinen tausend Fragen und ich hoffte, dass ich ihn nicht nervte, aber ich wollte einfach so viel wie möglich wissen, denn ich fand es wunderbar. Und so gerne hätte ich ihm auch von meiner Heimat erzählt, aber ich wusste nur Wüste. Ein wenig stimmte es mich wieder traurig, aber die Begeisterung über das hier zu sehende überwog.

  • "Die Große Mauer schützt uns vor den Barbarenvölkern nördlich unseres Reiches. Sie hatten uns häufiger überfallen und man kann ja nicht unendlich viele Soldaten aufstellen. da ist so ein Hindernis viel besser. Gebaut wurde an ihr schon seit Jahrhunderten, aber verbessert und fertig gestellt wurde sie vor etwa 300 Jahren von unserem ersten Kaiser. Sie ist 10.000 Li lang, das sind etwa 2500 Meilen. Tausende haben an ihr gebaut. Es ist unser größtes militärisches Meisterwerk.
    Der Jangtse ist unser größter Fluss. Er ist über 3000 Meilen lang und kann auf über 1000 Meilen von Schiffen befahren werden. Er ist also größer als Ebro und Tiber zusammen.
    Die gelbe Ebene heißt so wegen der gelblichen Farbe ihrer Erde. Es ist ein sehr fruchtbarer Boden.
    Der Berg Taishan markiert eine der vier Ecken des Kernlandes unseres Reiches. Die östliche Ecke, um genau zu sein. Er symbolisiert auch die Einheit von Himmel und Erde. Dort endet sozusagen das Herz unseres Reiches im Osten."


    Er schaute sie erwartungsvoll an, ob sie noch mehr Fragen hätte.

  • "Aber wie hoch ist die Mauer, dass sie ein Bollwerk darstellt, über das kein Feind mehr drüber kommt? Oder ist es eher eine Barriere, auf dem ein Warnsystem existiert?" Ich versuchte es mir bildlich vorzustellen. "Wie ist der Glaube bei den Menschen Deines Volkes? Habt Ihr auch mehrere Götter? An welche glaubt Ihr? Sind sie vergleichbar mit welchen hier?"

  • "Nun, die Mauer ist so etwa 20 bis 30 Fuss hoch und hat Wachtürme in einem Abstand, dass man auch bei schlechtem Wetter immer beide Nachbartürme sieht. Und dann kommt noch hinzu, dass jeder Turm eine Mannschaft von 10 Soldaten hat. Alle soldaten, die auf der Mauer ihren Dienst tun, sind ausgezeichnete Bogenschützen. Und es gibt noch Armeen mit Kavallerie in Reichweite, so dass recht schnell Verstärkungen kommen können."


    Der Glaube... das war natürlich eine Sache, die etwas schwierig war. "Wir haben verschiedene Glaubensrichtungen. Die älteste Form ist die Ahnenverehrung. Man opfert seinen Ahnen, damit sie einem Schutz und Hilfe geben. Außerdem opfert der huangdi noch den Herrschern der mythischen Vorzeit, um von deren Weisheit Hilfe zu erhalten. Dann verehren wir auch Himmelsgestalten, wie Sonne und Mond und den Himmel selbst. Andere Gruppen verehren Naturgötter. Und dann ist da auch noch der Taoismus, der eigentlich eine Philosophie ist, aber auch als Religion betrachtet werden kann. Dem Taoismus sehr ähnlich ist der Buddhismus, der aus Indien zu uns kam."

  • Langsam wurden es zu viele Informationen und sie brauchte eine Weile sie zu filtern. "Dann ist die Mauer ein ähnliches System, wie," ich musste nachdenken, wie der Wall hiess, den die Römer hatten. "Der Limes?"
    So viele Religionen. Ich war erstaunt. "Buddhismus? Was genau ist das?"

  • Cheng lachte. "Nach dem, was ich gehört habe, ist der Limes nur ein kleines Mäuerchen im Vergleich dazu. Aber prinzipiell ist es dasselbe."
    Wie sollte er nur erklären, was Buddhismus ist? "Im Prinzip ist der Buddhismus auch eine Art Philosophie. Seine Grundlage sind die sogenannten Vier Edlen wahrheiten, die der Buddha, das bedeutet in etwa so was wie der Erleuchtete, erkannt hat. Die erste sagt, dass der Geist, so lange er seine wahre Natur nicht erkannt hat, ein Leben ohne Leiden nicht ermöglicht. Die zweite Wahrheit besagt, dass es Ursachen dafür gibt, dass der geist seine wahre Natur nicht erkennt. Die dritte Wahrheit sagt, dass jeder die Natur seines Geistes erkennen kann. Das bedeutet, jeder kann erleuchtet werden. Und die vierte Wahrheit sagt, dass es praktische Mittel gibt, die Erleuchtung zu erlangen. So lange man die Erleuchtung nicht erlangt, wird man nach jedem Leben wiedergeboren. Als Mensch oder Tier oder Gott, je nachdem, was man ins einem Leben angestellt hat. Schlechte Taten verhindern die Erleuchtung, gute Taten begünstigen sie. Wenn man Erleuchtung erlangt hat, gelangt man nach dem Tod in einen Zustand ewiger Glückseligkeit." Er überlegte, ob er alles richtig rekapituliert hatte. "Ja, ich denke, so ist das mit dem Buddhismus. Aber es gibt kaum Buddhisten in Han. Eine interessante religion ist es dennoch, auch wenn das mit den ganzen Wiedergeburten schon sehr eigenartig ist."

  • Nun war ich, wieder einmal, gänzlich verwirrt. "Sie werden immer wieder geboren? Immer als die selbe Person? Und immer bis sie alles perfekt gemacht haben?" Ich hielt mir den Kopf einen Moment und überlegte, ob das Kopfschmerzen waren, die sich da anschlichen. "Und dann? Einfach nur ein Zustand des Glückes? Und wie geht das? Schwirrt dann," ich überlegte, wie ich es sagen sollte, "Ihre Seele frei herum?" ICh wusste, dass es eine unglüclkliche Wortwahl war, aber ich wusste nichts anderes dafür zu wählen, weil ich ein wenig überfordert war in diesem Moment.

  • Cheng zog entschuldigend die Schultern hoch. "Ich weiß es nicht. Als die selbe Person werden sie wohl nicht wiedergeboren, aber das mit der Erleuchtung kann ich nicht sagen. Ich hatte das einmal einen buddhistischen Meister gefragt, und der hat mir auch nur sagen können, dass er es nicht sagen kann, weil er nicht erleuchtet ist. Aber er meinte, ich hätte eine gute aussicht, nach 1000 Widergeburten die Antwort zu wissen. Das hat mich dann noch mehr verwirrt."

  • "So ähnlich. Nur mögen wir keine Blutopfer. Wir opfern Speisen, Keramik oder, wenn es wertvoller sein soll, Seide und Jade. Außerdem brennen in den Schreinen Sandelholzstäbchen. Sie verströmen einen wohlkriechenden Duft, der die Ahnen erfreut."

  • Ich sah mich kurz um und schüttelte den Kopf. "Hier nicht. Das nächste wirst Du wohl erst dort vorne finden, bei den Häusern. Was hast Du vor?" Ich betrachtete interessiert das Stäbchen.

  • "Nun, ich wollte es anzünden. Obwohl," er roch kurz an dem Stäbchen, "man den Geruch auch so erkennen kann." Er gab Pentesilea das Stäbchen. "Du kannst es dann ja in deinem Zimmer anzünden."

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