• Zitat

    Gräberstrasse


    Vor der Stadt lag die Gräberstrasse. Reisende bekamen die eindrucksvollen Grabmonumente der verstorbenen Bürger zusehen. Entlang der Hauptstrasse sah man die Bauwerke der reichen Gentes, zwischen denen sich manch ein kleineres Bauwerk quetschte, In den hinteren Arealen dann die Gräber der nicht so bemittelten Gentes.

  • Das Mausoleum der gens Tiberia


    Direkt an der Strasse befand sich das Familienmausoleum der gens Tiberia. Gorße Tafeln schilderten die Werke der Ahnen. Auf Reliefs waren sie bei den unterschiedlichsten ruhmreichen Taten zu erkennen.

  • Langsam schritt ich auf der Straße an den Grabmälern vorbei und las die Texte auf den Steinen. Manche Namen kannte ich, viele nicht. Viele Gräber waren älter als ich selbst und manche waren von Leuten, die nach mir geboren und schon verstorben waren. Immer wieder blieb ich schweigend stehen und stellte mir die Menschen vor, die zu diesem Grab gehörten.


    In einer kleinen Apsis eines großen Grabbaus nahm ich Platz und blickte in den blauen Himmel. Aus der Nähe wehte der Geruch von frischem Weihrauch herüber und auf der anderen Seite der Straße beobachtete ich eine Familie bei einem Opfer an einem großen Familiengrab.

  • Lucilla läuft im hinteren Teil der Trauergäste hinter der Bahre Violas her. Trotz dessen, dass Viola keine Familie in Tarraco hatte, waren doch einige Trauergäste zum Trauerzug und der anschließenden Verbrennung gekommen.


    Das Wetter ist trüb, doch wenigstens schneit es nicht wieder.


    Lucilla fühlt sich an die Bestattung ihrer Mutter erinnert. Sie war damals noch ein kleines Kind gewesen und wie in Trance zwischen ihrem Bruder Meridius und ihrer Schwester Livia hinter der Bahre hergelaufen. Bis zu dem Augenblick, in dem das Feuer der Fackeln auf den Holzstoß und den Leichnahm ihrer Mutter übergriff, hatte die kleine Lucilla fest daran geglaubt, dass ihre Mutter nur tief schlafe, obwohl ihnen ihr Onkel Proximus schon in den Tagen der Aufbahrung erklärt hatte, was mit den Seelen der Toten geschehe. Dann jedoch zu sehen, wie die Asche, die Überreste ihrer Mutter in eine Urne gefüllt wurden, hatte in Lucilla die Erkenntnis ausgelöst, dass diese nie wieder so da sein würde, wie vorher. Naiv, wie sie damals noch gewesen war, hatte sie sich geschworen, dass sie niemals zulassen würde, dass ein weiteres Mitglied ihrer Familie starb.


    Lucilla muss bei diesem Gedanken schmunzeln. Wenn die Welt doch nur so einfach wäre, wie in den Augen einer Siebenjährigen. Sie blickt auf und sieht schon den Holzstoß, auf welchem Viola verbrannt werden würde. Ein Stich fährt durch ihr Herz und wieder muss sie daran denken, wie jung Viola und wie sinnlos ihr Tod gewesen war.

  • Gemeinsam mit den anderen Trauergästen steht Luiclla in einem Halbkreis um den Holzstapel. Sie beobachtet, wie Viola darauf aufgebahrt wird und ihr ein Finger abgetrennt wird. Der Priester vergräbt ihn in der Erde um den Ort der Verbrennung zu heiligen. Anschließend legt er einige persönliche Gegenstände um Viola und öffnet ihr die Augen. Er nimmt eine Fackel entgegen, murmelt leise ein paar Worte und entzündet den Holzstoß.


    Der Leichnahm scheint Lucilla in diesem Augenblick so irreal. So, als wäre der Körper, der dort auf dem Holzstapel liegt und jeden Moment in Flammen aufgeht, niemals eine lebendige Person gewesen. Doch sie ruft sich den Augenblick zurück, in dem ihr Neffe Maximian an dem aufgebahrten Körper getrauert hatte. Viola war eine lebendige Person gewesen und sie hinterlässt eine Lücke. Lucilla ist froh, dass Maximian in diesem Augenblick nicht hier in Tarraco, sondern weit fort in Rom ist. Eine Träne rinnt über ihre Wange, als die ersten Flammenzungen auf den Körper übergreifen.

  • Ich hielt mich während des gesamten Trauerzuges serh im Hintergrund.
    Es ging mir sehr nahe.
    Niemals würde ich es erleben wollen an einem solchen Trauerzug teilnehmen müssen wenn es eines unsere Familienmitglieder betreffen würde.


    Dann stellen wir uns im Halbkreis rund um den Holzstapel auf.
    Ich sah die Tränen in den Augen Lucillas als die Flammen über den Leichnam Violas Besitz ergriffen. Auch mir kullerten die Tränen aus den Augen doch versuchte ich stark zu bleiben, auch wenn ich wusste dass ich es nicht schaffen würde.
    Ich legte meine Hand auf die mir abgenwandte Schulter Lucillas und drückte sie ein wenig an mich als wollte ich ihr damit sagen dass wir gemeinsam stärker sind um diesen Moment zu verarbeiten.

  • Lucilla war froh, dass ihr Cousin bei ihr war. Gemeinsam machten sie sich nach dem Ritus wie die anderen Trauergäste auf den Heimweg.


    Die Asche Violas war wie es den Riten entspricht mit Wein abgelöscht und in einer Urne gesammelt worden. Anschließend waren die Trauergäse von dem Priester mit Wasser besprengt und dadurch gereinigt worden. Die weiteren Opfer für das Familiengrab und die Laren der Familie mussten später durchgeführt werden. Die Urne war bei dem Priester verblieben. Annaeus Florus wollte sich später selbst darum kümmern, dass sie in das Familiengrab der Gens Annaea gebracht und die Bestattung dort vollendet werden würde.

  • Er führte die Trauernden zu der entsprechenden Gruft der Gens Prudentia und übergab dann die Urne dem geheiligten Ort. Er sprach ein Gebet, während auch die weiteren Opfer für das Grab und die Laren in diese gebracht wurden.
    Danach liess er sich das Wasser geben und besprengte die Trauernden damit, auf das sie gereinigt wurden.

  • Auch ich war zur Grabstätte gekommen um von Evodius Abschied zu nehmen.
    Ich sprach leise ein Gebet.
    Dann nickte ich Commodus und seiner Familie zu da ich sie in diesem Moment nicht stören wollte, und verlies die Gräberstrasse in Richtung unserer Casa.

  • Meine Schwester weinte, während Mutter gefasst wirkte. Vater hingegen schien mir verbittert, beinahe eisern. Ich vermutete, dass er wohl alle Regungen hinter einer steinernen Fasade versteckte, doch je mehr er sich diesbezüglich bemühte, umso mehr merkte man seine Verbitterung. Worauf und auf wen? Auf seinen Bruder? Die Götter? Das Schicksal?

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