Domus Aeliana - Tablinum

  • Das war mal ein großzügiges Angebot. Zumal Quarto wohl der einzige neben Salinator war, auf dessen Rat der Kaiser hörte. Zumindest, soweit man hörte. "Ich danke Dir sehr für diese Fürsprache und hoffe, es geht dem Kaiser inzwischen besser. Glaubst Du, er wird in absehbarer Zeit nach Rom zurückkehren?" Damit sprach er Fragen aus, die wohl jedem in Rom auf der Zunge brannten.

  • “Um die Wahrheit zu sagen: nein, ich fürchte nicht. Weder scheint es ihm erheblich besser zu gehen, noch hat er die Absicht erkennen lassen, bald zurückzukommen. Aber aus Briefen lässt sich nicht immer alles herauslesen. Ich weiß mehr, wenn ich ihm persönlich gegenüber gestanden habe.
    Er war immer ausgesprochen gesund, niemals kränklich oder schwach. Schon als Kind strotze er nur so vor Kraft und Vitalität. Umso fremder ist mir dieser von Krankheit gebeutelte Bruder.“


    Aufrichtige Sorge lag in Quartos Blick, als er das sagte.

  • Die Offenheit Quartos war fast erschreckend. Ursus hatte eher damit gerechnet, eine ausweichende Antwort zu erhalten für den Fall, daß es dem Kaiser nicht besser ging. Die Sorge stand dem Aelier ins Gesicht geschrieben. "So lange schon", sagte Ursus fast wie zu sich selbst. "Wissen die Ärzte denn, womit sie es zu tun haben?" Es gab ja einige Krankheiten, die den Körper über lange Zeit auszehrten. Und Ursus erkannte mit großer Sorge, daß diese Krankheiten alle zu einem frühen Tod führten. "Glaubst Du, diese Krankheit wurde... nun, fremdverursacht?" Es war schon schwer, vorsichtig zu fragen, ob Quarto an eine langsame Vergiftung seines Bruders glaubte. Doch lag der Gedanke einigermaßen nahe, wenn man daran dachte, daß er früher so kraftstrotzend gewesen war.

  • Ursus zuckte mit den Schultern. "Ich will keine unberechtigten Anschuldigungen verbreiten. Aber bei einem früher so überaus gesunden Mann denke ich, daß die Frage durchaus berechtigt ist. Zumindest insoweit, daß man diese Möglichkeit einmal prüfen sollte. Er wäre nicht der erste, dem durch langsam gesteigerte Giftgaben eine Krankheit vorgegaukelt würde. Ein furchtbarer Gedanke, das gebe ich zu. Aber er ist schon so lange krank." Hoffentlich verstand Quarto ihn nicht falsch. Denn daß der dahinter stecken könnte, das hielt Ursus für völlig unmöglich. Doch es gab andere Gestalten in Rom, die sehr wohl Interesse daran haben könnten, Valerianus aus dem Weg zu räumen oder zumindest handlungsunfähig zu halten.

  • Einen Mann zu töten war ein Verbrechen. Den Kaiser töten zu wollen war zudem Hochverrat. Aber nach altem römischen Verständnis gab es feine Unterschiede, was die Methode betraf. Wenn der Mörder seinem Opfer Aug in Aug gegenüber trat um ihn zu erstechen, so war das etwas anderes als ihn hinterrücks zu ermorden. Der verwerflichste Mord aber war der durch Gift.
    Schon der Gedanke daran erschütterte Quarto, was man durchaus etwas naiv finden konnte.


    “Aber, ist das denn möglich? Gibt es Gifte, die so langsam wirken oder einfach nur krank machen, ohne zu töten?“


    Er hatte wirklich keine Ahnung davon. Gift, dass war in seinen Augen etwas zutiefst anstößiges.

  • Ursus zuckte die Schultern. "Ich bin beileibe kein Fachmann. Während meiner Ausbildung in Griechenland aber habe ich ein paar Vorträgen und Diskussionen beigewohnt, die sich mit Vergiftungserscheinungen und ihrer Behandlung befaßten. Damals war die Vermutung laut geworden, daß neue Wasserleitungen krank machen könnten. Dabei kam eine über lange Zeit erfolgende Schwächung des Körpers zur Sprache. Ein anderer Dozent hat diese zugegebenenermaßen wilde Theorie allerdings lautstark angegriffen, da solche Symptome eben durch gezielte Giftgaben verursacht sein können, wenn die Dosis nicht in tödlicher Höhe und immer wieder gegeben wird. Ich gebe zu, ich habe nur zugehört, weil es Spaß machte, dem Schlagabtausch dieser beiden zuzuhören. Medizin interessiert mich zwar, aber ich habe mich nie intensiv damit befaßt. Nun, auf jeden Fall sind doch ein paar Parallelen zu beobachten zum Zustand des Kaisers, findest Du nicht? Aber die Ärzte haben diese Möglichkeit doch bestimmt ins Auge gefaßt und überprüft?"

  • “Ich nehme es doch an.“, meinte Quarto, aber ohne echte Überzeugung. Er hatte keine sehr hohe Meinung von Ärzten und hielt die meisten von ihnen für Scharlatane.
    “Aber wenn sie das vermuten, würden sie ihm dann nicht Theriak verabreichen und ihn damit ganz gewiss gesund machen?“
    Theriak, man nannte es auch Theriak Andromachi oder Teriarca Andromaco, galt in der römischen Medizin als universelles Gegengift und davon hatte sogar Quarto gehört.

  • Der Tonfall klang nicht sehr überzeugt, wie Ursus fand. "Ja, das nehme ich an, daß es ihn gesund machen würde. Wie gesagt, ich bin kein Medicus. Wenn sie es vermuten, dann haben sie es bestimmt verabreicht." Quarto hatte doch bei seinem Besuch in Misenum die beste Möglichkeit, sich danach zu erkundigen. Blieb die Hoffnung, daß es nicht die Ärzte selbst waren, die dem Kaiser übles wollten. Auch das wäre nicht das erste mal, daß Ärzte für solch einen Zweck gut bezahlt wurden.

  • “Mmh... ich werde ihn danach fragen.“, entschied Quarto.
    “Aber ich werde ihm nichts von deiner Vermutung erzählen. Weshalb ich frage wird er zweifellos erraten, aber... nein, zu viele Worte kann ich darüber nicht verlieren.“

  • Ursus nickte ernst. "Das kann ich gut verstehen. Es fiel mir schon sehr schwer, diese Möglichkeit hier Dir gegenüber anzusprechen. Schlimm genug, daß man solche ehrlose Abscheulichkeiten überhaupt in Erwägung ziehen muß." Konnte ein Mörder nicht wenigstens eine ehrliche Klinge in die Hand nehmen, um seinem ruchlosen Plan nachzukommen?

  • “Oh ja, schon der Gedanke daran ist abscheulich.“, gab Quarto Ursus recht.


    Mit einer Handbewegung beendete er das beunruhigende Thema, als wollte er ein böses Unheil einfach hinwegfegen.


    “Nun...
    Die Sache mit dem Ulpianum...
    Ich muss da die Initiative ergreifen und die Neueinsetzung des Ausschusses vorschlagen. Nach den kommenden Wahlen würde ich es tun, aber noch in der Amtszeit der jetzigen Magistrate, bevor die neuen vereidigt sind.“

  • Ursus war die Erleichterung darüber, daß das Thema so plötzlich gewechselt wurde, deutlich anzusehen. Zwar war er es gewesen, der damit angefangen hatte, doch das war ihm mehr als schwer gefallen. Und so war er nun froh, daß es gegessen war und sie wieder auf das Ulpianum zu sprechen kamen. "Das wäre dann also sehr bald. Ich hoffe, daß die Sache wieder in Schwung kommt. Hast Du eigentlich schon etwas von den Statuen gehört? Sind sie fertig?"

  • "Schade, ich hätte sie gerne gesehen. Die Entwürfe sahen ja sehr vielversprechend aus." Schade, daß er zumindest im Moment nicht offizell mit der Sache befaßt war. Oder ob er vielleicht trotzdem einfach mal nachfragen sollte? Immerhin war er damals bei den Verhandlungen dabei gewesen, das sollte ihn ausreichend legitimieren. Einen Versuch war es allemal wert.

  • “Nun, wenn die Angelegenheit so durch den Senat geht, wie wir uns das vorstellen, dann wirst du dir selbst ein Bild davon machen können und wohl auch müssen. Ich hoffe nur, dass sich das Warten am Ende lohnt und wir nicht enttäuscht sind.
    Ich erinnere mich noch gut an einen alten Freund meines Vaters, damals, in Achaia. Der hatte bei einem angeblich berühmten Bildhauer aus Patrae eine Statue der jagenden Diana bestellt. Und was bekam er? Ein fettes Weib mit einem Gesicht wie ein feistes Ferkel und einem Speer, dem bereits beim Transport die Spitze abgebrochen war. Das wird uns hoffentlich nicht blühen.“

  • Ursus' Augen weiteten sich, als Quarto diese kleine Anekdote erzählte. Eigentlich war sie zum Schreien komisch und er konnte sich ein Schmunzeln auch nicht verkneifen. "Die Götter mögen verhüten, daß uns so etwas erwartet. Nun, es liegt ja bei uns, dann die Bezahlung zu verweigern und einen anderen Bildhauer aufzusuchen. Zwar bedeutet das wieder Zeitverzögerung, aber das ist es in solch einem Fall tatsächlich wert. Es sollte sich dringend mal jemand ansehen, wie weit die Werke gediegen sind." Er lachte nun aber doch noch, denn die Vorstellung, die sich vor seinem geisitgen Auge bildete, war zu komisch. "Ich muß gestehen, daß ich jene mißglückte Statue gerne gesehen hätte - ohne die Göttin damit beleidigen zu wollen. Vermutlich hat den Bildhauer ihr Zorn bald getroffen."

  • Nakhti, der treue Sklave, brachte einen Gast zum Tablinum.
    Er klopfte an, ging hinein, verneigte sich vor seinem Herrn, den er dort wie erhofft antraf, und sagte schließlich: “'err, Lucius Iulius Centho dich sprechen möchte, 'err!“

  • Nach dem Nakhti ihn geholt hatte. Betrat Centho das Tablinum und als sein Blick auf Quarto fiel hob er freudig den Arm um seinen Patron zu begrüßen.


    „Salve Quarto es tut gut dich zu sehen.“

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!