Domus Aeliana - Peristyl

  • Verus strich sich verstehend durch den Bart.
    "Da magst du Recht haben. Jedoch ist es mir sehr wichtig, dass Menschen überhaupt an etwas glauben, sei es notfalls an sich selbst. Was wären wir Menschen nur ohne Glauben? Sofern diese neuen Götter nicht zu abstrakt und bösartig sind, sollen sie doch ruhig an sie glauben, wenn es sie zu besseren Bürgern oder Menschen macht."


    Verus nickte nachdenklich summend.
    "Jedoch sollte man den Glauben seiner Ahnen nicht vertrockenen lassen. Das ist quasi, wie ein Schlag in das Gesicht deiner Familie."

  • “Die Form der Verehrung ist verschieden und manche Völker haben Riten, die uns fremd erscheinen. Auch die Bilder, die wir uns von den Göttern machen, unterscheidet sich bisweilen. Aber jeder vernünftige Mensch weiß, dass bei all dem, die Götter immer dieselben sind.
    Und wir Römer, wir haben unsere Form der Verehrung und daran sollten wir festhalten. Denn zum Andenken unserer Ahnen gehört es doch auch, ihre Gebräuche weiter zu führen und in Ehren zu halten. Was aber währen wir ohne diejenigen, deren Fleisches wir sind und von denen wir abstammen? Nichts.
    Deshalb ist es wichtig, dass wir daran festhalten, ja.“

  • "Sicherlich. Wir sollten die alten Götter unserer Ahnen schon aus Respekt vor unseren Ahnen ehren," bestätigte Verus seinen Patron.


    Verus öffnete kurz seine Hand und schloss sie dann wieder. Seine alte Schwerthand machte wieder Probleme. Die Schläge, die diese Hand einst ausführte, waren doch bei Zeiten recht hart und schädigten den Knochen tief. Verus hatte ab und an einen leichten Druckschmerz in diesem Gefilde des Körpers.


    "Wichtiger ist es jedoch, dass wir Menschen wissen, wo wir stehen und was wir wollen. Die göttlichen Zeichen werden oft überhört und wir schlagen völlig falsche Wege ein, die uns in den Abyss führen. Rom braucht seine Ideale, Traditionen und Götter. - Ohne sie wären wir nicht Rom, sondern Barbaren und Wilde, die durch Zufall an Macht gekommen sind. Unsere Kultur wäre nichts wert ohne Werte dahinter."

  • “Hast du ein Zeichen der Götter gehört oder gesehen, Titus Decimus?“, fragte Aelius Quarto. Und er fragte es nicht etwa in spöttischem Tonfall, er lächelte auch nicht, als er diese Frage stellte, nein, er fragte das ganz ernst, um dann aufmerksam auf die Antwort zu warten.

  • "Ich habe einige Träume gehabt, ja." Verus' Blick wurde nachdenklich und seine Augen glasig.


    "Die Götter haben indirekt zu mir gesprochen und mich auf meinem Weg geführt. Sie brachten mich dazu mein altes Leben aufzugeben und Soldat zu werden. Sie lehrten mich, vieles hinzunehmen und nun mehr haben sie mich beschenkt. Ich kann mich nun als Ritter bezeichnen und dich als meinen Patron, das wohl größte Geschenk. Ich höre auf den Rat der Götter. Meistens sprechen sie durch andere Menschen zu dir oder durch bestimmte Momente. Ich hatte jedoch ein paar Träume, die mich unmissverständlich lenkten."


    Das meinte Verus ernst und ihm war klar, dass er dafür oft belächelt wurde aber er glaubte an sein Schicksal und die Götter, die diese Fäden zogen.

  • "Durch mein Leben. Alles, was ich heute bin, bin ich dank dieser Träume. Es mag verrückt klingen aber sie lenken mich in vielen Entscheidungen. Nicht das ich ihnen blind vertraue. Ich überlege schon, doch meistens geben sie den entscheidenen Hinweis, der mich zur Entscheidung führt."

  • “Ah. Mmmh, ja.
    Göttliche Zeichen sind das Eine. Aber darüber darf man nicht die Vernunft vergessen. Rationalität ist schließlich das, was uns Menschen ausmacht und uns zusammen mit dem Glauben und der Liebe über die wilden Tiere erhebt.“

  • “Wo wir von Rationalitäten sprechen: hattest du nun bereits persönlich mit dem praefectus urbi zu tun? Mit Salinator aus dem, ähm..., aus dem, sagen wir, aus dem aufstrebenden Geschlecht der Vescularii?“


    Er lächelte sardonisch.

  • “Oh... ich dachte nur...“, antwortete Quarto ganz unbestimmt und scheinbar einen Sperling beobachtend, der sich einige Schritte von ihnen entfernt auf dem Boden niedergelassen hatte.


    “Ob er wohl weiß, dass du mein client bist?“


    Der Sperling hüpfte in ihre Richtung. Vielleicht hoffte der Vogel auf Brotkrumen.

  • Verus lächelte. "Das kann ich nicht beurteilen. Ich vermute nicht."


    Sein Blick wanderte nun auch zu dem Vogel. "Ein schönes Tier," stellte er fest."Ein Vogel müsste man sein, frei davon fliegen und die Welt erkunden."

  • “Das sind Träume, mein lieber Titus Decimus. Aber jedes Ding und jedes Lebewesen hat seinen festen Platz in der Welt. Hätten die Götter gewollt, dass wir Menschen fliegen können, hätten sie uns dann nicht auch Flügel gegeben?“

  • "Vielleicht wird der Mensch eines Tages fliegen können. Wir haben Träume und der Mensch hat die Fähigkeit Träume in Realität zu verwandeln. Früher war Rom und unsere Res Publica nur ein Traum und schau sie dir heute an," sprach Verus und seine Augen leuchteten. "Ich glaube daran, dass der Mensch zu großen Dingen befähigt ist, auch wenn er diese Fähigkeiten oft für Niedertracht und Hass missbraucht. Wir brauchen nur Zeit und die Gunst der Götter."

  • “Ja, natürlich, gewiss. Aber das Fliegen? Nein, nein, dass ist unmöglich. Du kennst die alte griechische Sage von Ikarus? Er stürzte ab, weil die Götter es nicht wollen. Wir Menschen können uns mühen und wir können großes erschaffen. Aber das können wir nur mit ihrem Segen und zu ihrem Wohlgefallen. Doch nichts wird gelingen, was gegen ihren Willen ist.“

  • "Ich bin jedoch der Meinung, dass die Intention von Ikarus falsch war. Die Götter ließen ihn fliegen und er wollte zu viel und zu schnell. Es war sein eigenes Versagen vor sich selbst, seine Gier nach mehr. Die Götter gaben uns den freien Willen, um zu entscheiden, was richtig und was falsch ist. Die Götter gaben uns Träume, um kreativ zu sein. Wir Menschen sind der Götter Lieblingskinder, wohl wahr die ungezogesten Kinder aber wir sind ihre Kinder. Sie lieben uns und würden uns nie böswillig schaden, somit glaube ich nicht, dass sie Ikarus bewusst bestraften. Leider brach er ihre Gesetze. Wir können viel schaffen und viel zerstören aber was am Ende bleibt, sind die Träume und Werte, die wir damit zum Ausdruck bringen wollten: Die Liebe, die Freiheit, das Glück, die Hoffnung, der Hass, Träume, Angst, Schmerz, Leiden et cetera. Das alles ist das, was uns die Götter gaben und wir Menschen nutzen es. Ich zweifel nicht daran, dass der Mensch weiter voranschreiten wird aber ob ich erlebe, dass der Mensch fliegt und, wenn ich träumen darf, hinter den Horizont der Welt fährt. Alles können wir, doch unser Leben endet irgendwann und dann enden auch unsere persönlichen Träume, doch bis dahin, träumen wir. Denn nur das Ende ist ein Anfang und ein Punkt, warum es sich zu träumen lohnt."

  • “Du könntest einem alten Philosophen Konkurrenz machen, mein lieber Verus.“, sagte Aelius Quarto lächelnd, nachdem er die Worte seines Gegenüber einen Augenblick lang hatte verklingen lassen.
    “Wie schade, dass mein alter Lehrer Lysias nicht mehr lebt. In ihm hättest du einen ebenbürtigen und bereichernden Gesprächspartner gefunden.
    Ich hingegen, ich bin nur ein einfacher Mann, der von dem lebt, was auf seinem Land wächst und der mit seinen bescheidenen Möglichkeiten versucht, seiner geliebten Heimat Rom loyal zu dienen. Ein Philosoph und ein Gelehrter, nein, dass bin ich nicht.“

  • "Es ist nur die Frage, ob ich einem Philosophen Konkurrenz machen will? Philosophen sollten sich nicht gegenseitig zum Feind haben, denn jede Idee, auch, wenn sie noch so verrückt klingt, hat ein Recht darauf angehört zu werden. Jeder Mensch und seine Gedanken verdienen es gehört und überdacht zu werden. Wenn ein Mensch völlig falsch liegt, kann man versuchen ihn in einem sanften Gespräch zu überzeugen. Ist denn nicht das Gespräch die Reinform des menschlichen Miteinanders? Im Gespräch werden neue Ideen entwickelt, alte Ideen überworfen und man kommt mit mehreren Geistern zu neuen Gedanken. Konkurrenz gibt es für mich unter Philosophen und Gleichgesinnten nicht. Eine Konkurrenz würde jeden vernünftigen Gedankengang behindern, da man nur darauf abzielt, den anderen zu schlagen. Jemanden zu schlagen ist nicht mein Ziel." Verus strich sich erneut durch den Bart und machte eine kurze Sprechpause, da er diesen Gedanken beendet hatte.


    "Du bist kein einfacher Mann mehr, Aelius Quarto. Gerade, weil du erkannt hast, dass du einer bist, bist du keiner mehr. Die Erkenntnis über sein eigenes Leben erhebt einen über die breite Masse, die monoton ihrem Tagwerk folgt. Du lebst von dem, was dir dein Land bietet und lebst im Einklang mit dir selbst und der Natur. Dieser Punkt macht dich zu etwas Besonderem. Ebenso, dass du hinter dem Traum von Rom stehst, wie auch ich, und diesem Ideal deine Existenz unterordnest, macht dich zu etwas Erhabenen. Denn von Rom zu träumen und seine Werte zu leben, ist etwas wunderbares. Leider vergessen dies viele Römer und folgen nur der Gier und dem Machthunger. Du bist ein Gelehrter und Philosoph, denn du folgst deinem Herzen, deinem Verstand und deinen Werten. Dies tun normalerweise nur die eben Genannten." Verus lächelte.


    "Du bist befähigt, zu verstehen und diese Gabe ist ein Geschenk. Erzähl mir etwas von Lysias? Was lehrte er dich? Ich hatte einst, einen ebenso guten Lehrmeister in Werten und Moral. Ich hoffe, dass ich dich mit dieser Frage nicht belästige, Aelius?"

  • “Der gute Lysias war Grieche. Ich glaube, er stammte aus Athenae. Ein freier Mann, kein Sklave.
    Meine jungen Jahre habe ich in Griechenland verbracht, musst du wissen. Das hatte politische Gründe. Politische, aber auch persönliche, wobei man sagen kann, dass die persönlichen Interessen eines Thronfolgers immer auch Politik sind.“


    Ein schmerzhafter Schatten legte sich auf sein Gesicht, als er an das erlittene Unrecht und das folgende Exil dachte.


    “Nun ja. Auf jeden Fall waren ich und meine Brüder in Griechenland. Unser Vater stellte einen gebildeten Mann ein, der unser Lehrer wurde und uns in den Sieben freien Künsten, den septem artes liberales unterrichten sollte. Das war Lysias.
    Das heißt, der Jüngste war noch recht klein . Und der mittlere – ach, dass sollte ich nicht sagen – aber der mittlere Bruder war als Kind ein wilder Bursche, der nicht lange ruhig sitzen bleiben konnte. Ihn trieb es immer zu den Leibwächtern meines Vaters, die ihn den Umgang mit dem Gladius und andere soldatische Dinge lehren. Aber mich hat Lysias einiges gelehrt. Zu wenig, natürlich, als das ich damit prahlen könnte. Doch habe ich ihm einiges zu verdanken.
    Später, nachdem ich wieder in Rom war, hat er in meinem Haus gelebt. Aber da war er schon sehr alt und krank. Er ist dann gestorben, unter meinem Dach. Ach, dass ist nun auch schon einige Jahre her. Ich habe ihn gleich neben dem Grabmal meiner Familie beisetzen lassen.“

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