- Officium

  • Kaum war Lucilla weg, klopfte es schon wieder an der Tür. Diesmal würde ich mir mehr Zeit lassen, erstmal den Wein.. Nach kurzem Suchen der Amphore füllte ich meinen Becher und nahm einen kräftigen Schluck. So, jetzt war ich bereit.


    "Ja?"

  • Als sie die Aufforderung vernimmt, öffnet Livia vorsichtig die Tür und wirft einen Blick in den Raum. Das ist er. Eindeutig Lucidus. Er ist gealtert und hat graue Haare bekommen, doch ganz eindeutig ist dies ihr Bruder. Es beunruhigt sie ein wenig, wie alt er plötzlich aussieht, seit sie sich das letzte Mal gesehen haben. Insgeheim muss sie jedoch zugeben, dass dies auch eine ganze Weile her gewesen ist. Sie tritt ein wenig verlegen ein und schließt die Tür wieder hinter sich.


    "Lucidus?"


    Am liebsten wäre sie ihm vor Freude um den Hals gefallen um ihn fest an sich zu drücken. Doch irgendetwas in seinem Blick hält sie zurück. So bleibt sie unsicher stehen und mustert ihn fragend.


    "Erinnerst du dich nicht an mich? Ich bin es, Livia... Deine kleine Schwester..."


    Ihre Stimme erstirbt und sie wartet besorgt seine Reaktion ab.

  • Noch eine hübsche Frau die meine Schwester ist bzw. sein will. Was für ein Tag. Erst nach einem weiteren Schluck Wein war ich in der Lage etwas zu erwidern.


    "Livia?"


    Eilig durchforstete ich mein Gedächtnis nach einer Verwandten namens Livia, viel fiel mir dabei nicht ein. Abgesehen von einer kleiner Tiberia, die ich seit ewigen Zeiten nicht mehr gesehen hatte, fiel mir nichts ein. Aber das war doch ein kleines Mädchen.. Oh, angesichts meines Alters damals und jetzt könnte sie das allerdings sein.


    "Tiberia Livia?"

  • "...ja?" antwortet sie zaghaft und schimpft sich innerlich für ihre Unsicherheit. Unschlüssig geht sie einen Schritt auf ihn zu und verharrt dann wieder. Die Fingernägel ihrer linken Hand krallen sich inzwischen schmerzhaft in die rechte Hand, doch sie ist nicht in der Lage den Griff zu lockern. Fest beißt sie die Zähne aufeinander.


    Noch zu gut sieht sie ihn in ihrer Erinnerung vor sich, den großen vernünftigen Bruder von damals, den Ritter ohne Furcht und Tadel in schimmernder Rüstung zu dem er in ihrer Phantasie geworden war. Schließlich fasst sie sich vom zunehmenden Schmerz in ihrer Hand zur Besinnung gerufen ein Herz und schiebt alle bangen Gedanken beiseite. Soll er doch denken, was er will. Sie legt die restliche Entfernung zwischen ihnen zurück und fällt ihm um den Hals, um ihn wortlos fest an sich zu drücken.

  • Wenn das so weitergeht heute kann ich mich gleich im Weinkeller verkriechen, dachte ich mir. Wie sollte ich mich denn jetzt verhalten? Eine Tiberia, das fehlte mir gerade noch; ich ahnte schon was kommen würde..


    Zaghaft erwiderte ich ihre Umarmung.


    "Du bist.. groß geworden"


    Fabelhafter Beginn. Ein Consular der um Worte ringt, na toll.

  • Unsicher löst sich Livia wieder von ihm, ordnet sich und ihre Tunika wieder und schaut ihn fragend an.


    "Ist es wahr?"


    Sie hat Angst vor dieser Antwort und ahnt es inzwischen fast wie eine Gewissheit, doch sie muss es aus seinem eigenen Mund hören.

  • "Wahr? Was soll wahr sein? Es ist so viel passiert..."


    Lügner.. Ich wusste ganz genau was sie meinte, aber eine große Szene wollte ich verhindern. Wo zum Pluto ist der Wein schon wieder.. Wenn sie betrunken wäre, würde sie vielleicht vom Gezeter Abstand nehmen. Aber das dauert zu lange, bis dahin ist sie sicher schon voll in Fahrt. Was nun Herr Consular, denk nach, denk nach...
    Hm, nachdenken macht durstig.

  • Livia merkt, wie er auszuweichen versucht. In seinen Augen liest sie die Antwort auf ihre Frage jedoch nur allzu deutlich. Sie hat das Gefühl, dass tief in ihr etwas zerbricht. Sie seufzt leise. Große Müdigkeit und unermessliche Leere machen sich in ihr breit. Livia senkt den Blick.


    Sie erhebt sich, wendet sich ab und entfernt sich einige Schritte von ihm um ihn und sich selbst nicht mit ohnehin überflüssigen und sinnlosen Tränen in Verlegenheit bringen. Eine Weile kämpft sie mit sich, unterdrückt ihren Gefühlsaufruhr und dreht sich dann wieder gefasst zu Lucidus um. Sie muss es einfach von ihm selbst hören.


    "Senator Publius Decimus Lucidus, nehme ich an?"


    Tapfer beißt sie die Zähne zusammen und wartet nun mehr ohne Hoffnung auf seine Antwort.

  • Meine Gedanken rasten so schnell es der Wein in meinem Blut zuließ. Nun ist es also soweit. Was soll ich nun erwidern? Alles außer der Wahrheit wäre wie eine Ohrfeige für sie. Rausreden könnte ich mich ohnehin nicht, also entschied ich mich einfach ehrlich zu sein.


    "Ja."


    Ich überraschte mich immer wieder selbst mit meiner Eloquenz...

  • Livia beißt sich auf die Unterlippe. Entgegen ihrer Erwartung und trotz der bereits gefühlten Gewissheit ist es als versetze man ihr einen Schlag in die Magengrube.


    "Aber..."


    Sie seufzt.


    "...du bist doch mein Bruder..."


    Mit flehendem Blick schaut sie ihn an.


    "...warst? Ich meine... Kannst du mich denn garnicht mehr leiden?"


    Plötzlich bekommt sie Angst vor seiner Antwort.

  • Marcellus betrat das Officium des Legatus Augusti - vor Aufregung über das eben passierte vergas er zu klopfen. Im Raum war eine Besucherin und er merkte, dass er anscheinend mitten in ein Gespräch platzte. Marcellus nahm Haltung an.


    „Verzeiht Legatus Augusti! Ich sollt sofort in das Officium des Imperators kommen!“

  • Mit einem Schlag war jede Weinseligkeit wie weggewischt.


    "Livia, verzeih, aber ich muß der Aufforderung nachkommen. Bleib noch ein wenig, lass dir vom Sklaven bringen wonach dir ist, ich kehre so bald als möglich zurück."

  • Traurig senkt sie den Blick, ihre Miene verschließt sich. Im ersten Augenblick will sie das Angebot ausschlagen, überlegt es sich dann jedoch anders und nickt nur wortlos.


    Als Lucidus das Officium verlassen hat, lässt sie sich nieder und schickt den Sklaven nach unverdünntem Wein. Der erste Becher ist schnell geleert und schon wird wieder nachgefüllt...

  • Der Eifer, mit dem der Sklave ihren Weinbecher nachzufüllen pflegt, versetzt Livia mit Erstaunen. Sie argwöhnt beinahe, dies könne absichtlich von Lucidus eingefädelt sein, um ihre Geister zu benebeln und zu besänftigen.


    Gerade rechnet Livia nach, beim wievielten Becher Wein sie denn nun angelangt ist, da wird sie von einem Klopfen an der Tür aus ihren Gedanken gerissen. Überrascht blickt sie auf. Ist Lucidus bereits zurück? Aber weshalb sollte er an die Tür seines eigenen Officiums anklopfen? Noch ein wenig verwirrt setzt sie sich auf ihrer Liege zurecht und streicht die Tunika noch einmal glatt. Dann bedeutet sie dem Sklaven, die Tür zu öffnen und den Anklopfenden hereinzulassen.

  • Der Schein der Öllampen begann sich ins Atrium auszudehnen, die Türe wurde geöffnet. Ein Sklave trat beiseite und eröffnete Avarus den Blick auf eine weibliche Besucherin Lucidus. Er trat näher und begrüßte sie.


    "Salve, ich störe doch nicht?" Mit einem Auge durchforstete er den Raum, erkannte aber keine weitere Person, Lucidus war also abwesend.


    "Ich wollte eigentlich mit Senator Lucidus sprechen, ist er nur auf die... ähm zu einem stillen Örtchen geeilt, oder dauert seine Abwesendheit länger?" Sie blickte ihn neugierig an. "Oh verzeihe, Senator Avarus werde ich geschimpft." Irgend wo her kannte er sie, doch fiel ihm kein Ereignis, keine Feier oder Andacht, keine öffentliche Ansammlung oder Taverne, kein Forum oder Colloseum oder sonstiges ein, wo er sie hätte zuordnen können.

  • Ein wenig beunruhigt spürt Livia bereits die Wirkung des Weins. Vielleicht sollte sie sich etwas Brot von dem Sklaven bringen lassen. Freundlich lächelt sie Avarus an.


    "Salve! Nein, du störst keineswegs. Der Senator ist während unseres Gesprächs plötzlich zum Imperator gerufen worden. Ich bin Tiberia Livia, die Schwester... Hmm... ehemalige Schwester von Lucidus."


    Diese Tatsache so ausgesprochen zu hören, gibt ihr innerlich einen Stich. Äußerlich lässt sie sich jedoch nichts anmerken. Mit einem weiteren Schluck aus dem Weinbecher sucht sie ihre Verlegenheit zu überspielen und den Schmerz zu betäuben. Frisch gestärkt erlangt sie auch ihr Lächeln wieder zurück.


    "Seine Abwesenheit wird wohl so lange andauern, wie der Imperator seiner bedarf. Er ist schon eine Weile fort. Ich denke, dass er demnächst wieder erscheinen sollte. Wenn du so lange mit mir warten möchtest, kannst du gerne Platz nehmen. Der Wein schmeckt wirklich vorzüglich."


    Livias Lächeln wird beinahe zu einem verschmitzten Grinsen. Innerlich ruft sie sich zur Ordnung, der Wirkung des Weins nicht allzusehr nachzugeben.


    "Wir haben uns doch vor einiger Zeit schon einmal in Tarraco getroffen. Kann das sein? War es im Stadtpark?"

  • Oha daher kannte er ihre Gesichtszüge also. Tarraco, da fiel ihm gleich noch etwas dazu ein.


    Ich sehe dein Geist ist frischer als Meiner und das obwohl es noch nicht all zu lange her ist. So trifft man sich wieder...


    Kurz schaute er auf den Wein, dann überkam ihm seine heutige Strebsamkeit.


    Nein danke ich muß noch viel erledigen, doch sag, wenn du solange hier bist, bis Senator Lucidus zurück kehrt, würde es dich belasten, ihm von meinem Nachfragen an ihn zu unterrichten? Sicher kann er einen Scriba entbehren, der dann nach mir schickt. Das Officum XVI, auch wenn er es wissen müßte, übergab er mir doch den Schlüssel.


    Er wartete einen Augenblick, scheinbar hatte er schon zu viel geplappert, ihr Gesicht sah nicht gesund aus, oder war es nur der Wein?

  • In Gedanken versunken kehrte ich zu meinem Officium zurück. Ich hatte vergessen dem Imperator gegenüber eine nicht unbedeutende Angelegenheit zu erwähnen. Nun, ich würde es bei nächster Gelegenheit nachholen.
    Als ich mein Büro betrat, befand sich dort zu meiner Überraschung Senator Avarus. Schon wieder der, der taucht doch immer überraschend auf... Vielleicht legt er es auch darauf an, dachte ich mir.


    "Salve, Senator.."


    Etwas verlegen wandte ich mich zu Livia


    "Verzeih mir meine lange Abwesenheit, die Unterredung dauerte länger an als ich es mir dachte. Ich hoffe, du hast dich nicht allzusehr gelangweilt."

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