- Officium

  • Auch nun verschwindet das Lächeln nicht von ihrem Gesicht und ruhig beantwortet Livia seine Frage.


    "Du brauchst mir nichts vergelten. Ich gebe zu, dass ich dir sehr böse war und eine Rechtfertigung verlangen wollte..."


    Sie blickt nachdenklich zu ihrem abseits stehenden Weinbecher und schmunzelt ein wenig über sich selbst. Die Ernsthaftigkeit des Gesprächs hat ihr mittlerweile einen Großteil ihrer Nüchternheit wieder verschafft. Sie ist erleichtert, ihre Selbstbeherrschung meist wiedergefunden zu haben.


    "...aber du und der Wein, ihr habt mich wohl überlistet. Es erschiene mir müßig, nun doch noch auf meinem Groll zu bestehen."


    Sie denkt einen Augenblick nach, entscheidet sich dann jedoch gegen einen weiteren Schluck Wein, schenkt sich aus einer bereitstehenden Karaffe etwas Wasser ein und trinkt dieses. Eingedenk alter Zeiten lächelt sie ein wenig schief.


    "Ich habe dir in meinem Leben wohl schon genug Verdruss bereitet. Nach meiner Abreise von Zuhause bin ich nach Rhodos gegangen. Dort habe ich eine Weile vor mich hin gelebt und gelernt. Nachdem ich dann noch einige schöne Städte Roms besucht habe, bin ich wieder nach Hispania zurückgekehrt. Ich habe in Carthago Nova als Stadtschreiberin angefangen -Quirinalis ist dort Magistratus- um einen ersten Einblick in die Verwaltung zu bekommen. Dann wurde ich in die Curia Provincialis von Hispania gewählt und nun sogar zum Quaestor Urbanus. Aber das weißt du sicherlich schon alles, oder?"


    Sie trinkt noch einen Schluck von ihrem Wasser und lächelt verschmitzt.


    "Was jetzt? Nun, ich habe meinen widerborstigen Bruder im Palast besucht um Klarheit zu bekommen und ihm im übertragenen Sinne den Kopf zu waschen. Ersteres mit Erfolg, letzteres jedoch mit umso weniger."

  • "Ich glaube dir gerne, daß du das wolltest. Aber du kanntest eben nicht die ganze Geschichte, die wird dir auch keiner in deiner Familie erzählen. Schon gar nicht Quirinalis.. der weiß noch weniger als du denke ich. Meine Erinnerung an ihn ist sehr schwach, ein unauffälliger Bursche. Daß der jetzt Magistratus ist... das hätte ich mir nie gedacht."


    Faszinierend. Ein Kopfschütteln andeutend trank ich noch einen Schluck Wein.


    "Wirst du in Rom bleiben? Oder kehrst du wieder zurück nach Tarraco?"

  • "Einige Tage werde ich noch in Rom bleiben. Ich habe eine Audienz beim Kaiser, gemeinsam mit den anderen neuen Magistraten des Cursus Honorum. Außerdem hat mich mein Gastgeber Senator Secundus Flavius Felix zum bevorstehenden Bankett des Kaisers eingeladen. Im Anschluss werde ich jedoch über kurz oder lang nach Hispania zurückkehren müssen. Dort befindet sich immerhin die Villa der Gens und meine Familie ist dort. Hier bin ich auf fremde Gastfreundschaft angewiesen und habe ja auch keine wirklichen Verwandten mehr vor Ort. Die Zeit wird es zeigen..."


    Sie lächelt und nimmt noch einen Schluck von ihrem Wasser.


    "Doch was ist mit dir? Wirst du nun dauerhaft hier im Rom im Palast verbleiben und deinen Dienst für den Imperator tun?"

  • "Wenn du weiterhin in der Politik bleiben willst, dann werden wir uns des Öfteren sehen, keine Frage. Ich selbst werde so lange hier bleiben wie ich ausgehalten werde. Ob ich jemals wieder nach Hispania gehen werde.. Ich weiß es nicht..."


    Ich erinnerte mich plötzlich an einiges von früher, an die unbeschwerten Tage mit Livia und Quirinalis. Unvermittelt begann ich zu grinsen, erhob mich aus meinem Stuhl und setzte mich neben Livia.


    "Es wird allmählich Zeit, Schwester. Ich muß noch einiges erledigen.. Aber zuvor.. da gibts doch noch etwas an das ich mich erinnere"


    Kaum ausgesprochen begann ich schon sie sanft im Nacken zu kraulen und wartete gespannt auf ihre Reaktion.

  • Livia erschaudert. Dagegen ist bei ihr kein Kraut gewachsen. Früher war sie mit Vorliebe auf den Schoß ihres Bruders geklettert und hatte sich dort von ihm sanft im Nacken kraulen lassen. Teilweise hatte er sie von ihrer Hartnäckigkeit genervt sehr bestimmt wieder auf den Boden der Tatsachen zurücksetzen müssen. Teilweise hat sie so aber auch viele Stunden still und ruhig verharrt, ohne die sich unterhaltenden Erwachsenen weiter zu stören, mit halb geschlossenen Augen zufrieden eingekuschelt den Gesprächen um sie herum lauschend.


    So unerwartet sie seine Berührung nun erfährt, so hilflos ist sie dem ausgeliefert, so unfähig sich dagegen zu wehren. Sie seufzt leise und legt den Kopf vertrauensvoll an Lucidus Schulter. Mit geschlossenen Augen genießt sie still vor sich hin und denkt dabei an alte Zeiten, so lange es ihr noch vergönnt ist.


    8)

  • Ihre Reaktion überraschte mich nicht sonderlich, manche Leidenschaft legt man eben ein Leben lang nicht ab. Ich fuhr eine Weile fort und bemerkte nicht wie schnell die Zeit verstrich.
    Der Sklave der vor der Tür Wache schieben sollte, schielte plötzlich ins Zimmer und blickte mich fragend an. Mit einer energischen Handbewegung jagte ich ihn fort.


    "Livia, du mußt jetzt gehen. Das große Bankett des Kaisers steht an, wir wollen das doch nicht verpassen. Und schon gar nicht unvorbereitet erscheinen."


    Ich zwinkerte ihr zu und bot ihr meine Hand an.


    "Komm, ich begleite dich nach draußen."

  • Ganz in ihre Erinnerungen vertieft will Livia soeben zu energischen Protesten ansetzen, da wird sie sich wieder ihres nun doch etwas weiter fortgeschrittenen Alters und der Situation bewusst, in der sie sich gerade befindet. Verlegen kommt sie wieder zu sich und errötet leicht.


    "Oh... Du hast wohl recht. Verzeih, dass ich dich so lange aufgehalten habe."


    Dankbar lächelnd ergreift sie seine Hand und lässt sich von ihm nach draußen führen. Sie verabschieden sich herzlich voneinander und Livia macht sich wieder auf den Weg zur Villa ihres Gastgebers.

  • Mercator kam am Officium seines Neffen vorbei und sah, dass die Türe einen Spalt offen stand. Um auf sich aufmerksam zu machen, klopfte er an die Türe und steckte dann seinen Kopf durch den Türspalt.


    „Salve Lucidus! Wie geht es dir?“

  • "Salve, Mercator. Komm herein!


    Genau dich brauche ich jetzt. Ich grüble nun schon eine Weile über Claudius Macrinius. Der tauchte hier schon lange nicht mehr auf, oder? Ich habe auch nichts mehr von ihm im Senat gehört, geschweige denn ihn gesehen.
    Ich finde wir sollten uns erkundigen und einen Verwandten von ihn konsultieren. Hier war doch unlängst ein Claudier zu einer Audienz beim Augusts, oder täusche ich mich da?"

  • Mercator überlegte einen Moment.


    „Ja, da hast du recht. Ein gewisser Gaius Claudius Vitulus. Soweit ich weiß ist er der Sohn von Macrinius. Denkst du wir sollten ihm einmal nach seinem Vater befragen? Ich könnte einen Prätorianer nach ihn schicken und ihm zu uns in den Palatium bitten.“

  • "Ja, das wäre eine gute Sache, ich bitte dich darum.


    Dann gibt es da noch eine Sache. Es ist wieder an der Zeit, daß das Consilium Principes tagt. Noch ist in dieser Angelegenheit nicht alles geklärt, ich warne dich aber vorsorglich vor. Besonders wichtig bei Sitzungen des Consiliums ist die Sicherheit und die absolute Verschwiegenheit der wachhabenden Prätorianer. Du verstehst, was ich meine?"

  • Schnell näherte er sich dem Officium. Er blickte sich noch schnell um, ob er auch wirklich den richtigen Raum gefunden hat, dann klopfte er an.


    *Poch* *Poch*

    „...minimaque conputatione miliens centena milia sestertium annis omnibus India et Seres et paeninsula illa (scil. Arabia) imperio nostro adimunt: tanti nobis deliciae et feminae constant!“ (Plinius, naturalis historia)"

  • Tief gebeugt über einen Plan des Palastes saß ich an meinem Schreibtisch. Das Officium des Magister Domus Augusti war mindestens 6mal so groß wie das meinige und hatte 3 Fenster. Ich strich mir über das Kinn und überlegte, als jemand an die Tür klopfte.


    "Ja, herein"

  • Nachdem er durch ein vernehmlichen Ton heringebeten wurde, trat er hinein.


    "Salve, ich wurde hierher bestellt. Wie kann ich euch dienen?"

    „...minimaque conputatione miliens centena milia sestertium annis omnibus India et Seres et paeninsula illa (scil. Arabia) imperio nostro adimunt: tanti nobis deliciae et feminae constant!“ (Plinius, naturalis historia)"

  • "Ah, Claudius Vitulus nehme ich an. Ja, ich ließ nach dir rufen, nimm doch Platz"


    Ich deutete auf einen Stuhl in seiner Nähe und hantierte mit einer Amphore und einem Becher.


    "Ich wollte mich nach deinem Pater Familias erkundigen, wir haben ihn hier im Palast schon länger nicht mehr gesehen. Daß er plötzlich untertaucht ist zwar nichts Neues, dennoch wollte ich dieses Mal Gewissheit haben und mich informieren ob jemand über seinen Verbleib Bescheid weiß.


    Wein?"

  • Langsam schritt er in das Büro und schaute sich um. Sehr schön wäre ein guter Ausdruck für dieses Officium gewesen, prachtvoll und ausschweifend groß hingegen wohl der Passende.


    Er saß sich auf einen ihm angebotenen Stuhl und sah sich einer Frage des Legaten entgegen: "Ich wollte mich nach deinem Pater Familias erkundigen...
    und mich informieren ob jemand über seinen Verbleib Bescheid weiß."


    Vitulus blickte eher geistesabwesend auf eine Amphore und einen Becher welche der Legat gerade in Händen hielt und machte sich Gedanken was er nun sagen sollte.


    Decimus Lucidus:"Wein?"


    Claudius Vitulus schreckte etwas auf und blickte hoch in Lucidus Gesicht.


    "Ach.. ja, bitte. Nun die Geschichte meines Paters ist verworren, ich denke er ist nicht mehr in diesen Welten zu finden."

    „...minimaque conputatione miliens centena milia sestertium annis omnibus India et Seres et paeninsula illa (scil. Arabia) imperio nostro adimunt: tanti nobis deliciae et feminae constant!“ (Plinius, naturalis historia)"

  • "Wie meinst du das, er wäre nicht mehr in diesen Welten zu finden? Er wird sich doch nicht etwa das Leben genommen haben?"


    Die Aussage des jungen Claudiers verwirrte mich zutiefst, gespannt wartete ich auf seine Antwort. Inzwischen schenkte ich ihm und mir mit leicht zitternder Hand einen Becher Wein auf.

  • Unsicher wie er es erklären soll fuhr er fort.


    "Als ich des Morgens aufstand fand ich weder ihn noch unseren Sklaven Secundus vor. Wenig später traf er in bemittleidenswertem Zustand wieder ein und erzählte mir etwas das ich zuerst selber kaum glauben konnte."


    Vitulus nahm sich noch einen Schluck aus dem Weinbecher bevor er weiter ansetzte.


    "Marcellus Claudius Macrinius ist zu unseren Ahnen entschwunden. Er ritt mit einem zweispännigen Carrus in seiner vollen Prätorianerrüstung aus und verschwand am Fuße des Apennin vor den Augen meines Sklaven im Nebel. Secundus hat ihn darauf nicht mehr vorgefunden, auch die Spuren hören an dieser Stelle abrupt auf.


    Mir bietet sich nur diese Erklärung an, zudem mein Pater zuvor noch ein Goldstück mit sich in den Wagen nahm und auch ankündigte dass er nicht mehr wiederkäme so ihn denn unsere Ahnen annähmen."


    Er nahm noch einen großen Schluck aus dem Becher und leerte ich gänzlich.


    "Mir scheint sein Ruhm bedeutend und ob dieses Zeichens denke ich, dass ich ihm so bald wie möglich eine Statue vor unserer Villa widmen will."

    „...minimaque conputatione miliens centena milia sestertium annis omnibus India et Seres et paeninsula illa (scil. Arabia) imperio nostro adimunt: tanti nobis deliciae et feminae constant!“ (Plinius, naturalis historia)"

    2 Mal editiert, zuletzt von Gaius Claudius Vitulus ()

  • "Das klingt mit Verlaub schwer vorstellbar. Aber die Zeit in der ich Macrinius kennen lernen durfte zeigte mir, daß ihn betreffend eigentlich nichts unvorstellbar ist.
    Du nimmst also an, daß dein Pater nun im Elysium bei euren Manen weilt? Wenn dem so ist, dann stellt sich die Frage nach seiner Nachfolge in deiner Familie. Wer ist der älteste männliche Nachkomme?"

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