• „Na, das trifft sich gut, Assindius.“


    Ich hatte nicht nur seine letzten Worte, sondern bereits bei Betreten der Villa das Kreischen von Samira gehört.


    „Dies ist ein ordentlicher Haushalt. Hier herrschen Würde und gepflegtes Benehmen. Ausfälle jeglicher Art werden nicht geduldet. Samira?“
    Ich sah meine Haussklavin verärgert an.

    „Deine Schlafstätte wird für eine Woche der Verschlag im Keller sein. Außerdem wirst du die Kanalanlage reinigen.
    Nun zu dir, Assindius. Ich rechne dir an, dass du noch neu - sowohl in Rom als auch in unserer Familie bist. Demnächst werden dir die Gepflogenheiten diesbezüglich noch einmal erläutert. Danach wäre es empfehlenswert, diese auf Dauer zu beachten. Ich treffe dich in Kürze im Tablinum, wenn du dich entsprechend gepflegt gekleidet hast.“


    Wenig begeistert blickte ich an Assindius herunter und bemerkte sowohl seine germanische Kleidung als auch Schmutz und Blut.

  • Ich verbeugte mich und trat ab. Dann wusch ich mir in windeseile Gesicht, Arme und Beine, verband die Wunde, zog die römischen Kleidung an und zupfte an Haaren und Bart. Auf dem Hast zum Tablinum fragte ich mich was die Herrin alles mitbekommen hatte. Ich musste ihr sagen das ich ganz allein für die Situation verantwortlich war. Als ich vor dem Tablinum stand testete ich erst einmal wie ich mich mit dieser Kleidung in die Knie gehen sollte, ich wollte sie doch nicht verschmutzen. Ich entschloss mich dazu, das eine Bein anzuwinkeln und das Knie des anderen mit wenig Abstand über dem Boden zu lasse. Ich klopfte. Bevor ich eintrat, holte ich noch einmal tief Luft. Dann trat ich ein, ging wie geübt in die Knie und sagte:


    „Herrin, Ihr befahlt das ich ins Tablinum komme. Bitte erlaubt mir, mich für das Vorgefallene zu entschuldigen und zu versichern das die Schuld allein bei mir liegt. Ich habe mir einen üblen Scherz mit Samira erlaubt und ihr einen gewaltigen Schrecken eingejagt. Darum bitte ich Euch, Samira nicht zu bestrafen und darum, das ich die zugedachte Strafe antreten darf.“

  • Erschrocken fuhr ich zusammen als die Herrin plötzlich auftauchte. Ich ahnte Schlimmes und so kam es auch. Der Verschlag im Keller – ich musste schlucken. Dort war es stockdunkel, es gab nicht einmal eine Liegestatt und es roch muffig. Tränen traten mir in die Augen.


    „Sehr wohl, Herrin“, flüsterte ich und ging.

  • Von der langen Reise ziemlich erschöpft, ließ ich mich im Tablinum auf einen Korbsessel fallen. Dass ich mich sofort um Unannehmlichkeiten kümmern musste, missfiel mir außerordentlich. Schneller als erwartet stand Assinius dann vor mir. Das heißt, er kniete, was ich mit Erstaunen feststellte.


    „Steh auf, Assindius. Eine Kniefall erwarte ich nicht, wohl aber ansonsten angemessenes Verhalten und ebensolches Auftreten.“


    Ich war nicht nur erschöpft, ich hatte auch Hunger und vor allem Durst. Mit zusammengezogenen Brauen hörte ich mir seine Erklärungen an. Ich hatte ihn nicht aufgefordert zu sprechen und es missfiel mir, dass er es tat. Gleichwohl wurde mir schnell klar, warum er auch diese Regel missachtete.


    Wortlos betrachtete ich meinen neuen Sklaven.

  • „Ja Herrin, natürlich und bitte verzeiht, das ich unaufgefordert gesprochen habe.“


    Ich stand auf und hatte ein erstarrtes Gesicht, weil ich mich wie damals auf dem Sklavenmarkt gemustert fühlte.

  • Meine Stirn glättete sich. Ich warf einen kurzen Blick aus dem Fenster, dann stand mein Entschluss fest.


    „Ich habe dir gleich zu Beginn gesagt, dass ich nichts höher würdige als Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit. Daran hat sich natürlich nichts geändert, auch wenn ich gleichermaßen ein gutes Benehmen schätze. Ich will dir deine Ehrlichkeit anrechnen. Andere hätte versucht sich reinzuwaschen, du hast es nicht getan. Das lobe ich mir. Ich habe an dir wenig auszusetzen und es bedarf immer einer gewissen Einspielzeit mit neuen Sklaven, das ist mir klar. Deine Fehler sind dir verziehen.


    Was jedoch Samira betrifft...“


    Ich schüttelte den Kopf. Meine Haussklavin weilte schon ewig hier. Sie kannte meine Ansichten und Ansprüche.


    „Samira hätte es wissen müssen. Welchen Grund soll ich haben, ihr den Fehler nachzusehen?“

  • „Herrin? Ist Samiras Furcht ihr Vergehen? Verzeit bitte wenn ich dies frage, aber wird Samira wegen ihrer Furcht bestraft? Bevor Ihr hinzutraten, wies sie mich eingehen darauf hin, dass der Lärm, welcher durch mein Vergehen ausgelöst wurde, nicht erwünscht ist. Herrin, als gute Geste fing ich ein Wildschwein für Samira. Als ich ihr das erlegte Tier zeigte, machte sie sich sorgen um den Marmor und schleifte mich in die Hauswirtschaftsräume. Da sie wusste, das Ihr in Kürze eintreffen würdet, wollte sie Euch mit frischem Wildb, ähm“


    ich stockte einen kleinen Moment, weil mir das Wort nicht einfiel, wie hatte sie das genannt? Wildbrett genau!


    „Wildbrett überraschen. Herrin Samiras Verschulden liegt nur in Furcht. Mein Verschulden ist die Auslösung dieser Furcht. Wenn ihr Samira deshalb bestraft, muss ich die doppelte Strafe erhalten!“

  • „So so, die doppelte Strafe.“ Ich schmunzelte kurz.


    „Mir gefallen deine Ansichten und deine Grundeinstellung. Du hast einen guten Charakter, sehr ehrenhaft.“


    Der Durst wurde übergroß und so erhob ich mich, um nach einer weiteren Sklavin zu rufen. Schnell huschte die kleine Griechin davon und kam binnen kurzer Zeit mit einer Tischamphore und einem Becher zurück. Sie schenkte ein und ich genoss das erfrischende Quellwasser, ehe ich mich wieder meinem Sklaven zuwandte.


    „Du hast ein Wildschwein für Samira gefangen?“, fragte ich ungläubig. „Bei den Göttern. Warum? Wie? Ich weiß nicht einmal, ob das Jagen überall erlaubt ist.“

  • Ob das Jagen erlaubt ist? Wer sollte das Jagen verbieten und warum? Was sagte Samira, ich müsse noch viel lernen? Da hat sie recht, um wie!


    „Herrin, in Ostia war ich nicht nett zu Samira, das lag, so denke ich, daran, dass mich die neue Situation als Sklave nervös und unbeholfen gemacht hatte. Dies ist jetzt nicht mehr so! Jedenfalls ist es in meinem Dorf gute Sitte, das man, wenn man sich entschuldigt, die Entschuldigung dadurch verstärkt, dass man für die Person ein Wildschwein fängt. Dies hatte auch ich getan, nachdem wir hier in Mantua ankamen, die Pferde in den Stall brachten und die Tiere fütterten.“


    Es war deutlich das ich verunsichert war. Ich traute mich nicht, wie sonst wenn ich überlegte, mir in den Bart zu fassen. Ich traute mich auch nicht zu sagen das ich das Tier mit meinen eigenen Hände erlegt hatte. Solche heldenhaften Ausschmückungen über meine Mannhaftigkeit wollte die Herrin bestimmt nicht hören.


    „Wie hatte ich das Tier gefangen. Zuerst zog ich meine germanische Kleidung an, um die andere nicht zu verschmutzen, dann ging ich in den Wald und nahm die Fährte auf. Als ich einige Tiere sah, nahm ich einen großen Stein und stieg auf einen Baum. Dann sprang ich herab und rammte einem der Tiere den Stein auf die Stirn. Als es benommen umherirrte, schlug ich mit dem Stein weiter auf das Tier ein, bis es tot war. Das war schon alles."

  • Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ein Römer jemals auf diese Weise handeln würde. So ein bisschen ulkig fand ich das schon, ließ mir aber nichts anmerken. Jedes Volk hatte wohl seine Eigenheiten.


    „Hm, nun haben wir also ein Wildschwein im Haus, was Samira für die Familie zubereiten wollte. Schick sie zu mir. Ich werde noch einmal mit ihr reden. Du hingegen begibst dich am besten sofort zur Stadtverwaltung und fragst dort nach, ob und wenn ja, welche Ländereien hier Eigentum von Großgrundbesitzern sind. Außerdem möchte ich wissen, ob es so etwas wie Schonzeiten für Wildtiere gibt, in denen das Jagen nicht erlaubt ist. Du kannst jetzt gehen.


    Ach, und eines wollte ich noch sagen. Die Familie hatte bisher immer großes Glück mit ihren Sklaven gehabt. Alle waren ausgesprochen loyal und ehrlich eingestellt. Ich sehe, dass du darin auch keine Ausnahme machst und das freut mich.“

  • "Danke Herrin."


    Ich trat ab und suchte Samira. Die würde ja wahrscheinlich im Keller sein. Ich hatte ein mulmiges Gefühl im Bauch. Wahrscheinlich ist sie sauer auf mich, natürlich ist sie sauer auf dich, Trottel. Wildschweine konnte ich jagen, Schmerzen ohne Probleme ertragen, aber traurige, weinende Frauen, die zudem noch sauer auf mich sind machten mir Mühe. Da musste ich jetzt durch. Als sie vorhin ging, weinte sie und Schuld war ich. Als ich den Keller betrat hörte ich auch noch ein Schluchzen. Sie stand da und weinte. Sie schien mich nicht bemerkt zu haben, also sagte ich leise:


    „Samira. Samira die Herrin möchte dich noch einmal sprechen!“


    Am liebsten wäre ich jetzt geflüchtet, aber da fiel mir ein was mein Vater immer sagte. Sohn sein ein Mann und zeig das du Eier hast. Bereit mir alle Vorwürfe anzuhören wartete ich also darauf was sie sagen würde. Aber ich wäre trotzdem lieber abgehauen.

  • Sim-Off:

    Also, mich stört das jetzt nicht, aber du darfst andere Figuren – in dem Fall mich – eigentlich nicht mitsimulieren. Du kannst nicht wissen, ob ich noch weine. Vielleicht warte ich ja auch mit einem Dolch auf dein Erscheinen. ;)



    Angst ergriff mich, als ich die Tür zum Kellerverschlag öffnete und Überwindung kostete es mich, dort hinein zutreten. Dunkle Räume bargen Geheimnisse, die man nie ergründen konnte. Unbeweglich lehnte ich an der nasskalten Wand und lauschte fieberhaft auf jedes noch so kleine Geräusch. Die Augen waren schreckgeweitet und doch sahen sie nichts. Tränen rannen ununterbrochen hinab. Ich wusste, hier würde ich kein Auge zumachen.


    Schritte kamen näher, die Tür ging auf und dennoch rührte ich mich nicht. Ich hörte die Nachricht und kam ihr nach. Auf dem Weg zum Tablinum wischte ich mir schnell die Tränen fort. Was würde jetzt bloß noch kommen?


    „Herrin?“ Meine Stimme war weder laut noch sicher.

  • Ich ignorierte für den Moment meine Sklavin, weil mir auffiel, dass Assindius noch immer in der Villa weilte.


    "Assindius, ich möchte, dass du dich umgehend auf den Weg zur Stadtverwaltung machst. Ich möchte die Angelegenheit mit dem Jagen recht schnell geklärt wissen. Frag dich durch, wenn du den Weg nicht weißt bzw. nicht findest.


    Und nun zu dir."


    Ich atmete tief durch.


    "Samira, du weißt, auf was ich Wert lege? Du bist schon lange hier und müsstest wissen, dass ich kaum Strafen verteile, meinen Sklaven ein relativ freies Leben gewähre."


    Für Momente schaute ich Samira prüfend an. Bisher gab es nie Schwierigkeiten mit ihr. Ob das wohl an dem Verhältnis zu dem neuen Sklaven lag? Ich würde es beobachten.


    "Assindius hat mir berichtet, wie es zu den Vorfällen kam und ich will dieses eine Mal noch Gnade walten lassen. Nimm es als Lehre an, denn einen zweiten Ausrutscher werde ich nicht mehr ungestraft lassen."

  • "Ja. Bereite mir ein kleines Mahl und kümmere dich im Anschluss um die Verarbeitung dieses Schweines."


    Immer noch erstaunt über die Tatsache, dass jemand ein Wildschwein fing, um sich zu entschuldigen, schüttelte ich schmunzelnd den Kopf und trat ans Fenster. Wieder fiel mein Blick auf den nach meinem Geschmack unzureichend gestalteten Garten. Das würde eine meiner nächsten Aktivitäten sein, beschloss ich in diesem Moment. Ich wollte hier ein kleines Gartenparadies, so wie ich es in Ostia hatte.


    Er dauerte nicht lange, da brachte mir Samira das gewünschte Essen, was ich am Fenster stehend einnahm. Ich hatte lange genug in dieser Kutsche gesessen und ich entwarf bereits erste Bepflanzungslösungen für den Garten.

  • Nach einer erholsamen Nacht und einem Gespräch mit dem Stadtschreiber Ingeniosus am Vormittag kehrte ich in die Villa zurück und erteilte den Sklaven die Anweisung, dass sie erneut meine Sachen für eine Reise packen und auf einer Kutsche verstauen sollten.
    Rom war erneut mein Ziel, ich hatte Pläne. Mantua würde noch etwas auf mich warten müssen.

  • Die Herrin wollte es schnell geklärt wissen, also beeilte ich mich auch. Dementsprechend erschöpft war ich, als ich endlich in der Villa ankam. Als ich die Herrin gefunden hatte sagte ich:


    „Herrin ich bin zurück. In der Stadtverwaltung gab man mir diese Dokumente mit."


    Großgrundbesitzer in Mantua


    Anwesen:
    -der Gens Annaea
    -der Gens Corvia
    -der Gens Vesuvia
    -die Villa Sospitas


    Nutzgebiete:
    -Weingut des Corvius Cadior
    -Weingut des Sabbatius Marcellus
    -Gestüt der Aurelia Deandra


    Militärische Gebiete:
    -Castellum der Legio I Traiana Pia Fidelis
    -Übungsplätze des Militärs außerhalb des Castells


    vom Staat genutzte Gebiete:
    -Opferstätte und Tempelanlagen nördlich der Stadt



    Jagtzeiten


    alle Arten von Hirschen - Ende Sommer bist Mitte Winter
    Wildschweine - gleicher Zeitraum
    Hasen - Herbst bis Anfang Winter
    Kaninchen - ganzjährig
    Füchse - ganzjährig

  • Ich wendete mich Assindius zu, als er das Zimmer betrat.


    "Oh!"


    Überrascht sah ich auf die informativen Papiere in meinen Händen. Die Verwaltung in Mantua war auf Zack.


    "Hm, kannst du dich erinnern, wo du das Tier erlegt hast? Ich hatte mir schon gedacht, dass manche Waldgebiete in Privatvbesitz sind. Den Aureliern gehören hier ganz sicher die größten Ländereien, aber auch andere Familien haben Besitz.


    Ach, und Assindius. Wir müssen uns erneut reisefertig machen. Ich möchte für begrenzte Zeit nach Rom zurück."

  • Nach Rom, aber wir sind doch grade erst angekommen. Ich pustete mir die Haare aus dem Gesicht und sagte:


    „Ja Herrin, soll ich Samira und Leone bescheid geben? Das Wildschwein erlegte ich in einem Waldstück das östlich am Gestüt entlang läuft.“

  • "Östlich vom Gestüt, hm."


    Ich überlegte, wem dieses Land wohl gehören könnte. Die Villa Sospitas lag nördlich und die dazugehörigen Ländereien ebenfalls. Andererseits besaß die Familie keinen direkten Nachbarn. Eine sehr angenehme Tatsache.


    "Ich glaube, die Jagd geht dann wohl in Ordnung. Halte dich aber zukünftig am besten in den nördlichen Gebieten auf. Und nach Möglichkeit auch keine Alleingänge diesbezüglich mehr. Du musst dir die Erlaubnis zum Jagen bei den Herrschaften holen. Ganz gleich ob bei mir oder einem anderen Familienmitglied.


    Und ja, informiere die anderen über die Abreise. Wir brechen auf, sobald das Fleisch des Schweines - wie auch immer - konserviert ist. Ich habe keine Zeit, diese Massen sofort zu verbrauchen."

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