"Nun, allzu lange fiel die Wartezeit ja nicht aus. Deine Sklavin sagte mir, du seist in Rom gewesen? Übrigens ist der Weinkeller hier einem herrschaftlichen Hause nicht würdig. Gleich morgen werde ich dem Abhilfe schaffen müssen..."
Villa Sospitas
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Erstaunt hörte ich mir seine Worte an, dann lehnte ich mich einfach über den Wannenrand und verschloss seinen Mund mit meinen Lippen. Was interessierte mich jetzt der Weinkeller oder Rom oder sonst was?
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Das erklärte natürlich alles.
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Ob er wohl verstanden hatte, dass ich die tatenreichen Begrüßungen den wortreichen vorziehe?
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Nach einiger Zeit gelang es Sophus, sich der Atemnot verursachenden Umklammerung zu lösen.
"Zu trinken gibt es hier nichts...aber etwas Essbares muss doch aufzutreiben sein. Bist du auch so hungrig wie ich?"
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Da war Kälte zu spüren wo sie nach meinem Dafürhalten nicht hingehörte und das schmerzte. Ich verstand nicht wieso. Betroffen blickte ich zur Seite, stand etwas zu hastig auf und atmete einmal tief durch. Nein, hungrig war ich nun nicht mehr, ein Kloß im Hals sorgte für ein Sättigungsgefühl.
„Ich gehe Samira suchen“, sagte ich leise.
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Sophus war viel zu betrunken, um das Fortgehen Deandras richtig zu deuten und ebenfalls zu faul, um sich darüber Gedanken zu machen, wer diese Samira war. Ächzend erhob er sich aus der Wanne und verfluchte die Sklaven, welche sich offenbar noch auf dem Weg nach Mantua befanden. Kurze Zeit später schlurften zwei Sandalen auf der Suche nach dem Speisezimmer durch die geräumige Villa...
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Ich suchte die Sklavin und fand sie in ihrem Zimmer.
„Geh, bereite Sophus eine Mahlzeit und halte dich bereit, wenn er etwas braucht. Ich ziehe mich jetzt zurück.“
Plötzlich spürte ich wieder überdeutlich die Müdigkeit und hinzu kam meine Enttäuschung. Mit versteinerter Miene suchte ich die Schlafzimmer, wählte irgendeines und legte mich hin. Ich machte mir nichts vor, Sophus’ Verhalten hatte mich tief getroffen und es gab mir auch zu denken. Da war im Grunde nichts an Gefühl zu spüren gewesen und ich wusste, Alkohol verstärkte eher noch die Emotionen. Doch wo nichts war, konnte nichts verstärkt werden. Mit dieser Erkenntnis schlief ich letztendlich ein.
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Es stand mir nicht zu, mir Gedanken um meine Herren zu machen, aber merkwürdig fand ich Deandras Veränderung schon. Ich zuckte verwundert mit den Brauen, folgte dann aber dem Auftrag meiner Herrin und suchte die Küche der Villa auf. Hier stellte ich Brot und Weintrauben zurecht, bereitete die Vorspeise aus Moretum und Cucurbitas vor, den Käse natürlich separat. Gleichzeitig setzte ich das Fleisch für den Hauptgang an und weil einmal Kürbis im Haus war, entschloss ich mich, als Beilage Kürbispüree zu machen.
Als alles angesetzt war und nur noch garen musste, suchte ich das Speisezimmer auf und wartete darauf, dass Sophus seine Wünsche äußerte.
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Schweigend machte sich Sophus über die später angetragenen Speisen her. Nachdem sein Hunger gestillt war, machte er sich auf die Suche nach Deandra, fand aber die Tür zu ihrem Gemach verriegelt und konnte sich diesen Umstand nur dadurch erklären, dass sie durch die wohl langwierige Reise nach Rom und wieder zurück recht geschwächt und ermüdet worden war.
Einen Moment erwog Aurelius, in das Kastell zurückzukehren oder im Wirtshaus den Sieg über die abtrünnigen Legionen Laecas gebührend zu feiern - eine verlockende Aussicht, zumal sich im ganzen Hause nicht ein Tropfen Wein auftreiben ließ -, entschied sich letztlich aber doch dafür, in einem durchaus nicht reich ausgestattetem Zimmer in tiefe Traumwelten zu entgleiten. -
Ein Morgen wie jeder andere und doch war alles anders. Der Vortag hatte seine Spuren hinterlassen und ich wusste überhaupt nicht wie es weitergehen sollte. Sicher, in Rom gab es viele Verbindungen, die aus rein praktischen Erwägungen heraus zustande kamen, aber …
Irgendwann entschloss ich mich aufzustehen, lustlos zwar, aber dennoch. Was macht man an einem solchen Tag? Ich wusste nichts mit mir anzufangen. An irgendeinem Fenster blieb ich stehen und fragte mich, warum heute kein Regenwetter war.
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'Ein guter Tag!', dachte Sophus, als er zum ersten Male seit Wochen in einem richtigen Bett erwachte und ein fröhliches Soldatenlied auf den Lippen durch sein Zimmer schlich, um einige Wachstafeln zusammenzupacken, die er für den nunmehr beginnenden Lagerdienst benötigen würde.
"Seht die Schwertklingen, wie sie eindringen, das ist ein Kampferlebnis pur!"
Sophus packte seinen Lederbeutel, den er noch aus seiner Zeit als grünschnäbliger Probat gerettet hatte.
"Ein kurzes Stöcheln, Gegner verröcheln - wir sind die Boten der Kultur!"
Mit einem Krachen donnerte er die Türe zu und betrat einen Korridor der Villa.
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Ein Krachen ließ mich zusammenfahren. Eigentlich konnte das nur Sophus sein, Samira würde nie so laut die Türen knallen. Heute ärgerte ich mich über meine Herzklopfen. Aus dem Weg gehen war wohl auch keine Lösung. Also gab ich mir einen Ruck und ging ihm entgegen …
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Das frohe Pfeifen erstarb, als Aurelius die plötzlich erschienene Gestalt Deandras erkannte. Lächelnd stellte er die Sachen auf den Boden, eilte zur Geliebten und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.
"Ein schöner Tag, nicht wahr? Schöner wäre er freilich noch hier, aber nun ja...Dienst ist Dienst."
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Eine Verbindung aus rein praktischen Erwägungen – wie hatte ich das bisher verachtet. Heute merkte ich erst, welche Vorteile eine solche Beziehung bot. Man war nicht abhängig von der Gunst des anderen, kaum verletzbar, Zurückweisung tat nie wieder weh. Nie würde ich irgendjemandem noch einmal mein Herz schenken, das schwor ich mir heute.
Ich bog um eine Ecke und blieb wie angewurzelt stehen.
Die Begrüßung fiel anders aus als erwartet. Ein Lächeln huschte mir über das Gesicht. Doch so schnell wie es kam, verschwand es auch wieder, zu tief saß der Schmerz noch.„Ich nehme an, du hast keine Zeit für ein Gespräch?“ Inzwischen bar aller Illusionen rechnete ich von vorn herein mit einem Nein.
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Nun doch etwas überrascht, hielt Sophus inne. Wenn Deandra einmal nicht lachte, bedeutete das in der Regel nichts Gutes.
"Was ist denn los, Liebes?"
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„Im Grunde möchte ich nur eine Frage beantwortet wissen: Wodurch kommt es, dass ich nur in Rom deine Liebe gespürt habe? Bereits in Ostia war alles abgekühlt und gestern … Ein Fremder hätte mich herzlicher begrüßt. Du empfindest offenbar keine Liebe mehr, ich kann sie jedenfalls kaum spüren.“
‚Gut, mit Ausnahme von eben’, dachte ich bei mir, aber auch das änderte nichts an der Tatsache, dass bereits in Ostia nicht eine Umarmung oder ein Kuss von ihm ausgegangen war. Gut, auch hier wieder eine Ausnahme – der Abschied. Dennoch stand ich kurz vor dem emotionalen Hungertod.
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Sophus lächelte listig.
"Vieles, das uns verborgen scheint, ist in Wahrheit so offensichtlich, dass wir bei der Suche danach zu verzagen drohen. Du weißt doch selbst, dass ich nicht gerne Einblicke in das Verborgene gewähre. Dies allein sollte dir Beweis genug sein."
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„Das Wissen ist das eine, das Gefühlte das andere und wenn sich beides miteinander misst, kann kein Verstand der Welt die Macht der Gefühle an Stärke übertreffen. Wenn mir mein Empfinden also sagt, deine Gefühle sind wenig ausgeprägt, bin ich nicht in der Lage, mir allein aufgrund meines Wissens das auszureden.
Woher soll ich auch mein Wissen beziehen, wenn du es mir nicht vermittelst?“
Jetzt lächelte ich listig zurück.
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"Wissen beziehen wir immer aus Erfahrungen. Hat dich Mantua damals nicht gelehrt, dass wir in gewisser Hinsicht Menschen recht unterschiedlichen Schlages sind? Eben dies sehe ich als größten Gewinn, aus dem Zuneigung und gegenseitige Liebe erwachsen kann."
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