Ein Ausritt zu zweit

  • Die Idee mit dem Käse fand Maximian ausgesprochen gut. Daheim hatte noch keiner etwas von diesem köstlichen Ziegenmilcherzeugnis probieren können - hatte Mummia früher schonmal was mitgegeben, hat es den Heimweg nicht überlebt -, was sich nun ja vielleicht ändern lönnte.
    Auch Maximian sah der rundlichen Frau hinterher und sah dann zu Valeria, die just in diesem Moment auch schon ihre kecke Frage auf Aurelius und ihn losshoss.
    Maximian unterband ein Grinsen und schob nachdenklich die Unterlippe ein wenig vor, während er sehr ernst nickte und einen wichtigen Blick zu Aurelius warf.


    "Aber dass ihr schon fertig seid, überrascht mich."


    Das Grinsen bahnte sich an die Oberfläche und erblühte in voller Breite - beinahe von einem Ohr bis zum anderen. Dann zwinkerte er, wusste er doch nur zu gut, wie gerne Mummia sprach und machte sich daran Alfidia abzuknoten.

  • Valeria grinste ebenso breit, wurde jedoch rasch wieder ernst, als Mummia einen Augenblick um die Ecke bog und sich wieder zu ihnen gesellte. Sie war nicht allein: bei sich führte sie ein wahrhaft riesiges, in Leintücher eingewickeltes Stück Ziegenkäse. Valeria machte große Augen und sah zu Maximian hin, der noch immer damit beschäftigt war, den Knoten von Alfidias Zügeln zu lösen. Scheinbar hatte sie ihn vorhin doch etwas zu energisch zugeknotet.


    'Kinder, hier, nehmt das mit und bestellt den anderen einen schönen Gruß von uns! Gebt auf euch acht, wenn ihr losreitet, man weiß ja nie, wem man begegnet...' sagte Mummia bedauernd, während sie Maximian den Käse in die Hand drückte und dann Valeria derart herzte, dass ihr beinahe die Luft weg blieb. Danach war Maximian an der Reihe, der glücklicherweise noch immer den Käse in Händen hielt und daher nicht ganz so zerdrückt wurde wie die junge Decima.


    Schließlich waren beide Pferde losgeknotet und die beiden jungen Leute standen vor den beiden Alten.


    "Vielen Dank für eure Gastfreundschaft! Ich hoffe sehr, dass wir uns noch einmal wiedersehen", sagte Valeria herzlich.

  • Maximian hatte sich den Packen Käse geben lassen, sich auch herzen lassen und stand nun neben Nigidius, dem er den Käse an den Knauf des Sattels gebunden hatte.
    Mummia war offensichtlich in höchsten Maßen von Valeria beeindruckt und schlug die Hände zusammen.


    'Aber sicher doch. Du kennst ja nun den Weg her und wenn er nicht will, dann zerrst du ihn hinterher.'


    Sie grinste und seufzte anschließend nahezu herzzerreißend, während Aurelius sich mit einem einfachen Kopfnicken verabschiedete. Maximian hielt Alfidia fest, während Valeria aufstieg, dann schwang er sich hinauf auf den hohen Rücken seines schwarzen Hengstes, während Aurelias dem schwarzen Temperamentsbündel den Hals tätschelte.


    'Reitet vorsichtig, ihr zwei. Und lasst der Familie in Tarraco noch etwas von dem Käse übrig.'


    Der Alte warf Maximian noch einen vielsagenden Blick zu, der den jungen Decimus auflachen ließ.


    "Wir werden es versuchen. Aurelius, Mummia - passt ihr auch gut auf euch auf. Und treibt eure Ziegen an, denn ich habe nicht vor, noch einmal so lange auf euren Käse verzichten zu müssen."


    Da ließ Aurelius Nigidius los, der auch gleich einen Satz tat und in beschwingten Trab verfiel. Max hatte Mühe ihn noch einmal zu zügeln, um sich nach Valeria umzudrehen und den beiden Alten, die ihnen hinterherspazierten, noch einmal zuzuwinken.


    "Bis zum nächsten Mal!"


    Und damit verließen Valeria und Maximian den Hof wieder, ritten den Feldweg entlang, über den sie vorhin gekommen waren. Und Nigidius freute sich, dass er endlich wieder laufen konnte und ließ sich nicht mal mehr von seinem langjährigen Herren zu einer langameren Gangart überreden.

  • "Das werde ich ganz bestimmt!" hatte Valeria Mummia noch geantwortet, ehe sie Aurelius zugenickt hatte aufgesessen war. Maximian hatte Alfidia losgelassen und die Stuta war ungleich Nigidius ruhig stehen geblieben und hatte gewartet, dass Valeria ihr bedeutete, dass es los ging. Nigidius machte, kaum dass Maximian aufgestiegen war, einen riesigen Satz und wollte augenscheinlich sogleich den Hof verlassen. Valeria wendete Alfidia und trabte hinter Maximian her. Im Sattel wandte auch sie sich um und winkte zum Abschied den beiden Alten zu. Valeria lächelte vor sich hin.


    Eine Weile liefen die Pferde einfach Seite an Seite den Weg entlang. Valeria genoss die warme Sonne, die frische Luft und den Gesang der Vögel. Sie hatte schnell zu Maximian aufgeschlossen.


    "Das ist so ein nettes Pärchen", meinte sie.
    "Nun gut, Mummia redet etwas viel, aber das macht sie umso herzlicher. Es war eine gute Idee, hierher zu kommen! ......und wohin reiten wir jetzt? Ich habe noch gar keine Lust auf den Heimweg", gestand sie fröhlich und lächelte strahlend.

  • Maximian lächelte der Frau, die an seiner Seite herritt, zufrieden zu. Anscheinend hatte er genau das Richtige getan, indem er Valeria zu Mummia und Aurelius geführt hatte. Als er das erste mal dort durch Zufall Rast gemacht hatte, nun bald schon vor fast einem Jahr, war er gerade nach Tarraco umgezogen und Heimweh verspürt. Eigentlich hatte er mit Nigidius nach Valentia reiten wollen, doch der schwarze Hengst hatte anscheinend etwas dagegen. Er lenkte Maximian irgendwo anders hin, wo dann auf einmal der Hof von Aurelius in Sicht kam. Und kaum war er bei ihnen gewesen, war sein Heimweh immer weniger geworden, bis er schließlich wieder zurück nach Tarraco aufbrach.


    "Ja, beide sind etwas besonderes. Kommt man zu ihnen mit irgendwelchen Sorgen, dann geht man ohne diese. Und mit einer Portion Käse!"


    Maximian grinste, während er dem Leib Käse seine Hand auflegte. Dann sah er sich fragend um und mit skeptischem Blick zu Valeria. Immer noch nicht genug?


    "Dir ist noch nicht nach Umkehren? Hm, dann schlag was vor. Das Land ist weit und meine Kenntnis auch nicht ohne Grenzen."


    Er zwinkerte und überflog das vor ihm liegende Stückchen Welt mit seinen dunklen Augen. Der Tag war herrlich, die Sonne strahlte immer noch und in Valerias Gesellschaft fühlte er sich ebenfalls Wohl. Endlich mal jemand, mit dem er so richtig ausreiten konnte (von Julia mal abgesehen, denn mit ihr hatte er es ja schon getan).
    Und da wanderten seine Gedanken auch wieder zu ihr, während er die Landschaft musterte. Was sie wohl gerade tat? Ob sie ihn noch vermisste? Wenn er doch nur wieder zu ihr könnte...

  • Valeria lachte auf, als Maximian die Sache mit dem Käse erwähnte. Ja, das konnte sie sich sehr gut vorstellen. Mummia war wohl glücklich darüber, dass sie das halbe Umland mit ihrem wunderbaren Käse beschenken konnte. Sie schmunzelte.


    "Aber er ist ja auch wahrhaftig lecker", bemerkte sie mit einem Seitenblick auf Maximian, der kurz zu dem Käse an seinem Sattel schwenkte und ihn dann wieder ins Auge fasste.


    "Nein, noch nicht genug", meinte sie herausfordernd.
    "Du etwa? Wir könnten ja noch ein bisschen durch den Wald reiten oder in Richtung Valentia, oder aber wir..."


    Valeria betrachtete Maximian und verstummte. Sie runzelte fragend die Stirn. Ihr Begleiter schien nicht ganz bei der Sache zu sein, sonder mit seinen Gedanken abzuschweifen. Was war es? Sein Vater, der nicht zu Hause war und sich in Rom aufhielt? Seine Mutter? Geschwister vielleicht oder.....gütige Götter - eine Frau? Valeria musste ziemlich verblüfft aus der Wäsche schauen. Sie wandte den Kopf, atmete tief durch und sah dann wieder zu Maximian hinüber. Alles in ihr schrie danach, herauszufinden, ob sie mit ihrer Vermutung Recht hatte. Allerdings....er hatte vorhin noch behauptet, nicht verheiratet zu sein. Eine verbotene Liebe? Valeria schüttelte den Kopf. Nein, wenn wohl eher eine verzweifelte.
    Sie würde nicht danach fragen.
    Noch nicht.


    "Was ist mit dir? Worüber grübelst du nach, Maximian?" fragte sie stattdessen schlicht. Alfidia machte einen kleinen Satz, da sie sonst über eine Wurzel gestolpert wäre, die aus dem Boden ragte.

  • Er hatte noch weiter gegrübelt, als er Valerias Frage hörte. Sie schien ihm unbedingt helfen zu wollen, weshalb Maximus nun mit dem Gedanken spielte, ihr alles zu erzählen. Mit zusammengekniffenen Augen versuchte er einen Anfang zu finden, doch je mehr er ihn zu finden hoffte, desto weniger wollte er mehr als nötig verraten.
    In sich hineinseufzend stemmte er einen Arm in die Seite und ließ Nigidius in einen ruhigeren Schritt verfallen.


    "Ich dachte nur gerade an Rom und andere Länder dieser Welt. Sie sind so weit entfernt von hier... Hast du denn kein Heimweh?"


    Er wandte den Kopf zu ihr. Wie er ausgerechnet auf diese Frage gekommen war, wusste er nicht.

  • Valeria sah ihn einen Moment lang an und runzelte dann die Stirn. Alfidia passte sich ganz von allein dem nun ruhigeren Gang Nigidius' an und schritt neben ihm einher.


    "Heimweh...nein, eigentlich nicht. Ich bin erst wenige Tage hier, aber ihr alle sorgt dafür, dass ich gar nicht wieder zurück möchte. Aber...wieso sehnst du dich denn nach Rom zurück? Sag bloß, es hat dir so gut gefallen?"


    Valeria lächelte Maximian offenherzig an und wollte Alfidia gerade etwas nächer an Nigidius heranlenken, als plötzlich ein schrilles Wiehern die friedliche Atmosphäre wie ein glühendes Messer zerschnitt. Alfidia scheute und stieg urplötzlich auf die Hinterbeine, sodass Valeria alle Mühe hatte, sich im Sattel zu halten. Kaum hatte die Stute alle vier Hufe wieder auf dem Boden, preschte sie auch schon in rasendem Gallopp nach links, vom Weg hinunter und mitten in den lichten Wald hinein. Valeria hatte gerade noch die Ursache gesehen, eine Schlange. Sie rief Maximian etwas zu, das er unmöglich verstehen konnte, und versuchte gleichzeitig die das schwierige Unterfangen zu meistern, Alfidia zu beruhigen und gleichzeitig nicht vom Pferd zu fallen. Natürlich dachte die Stute nicht im Geringsten daran, auch nur ihr Tempo zu mäßigen, geschweige denn stehen zu bleiben. Hilflos klammerte Valeria sich an Mähne und Zügeln fest und duckte sich, um nicht von einem herabhängenden Ast vom Pferd gewischt zu werden. Sie wandte sich um und sah zu Maximian zurück, der mit Nigidius Probleme hatte, durch den Wald zu reiten. Glücklicherweise war weiter vorn schon freies Land in Sicht. Sie hoffte, dass Alfidia endlich stehen bleiben würde.
    Doch den Gefallen tat ihr die Stute natürlich nicht, so sehr Valeria auch an den Zügeln zerrte.

  • Er sah ihr offenherziges Lächeln und ließ die letzten Stunden noch einmal passieren. Sie war ein gutes Wesen, inzwischen nicht nur Verwandte, sondern auch gute Freundin. Sie hatte es verdient, dass er ihr etwas erzählte. Wieder suchte er nach einem passenden Einstieg und gerade hatte er einen gefunden, als die Pferde verrückt spielten. Er sah etwas im Augenwinkel, das sich über den Boden schlängelte, und dann, wie Alfidia erschreckt und mit weit aufgerissenen Augen stieg. Nigidius hatte einen Satz gemacht, tänzelte nervös und schnaufte wie verrückt, doch Maximian konnte ihn mit eisigem Griff im Zaum halten. Valeria hingegen hielt sich überrascht und angstvoll an der Stude, die auf einmal anzog, als wäre der Teufel selbst hinter ihr her. Und auf ihr drauf Valeria, die irgendetwas rief. Maximian gab seinem Hengst die Sporen und folgte Alfidia, die teufelswild vorwärts lief.


    Als Maximian den Wald sah, wurden seine Augen groß. Er nahm die Zügel kürzer auf und spornte Nigidius an. Ein Wald war eine uneinschätzbare Gefahr bei solch einem Tempo. Wieder rief Valeria etwas und als Nigidius, der größer als Alfidia war, in den Wald eintauchte, musste er erkennen, dass er nicht so schnell vorankam, wie Alfidia.
    Er schickte ein Bitten gen Himmel und lenkte Nigidius so schnell wie möglich zwischen den Baumstämmen und tiefhängenden Ästen hindurch, die sich alle nur so gen Boden zu recken schienen. Vor ihm wurde Valeria immer kleiner.


    Doch was war das? Ein Stückchen weiter vor ihm lichtete sich der Walt ein wenig. Maximians Augen erhellten sich ein wenig, während er Nigidius zielstrebig daraufhinlenkte. Dort angekommen erkannte er sowas wie einen Weg. Er dankte alles und jedem, das ihm diesen Weg beschert hatte, und drückte dem schwarzen Energiebündel unter sich kräftig in die Flanken. Bald schon wurde Valeria größer, doch immer noch war er nicht nah an ihr dran, sodass er ihr etwas zurufen oder gar irgendetwas unternehmen können. Dazu rannte die haselnussbraune Stute viel zu ziellos mal mehr nach rechts oder links in den Wald hinein.

  • Alfidia schoss mit einem riesigen Satz auf den unbefestigten Waldweg hinaus und wolllte auf der anderen Seite wieder im Wals verschwinden. Doch im letzten Moment entschied sie sich scheinbar, ihren Höllenlauf doch auf dem Weg fortzusetzen, denn sie fuhr wie von Sinnen so derb auf dem Absatz herum, dass Valeria beinahe heruntergefallen wäre und sich nur deswegen auf dem Pferderücken hielt, weil sie die Zügel hatte fahren lassen und sich eisern am Sattel festklammerte.


    Das Pferd galloppierte mit weit aufgerissenen Augen und wild jagendem Herzen schnellstmöglich den Weg entlang, der sich nun etwas verbreiterte. Valeria griff mit einer Hand nach den Zügeln, versuchte Alfidia anzuhalten, doch das Pferd reagierte einfach nicht. Die junge Decima wandte den Kopf nach Maximian um, der just in diesem Moment aus dem Dickicht auf den Weg brach. Er war erschreckend weit zurückgefallen, doch sie hoffte, dass er sie bald einholen mochte. Mit nur mehr einer Hand am Sattel und mit der anderen erfolglos an den Zügeln zerrend, preschten Pferd und Reiter immer weiter voran.

  • Maximian spornte an, was das Zeug hielt und Nigidius streckte sich in einen rasanten Galopp. Kopf und Rücken des Pferdes ergaben beinahe eine Linie und auch Maximian drängte sich so tief es ging an die wirbelnde Mähne herunter. Er musste Valeria einholen! Wieder sah sie sich zu ihm um und er konnte erkennen, wie sie sich verzweifelt am Sattel der Stute festkrallte, die so schnell lief, wie Maximian sie noch nie zuvor hatte laufen sehen.


    Es war, als würden endlose Minuten vergehen. Nigidius flog geradezu, doch auch Alfidia sparte mit dem Tempo nicht. Doch irgendwann war Maximian so nahe heran, dass er etwas hätte rufen können. Bei dieser Geschwindigkeit und des Zustandes der Stute wollte er das jedoch nicht wagen. Weiterhin die Fersen in den Bauch seines Pferdes stoßend, holte der junge Decimus auf Valeria auf. Bald schon trennte sie nur noch eine Pferdelänge, dann hätte er fast die Hand nach Alfidia ausstrecken können. Ein wahrlich halsbrecherisches Manöver.


    Was tun? Maximian ritt im wilden Galopp auf der Höhe Valerias und überlegte, wie er die Stute zum Halten rbingen konnte, ohne dabei großartig Valerias oder sein Leben zu gefährden. Vieles gab es da nicht oder zumindest wollten ihm jettzt, in dieser gefährlichen Situation, keine einfallen.
    Er ritt ein Stückchen vor, sodass er auf der Höhe des Kopfes des ausbrechenden Pferdes anlangte. Er war so sehr damit beschäftigt, die hin und her flatternden Zügel ins Auge zu fassen, dass er sich ganz und gar auf Nigidius verlassen musste. Maximian lehnte sich leicht zu Alfidia und wäre so zweifelsohne sofort aus dem Sattel gehoben, sollte eins der Pferde plötzlich zur Seite hin ausbrechen wollen. Schließlich ließ eine Hand Nigidius Zügel bzw den Sattelknauf los und streckte sich langsam nach Alfidias Kopf aus.


    Maximians Herz pochte wie wild. Der Wind zog an seiner Tunika und jeder Muskel in seinem Körper war aufs Bersten angespannt. Wenn jetzt etwas schief ginge, wenn irgendwo ein Hindernis auftauchte oder sich Alfidia noch einmal erschrak...

  • Valeria versuchte verzweifelt, sich weiterhin festzuklammern. Weißer Schaum troff mittlerweile vom Maul Alfidias hinab und in ihrem Fell bildeten sich dunkle Flecken vor Schweiß. Valeria hörte, wie Maximian langsam aber sicher immer näher an sie und die Stute heran kam. Bald war er auf gleicher Höhe wie sie und die beiden Pferde rasten Kopf an Kopf den idyllischen Weg entlang. Erschrocken sah sie, wie er sich festhielt und von Nigidius hinüberbeute - mitten im Gallopp! Ihr entfuhr ein entsetzter Laut. Schließlich konnte er dabei fallen und sich das Genick brechen... Sie mochte gar nicht daran denken, schloss die Augen einen Moment und flehte zu den Göttern, dass alles gut ausging. Schließlich griff Maximian nach Alfidias Zügeln und Valeria hielt den Atem an. Wenn das nun schief ginge...
    Sie war inzwischen kreidebleich und ihr Herz machte aufgeregte Sprünge.

  • Auch Maximian war inzwischen wohl alle Farbe aus dem Gesicht geweht worden. Alfidia keuchte angestrenkt und schien sich immer noch weiterhin in ihre Panik reinzusteigern.
    Mit den Oberschenkeln presste Max sich an Nigidius, der so gleichmäßig neben Alfidia herlief, dass Maximian die Zügel der Stute bald schon zu fassen bekam. Gedanken wie "Die Innenseiten deiner Oberschenkel werden schön durchscheuert sein" blitzten in seinem Kopf auf, verschwanden dann sogleich wieder, als wären sie nie da gewesen.


    Seine Finger berührten also das Leder, das in Alfidias Maul endete. Vorsichtig griffen sie danach, da ausgerechnet musste Nigidius einen kleinen Sprung machen. Maximians Arm wurde hochgeschleudert, stieß an die Backenknochen der Stute, die ihren Kopf hochriss und sehr aprubt das Tempo drosselte. Maximian hatte Mühe, sich auf Nigidius zu halten, weil er durch den kurzen Sprung aus dem Sattel gehoben worden war. Wieder schossen ihm vereinzelte Gedanken durch den Kopf. Gerade war er unendlich nervös, denn wusste er, ob Valeria noch auf Alfidias Rücken saß, nachdem er der Stute seinen Arm gegen den Kopf gehauen hatte?


    Maximian, der immer noch schief auf Nigidius saß, richtete den Kopf nach vorn. Seine Augen waren groß, sein Atem ging heftig und auch ihm standen kleine Schweißperlen auf der Stirn. Nigidius jagte dahin und schien von Alfidia nun seinerseits erschreckt.


    Was Maximian so schnell nicht begreifen konnte, war, dass Nigidius geradewegs auf den Wald zugallopierte. Der Weg endete hier plötzlich und verwandelte sich wieder in jenen Wald, durch den Valeria und er vorhin gehetzt waren.
    Verzweifelt versuchte der junge Mann sich noch wieder aufzurichten, doch da musste Nigidius schon einen weiteren Sprung anstellen, um nicht über einen gestürtzen Baumstamm zu fallen, was Maximian endgültig aus dem Sattel hob.
    Er versuchte etwas zu greifen -sei es Mähne, Zügel oder Sattelknauf-, bekam aber nichts außer beängstigender Luft. Er merkte, wie sein rechtes Bein den Steigbügel verlor. Dann war es, als hätte ihm etwas den Kopf gestreift, er spürte einen dumpfen aufprall und mit einem Mal war alles ruhig. Nur das Pochen seines Herzens war noch da, sonst nichts. Und alles wurde dunkel.

  • Valeria hatte erschrocken gekeucht, als Alfidia so abrupt bremste und sich mit einer kleinen Piroutte um die eigene Achse drehte. Valeria wurde nach vorn gedrückt, wo der Sattelknauf sich schmerzhaft in ihren Bauch bohrte und ihr den Atem nahm. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Nigidius und Maximian auf den Wald zu preschten und das Pferd einen gewaltigen Satz über einen Baumstamm machte, der Maximian aus dem Sattel und zu Boden beförderte. Valeria schrie etwas, zerrte heftig an den Zügeln, um die noch immer unruhig herumtänzelnde Alfidia im Zaum zu halten. Nigidius verschwand im Wald und ließ Maximian reglos am Boden zurück. Das einzige, was man hörte, war das Schnaufen Alfidias und Nigidius, der durchs Unterholz pflügte.
    Dann....Stille.


    Valerias Herz setzte aus, um dann noch schmerzhafter gegen ihre Brust zu pochen. Maximian! Ihr Götter, wenn ihm etwas passiert war, so war es allein Valerias Schuld!
    Einen Moment lang konnte Valeria sich nicht einmal bewegen, sondern starrte nur auf ihren Begleiter hinab, der etwas entfernt halb auf dem Waldweg, halb im Dickicht lag. Valeria errang nun endlich ihre Fassung wieder zurück, sprang regelrecht von Alfidias Rücken. Sie ließ sie einfach stehen, rannte atemlos zu Maximian hinüber und ließ sich neben ihn auf die Knie fallen. Mit schreckgeweiteten Augen sah sie ihn an und wagte kaum, ihn zu berühren. Sein Kopf lag nur Milimeter von einem großen Stein entfernt. Es war kein Blur zu sehen. Hatte er Glück gehabt?


    "Maximian! Maximian, oh nein, bitte....antworte!"

  • Der Mantel der Schwärze hatte sich um Maximians Geist gelegt. Immer nich konnte er nur das Pochen seines Herzens hören, aber er nahm es als solches nicht wahr. Es war ein Dröhnen, das zwar verebbte und wieder anstieg, doch es war allgegenwärtig. Um ihn herum, in seinem Kopf, einfach überall. Dann mischten sich Bilder in das Schwarz, das er zu sehen glaubte, aber das nicht wirklich da war. Er sah seine Mutter, wie sie ihm zulächelte. Ein warmes Lächeln, das für einen Moment lang die Schwärze vertrieb. Ohnmächtig musste der junge Decimus dann miterleben, wie das Bild seiner Mutter von der Schwärze zerfressen wurde. Ihr Gesicht verschwamm, wurde verzerrt bis ins Unkenntliche, bis es gänzlich verschwunden war. Kälte und Angst machten sich in ihm breit. Das Dröhnen hielt an. Hatte es sich verlangsamt? Es war da, es war leiser... Julia! Engelsgleich sah er sie. Ihr von dunklen Haaren umringtes Gesicht, auf denen kleine Kristalle glitzerten. Sie weinte und streckte eine Hand nach ihm aus. Er wollte sie ergreifen, doch er kam nicht heran. Er war gefangen, wie festgenagelt. Verzweiflung kam zu seinen Empfindungen hinzu, während das Dröhnen im Kopf immer leiser wurde. Es klang so weit entfernt, doch Julias Bild blieb. Sie weinte und von jeder Träne, die sie vergoss, ging ein blendendes Licht aus.


    Schweißperlen lagen auf seiner Stirn. Noch vom wilden Ritt oder neu gebildet? Die Augen waren geschlossen, der Mund stand leicht offen. Auf der rechten Wange klaffte eine Schramme, wo er von einem herunterhängenden Ast gestreift worden war.
    Sein Torso war leicht angekippt, weil er auf einem dünnen Ast gelandet war. Ein Arm lag auf seinem Bauch, der andere war seltsam abgespreizt. Die Beine lagen regungslos, nur der Brustkorb hob und senkte sich noch langsam.


    Von den Dingen, die in ihm vorgingen, legte nichts Zeugnis ab.

  • Valeria starrte entsetzt auf Maximian hinab. Warum? Er hatte ihr doch nur helfen wollen? Er lag so seltsam verkrümmt da. Was sollte sie denn nun tun? Hilflos blickte sie umher, doch sie sah natürlich nichts außer Bäumen und dem Weg. Dann sah sie wieder auf Max hinab. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Zaghaft betastete sie sein Gesicht, das nun von einer unschönen Schramme verunstaltet wurde. Valeria senkte den Kopf, barg den seinen mit ihren Händen, strich sanft über seine weiche Haut. Sie weinte. Es war allein ihre Schuld! Sie hatte Alfidia nicht unter Kontrolle bringen können. Die junge Decima schluchzte, noch immer neben Maximian kauernd. Sie wagte nicht, ihn genauer zu untersuchen. Zu groß waren sie Selbstvorwürfe, die sie sich machte.
    Valeria beugte sich so weit zu Maximians Gesicht herunter, dass ihre Wange nun an der seinen lag.


    "Bitte....wach doch auf..." flüsterte sie flehend. Sie würde es sich nie verzeihen, wenn....wenn......


    Doch er atmete noch, wenn auch flach. Valeria blieb mit ihrer Wange so, wie sie war, seufzte markerschütternd und strich mit einer Hand über Maximians andere Wange, seinen Arm entlang und wieder zurück. Träne um Träne weinte sie.


    "Maximian.....bitte...ich...ich...." beinahe hätte sie es gesagt.


    Beinahe.

  • Das Dröhnen war nun beinahe gänzlich verklungen. Es war fern, ferner noch als alles, das Maximian jemals in weiter Ferne gehört hatte. Stattdessen war es nun unangenehm ruhig. Es war, als wäre nun nichts mehr.
    Schwarz. Es passte zu der unendlichen Leere, dass kein Geräusch mehr ging. Es passte auch zu der Kälte, die sich immer weiter ins Unterbewusstsein fraß und jeden Rest von Wärme verschlang. Erschreckend, wie sich mit einem Mal alles zusammenfügte und ein Ganzes ergab. Kälte, Schwärze, Stille und die Ohnmacht des Geistes und des Willens. Alles erstickt im Gegenstandslosen, verloren im Nichts und stumm im totenstillen Raum.


    Doch Julias Augen blieben. Sie hielt ihn fest und schüttelte leicht den Kopf. Sie war so nah, doch auch sie war schon beinahe gänzlich verschlungen. Es durfte nicht sein! Er wollte das Glänzen in ihren Augen sehen, nicht die Kälte. Ihre Stimme wollte er hören und sie sollte sich nicht anhören wie ein Lied der Finsternis.
    Eisiger Wille erwuchs. Er versuchte die Dunkelheit niederzukämpfen, indem er sich an Julias Augen festhielt. Da, das Dröhnen erklang wieder! Es war leise, aber es war wieder da. Auch die Kälte wich, während Julias Augen wieder Farbe annahmen, ihre Nase aus dem dunklen Meer auftauchte und er plötzlich wieder Luft atmen konnte.
    Ihr Hand kam näher! Er wusste, er durfte jetzt nicht aufgeben und ließ seinen Willen weiter wachsen. Er spürte, wie wieder Licht um ihn wurde, wie die eisige Kälte, die ihn schon beinahe mit festem Griff gehalten hatte, nur noch mehr einem tauben Kribbeln glich.


    Das Geräusch des Pochen seines Herzens war wieder angewachsen. Es war ein ohrenbetäubendes Geräusch, doch es war um so vieles angenehmer als die allgegenwärtige Stille, die ihn eben noch umgeben hatte.


    Und dann, als das Schwarz vor den Augen leicht gelblich verfärbt war, war es fast so, als hätte er eine Berührung wahrgenommen. Julia? Ihre Augen waren verschwunden, aber er fühlte sie in ihrem Herzen. Sie war bei ihm, nicht mehr nur ein Bild. Es erfüllte ihn mit so viel Wärme, dass der letzte Rest der Ohnmacht verschwand.


    Das Bewusstsein rbach wieder durch und Maximian schlug die Augen auf. Doch im gleichen Moment war es, als würde eine Lawine des Schmerzes über ihm hereinbrechen. Er keuchte einmal leise und fühlte, wie es ihn wieder weg zog von diesem Ort, der Schmerz bedeutete. Aber er wollte nicht! Er fühlte etwas warmes an seinem Kopf, er versuchte ihn in diese Richtung zu drehen, kam nicht weit. Aber er sah einen Kopf, sah Haare, hörte ein Schluchzen und auch die Hand, die sich auf die andere Wange gelegt hatte.

  • Valeria atmete erschrocken ein, als Maximian die Augen aufschlug. Sie flackerten, schienen Ohnmachtsträume und Wirklichkeit nicht unterscheiden zu können. Valeria hielt die Luft an und sah auf Maximian hinab, der just in diesem Moment versuchte, den Kopf zu drehen. Die Decima schüttelte rasch den Kopf und ließ die Hand, die zuvor an seinem Arm entlang gewandert war, nun vollends auf seiner Wange ruhen.


    "Sshhh....nicht bewegen..." flüsterte sie zitternd. Ja, siie hatte Angst um ihn. Angst, dass er sich etwas gebrochen hatte. Dass er innere Verletzungen davongetragen hatte. Und dass er ihr sie anklagen würde, an seinem Unfall Schuld zu sein.


    "Wie...wie geht es dir? Tut dir etwas weh? Kann...kann ich etwas tun?" hauchte sie ihm entgegen, während sie ihn aus sehr besorgten Augen ansah. Mittlerweile hatte sie den Kopf so gehoben, dass er sie ohne sich zu bewegen ansehen konnte. Ihre Hand fuhr sanft an der Seite seines Gesichts entlang und musste gut tun. Sie wollte ihn damit beruhigen und ihm das Gefühl geben, nicht allein zu sein. Ganz nebenbei pochte Valerias Herz auch deswegen schneller, doch für diesen Moment nahm sie es nicht zur Kenntnis. Maximians Gesundheit war nun viel wichtiger als ihre Gefühle.

  • Als er die Augen aufgeschlagen hatte, wurden sie vom Licht geflutet. Außerdem war Julia bei ihm. Aber sie sah anders aus. War es nicht Julia? Doch, es musste Julia gewesen sein. Sie schien zu weinen, so wie er sie gesehen hatte, als noch alles dunkel gewesen war. Nun konnte er an ihren Augen vorbei den blauen Himmel sehen, der wie ein Dach über ihm schwebte. Und er war so weit weg...


    Er schloss die Augen wieder und versuchte sich auf seinen Körper zu konzentrieren. Wo tat es weh? Der Schmerz, der sofort wieder über ihn hereinschwappte, war nicht klar zu deuten. Er schien ein wahres Meer aus Schmerzen zu sein und konnte nicht einmal bis in die Endglieder fühlen.
    Erschöpft schlug er seine Augen langsam wieder auf. Wieder fühlte er sich wie geblendet, konnte das über ihm schwebende Gesicht kaum richtig erkennen. Er merkte nur, dass sein Kopf sich leicht angehoben hatte und sie ihm berhigend über das Gesicht fuhr.


    Es war wirklich beruhigend. Auch seine Augen gewöhnten sich zusehends an die Helligkeit, die hier, fernab der Dunkelheit, vorherrschte. Seine dunklen Augen flogen träge die Gesichtszüge des Gesichts ab, das zu ihm hinab sah. Dann schluckte er. Es war nicht Julia, die bei ihm war. Es war Valeria.


    Verwirrung. Was war passiert? Warum war Valeria bei ihm? Und warum im Namen der Götter konnte er sich nicht bewegen und war so dermaßen von Schmerzen ergriffen?
    Er wollte etwas sagen, räusperte sich. Sein Hals war trocken. Er versuchte den Kopf noch einmal zu bewegen, ihn aufzurichten, schaffte es aber auch diesmal nicht und ließ sich wieder in Valerias Hände sinken.
    Mühsälig suchte er seine Kräfte zusammen, um ihr zu antworten. Da begriff er, dass sie gesund war. Ihr war nichts geschehen, auch wenn er nicht sagen konnte, was ihr hätte geschehen können. Es war alles weg, bis auf Erleichterung, dass alles gut zu sein schien. Ein Lächeln erschien auf seinen Lippen.


    "Valeria, du..."


    Seine Stimme stockte. Es kostete ihn unheimlich viel Kraft zu sprechen. Er fragte sich warum, fand keinen Grund dafür. Kaum merklich kniff er die Augenbrauen zusammen, während er den Arm, den er auf seinem Bauch spürte, allmählich heben konnte. Irgendwann berührte er Valeria. Er konnte nicht sagen wo, aber er spürte es.

  • Valeria lächelte, doch aus ihren Augen sprach noch immer die Sorge. Sanft strich sie Maximian über die Haare und das Gesicht. Ihr Herz schrie förmlich danach, ihn zu halten und nie wieder los zu lassen. Noch mehr, als jemals zuvor.
    Er lächelte, flüsterte ihren Namen. Valeria zitterte vollkommen, so erleichtert war sie, dass er sich erinnerte, dass er sprach.


    Und dann hob er den Arm, streckte mühsam und langsam seine Hand nach ihr aus und berührte sie an ihrer Schläfe. Valeria schluchzte, so erleichtert war sie, und legte eine ihrer Hände auf die seine, um sie fest zu halten und an sich zu drücken. Sie schloss die Augen. Ihr Gesicht senkte sich wie von selbst zu seinem hinab.
    Flüchtig berührten ihre Lippen die seinen. Ihn vollends zu küssen, wagte sie noch immer nicht.


    Sie öffnete die Augen, nachdem sie sich wieder einige Zentimeter entfernt hatte, sah ihn liebevoll und besorgt zugleich an. Ihr Stimme schwankte und zitterte, als sie sprach.


    "Du...hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt..."

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