• Es war einer jener Tage, an denen Cnaeus immer wieder feststellte, dass er etwas unternehmen musste. Er hatte schon zu viel Zeit damit vergeudet zu warten und zu viel Verantwortung - in Bezug auf seinen Werdegang - auf andere Personen übertragen. Natürlich stand eine erfolgreiche Karriere in Rom stets in Verbindung mit einem einflussreichen Patron, jedoch wurde dem Fabier immer bewusster, dass ein Standbein womöglich nicht ausreichte, um die Räder der Urbs Aeterna in Bewegung zu bringen. Also entschied Cnaeus, die Therme aufzusuchen. Die Therme waren - so glaubte er zumindest - ein exzellenter Ort für kleine Unterhaltungen. Wenn er etwas Glück hatte, konnte er vielleicht sogar weitere Kontakte knüpfen, die seinen Einstieg in die Ritterlaufbahn etwas verkürzen oder erleichtern konnten.


    In einer schlichten Tunika gekleidet, schritt Cnaeus auf die Tür der Casa zu, wo ihm bereits Lasthenes begegnete. "Herr, wohin gehst du?" Cnaeus schaute etwas verdutzt drein, als der Sklave ihn ohne Aufforderung zu einer Rechtfertigung zwang. "Seit wann, Sklave, erlaubst du dir selbst zu sprechen?" Der Blick des Fabiers verfinsterte sich weiter, woraufhin Lasthenes etwas zuckte. Mit einer schnellen, unbeholfenen Handbewegung zeigte der Sklave an, dass er seinem Herren nicht zu nahe treten wollte. "Oh nein, mein Herr, das will ich nicht. Ich...Es herrscht eine Ausgangssperre, mein Herr." Cnaeus' Gesichtsausdruck entspannte sich bei diesen Worten keineswegs, offenbarte nun aber mehr Verwirrung als Verärgerung. "Eine Ausgangssperre?" Eine Ausgangssperre hatte er noch nie miterlebt. Weswegen auch, Rom war seit seiner Geburt eigentlich noch nie in Gefahr. "Warum?" Lasthenes wartete einen Moment, ehe er dann bestimmt antwortete. "Man munkelt, der Kaiser wäre vergiftet worden. Dass er tot ist, ist auf jeden Fall sicher."


    Verdutzt ging Cnaeus einige Schritte zurück und ließ sich auf eine der Klinen im Atrium fallen. Zunächst dachte er daran, was dies für das Imperium Romanum bedeutete - wer würde nun Valerianus' Nachfolger werden, was würde mit dem Stadtpräfekten passieren? Dann dachte er - was für ihn von größerer Bedeutung war - was dies für seine Karriere bedeutete. Er wusste, dass sich dadurch sein Einstieg in die Ritterlaufbahn nur noch weiter verzögerte - womöglich um Wochen, wenn nicht gar Monate. Kein Amt, kein Geld. Kein Geld, keinen Einfluss. Keinen Einfluss, keine Macht. Cnaeus' Verwirrung schlug nun ihn Wut um. Wie vom Blitz getroffen, sprang der Fabier auf und stürmte in Rage aus dem Atrium. Es war nur noch der laute Krach einer zugeschlagenen Holztür zu vernehmen, die nun keinen Einblick mehr gewährte, was dahinter geschah.

  • Nachdem er aus Germania zurückgekehrt war, hatte Rusticus eigentlich sofort in das Haus der Familie zurückkehren wollen. Aber wie so oft kam es anders. Es gab hier etwas zu tun, da etwas zu tun und sein Patron war von den Praetorianern abgeholt worden. Danach war er erst einmal abgetaucht. Dank seinem Auftraggeber verfügte er auch über diverse Kontakte. Aber das war auch besser so! Nur wegen dem war er ja überhaupt hier. Er hoffte, dass der ganze Schlamassel es auch wert war, aber wenn Kaiser gemacht wurden, dann konnte man reich werden.
    Überrascht stellte er durch die Sklaven fest, dass ein Verwandter bereit im Haus war. Offenbar der Sohn seines Bruders. Wobei er aber gerade wieder bei seinem Patron war. Nun er würde ihn sicherlich in den nächsten Tagen einmal sehen. Wenn er Zeit dafür hatte. Nachdem er sich umgezogen hatte, machte er sich auch gleich wieder auf den weg.

  • Nachdem Cnaeus von der Salutatio zurückgekehrt war, hatte Lasthenes ihn umgehend über die Ankunft seines Onkels informiert. Der Fabier war überrascht, dass Rusticus nun so unvermittelt in Rom auftauchte, hatte er immerhin seit Monaten nichts von ihm gehört. Cnaeus konnte allerdings nicht behaupten, dass dies eine negative Überraschung war: Im Gegenteil, vielleicht konnte sein Verwandter ihm einen Weg aufzeigen, der ihn aus seiner karrieretechnischen Sackgasse befreite und Licht ins Dunkel brachte.


    Aus diesem Grund und aus Gründen der Höflichkeit und des Respekts, suchte Cnaeus seinen Onkel umgehend in seinem Arbeitszimmer auf - wenngleich er nicht sicher sagen konnte, ob dieser überhaupt anwesend war.

  • Rusticus kritzelte gerade eine Nachricht auf, als sein Neffe den Raum betrat. Er legte die Wachstafel beiseite, mit der Schrift war er sowieso nicht zufrieden und er musste sich dringend auf dem Markt einen Schreiber kaufen. Andererseits gab es Dinge die man besser selbst oder gar nicht aufschrieb. Dann wandte er sich seinem Neffen zu und musterte ihn. Er war sehr athletisch und auch groß, ganz wie sein Bruder.


    "Salve, Neffe. Ich sehe schon du kommst ganz nach deinem Vater. Hoffentlich bist du auch nicht so einfach gestrickt wie er."

  • Cnaeus musste schmunzeln, als sein Onkel ihn begrüßte. "Sicherlich nicht", entgegnete der Fabier mit einem Kopfschütteln, wenngleich er nicht genau sagen konnte, auf was sich Rusticus bezog. Vermutlich wollte er nur darauf aufmerksam machen, dass sich sein Vater auf eine militärische Karriere konzentriert hatte, während er selbst den Weg des Beamten eingeschlagen hatte. Dass dies die Einfältigkeit seines Vaters bestätigte, war allerdings dahingestellt. "Dein Erscheinen ist durchaus eine Überraschung, wenn auch keine ungelegene. Ich freue mich, dich hier in Rom begrüßen zu dürfen." Wo genau sein Onkel sich aufgehalten hatte, vermochte Cnaeus nicht zu sagen, jedoch war eines sicher: Es musste eine Ewigkeit her sein, dass er ihn zum letzten Mal gesehen hatte. Der Kontakt zu Rusticus war, genauso wie der Kontakt zu seinem Vater, in den letzten Monaten abgebrochen. "Was führt dich nach Rom, Onkel? Ich dachte eigentlich, die meisten Leute verlassen die Hauptstadt in diesen turbulenten Tagen lieber, als zu ihr zurückzukehren." Cnaeus verfolgte das politische Geschehen so gut er konnte, weswegen ihm natürlich auch nicht verborgen blieb, dass eine ganze Reihe an Würdeträgern und einflussreichen Persönlichkeiten aus Rom verbannt wurde - oder freiwillig flüchtete.

  • "Naja, den Purgitier als Patron zu nehmen war vielleicht nicht die beste Entscheidung. Willst du hier in Rom Karriere machen?"


    fragte Rusticus seinen Neffen, nachdem er ihm zugehört hatte. Derzeit war viel los und es war an der Zeit ihn zu warnen. Es waren gefährliche Zeiten und da wollte man nicht den Falschen unterstützen.


    "Arbeit, mein Junge. Es gibt bald Bürgerkrieg und da kann man schnell sein Glück machen. Wenn man auf der richtigen Seite steht. Die germanischen Kommandeure stellen sich jetzt auch gegen den neuen Kaiser. Ich geh davon aus, dass er bald am Ende sein wird. Also gib dich nicht mit seinen Anhängern ab"

  • Cnaeus blickte etwas skeptisch, aber zugleich interessiert und neugierig drein, als sein Onkel ihm so offen und unvermittelt über Dinge berichtete, die wohl nicht für jedermanns Ohren bestimmt waren. Eigentlich war er davon ausgegangen, dass sich die Lage mit der Inthronisation Salinators nun stabilisieren würde. Doch was Marcus da von sich gab, brachte diese Annahme nicht nur ins Wanken, sondern ließ sie völlig absurd erscheinen. Wenn der Fabier genauer darüber nachdachte, schien ein Bürgerkrieg sogar um einiges plausibler. Obwohl er nicht direkt mit Salinator zu tun hatte, waren auch ihm immer wieder kritische Töne über den ehemaligen Stadtpräfekten zu Ohren gekommen. Dass diese sich mit der Ernennung zum Kaiser nun in Luft auflösen würden, war nicht nur unwahrscheinlich, sondern gar unmöglich. "Interessant", entgegnete Cnaeus knapp. Nicht, weil ihm die Worte fehlten, sondern weil er sich erst einmal Zeit zum nachdenken und verarbeiten verschaffen musste. "Und die germanischen Kommandeure verfügen über genug Legionen und Material, um es mit den kaiserlichen Truppen aufzunehmen?", hinterfragte er anschließend etwas skeptisch, wenngleich er dennoch ein gewisses Vertrauen in Rusticus' Offenbarungen steckte.


    Die ersten Worte seines Onkels hatte er zunächst - wohl aufgrund der prekären Informationen - völlig in den Hintergrund gedrängt, kam aber umgehend darauf zurück. "Senator Macer schien mir aufgrund seines Einflusses und seiner Erfahrung im Militär die richtige Wahl zu sein. Abgesehen davon scheint er keine direkte Beziehung - weder positiv noch negativ - zu Salinator zu haben. Ich bin davon ausgegangen, mit seiner Hilfe schnell als Offizier im Militär Fuß fassen zu können. Allerdings erschwert mir mein mangelndes Vermögen und mein mangelnder Landbesitz die Aufnahme in den Ritterstand." - was nach seiner Auffassung inkonsequent geregelt war. Warum sollte er als Sohn eines Ritters nicht von dessen Errungenschaften profitieren - fähig dazu war Cnaeus seiner eigenen Ansicht nach allemal. "Welche Rolle erfüllst du in diesem kommenden Bürgerkrieg? Ich wäre überrascht, wenn du den Weg zu diesem 'schnellen Glück' nicht bereits geebnet hättest oder noch ebnen wirst." Dass sein Onkel auf der Seite der germanischen Kommandeure stand, hatten seine Worte ja bereits unmissverständlich offenbart.

  • Es war wieder einer dieser vermaledeiten Tage des Wartens, die den Fabier von Zeit zu Zeit immer öfter in den Wahnsinn trieben. Weder hatte er eine Antwort von seinem Patron erhalten, noch wusste er welch durchaus förderliches Schauspiel sich hinter den Kulissen abspielte. Cnaeus hatte nicht nur das Gefühl, dass er nicht vorankam, sondern wurde darin auch regelmäßig bestätigt. Jede Handlung seinerseits war abhängig von der Reaktion eines Anderen, sodass er in Ketten gebunden war. Vor Monaten hatte er noch kein Problem damit, in den Tag hineinzuleben und seinen spärlichen Aufgaben im Hause Fabia nachzugehen, doch das hatte sich geändert. Nun, da sein Ehrgeiz und seine Zielstrebigkeit zum Vorschein gekommen waren, setzte jede Minute des Nichtstuns seiner ohnehin gereizten Stimmung zu. Aufgrund der Leere, die in der Casa Fabia die meiste Zeit über herrschte, konnte er auch keinen angemessenen Ausgleich finden. Selbst die Spielereien im Schlafzimmer, die den Fabier zuweilen beschäftigt hatten, verloren allmählich an Reiz. Immerhin konnte er sich nichts neues leisten! Die finanzielle Situation seinerseits war wirklich erbärmlich, was Cnaeus nicht zuletzt an seinem verschollenen Vater festmachte. Seit Monaten hatte er nichts mehr von ihm gehört, weshalb er auch keinerlei Unterstützung von ihm zu erwarten hatte. Die geldlichen Mittel, die ihm zu einer Erhebung in den Ritterstand fehlten, würde er vielleicht notfalls noch auf Leihbasis zusammenkratzen können. Jedoch war von einer Erhebung aktuell noch keine Rede! Stattdessen musste er sich nun für eine Stelle als Primicerius bei der Kanzlei anbiedern, die von seinem Patron abhängig war. Cnaeus' Situation war wirklich alles andere als rosig und er fragte sich, was er nun überhaupt noch selbstständig tun konnte.


    Sein Gedankengang im Atrium wurde abrupt unterbrochen, als Lasthenes erschien. Das letzte Mal, dass der Sklave eine derart aussdrucksstarke Mimik zeigte, war mit dem Tod des Kaisers und der Überbringung der Nachricht verbunden. Cnaeus blickte etwas skeptisch drein und war äußerst gespannt, welche Nachricht den Sklaven nun in offensichtlich positiver Weise berührte. "Mein Herr, ich überbringe dir eine äußerst erfreuliche Nachricht! Deine Frau, Lucilia Calvia, ist hier in Rom! Sie wird in wenigen Minuten in der Casa eintreffen!" Bei dieser Nachricht entglitten dem Fabier beinahe die Gesichtszüge. Hörte er da richtig? Seine Frau war hier? Hier in Rom? Das war das letzte, was sich Cnaeus in dieser Situation wünschte. Ebenso schleierhaft war ihm, warum Lasthenes diese Überraschung so erheiternd fand. Calvia war eine launische, anhängliche Furie! Wenn sie Helene von Troja gewesen wäre, hätte Cnaeus ja darüber hinwegsehen können. Das war sie jedoch nicht! Stattdessen war sie eine bürgerliche Durchschnittsfrau, die weder über große Intelligenz, noch über besondere Attraktivität verfügte. Als einfacher Plebejer, der vor Jahren noch nichts vorzuweisen hatte, musste der Fabier jedoch nehmen, was er konnte. Lucilia Calvia stammte aus ritterlichem Hause und war etwas besser betucht als Cnaeus, sodass er wenigstens einen kleinen Vorteil daraus hatte schlagen können. Abgesehen davon hing sie sehr an ihrem Vater, sodass Cnaeus sich die meiste Zeit nicht mit ihr herumschlagen musste. Vor etwa einem Jahr hatte der Fabier seine Frau das letzte Mal besucht, da sie die letzten Monate - glücklicherweise - im Hause ihres Vaters in der Nähe von Cremona verbracht hatte. "Aha", entgegnete Cnaeus unbeeindruckt. Er wusste nicht so recht, wie er nun reagieren sollte. Aus dem Haus zu flüchten war sicherlich keine Alternative, da sie ohnehin warten würde, bis er zurückkam. Also musste er sich ihr stellen, hier und jetzt. Der Fabier nahm noch einen tiefen Schluck Wein und erhob sich dann von seiner Cline - wenn er sich nicht ewigen Fragereien seiner Frau aussetzen wollte, musste er zumindest so tun, als wäre alles in Ordnung. "Lasthenes, räum den Wein noch weg", befahl er seinem Sklaven, ehe er sich in seine Räumlichkeiten zurückzog und eine frische Tunika überzog. Die Flecken auf der Alten machten sich nicht so gut!


    Wenige Minuten später positionierte sich Cnaeus am Eingang der Casa, um Calvia zu empfangen. Er setzte sich ein höfliches und zufriedenes Lächeln auf und verschränkte seine Arme hinter dem Rücken, als wäre er erwartungsvoll und erfreut über den Besuch. Dann stand sie auf einmal vor ihm und er musste sich zügeln, seine Haltung nicht instinktiv zu verändern. Weiterhin spielte er den zufriedenen Ehemann und grüßte seine Frau mit einem Handkuss. "Es freut mich außerordentlich, dich wiederzusehen, Calvia!" Die Intonation der Worte legte zwar offen, dass dem nicht so war, doch das würde seiner Frau sicher nicht auffallen. "Ich habe dich so vermisst, Cnaeus!", grüßte Calvia enthusiastisch zurück, was bei ihrer Art implizierte, dass sie es ehrlich meinte. Cnaeus nickte etwas unbeholfen und wollte seine Frau gerade in die Casa hineinführen, als ein Sklave hinter Calvia ein Kind auf den Händen trug. "Was macht dieses Balg hier?", hinterfragte der Fabier, wobei er seine gespielt-freudige Mimik nicht mehr beibehalten konnte. Hatte Calvias Vater Lucilius schon wieder ein Kind mit einer seiner Huren gezeugt? "Das...das ist dein Sohn, Cnaeus!", offenbarte Calvia ebenso freudig wie zuvor und blickte drein, als wäre es die schönste Überraschung der Welt. "Mein Sohn?" Dass Calvias Leib Kinder zeugen konnte, war tatsächlich eine Überraschung. Cnaeus hatte erwartet, er müsse irgendwann ein Kind adoptieren, um seine Linie zu erhalten. "Titus Fabius Torquatus...ich weiß ja, wie eigen du bist", scherzte Calvia, was bei Cnaeus allerdings nicht sonderlich gut ankam. Alles andere hätte er als Namen auch nicht akzeptiert, immerhin musste er das Balg auch offiziell anerkennen!


    Nachdem der erste Schreck verflogen war, führte Cnaeus seine Frau, ihre Begleiter und das Kind in die Casa hinein. Um sich nicht unangenehmen Fragen stellen zu müssen, beschäftigte sich Cnaeus weiterhin mit dem Kind und nahm es letztendlich auch in den Arm. Er hoffte nur, dass Titus nach ihm kam!

  • Der Laufbursche von Purgitius Macer gab eine Wachstafel mit einer kurzen Nachricht seines Diensherren an der Casa Fabia ab.


    Ad
    Fabius Torquatus


    Sp. Purgitius Macer Fabio Torquato s.d.


    Es hat mich sehr gefreut, deine postive Nachricht über deine Anstellung in der Abteilung des Ab epistulis zu erhalten. Herzlichen Glückwunsch zu dieser erfreulichen Entwicklung, die zum Teil auch Iunia Axilla zu verdanken ist, die die Frau des Procurators Pompeius Imperiosus und eine verlässlichen Geschäftspartnerin ist.


    Vale
    Sp. Purgitius Macer

  • "Auf keinen Fall. Titus bleibt hier in Rom", entgegnete Cnaeus seiner Frau Calvia mit einem beiläufigen Wink, als wäre sie übergeschnappt und ihr Ansinnen völlig absurd. "Aber er wäre doch bei meinem Vater in Cremona viel sicherer." Cnaeus schüttelte entschlossen den Kopf. "In Rom hat Titus nichts zu befürchten. Er bleibt hier. Abgesehen davon ist dein Vater ein Hurenbock. Sein negativer Einfluss wird meinen Sohn früher oder später verderben.", sprach der Fabier weiter, während er auf einer der Clinen im Atrium lag und genüsslich von den Trauben kostete, die er sich erst kürzlich von Lasthenes ins Haus hatte holen lassen. Natürlich vergnügte sich auch Cnaeus nicht allzu selten mit Gespielinnen, seine Absicht war aber nur, seine Frau zu entmutigen. Nun, da sie ihm einen Sohn geschenkt hatte, konnte Cnaeus Calvia nichts mehr abgewinnen. Ihren nervtötenden Charakter hatte sie ja in den letzten Monaten der Gemeinsamkeit bestätigt. Im Endeffekt hoffte der Fabier nur, dass sie nach Cremona zurückkehrte - allein. "Du kannst jederzeit gehen, wenn du willst. Ich halte dich nicht auf. Titus bleibt hier in Rom, bei mir ist er sicher. Lasthenes wird sich um alles weitere kümmern." In diesen setzte Cnaeus bei Weitem mehr Vertrauen als in Calvia. "Aber ich muss bei Titus..." "Nein. Und jetzt lass mich mit diesem Schwachsinn in Ruhe, ich habe zu tun." Während Calvia kopfschüttelnd das Atrium verließ, erhob sich Cnaeus von der Cline und zog sich in sein Arbeitszimmer zurück.


    Dort wartete zwar keine Arbeit, die erledigt, aber eine Entscheidung, die getroffen werden musste. Bei der letzten Unterredung hatte der Kaiser dem Primicerius ein Tribunat in Aussicht gestellt. Im Endeffekt konnte sich der Fabier seinen Posten nun aussuchen. Er hatte die freien Stellen bei seinem letzten Aufenthalt in der Kanzlei bereits überprüft: Sowohl die Classis Ravennas als auch die Classis Misenensis hatten vakante Tribunatsstellen. Dem Fabier war die Einheit eigentlich egal, solange er endlich seinen Militärdienst antreten konnte. Mit dem Flottenkommandanten in Misenum hatte er ja bereits schriftlichen Kontakt im Zusammenhang mit der Getreideversorgung gehabt, oder zumindest aufgenommen. Wenngleich dies kein Argument für oder wider dieser Einheit war, hatte Misenum an sich doch einen Vorteil: Die Nähe zu Rom sorgte dafür, dass der Fabier nicht ganz fern von den Impulsen der Hauptstadt und damit auch von seinen Gönnern und Unterstützern war - wie zum Beispiel Purgitius Macer und Pompeius Imperiosus.


    Die Entscheidung also getroffen, nahm Cnaeus ein Stück Pergament hervor und setzte die offizielle Ernennungsurkunde auf, die er dem Kaiser dann zur Unterzeichnung aushändigen würde. Endlich war es soweit - er war nicht nur Ritter, sondern bald auch Tribun. Selbstzufrieden bemerkte Cnaeus, dass er sein anfängliches Ziel erreicht hatte - was natürlich nicht bedeutete, dass dem nach oben hin Grenzen gesetzt waren.

  • Der zuweilen faulige Gestank und das chaotische Treiben der Straßen Roms hatten mich zielsicher und ohne Umwege zur alten Casa Fabia geführt, die ich nach meinem Aufbruch nach Alexandria unbewohnt zurückgelassen hatte. Die äußerlich ohnehin nicht sonderlich imposante Heimstätte meiner Gens hatte wohl in der Zwischenzeit auch im Inneren jedweden Glanz verloren. Und so war ich leicht missmutig gestimmt, als ich vor der Porta meinen Haushälter Sosistratus herbei rief, um mich und meinen Sohn Titus in das alte neue Domizil einzulassen. Der Anblick meines greisen Haushälters trug nicht sonderlich zu meiner Erheiterung bei, denn in mir machte sich die Gewissheit breit, dass dieser alte Sack für die nächste Zeit mein "Mädchen für alles" sein würde. Mein überschaubarer Soldatensold gepaart mit meinem recht zügellosen Lebensstil in der Provinz hatte dazu geführt, dass ich mein Personal zum großen Teil entlassen musste. Die Sklaven in Alexandria waren ihrer Qualität entsprechend billig - hier in Rom würde die gleiche Anzahl an Bediensteten allerdings meinen finanziellen Rahmen sprengen. Ich hasste es, über Geld nachzudenken und fühlte mich sehr an meine Zeit vor Alexandria erinnert, als es mir ähnlich erging. Die finanziellen Altlasten, die ich aufgrund eines unvorhergesehenen Ärgernisses noch begleichen musste, trugen ihr Übriges zu diesem negativen Gefühl bei. In gewisser Weise sehnte ich mich also schon jetzt wieder nach den Vorzügen des provinziellen Lebens, wenngleich ich mir eingestehen musste, dass die Rückkehr nach Rom die einzige Möglichkeit gewesen war.


    So beschritt ich also zusammen mit Titus die eingestaubte Casa, die in der Zeit unserer Abwesenheit an reisende Händler und Kaufmänner vermietet worden war. Allerdings hatte ich diese Angelegenheit Sosistratus übertragen, da ich bis vor kurzem noch in der Gewissheit lebte nicht mehr allzu schnell nach Rom zurückkehren zu müssen. Offensichtlich hatte sich dieser recht zufriedenstellend um unser kleines Domizil gekümmert, denn von übermäßiger Abnutzung war auf den ersten Blick keine Spur. Die Einrichtung war so schlicht, wie ich sie in Erinnerung hatte und keinen Vergleich mit unserem Anwesen in Alexandria wert. Zu meiner Beruhigung war sie aber noch immer von ausreichender Qualität um die Zeit bis zu meiner finanziellen Rehabilitation zu überbrücken.


    Ohne Umschweife beschritt ich mein altes Arbeitszimmer durch das recht beschauliche Atrium und zitierte Sosistratus herbei, der mir bucklig hinterher eilte. Wie alt war der Greis überhaupt? Ich hoffte, dass er noch einige Monate durchhalten würde. "Ich brauche einen Termin bei der kaiserlichen Administration, um für ein Amt vorstellig zu werden. Bereite einen Brief vor." Sosistratus nickte eilig und machte dann kehrt. Währenddessen ließ ich mich auf dem Holzstuhl am Schreibtisch nieder und schraubte gedankenverloren an meinem Ritterring. Wenngleich mein Dasein im Moment mehr Schein als Sein war, war dieser Schein von unbezahlbarem Wert - den genau dieser, wusste ich, sollte meine Eintrittskarte sein.

  • Ad Equitem
    Cnaeus Fabius Torquatus

    Casa Fabia
    Roma



    Wer das Siegel brach, konnte das Schreiben lesen.

    AQUILIANUS Primicerius ab epistulis FABIO s.d.


    Der Procurator ab Epistulis empfängt dich ANTE DIEM V KAL NOV DCCCLXVII A.U.C. (28.10.2017/114 n.Chr.) zur siebten Stunde, um mit dir über deine weitere Verwendung im Dienste des Imperiums zu sprechen.


    Im Auftrage des Kaiser,


    Caius Aquilianus Pullo

  • Ad Equitem
    Cnaeus Fabius Torquatus

    Casa Fabia
    Roma



    Wer das Siegel brach, konnte das Schreiben lesen.

    MAENIUS FIRMINUS Procurator ab epistulis FABIO s.d.


    Bezüglich deiner Bewerbung am Kaiserhof bittet dich der Imperator Caesar Augustus ANTE DIEM XVII KAL DEC DCCCLXVII A.U.C. (15.11.2017/114 n.Chr.) zur vierten Stunde zu einem Gespräch. Bitte bringe einen kurzen Abriss über deine bisherigen Tätigkeiten und etwaige Empfehlungsschreiben mit.


    Im Auftrage des Kaisers,


    Potitus Maenius Firminus

  • Am selben Tag wie der Bote vom Palatin brachte auch der Laufbursche von Senator Purgitius Macer einen Brief zur Casa Fabia, der das erbetene Empfehlungsschreiben enthielt.


    Sp. Purgitius Macer Cn. Fabio Torquato s.d.


    Mein geschätzter Klient, deiner Bitte um eine schriftliche Empfehlung komme ich hiermit gerne und in vollster Überzeugung von deinen Qualitäten nach. Lege dieses Schreiben in der kaiserlichen Kanzlei vor, damit es vor dir und vor allen bezeuge, dass ich dich als klugen, pflichtbewussten und bescheidenen Mann kennengelernt habe, der die in ihn gesetzten Erwartungen stets zu erfüllen vermochte. Ich habe keinen Zweifel daran, dass du eine neuerliche Anstellung in der kaiserlichen Kanzlei ebenso erfolgreich und nutzbringend für deine Vorgesetzten erfüllen wirst wie du dein Tribunat bei der Classis sowie deine frühere Anstellung beim Kaiseerhof und nicht zuletzt auch deine Pflichten als Klient mir gegenüber erfüllt hast. Sollte es notwendig und hilfreich sein, bin ich auch gerne bereit, selber am Kaiserhof vorzusprechen, um diese Worte zu bekräftigen.


    Vale
    Sp. Purgitius Macer

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!