Ob Valerias Frage musste Maximan leicht schmunzeln. Nein, nicht weil er es witzig fand oder glücklich war. Er schmunzelte darüber, dass er seinen Vater nicht kannte und so auch nicht einschätzen konnte, wie er handeln würde, wenn er ersteinmal hiervon erfuhr. Dann verschwand das Schmunzeln, das eigentlich soetwas wie ein Aufatmen der Gesichtszüge hätte sein sollen.
"Ich weiß es nicht, wie er handeln wird. Aber ja, wir werden noch ein wenig Zeit haben. Sie werden uns zwar schwer machen, ihr Möglichstes tun, dich und mich getrennt zu halten, aber... Aber sie können ja nicht den ganzen Tag auf jeden von uns aufpassen."
Optimistische Worte, das wusste Maximian. Aber er wusste auch, dass er keine Chance ungenützt verstreichen lassen würde, um Valeria zu sehen, sie vielleicht allein zu sprechen oder sie berühren zu können.
Dann sah sie auf, legte ihre Stirn gegen seine und sprach Worte, die auch ihm Angst machten, auf der anderen Seite aber wieder nur Mut für die Sache spendeten. Er sah ihrer Träne nach, schloss die Augen, als sie ihn auf die Stirn küsste und folgte dann ihrem Blick, der sich auf ihre Hände gelegt hatte. Sie hatte seine ergriffen, sie verflochten, so als wären sie etwas, das einfach zusammen gehörte und das man nicht so einfach trennen konnte.
Seine Hand hielt ihre fest, seine Finger wühlten zwischen ihren und wenn er gekonnt hätte, hätte er seine zweite Hand über die beiden anderen gelegt, sie beschützt und wenigstens für einen Moment demonstriert, was mit ihren Geistern geschehen würde. So aber sah er nur ebenfalls leicht lächelnd auf sie hinab.
"Es wird nicht lange sein, mein Augenstern. Ich wünschte, ich könnte bei dir sein in den nächsten Wochen. Bei dir und deiner Mutter. Aber ich fürchte, es wird nicht möglich sein. Zumindest nicht so, wie du und ich... es uns wünschen. Ich werde anders bei dir sein, so wie du bei mir sein wirst. Hier."
Damit hob Max die ineinander verflochtenen Hände und hielt sie gegen die Stelle seiner Brust, unter der sein Herz schwerfällig schlug.
Er sah Valeria in de Augen. Ganz tief, versuchte in ihnen zu versinken. Denn dann müsste er nie weder von ihr getrennt sein. Er wäre in ihr. Für immer ein Teil von ihr. Und er wollte sich die Farbe einprägen. Die Farbe ihrer Augen, die ihn voller Schmerz aber noch viel mehr Liebe ansahen, damit er nie vergaß, wie das war, wenn man glaubte, die Liebe würde einen ersticken. So, wie er es jetzt glaubte zu tun.
Er lächelte und wandte den Blick ab, zog Valeria aber im gleichen Augenblick wieder näher zu sich. Sein Blick fiel auf das Fenster, das immer noch nur Schwärze hereinquellen ließ. Wie lange wohl noch diese Nacht dauern würde? Sein Zeitgefühl hatten ihn verlassen. Aber wer brauchte schon die Zeit, wenn alles was noch zählte, dieser eine Moment war?
"Ja, wir werden zusammen sein. Was spielt der Zeitpunkt noch für eine Rolle, wenn wir es ohnehin wissen..."
Er legte seine Arme um Valeria und den Kopf in den Nacken, wobei er die Augen schloss. Er wollte sich darauf konzentrieren, wie es sich anfühlte, wenn sie so bei ihm lag. Denn morgen würden sie ganz sicher nicht hier sein. Nicht hier und auch nicht zusammen.