Auf der Flucht - Wieder einmal

  • "Soll ich sie mir angucken? Nicht dass sie sich entzünden. Ich verbinde sie Dir neu."
    Ich nahm den Wasserbeutel um ihr den Rücken zu waschen.
    "Zieh Dein Oberteil aus, ich verbinde Dich."
    Geflissentlich sagte ich nicht, wie es mir ging

  • Ich tat wie mir geheißen und entblößte meinen Oberkörper. Mir war es relativ egal ob mich noch jemand außer Selnya erblickte, ich hatte mich noch nie meiner Bloßheit geschämt. Ich bohrte nach...


    "Wie geht es deinen Verletzungen? Soll ich sie auch nochmal verarzten? Wir müssen zusehen dass wir schnell gesund werden, umso schneller wird die Reise voran gehen!"

  • "Da gibt es nichts mehr zu verarzten. Es sind nur noch Narben."
    Und Erschöpfungszustände und hin und wieder starke Schmerzen. Und in diesem Moment das Bedürfniss zu schlafen. Aber erst Antiope verarzten.

  • Ich schloss meine Augen als Selnya sich um meinen Rücken kümmerte und gab bei starken Schmerzen leichte Zischgeräusche von mir. Ich war verweichlicht und ärgerte mich unglaublich darüber. Ob sie uns schon suchten? Ich sah kurz gen Himmel als der nächste Stich beim Auswaschen der Wunden bemerkbar wurde.


    "Ich will aber dass du dich an mich wendest wenn etwas ist! Gerade jetzt ist es wichtig dass wir beiden uns vertrauen!"

  • Ich hielt inne beim Reinigen der Wunden. Sah auf den Rücken und sah mich wieder auf der Veranda. Leise seufzte ich.
    "Ich bin etwas müde."
    Vorsichtig säuberte ich den Rest und sah dabei die Scherbe vor meinem Auge. Ich schüttelte den Kopf und sah mich nach dem Beutel um.
    "Hast Du den Beutel mit den Ersatzkleidern? Da müsste noch eine Binde sein. Ich werde diese hier auswaschen und zum Trocknen aufhängen, dann sind sie am Abend trocken."

  • Ich stand auf und ging langsam zu meinem Schwarzen um den Beutel zu lösen. Ich brachte ihn zu Selnya und überreichte ihn ihr schweigend. Ich lächelte und setzte mich wieder zu ihr. Noch immer schweigend.

  • Ich sah sie, mit leicht müden Augen an und lächelte ebenso. Dann nahm ich den Beutel und kramte drin, konnte aber den Verband nicht finden.
    "Kannst Du mal nachsehen?" Fragte ich sanft. "Ich finde ihn nicht."

  • Ich nickte und nahm den Beutel verwundert entgegen. Sie schien ja wirklich ziemlich kaputt zu sein. Ich lächelte und stellte ihn vor mir ab und kramte herum. Verband, hmmm... Nanu? Was ist das? Ich hatte etwas raschelndes ergiffen. Papyrus? Ich nahm es heraus und erkannte einen Brief und überflog den Anfang bevor ich aufhörte zu lesen. Mit fragendem Blick reichte ich es zu Selnya.

  • Ich sah bedrppelt auf das Blatt Papier.


    "Naja... Ein wenig geübt habe ich schon aber berauschend gebessert hat sich meine Lesekunst nicht... War ja auch nur ein Angebot weil du so wirkst als ob du die Augen keine 10 Minuten mehr offen halten kannst!"


    Ich lächelte sie an.

  • Ich sah auf den Brief und runzelte angestrengt meine Stirn.

    "Hier steht der ist an dich und Hestia gerichtet..."


    Ich überflog die nächsten Zeilen, sie waren nicht sonderlich schwer zu erkennen. Wahrlich, Übung macht den Meister. Ich las und las und... Was stand da? Mein Blick wurde entsetzt. Konnte ich Selnya das sagen? Oder sollte ich lügen? Als ich zu Selnya sah war ihr Blick fragend: Sie hatte längst meinen Schrecken erkannt. Ich sah an ihr vorbei...


    "Mit vielen Abweichungen wird hier... von... dem Tod..."


    Ich konnte nicht weiter. Ich musste daran denken wie sehr sich Selnya damals auf ihre Kinder gefreut hatte, auf ihre Familie. Ich tastete nach ihrer Hand und hielt sie fest. Dann stand ich auf und faltete den Zettel zusammen um uns ein Lager zu bereiten. Die Pferde band ich an einen Baum an und unter jenen Baum errichtete ich auch unsere Schlafstatt. Ich setzte mich darauf und deutete Selnya an sie solle zu mir kommen.

  • "Von wessen Tod? Rede doch!"
    Alle Müdigkeit und Erschöpfung war verschwunden, mit einem Schlag, als ich ihren Blick sah und mit jeder Minute breitete sich eine Gewissheit in mir aus. Mein Gesicht wurde blasser als es so schon war. Ich sah starr geradeaus und ging wie mechanisch zu ihr.
    "Meine Familie...," kam es heiser über meine Lippen.

  • Ich zog sie schwer einatmend zu mir hinunter und nahm sie fest in meine Arme. Ich drückte ihren Kopf sanft an meine Brust und streichelte durch ihr weiches Haar. Ich vermochte nichts zu sagen außer...


    "Ja... es tut mir leid...!"


    Und selbst diese wenigen Worte waren eher gehaucht den gesprochen. Auch ich - gestand ich mir ein - war neugierig auf ihre Familie gewesen und nun hatte sie wie ich alles verloren. Wenn nicht noch mehr.

  • Ich verkrampfte in ihren Armen und mein Gesicht war so bleich, dass man denken konnte, ich sei ohne Blut. Eine Weile saß ich starr so, rührte mich nicht und atmetete kaum. Plötzlich taten mir alle Wunden, die ich seit meiner Gefangennahme erhalten hatte, weh, unendlich weh.
    Dann, nach einer Weile sagte ich leise.
    "Ich hab es geahnt. Als ich die Scherbe fand, als ich es getan hab, irgendwie wusste ich es da."
    Meine Schultern zitterten leicht, aber ich konnte keine Träne vergiessen, nicht im Moment.
    "Nun hab ich nur noch Dich," sagte ich tonlos. "Bitte verlass Du mich nicht auch noch!"

  • Ihre Worte rührten mich. Als Kind hatte ich geschworen niemals in die Gefahr der Sentimentalität und der Gefühlswelt zu geraten doch noch ehe ich mich hatte umsehen können war ich mittendrin. Ich küsste sie zärtlich auf die Stirn und lächelte sanft. Es war kein fröhliches, sondern ein beruhigendes Lächeln.

    "Nein, Selnya, niemals werde ich dich allein lassen! Ich werde immer da sein. Ich werde dich aus inneren Krisen erretten wie auch vor jeder physischen Gefahr. Und immer werde ich deine Schwester sein. Solange wir aufeinander aufpassen wird niciht einmal der Tod uns für länger als wenige Augenblicke trennen!"


    Meine Worte beunruhigten mich nicht, obwohl sie es sollten. Nein, sie schenkten mir sogar Trost. Und von diesem Moment schwor ich dem Schwur meiner Kindheit ab und ersetzte ich ihn durch den, dass alles was ich eben sagte eingehalten würde. Alles.


    "Meine kleine Schwester, mein Augenstern. Wir werden uns gemeinsam retten. Vor Allem was uns jetzt hinterher jagd und versucht uns zu trennen. Wir werden diese Prüfung bestehen!"


    Ich sah zuversichtlich auf die grüne Ebene hinab, während Selnya auf meinem Schoß lag und ich sie zärtlich streichelte. Über ihr hinab und den Rücken herunter.

  • "Verlass mich nicht, nie, bitte," flüsterte ich noch einmal und dann endlich, endlich begannen meine Schultern zu beben und die Tränen zu fliessen. Leise Schluchzer drangen über meine Lippen und ich begann um meine geliebte Familie zu trauern. Mein Mann, meine Söhne, meine Geschwister, alle.
    Ich weinte und klammerte mich an ihr fest, so als würde ich sie niemals mehr loslassen wollen. Und ihre Gegenwart war das einzige, was mich trösten konnte.

  • Ich zog sie noch ein wenig näher zu mir. So dass sie nun vollend auf meinem Schoß saß und wir auf Distanz eher wie ein schmusendes Pärchen aussehen musste. Aber waren wir das nicht? Ein Geschwisterpärchen dass auf dem Weg in die Freiheit ist? Und kuschelten wir nicht unsere Sorgen fort, halfen einander?


    "Nein, bestimmt nicht... Selbst in... in... Hels Reich werde ich dir folgen!"


    Ich hatte Mühe mich in ihre Religion hineinzuleben, doch ich tat es. Es würde ihr Heimat geben und auch wenn sie diese jetzt betrauerte würde es ihr ein wenig mehr das Gefühl von Geborgenheit geben.


    "Eines Tages werden wir gemeinsam in sein Reich reisen und dort wirst du deine Familie wiedersehen. Ich bin sicher sie sind dort und ich bin sicher auch wir werden dort hingelangen!"


    Ich kuschelte mich in ihr Haar und schloss meine Augen.

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