Beiträge von Manius Flavius Gracchus

    Nachdem ich meinen persönlichen Scriba nun insoweit erzogen habe, dass er auch umfassende Satzkonstrukte mit annehmbarer Korrektheit aufnimmt, werde ich mit mäßiger Frequenz wieder einsteigen - ein wenig langsam ist der Gute leider trotz allem, vor allem bezüglich nachgehender Konstrukt-Korrekturen, was insofern ungünstig ist, wenn zu Beginn des Satzes das Ende sehr weit entfernt und längst nicht deutlich ist. Doch bin ich guter Zuversicht, dass je mehr wir uns aneinander gewöhnen, dies sich auch noch einpendeln wird. Unpassende, völlig aus dem Zusammenhang gerissene Wort-Erscheinungen bitte ich indes zu entschuldigen, manches versteht er leider nicht ganz korrekt und manches mal übersehe ich es schlussendlich beim Korrekturlesen.

    Da es anders keinen Zweck hat, muss ich mich nun leider doch vorerst gänzlich von der aktiven Seite des Schreibens verabschieden. Sollte sich dies als längerfristig erweisen, werde ich die ID rechtzeitig auch SimOn irgendwohin abschieben (Sardinia soll sehr schön sein, doch die Hoffnung stirbt zuletzt).

    Leise schloss sich die Türe hinter Caius, gleichsam hinter Gracchus, welcher sie in seinem Gedankengebäude hinter sich zu zog, sorgsam verschloss und zurück kehrte mit seiner Aufmerksamkeit in die trostlose Welt der Wirklichkeit um ihn herum. Wie so oft war Aquilius das Leben in all seiner Fülle, all seinem Strahlen, mehr noch, seit Gracchus wusste, wie es war, eins mit ihm zu sein, und doch konnte diesen Anblick er an diesem Tage nicht ertragen, denn zu deutlich barg er den Verlust, welcher vor ihm lag.
    "Nichts ist passiert, Caius. Nichts."
    Er erhob sich von seinem Stuhl und trat ans Fenster hin, kehrte Aquilius den Rücken zu, suchte Halt im Garten hinter der Villa, doch die winterliche Kargheit bot nur dürres Geäst, farbloses Gras und kahle Beete. Es drängte ihn danach, die Zeit zu füllen mit blumigen Worten, rotfarbene Rosen an den Himmel zu malen und leuchtend grünfarbene Blätter an die Zweige der Tristesse zu heften, doch die Wahrheit pochte zu laut in seinen Sinnen, als dass sie zu ignorieren war.
    "Nichts, das ist passiert."
    Farblos war der Klang seiner Stimme, ein Hauch nur in der Unendlichkeit, marginal und unbedeutend wie er selbst, verdammt dazu, in Vergessenheit zu vergehen. Nur halb drehte schlussendlich er sich zu Aquilius wieder um, suchte einen Moment lang nur seinen Blick.
    "Ich erzählte dir von der Sklavin, Salambó, jener, welche des nächtens bei mir lag. Monate ist es her, womöglich erinnerst du dich. Jeden Abend war sie bei mir, Caius, jeden Abend."
    Er schluckte einen gewaltigen Kloß seine Kehle hinab und fuhr etwas leiser fort.
    "Jeden Monat folgte sie dem Zyklus der Weiblichkeit. Zuletzt vor wenigen Tagen. Es ist nichts geschehen. Folgenlos, dies alles. Bis auf die daraus resultierende Gewissheit nutzlos."
    Nutzlos wie er selbst. Mit einem Male fühlte sich Gracchus fürchterlich schäbig, wertloser noch als je zuvor. Sein gesamtes Leben verlor seine Bedeutung mit der Erkenntnis, seine Linie nicht fortsetzen zu können, denn was blieb somit übrig von ihm? Natürlich war es bei den Caesaren üblich, sein Erbe an Männer weiter zu reichen, welche nicht unbedingt gleichen Blutes mussten sein, doch er war kein Caesar, er hatte kein Imperium weiter zu geben, er hatte einzig seinen Ursprung, sein Blut. Wo lag letztlich noch all der Sinn in seinem Leben, wenn ein anderer selbst besser dazu geschaffen war, seine Kinder zu zeugen? Wäre nicht adäquater, statt für einen Vater seiner Kinder direkt für einen alternativen Ehemann Antonias Sorge zu tragen? Und doch stand er hier, im Ansinnen, seinen besten Freund, seinen Geliebten zu hintergehen, ein Kind ihm zu rauben, aus purem Egoismus, um eine Farce aufrecht zu erhalten, eine gewaltige Lüge - die Lüge seines Lebens. Er hatte dies alles viel zu wenig überdacht, blind lief er durch einen Wald voller Bäume und verfing sich in ihrem Geäst, stieß gegen ihre Stämme, wohin er sich auch wandte. Ohne Ausweg, und er wünschte, der Orcus würde sich unter ihm öffnen, um ihn zu verschlingen.

    Leise Worte murmelte der Haruspex Primus, Worte in einer alten Sprache, vermutlich so alt, dass er selbst kaum wissen konnte, was sie bedeuteten, zudem verzog er sein Gesicht in undeutbaren Mienen, allfällig missbilligend, womöglich zufrieden, eventualiter ratlos. Schlussendlich sog er die Luft im Raume durch seine Nase - so lange und tief, dass beinah es schien als wolle er jeglichen Atem unterbinden-, und wandte sich dem Rex Sacrorum zu.
    "Die Götter sind geneigt, den Ritus in solcher Weise zu akzeptieren."
    Hörbar atmeten einige der Pontifices auf, während Fabius Antistes keine Regung, weder des Erstaunens, noch des Gegenteiles, zeigte.
    "So werden wir dies an den Senat weiterleiten."
    In einer unbewussten Geste drückte Gracchus seine Schulterblätter nach hinten, so dass leise in seinen Ohren die Gelenke knackten. Es war dringend an der Zeit, den Körper ein wenig in Form zu bringen - ein großes Filetstück lag ihm oftmals bereits nach dem Mahl noch viel zu lange im Magen, doch die lustratio würde seinem Körper mit einem ungleich größeren Gewicht an Rind unweigerlich eine ungleich schwieriger Aufgabe auferlegen.

    Noch einmal wiederholte Antonia seine Worte, um keinen Zweifel zu lassen, ihm keinen Ausweg zu bieten, das Vorhaben aufzuschieben, zu zaudern oder zögern, ein wenig noch zu warten, nur einen oder zwei Tage womöglich, um nichts zu überstürzen. Noch heute. Der Tag war nicht mehr sonderlich lange. Keine Stunden blieben, um Worte sich zurecht zu legen, doch Gracchus wusste ohnehin, dass es vergeudete Zeit würde sein, da für ein solches Vorhaben keine Worte recht gelegt werden konnten, dass er noch in Jahren nicht würde wissen, was zu sagen und was zu tun. Noch heute. Es musste getan werden und es würde getan werden. Noch heute. Wie gerne hätte er sie noch eine Weile in seinen Armen gehalten, nun, da sie für Augenblicke sich so nahe gekommen waren, seine Pflicht vergessend, Zeit schindend, doch der leise Ruf in seinen Ohren verstummte nicht, so dass seine Hände sich von ihren Schultern lösten, ein letztes aufmunterndes Lächeln er sich abzwang, um hernach das Cubiculum seiner Gemahlin eilig zu verlassen, ohne ein weiteres Wort, denn was noch hätte er können sagen, ohne dass es hätte wie eine Lüge geklungen? Er wies Sciurus an, ihm noch ein wenig Zeit zu lassen, und dann seinen Vetter Aquilius in sein Arbeitszimmer zu bitten.

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    In faserigen, umeinander wirbelnden Fäden zog der Rauch der auf den glühenden Kohlen vor der Iuno verglimmenden Kräuter bis unter das Dach des Tempels, umströmte den Opfernden und die Sacerdos mit seinem wohligen Geruch und reihte sich ein in den zähflüssigen Odeur, welcher sich durch das gesamte Gebäude wälzte und nur ab und an seinen Weg hinaus durch die Türe fand. Bei Lucanus' Worten, welche der Catonia mehr die eines verlorenen Jungen denn eines jungen Mannes schienen, wurde auch sie recht rührselig, dass sie fast sich dazu hinreißen ließ, den armen Jungen in ihre Arme zu schließen. Doch sein vorsichtiger Blick und die leise Entschuldigung hielten sie davon ab, ließen nur ein verborgenes Räuspern ihrer Kehle echappieren.
    "Das macht doch nichts"
    durchdrang ihre weiche Stimme die rauchige Luft, verlor sich doch schon außerhalb des sie und Lucanus umgebenden Kokon des Ritus in den gewaltigen Dimensionen des Tempels. Nach und nach reichte sie die Gaben, auf dass der junge Flavier sie darbringen konnte, den Wein, um ihn in die goldene Schüssel zu gießen, die Blumen, um sie der Iuno zu Füßen zu betten, und die Gebäckstücke, um sie auf die mensa vor ihr zu legen. Schlussendlich und äußerst ehrfürchtig übergab sie Lucanus das Bild seiner Mutter, einer schönen Frau, wie Catonia neidlos feststellte, auf dass er nach den Gaben es der Göttin konnte weihen, um damit das Voropfer abzuschließen.



    Ein sonniger, kalter Tag schickte sich an, sein Ende in einer noch kälteren Nacht zu nehmen, überdeckt von Sternenklarem Firmament und garniert mit einem Hauch von Frost. Im Inneren der Villa Flavia jedoch war hiervon nicht sonderlich viel zu bemerken, denn die Dämmerung wurde verschwenderisch vertrieben durch den warmen, orangefarbenen Schein unzähliger Lampen und der Kälte wurde der heiße Dampf der Hypocaustheizung entgegen gestellt, welcher die Räume in behagliche Wärme tauchte. Keinen Augenblick verschwendete Gracchus einen Gedanken an dieser gar wundervolle Errungenschaft der Technik, welche unter seinen Füßen am Werke war, als unbewusst mit diesen er auf den Boden wippte. Vor ihm auf dem Schreibtisch lagen fein säuberlich aufgereiht Wachstafeln, Griffel und eine dünne Stange Siegelwachs, daneben stand eine Öllampe. Seitdem er am Tisch hatte Platz genommen, starrte er auf jene Utensilien, ohne eine einzige davon zu berühren - er saß bereits so lange, dass jene Zeit gut und gerne als verschwendet hätte betrachtet werden können, wenn nicht in seinen Gedanken er überaus aktiv sie hätte genutzt. Gracchus wandelte durch das Innere seines Gedankengebäudes, goutierte sich am adorablen Anblick vergangener Wochen, wälzte sich in einem Bad aus Lavendel und Mauve, welchem der Odeur Caius' anhaftete, und lauschte andächtig dem Klang des Herzschlages ihrer dispergierenden Leiber. Anfänglich hatte er darüber sinniert, Aquilius erneut in dessen Gemächer aufzusuchen, doch er fühlte sich in den seinen ein wenig mehr gefeit den Umständen, obgleich nur wenig darin auf ihren Bewohner hinwies, kaum persönliche Gegenstände sie zierten. Gerade jedoch diese Kargheit gereichte Gracchus zu einem Gefühl der Geborgenheit, denn die Absenz kakophonischen Chaos' barg eine wohltuende, stille Harmonie in sich, welche er beinahe ebenso goutieren konnte, wie jene Harmonie tatsächlich ästhetisch wohlgefällig arrangierter Räumlichkeiten. Völlig in sich selbst versunken versuchte er den Augenblick zu verdrängen, welcher unweigerlich sich ihm näherte, sich allmählich ankündigte durch den fester und fester würgenden Griff um seine trockene Kehle - bereits nach dem Gespräch mit Antonia hatte er Sciurus angewiesen, ihm ein wenig Zeit noch zu lassen, um sodann Aquilius zu ihm zu bitten.

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    Der junge Mann schien nicht recht zu wissen, wie er weiter sollte verfahren. Womöglich war es die erste Weihung, welche er mit einem Opfer verband, darum wollte Catonia Secunda nicht allzu vorschnell mit ihrem Urteil sein.
    "Zuerst das Voropfer"
    , erklärte sie, ohne dabei erklärend zu klingen, um Lucanus nicht zu verunsichern, ganz so, als würde sie für sich selbst noch einmal die Reihenfolge repetieren.
    "Die Räucherung, um die Aufmerksamkeit der Iuno auf uns hinab zu lenken, hernach offerieren wir Wein, Blumen und Gebäck. Anschließend weihst du das Bildnis deiner Mutter, bevor wir uns wieder nach draußen zum Opferaltar begeben. Ist es dir genehmer, die Worte allein zu sprechen oder möchtest du, dass ich sie einleite?"



    Die Entscheidung war somit getroffen, unumstößlich, es gab kein zurück, nicht einmal Zögern und Zaudern wollte Antonia noch konnivieren, so dass gleichsam keine Erleichterung auf dieses Gespräch hin zu erwarten stand, denn nicht eben einfacher würde es sein, jene Thematik vor Aquilius anzusprechen, immerhin war dies nichts, was zwischen Haupt- und Nachspeise sich erledigen ließe.
    "Noch heute werde ich mit ihm sprechen."
    Die Entscheidung war getroffen. Gegen die Liebe, für die Pflicht. Womöglich würde Gracchus noch einmal sich einige erquickende Stunden von Caius stehlen, ehe er die Frage ihm stellte, doch er bezweifelte bereits jetzt, dass er dies würde in gebührendem Maße goutieren können. Langsam löste er sich von Antonia, schickte sich an, wieder aufzustehen, hockte sich jedoch vorerst nur auf seine Füße und fasste seine Gemahlin bei den Schultern um ihr aufzuhelfen.
    "Die Familie ist stets das wichtigste für einen Flavier, noch vor Rom und der Wahrheit, auch wenn wir nach Außen hin stets Rom ihr voran stellen. Dies solltest du wissen."
    Er war sich selbst nicht gänzlich sicher, ob er damit ihr aufzeigen wollte, dass sie und ihre Nachkommen zu dem Wichtigsten in seinem Leben gehörten, oder aber, dass er nicht daran zweifelte, dass Aquilius ob der Familie wegen ihre Bitte würde erfüllen - womöglich wollte beides er ihr versichern. Weiters drängte es ihn, sie noch einmal um Verzeihung zu bitten, doch er kämpfte jenes unbändige Verlangen in sich hinab. Er war bereits weit genug hinab gesunken und sie würde dies mitnichten vergessen, er musste nicht sie zudem noch wieder und wieder daran erinnern - vermutlich reichte ohnehin sein Antlitz bereits dazu aus, weshalb er nun auch schnellstmöglich sie wieder von dieser Qual wollte befreien.

    Jener Preis, welcher schlussendlich für den Sklaven geboten wurde, lag doch weit über dem, was Gracchus für einen servus novus zu Investieren bereit war, so dass es schlussendlich gar dazu gereichte, dass er ob dessen seine Augenbraue ein Stück weit in die Höhe schob. Da der folgende in nächster Nähe gebotene Sklave eine Sklavin war und eine solche Gracchus nicht ins Haus kam - gänzlich Allgemein gesehen nicht und selbst dazu nicht, um bei Spielen Verwendung zu finden -, beschloss er vorerst einen Blick auf den Tiermarkt zu werfen, womöglich würde an diesem Tage zumindest noch ein passabler Löwe sich finden.

    Nicht Aristides - durchaus konnte Gracchus die Bedenken seiner Gattin nachvollziehen, obgleich er nicht wusste, wie nahe Antonia ihrer Verwandten stand - wiewohl er ohnehin wenig über Antonia wusste, was in diesem Augenblicke ihm bewusster wurde denn je. Aquilius indes lehnte sie nicht ab. Vermutlich kannte sie ihn ohnehin zu wenig, um eine persönliche Entscheidung zu treffen, und vordergründig gab es keinen Grund, welcher gegen ihn sprach. Vordergründig. Hintergründig jedoch um so mehr. Der Gedanke daran, Aquilius mit seiner Gemahlin in Beischlaf zu wissen, verstörte Gracchus bereits jetzt - nicht ob seiner Gemahlin, sondern Caius' wegen. Sein Caius. Mit seiner Gemahlin. Und er irgendwo dazwischen. Als Bindeglied. Oder außerhalb. Als drittes Rad am Streitwagen. Es wäre ein leichtes für Aquilius, immerhin war Antonia eine wunderschöne Frau, eine der Schönsten in Rom, wie auch Gracchus als ästhetischer Gourmet sich schon immer hatte eingestanden, und von schönen Frauen ließ sein Vetter sich nur allzu gern bereitwillig locken, vor allem, wenn zudem der Hauch einer Verwegenheit jenem Tun anhaftete. In Gedanken malte Gracchus sich aus, wie die beiden mit einem verschämten Lächeln in einem stillen Cubiculum verschwanden, beide ein leichthin gesprochenes 'Bis später, mein Manius.' auf den Lippen, und während ihre Leiber sich innig umeinander wandten, wohliges Stöhnen gedämpft durch die Türe würde dringen, würde er, ein Gläschen Wein in den Händen, auf einer Kline ausharren, womöglich ein wenig in Epiktets Das Buch vom geglückten Leben schmökern oder in Platons Werk Über Tugend und deren Lehrbarkeit. Hernach würden sie, ein entzücktes Lächeln auf den Lippen, aus dem Cubiculum treten, sich zu ihm setzen und ein wenig Wein und etwas Obst zu sich nehmen, gemeinsam mit ihm sich an der künstlerischen Couleur delektieren, welche der Himmel indessen hatte angenommen - Lavendel und Mauve, mit einem Hauch von Hyazinth. Womöglich - mitnichten, vermutlich und ohne Zweifel - würden sie Gefallen an ihrem Tun finden - ein Mann, eine Frau, wie könnte es anders sein - so dass Gracchus bald sich Vater einer reich mit Kindern gesegneten Familie würde schimpfen können, um welche halb Rom ihn würde beneiden, jene wundervollen kleinen Geschöpfe mit den seidig glänzenden, schwarzfarbenen Haaren ihrer Mutter und den tiefen, braunfarbenen Augen, die unzweifelhaft sie von ihrem Vater hatten geerbt, und im Scherze würde man ihn fragen, wiewohl er es nur geschafft habe, in Hinblick auf seine unzulängliche Person solch prachtvolle Wonneproppen in die Welt zu setzten, und mit einem hintergründigen Lächeln auf den Lippen würde er humorig entgegnen, dass bei solch einer perfekten Ehe, wie er mit Antonia sie führe, nichts anders könnte entstehen.
    "Aquilius"
    repetierte auch er noch einmal bestätigend, dass eben jenen Caius - seinen Caius - er im Sinne hatte.
    "Es gibt keinen Mann, welchem ich mehr vertraue, keinen, welcher geeigneter wäre, und keinen, dessen Nachkommen ich lieber an meines Kindes statt würde annehmen."
    Es gab keinen Mann, welchen er mehr liebte. Es würde alles zerstören, was zwischen ihnen war, jene zarte Pflanze endlich erblühender Leidenschaft gleich jenem festen Band seit Ewigkeiten bestehender Freundschaft. Es war das alte Leid, der ewig währende Fluch - er musste sich entscheiden zwischen seiner Pflicht und seiner Liebe. Gracchus wusste, wo es würde enden, und er hasste sich bereits in diesem Augenblick ob dessen.
    "Wenn es dir beliebt, so werde ich mit ihm ob dessen sprechen."
    Eine letzte Hoffnung blieb, womöglich würde sie Nein sagen, ihn zwingen, eine Alternative zu wählen, einen Bankert als sein Kind anzuerkennen oder doch den gesamten Plan zu verwerfen, seine Linie in Schmach und Schande zu stürzen, doch seine Liebe dafür zu bewahren.

    Die Krönung all dessen, was sie aneinander hatten - war es dies tatsächlich? Vermutlich war es dies tatsächlich, wie sonst hatte alles sich letztlich daraufhin zuspitzen müssen, und doch, was war die Krone ohne König, jenes solide, unumstößliche Fundament, auf welchem diese Liebe zu ruhen wusste?
    "Du hast Recht"
    begann Gracchus, nicht gänzlich von Ernst geleitet.
    "Da du noch nie ein Wendehals warst, so muss ich es gewesen sein."
    Wieder strich er zärtlich um das Mal, sonderlich lange würde vermutlich es nicht Aquilius' Schulter zieren, um hernach abweisend den Kopf zu neigen.
    "Oh, bemühe dich nicht um mich, Caius, du weißt, ich bin kein Kämpfer, ich habe meine Wunden nie mit Stolz getragen, die meisten nicht einmal sonderlich mannhaft."
    Beim ersten Anblick hatte er zumeist äußerst flink die Flucht in die Ohnmacht angetreten, um beim zweiten in Panik auszubrechen und so lange allen Involvierten glaubhaft zu versichern, dass er an jenem Kratzer, Schnitt oder aufgeschürften Knie werde sterben müssen, dass schlussendlich immer irgendwer sich fand, die Wunde zu verbinden, auf dass er sie nicht mehr musst ansehen. Mochte diese Zeit auch vorüber sein - mit den Jahren stumpfte ein Mensch doch ein wenig ab - und er sich durchaus mittlerweile einen Schnitt verbinden lassen können, ohne dass er das Bewusstsein verlor und in Panik ausbrach - so legte er trotz allem weiterhin keinen Wert darauf, seinem Körper Schaden zufügen zu lassen, denn selbst so dieser nicht mit Schmerz verbunden sein mochte, allein der Gedanke daran, er könnte es sein, war beängstigend genug. Nicht ohne Grund war er stets auf Sicherheit bedacht und agierte in den meisten Angelegenheiten überaus sorgfältig und umsichtig.
    "Doch wenn dieses Mal meiner Zähne verblasst, so werde ich da sein, um es erneut in deinen Leib dir zu schlagen."
    Er fletschte die Zähne, kniff die Augen ein wenig zusammen und ließ ein tiefes Knurren vernehmen - eine so unglaublich untypische Regung, dass sie ihn selbst ein wenig erschrak und er sich ob dessen aufsetzte, vom Tisch schob und nach den Tuniken bückte. Aus der Hand heraus warf er Aquilius' Tunika auf dessen nackten Körper, um hernach die seine sich über den Leib zu ziehen - einen Augenblick lang hatte er sich schalkhaft am Gedanken erfreut, die beiden Tuniken zu vertauschen und hernach mit jener Aquilius' aus dem Zimmer zu gehen. Er legte seinen Gürtel an und strich beiläufig sich durch sein Haar, um die Wirrnis, welche die Hände seines Vetters darin hatten hinterlassen, mäßig zu ordnen.
    "Ich danke dir für dieses überaus erquickende Gespräch. Länger möchte ich dich denn nicht von deiner Arbeit abhalten."
    Noch einmal beugte er sich zu Aquilius hin, sog dessen Odeur in sich ein und ließ seine Lippen über den Hals seines Geliebten gleiten, den Anschein einer Berührung hinterlassend. Ein leises Knurren folgte noch einmal, sodann wandte Gracchus sich eilig ab, um beschwingten Schrittes aus dem Zimmer zu flüchten, ein zufriedenes Lächeln seine Lippen kräuselnd.

    Da keinerlei weitere Fragen in den Raum wurden geworfen, wurde schließlich der Haruspex herein geführt, ein beinahe kahler Mann mit krummer Nase und stechendem Blick - der Haruspex Primus selbst, welcher die Ehre eines solch wichtigen extispicium nur allzu gerne für sich selbst beanspruchte, gleich da es bedeutete, bis zum Vollzug dessen tatenlos vor den Türen des Collegiums zu warten. Hinter ihm folgten zwei Sklaven, zwischen sich einen hölzernen Kasten schaukelnd, hinter dessen Gitterstäbe ein Karnickel mit Schreckens geweiteten Augen saß, und hinter jenen ein Sklave, welcher einen kleinen Tisch inmitten des Freiraumes zwischen den Pontifices und Flamines auf- und darauf eine große, flache Silberschale abstellte. Der Haruspex Primus drehte sich abwartend zu Fabius Antistes hin, während hinter ihm ein Sklave das Karnickel an den Ohren aus dem Kasten zog. Der Rex Sacrorum erhob sich, nahm die Mitschrift eines Pontifex minor entgegen und sprach.
    "Die Weissagung der sibyllinischen Bücher deutend, gelangte das Collegium Pontificium, beauftragt vom Senat des römischen Volkes, zu folgender Maßnahme zur Sühnung des Mordes an der Virgo vestalis maxima: Vier weißfarbene Rinder - davon zwei Ochsen, ein Stier und eine Kuh - zur Ehre der himmlischen Götter, dazu drei rotfarbene Rinder - davon ein Ochse, ein Stier und eine Kuh - zur Ehre der feurigen Götter, dazu drei schwarzfarbene Rinder - davon ein Ochse, ein Stier und eine Kuh - zur Ehre der unterirdischen Götter, sollen getragen werden durch die Senatoren des römischen Reiches als Vertreter des Staates um das heilige pomerium einmal herum, um sodann auf der Kuppe des kapitolinischen Hügels den Göttern zum Opfer gegeben zu werden."
    Ein Wink deutete dem Haruspex, die Divination zu beginnen. Jener packte das Karnickel in die silberne Schale, wo zwei seiner Sklaven Kopf und Füße hielten als der Haruspex Primus den Bauch des Tieres aufschlitzte. Mit geübtem, schnellen Griff, suchte die Leber des Karnickels er heraus, und begann jene umfassend zu begutachten, nach Farbe, Form und Makeln zu untersuchen, und die Zeichen etruskischer Götter, welche längst durch römische interpretatio Romana in das imperiale Pantheon waren übernommen worden, in dem Eingeweidestück zu lesen, während die Mitglieder des Collegium Pontificium - vor allem sicherlich jene, welche gleichsam dem Senat angehörten - erwartungsvoll auf sein Ergebnis warteten.

    Es war dies eindeutig zu viel, zu viel, um noch unbeschadet es auf den Schultern der Gravitas eines einzelnen Mannes zu balancierten, zu viel, um es in Händen der ohnehin völlig überflüssigen Dignitas zu wahren, zu viel, um nicht Mensch zu werden unter seinem Gewicht. Das Eingeständnis vor sich selbst, die Ahnenreihe zu brechen, unfähig sein ein Kind zu zeugen, diese Schmach, welche ungleich schwerer wog als alles Versagen vorher, das Wissen, kein vollwertiger Mensch, kein vollwertiger Mann zu sein - dazu die Befürchtung, dass dies alles würde ruinieren, was er sich mühsam hatte aufgebaut, dass Antonia ihn würde verlassen, die Scheidung einfordern - die Erkenntnis schlussendlich, dass sie dies nicht würde tun, eine unbeschreibliche Woge der Erleichterung - hinfort gespült von neuerlicher Befürchtung, nur um schlussendlich gänzlich in Erleichterung sich zu lösen. Doch ihr Geständnis, dass ob all seiner Makel und selbst eben mit jenem gewaltigen Defizit sie ihn als ihre Familie betrachtete, dies brach alle Barrieren, brach jede Mauer, welche Gracchus je um sich herum hatte errichtet, ließ ihn zurück wie ein kleines Häufchen Elend, welches auf den Windhauch wartete, welcher es hinfort wehen mochte, denn nichts daran klang wie eine Lüge, und die Erkenntnis dessen, dass er ihre Familie war - er allein, er, welchem nichts mehr wog als die Familie - brach jäh über ihn wie das warme, rotfarbene Blut eines Stieres während eines taurobolium, mit gleicher Wucht, mit gleichem Effekt. In diesem Augenblicke war es, dass er seine Gemahlin zum ersten Mal überhaupt nicht als patrizische Gemahlin, nicht als perfekte Matrone oder Pflichterfüllung ansah, sondern als das, was sie tatsächlich war - Antonia. Nicht mehr konnte er an sich halten, vergaß, was er vorgab zu sein - patrizischer Gemahl, perfekter Flavier in steter Pflichterfüllung - und war, was er tatsächlich war - Manius. Er zog sie an sich und drückte ihren auf einmal so verletzlich scheinenden Körper an den seinen, als würde sie vor seinen Augen zerbröseln, sich in Luft auflösen, wenn nicht er sie hielte. Es musste weit mehr im Leben einer Ehe geben als die fleischliche Lust, dessen war mit einem Male er sich sicher, denn Antonia hatte Recht, die Ehe war Teil einer Familie, mehr noch, der erste Schritt dazu ohne den es nichts weiter würde geben. Doch selbst mit ihr war kein Garant dafür geboten, was schlussendlich Gracchus zurück zu jenem Thema brachte, welches mehr als alles andere ihn noch immer zu erdrücken drohte.
    "Ich weiß es nicht. Ich will und kann dies nicht allein entscheiden."
    Mehr noch als zuvor sanken seine Schultern hinab. Wie zwei kleine Häufchen Elend saßen nun sie inmitten des Raumes auf dem Fußboden, welche darauf warteten, dass ein Windhauch sie würde hinfort wehen, um sie vor dem zu bewahren, was vor ihnen lag. Stunden zuvor noch hatte kaum je einer von ihnen geglaubt, dass sie überhaupt jemals eine Entscheidung würden gemeinsam treffen, doch da es soweit war, war es längst nicht einfacher.
    "Kein Bankert."
    Das Kind würde trotz allem ein Kind der Flavier sein, es würde sein Erbe, wenn auch nicht seine Linie, fortsetzen müssen, und dies würde er keinem Sklavenbalg anvertrauen. Für den Moment eines Augenblickes driftete die Erinnerung an seinen Zwilling durch Gracchus' Sinne, er hätte nicht nur sein Erbe, sondern auch seine Linie fortführen können, da sie doch so gleich gewesen waren, doch womöglich hatte auch ihm der Makel innegewohnt. Sein letzter verbleibender Bruder dagegen kam ihm nicht in den Sinn, denn obgleich auch er die Linie ihrer Familie würde fortführen können, so war Lucullus für ihn ein Fremder und er traute ihm nicht. Vertrauen würde eine große Rolle bei all dem spielen, denn so sie den Vater des Kindes nicht nach der Zeugung beseitigen lassen wollten, würde das Wissen um seinen wahren Ursprung stets eine Gefahr bergen. Da Gracchus keinen Vater für sein Kind wollte dulden, welcher so minderwertig war, dass er sich leicht beseitigen ließ, musste es ein Mann sein, welchem er vertrauen konnte. Womit mit einem Male ihm nur noch zwei Männer im Sinn blieben.
    "Marcus."
    Immerhin hatte Aristides bereits zwei Mal bewiesen, dass er fähig war äußerst wohlgefällige, intelligente Kinder in die Welt zu setzen. Möglicherweise würde man die Zeugung gar derart gestalten können, dass er nichts würde davon wissen, es brauchte dazu nur eine Menge Wein. Ein Seufzen echappierte Gracchus. Er würde nicht seinem Vetter ein Kind rauben und gleichsam ihn darob belügen können, allein das schlechte Gewissen ob dessen würde ihn in das Gladius seines Vaters treiben. Doch würde Aristides in solcherlei freiwillig und in nüchternem Zustand einwilligen? Zudem verlor er manches Mal über sich die Kontrolle im Weinrausch - ein Umstand, welcher wohl alle Flavier bisweilen traf, Aristides jedoch vermutlich mehr als die übrigen, da er sich öfter als alle dem Weinrausch hingab - und dann achtete manches mal er nicht mehr darauf, was er sprach, würde vielleicht gar von seiner Zeugungskraft prahlen. Gracchus liebte seinen Vetter - nicht wie seinen Vetter Aquilius, sondern auf sehr familiäre Art - doch ebenso wusste er um dessen Schwächen.
    "Caius."
    Erneut gelangte er bei ihm an. Unbezweifelt, Aquilius würde dies für ihn tun, denn er würde alles für ihn tun. Wenn nicht sein eigenes kleines Abbild Gracchus würde heranwachsen sehen können, was konnte je ihm gefälliger sein als das Caius'? Und dennoch wohnte dem Gedanke ein schaler Nachgeschmack bei. Diese Bitte konnte dazu gereichen alles zu zerstören, was zwischen ihnen war, dieses Kind konnte dazu gereichen, sie weit auseinander zu treiben. Diese Kinder - ein einziges mochte der Anfang sein, doch es würde nicht ausreichen, eine Familie zu komplettieren - wie sollte er sie je anblicken können, ohne sich seines Versagens bewusst zu sein, wie sollte er je Caius anblicken können, ohne sich dessen gewahr zu werden?
    "Ich weiß es nicht."
    Beiläufig strich er Antonia über ihr Haar, glättete die wilden, dunkelfarbenen Strähnen, denn trotz allem schwelte in ihm noch immer der Hang zur Harmonie und das Chaos auf ihrem Haupte irritierte ihn darob, zudem war es eine überaus beruhigende, beinahe kontemplative Tätigkeit, ihre Haarsträhnen zu ordnen.

    "Dass ...?"
    setzte er das gewaltige Fragezeichen im Raume fort, welches spürbar, sichtbar über ihren Köpfen schwebte, aus leuchtend orangefarbenen Nebelschwaden geformt über ihnen waberte und allmählich drohte, die Luft aus Antonias Cubiculum zu verdrängen und sie beide in dichtem Rauch zu ersticken.
    "Dass du ...?"
    Sie beide, zusammen. Sie sollte nicht. Er wollte nicht. War dies etwa tatsächlich, was sie glaubte? Waren all die Jahre rhetorischer Ausbildung, das Schleifen und Feilen an seiner Ausdrucksweise, das Studium großartiger Schriften und Reden, tatsächlich am Ende nur vergeudete Zeit gewesen, sollte all dies letzten Endes nicht einmal dazu gereicht haben, dass er seiner Ehefrau konnte unmissverständlich erläutern, von was im Grunde er sprach? War es das, was Sciurus damit meinte, wenn er davon sprach, dass Gracchus' Ausdrucksweise an manchen Tagen derart filigran war, dass sie dazu gereichen konnte, eine Ameise damit zu erwürgen? Womöglich sollte er doch bei Zeiten ein ernsthaftes Wort mit seinem Sklaven sprechen, wenn dieser glaubte ihn düpieren zu können, vor allem, wenn dies in einer solchen Weise geschah, dass Gracchus es selbst nicht bemerkte. Doch dies war ein anderes Thema, welches zu andere Zeit würde auf ihn harren.
    "Dass du die Scheidung forcierst?"
    Als wäre dieser Gedanke unglaublich absurd - was im Grunde er immerhin tatsächlich war - schüttelte langsam Gracchus seinen Kopf.
    "Aber nein, mitnichten!"
    Womöglich legte sie es darauf an, dass er sie bat, zu bleiben, dass er sie anflehte? Was mochte es noch ändern, er musste es tun, sie war die einzige Ehefrau, welche er je im Leben würde haben, sie war seine einzige Chance, all dem nachzukommen, was seine Pflicht, seine stets festgeschriebene Zukunft war, und so sie tatsächlich nicht freudestrahlend sich von ihm würde scheiden lassen, so war sie wahrlich mehr, als er je verdiente.
    "Ich bitte dich, Antonia, dies nicht zu tun. Ich bin mir dessen mehr als bewusst, dass ich ein fürchterlicher Ehemann war ... bin ... und einiges davon wird vermutlich niemals sich ändern, doch anderes ... kann sich ändern. Vermutlich ist ohnehin es besser, wenn nichts von all dem Makel, welcher mir innewohnt, weiter gegeben wird, womöglich ist es eben darum so, wie es ist, doch wenn ich das Kind eines anderen an meines Kindes statt annehmen muss, so wünsche nichts mehr ich mir, als dass du, meine Ehefrau, die Mutter dieser Kinder bist."

    Auch Gracchus wollte das Schicksal keine Entwirrung des Knotens gönnen, mit jedem Augenblick, da er glaubte, endlich seiner Gemahlin folgen zu können und im Konsens mit ihr zu enden, da begann sie von neuem ihn zu derangieren. Unmöglich konnte sie darüber nachgedacht haben, ein Kind auf der Straße zu zeugen, nicht einmal im Scherze würde solcherlei sie erwähnen, zudem erweckte kaum sie den Anschein ihn neckisch düpieren zu wollen.
    "Auf der Straße?"
    Wäre er sich dessen gewahr gewesen, dass seit einiger Zeit er nurmehr ein wenig tumb ihre Sätze und Fragen repetierte, vermutlich wäre er erneut ob dessen in Scham verfallen, doch gänzlich waren seine Gedanken verwirrt.
    "Ich fürchte, auch ich teile dieses Unverständnis."
    Mit einem Male traf ihn die Erkenntnis wie ein Schlag. So sehr hatte er sich gewünscht, so sehr ersehnt, dass sie würde bei ihm bleiben, dass er blindlings jedes Wort aus ihrem Munde welches nur annähernd danach hatte geklungen, für eben dies hatte angesehen.
    "Wir werden ... trotz allem ... einen Nachkommen brauchen."
    Es war ein letzter, verzweifelter Versuch, bereits in Erwartung, dass in schallendes Lachen sie würde ausbrechen, einen Tor ihn nennen und aus der Villa entschwinden.
    "Nicht wahr?"
    Als zweifle er selbst an seinen Worten drangen diese in äußerst fraglichem Tonfall nur über seine Lippen.

    Jedes Wort aus ihrem Munde gereichte dazu, seine Derangierung zu erhöhen.
    "Eine Wohnung? Wozu?"
    Bei allen Götter - sie hatte sich dies bereits überlegt, es konnte nicht anders sein. Doch war es nicht weitaus unauffälliger, der Vater ihres Kindes würde in die Villa kommen, um dort bei ihr zu liegen? Oder wäre es doch besser, sie würde ihn irgendwo außerhalb Roms treffen, womöglich während eines kleinen Ausfluges gemeinsam mit Gracchus, eine Reise zu einem der Landgüter unter Ladung einiger Gäste, er unter ihnen? Ohnehin war dies eine ernstzunehmende Angelegenheit, denn obgleich Gracchus sich der Tatsache bewusst war, dass es sein musste, so hatte er doch geflissentlich die Gedanken daran, wer es sein konnte, bisher verdrängt. Es konnte nicht jedweder beliebige Mann sein, immerhin würde das Kind trotz allem ein Flavius werden, doch andererseits, wer bei allen Göttern würde sich zu solch etwas überhaupt bereit erklären? Es war unzweifelhaft ein einziger Name, welcher sich ihm in die Sinne drängte, doch er wollte nicht ihn hören, er wollte und konnte dies nicht von ihm verlangen. Doch hatte er nicht ihm versprochen, so ihm etwas sollte geschehen, seinen Sohn an sich zu nehmen und ihn wie sein eigen Fleisch und Blut aufzuziehen? Wo wäre der Unterschied, sein Kind an seines Kindes statt erwachsen zu sehen? Dennoch, Gracchus fröstelte leicht allein beim Gedanken daran. Es war bereits mehr als beschämend, die Reihe seiner Ahnen zu brechen.
    "Hast du denn ... bereits über einen Kandidaten nachgedacht?"
    fragte er zögerlich, nicht einen Augenblick ob dessen in Zweifel, dass keine seiner Annahmen in Anbetracht Antonias Verhalten einen Sinn ergab.