Beiträge von Manius Flavius Gracchus

    Decima Pulchra, Roma


    Decemvir litibus iudicandis Manius Flavius Gracchus Decimae Pulchrae s.d.


    Tiefes Mitgefühl über den Verlust deines Vaters Lucius Decimus Philippus sei dir mit diesem Schreiben versichert. Die Erinnerungen an jene Zeit, welche wir mit ihnen teilen durften, sind sicherlich das Wertvollste, was die Verstorbenen uns zurücklassen. Doch obwohl es dir im Augenblicke womöglich unerheblich erscheinen mag, so hat dein Vater dennoch gleichsam weltliche Güter hinterlassen, deren Verteilung unter den Erben meine Aufgabe als Decemvir litibus iudicandis ist. Das Vermögen des Lucius Decimus Philippus wird zu gleichen Teilen unter seinen drei noch lebenden Kindern, Decima Pulchra, Marcus Decimus Corbulo und Titus Decimus Verus, aufgeteilt.


    Der dir somit zukommende Erbanteil beläuft sich auf 316,12 Sesterzen und wird dir im Laufe der kommenden Tage überschrieben.


    Zum Trost bleiben letztlich einzig die Worte der Weisen unserer Welt, so sprach denn schon Seneca: »Der Tod ist die Befreiung und das Ende von allen Uebel, über ihn gehen unsere Leiden nicht hinaus, der uns in jene Ruhe zurückversetzt, in der wir lagen, ehe wir geboren wurden.«


    M.F.G.



    Titus Decimus Verus, Roma


    Decemvir litibus iudicandis Manius Flavius Gracchus Tito Decimo Vero s.d.


    Tiefes Mitgefühl über den Verlust deines Vaters Lucius Decimus Philippus sei dir mit diesem Schreiben versichert. Die Erinnerungen an jene Zeit, welche wir mit ihnen teilen durften, sind sicherlich das Wertvollste, was die Verstorbenen uns zurücklassen. Doch obwohl es dir im Augenblicke womöglich unerheblich erscheinen mag, so hat dein Vater dennoch gleichsam weltliche Güter hinterlassen, deren Verteilung unter den Erben meine Aufgabe als Decemvir litibus iudicandis ist. Das Vermögen des Lucius Decimus Philippus wird zu gleichen Teilen unter seinen drei noch lebenden Kindern, Decima Pulchra, Marcus Decimus Corbulo und Titus Decimus Verus, aufgeteilt.


    Der dir somit zukommende Erbanteil beläuft sich auf 316,11 Sesterzen und wird dir im Laufe der kommenden Tage


    Zum Trost bleiben letztlich einzig die Worte der Weisen unserer Welt, so sprach denn schon Seneca: »Der Tod ist die Befreiung und das Ende von allen Uebel, über ihn gehen unsere Leiden nicht hinaus, der uns in jene Ruhe zurückversetzt, in der wir lagen, ehe wir geboren wurden.«


    M.F.G.

    Publius Sergius Epulo, Misenum


    Decemvir litibus iudicandis Manius Flavius Gracchus Publio Sergio Epuloni s.d.


    Tiefes Mitgefühl über den Verlust deiner Schwester Sergia Seia sei dir mit diesem Schreiben versichert. Die Erinnerungen an jene Zeit, welche wir mit ihnen teilen durften, sind sicherlich das Wertvollste, was die Verstorbenen uns zurücklassen. Doch obwohl es dir im Augenblicke womöglich unerheblich erscheinen mag, so hat deine Schwester gleichsam weltliche Güter hinterlassen, deren Verteilung unter den Erben meine Aufgabe als Decemvir litibus iudicandis ist. Nach den gesetzlichen Richtlinien kommt dir als Bruder der Verstorbenen ein Anteil von 36,90 Sesterzen und diverse Waren zu, welchen es dir gestattet ist, abzulehnen.


    Ich bitte dich, mir bis zum Tag ANTE DIEM VII ID MAI DCCCLVII A.U.C. (9.5.2007/104 n.Chr.) mitzuteilen, ob du gewillt bist, dieses Erbe anzutreten, welches gleichsam keinerlei weitere Verpflichtungen nach sich zieht. Solltest du diesen Termin versäumen, so wird dein Anteil dem zu verteilenden Erbe hinzugefügt werden, ebenso wie sich der deinige Anteil durch den Verzeicht eines der anderen Erben erhöhen kann.


    Zudem hinterlässt deine Schwester einen Betrieb:
    - Fabrica Urbana Sergia, Färberei
    Zur Überschreibung dieses Betriebes besteht die Notwendigkeit einer Einigung mit dem ebenfalls Erbberechtigten Caius Sergius Curio. Melde dich hierfür gemeinsam mit ihm oder einer schriftlichen Verfügung seinerseits unter Vorlage dieses Schreibens bei einem der Aedilen.


    Zum Trost über den erlittenen Verlust bleiben letztlich einzig die Worte der Weisen unserer Welt, so sprach denn schon Seneca: »Der Tod ist die Befreiung und das Ende von allen Uebel, über ihn gehen unsere Leiden nicht hinaus, der uns in jene Ruhe zurückversetzt, in der wir lagen, ehe wir geboren wurden.«


    M.F.G.

    Ein Bote aus Rom überbrachte eine Nachricht für Centurio Artorius Avitus.


    Centurio Lucius Artorius Avitus, Legio I Traiana, Mantua



    Decemvir litibus iudicandis Manius Flavius Gracchus Lucio Artorio Avito s.d.


    Tiefes Mitgefühl über den Verlust deiner Schwester Artoria Sabina sei dir mit diesem Schreiben versichert. Die Erinnerungen an jene Zeit, welche wir mit ihnen teilen durften, sind sicherlich das Wertvollste, was die Verstorbenen uns zurücklassen. Doch obwohl es dir im Augenblicke womöglich unerheblich erscheinen mag, so hat deine Schwester gleichsam weltliche Güter hinterlassen, deren Verteilung unter den Erben meine Aufgabe als Decemvir litibus iudicandis ist. Nach den gesetzlichen Richtlinien kommt dir als Bruder der Verstorbenen ein Anteil von 14,80 Sesterzen und diverse Waren zu, welchen es dir gestattet ist, abzulehnen.


    Ich bitte dich, mir bis zum Tag ANTE DIEM VII ID MAI DCCCLVII A.U.C. (9.5.2007/104 n.Chr.) mitzuteilen, ob du gewillt bist, dieses Erbe anzutreten, welches gleichsam keinerlei weitere Verpflichtungen nach sich zieht. Solltest du diesen Termin versäumen, so wird dein Anteil dem zu verteilenden Erbe hinzugefügt werden, ebenso wie sich der deinige Anteil durch den Verzeicht eines der anderen Erben erhöhen kann.


    Zudem hinterlässt deine Schwester einen Betrieb:
    ~ Schönbunt, Farbmischer
    Zur Überschreibung dieses Betriebes melde dich bitte unter Vorlage dieses Schreibens bei einem der Aedilen.


    Zum Trost über den erlittenen Verlust bleiben letztlich einzig die Worte der Weisen unserer Welt, so sprach denn schon Seneca: »Der Tod ist die Befreiung und das Ende von allen Uebel, über ihn gehen unsere Leiden nicht hinaus, der uns in jene Ruhe zurückversetzt, in der wir lagen, ehe wir geboren wurden.«


    M.F.G.

    Wieder einmal brachte ein Sklave der Flavia einige Schriftstücke zum Eilversand.


    Magister Officiorum Marcus Iulius Lepidus, Mogontiacum, Provincia Germania


    Decemvir litibus iudicandis Manius Flavius Gracchus Marco Iulio Lepido s.d.


    Tiefes Mitgefühl über den Verlust deines Sohnes Caius Iulius Constantius sei dir mit diesem Schreiben versichert. Die Erinnerungen an jene Zeit, welche wir mit ihnen teilen durften, sind sicherlich das Wertvollste, was die Verstorbenen uns zurücklassen. Doch obwohl es dir im Augenblicke womöglich unerheblich erscheinen mag, so hat dein Sohn dennoch gleichsam weltliche Güter hinterlassen, deren Verteilung unter den Erben meine Aufgabe als Decemvir litibus iudicandis ist. Aufgrund deiner Position als Pater Familias des Caius Iulius Constantius geht selbstredend die gesamte Hinterlassenschaft zurück in deinen Besitz, dies wird innerhalb der anstehenden Wochen veranlasst werden.


    Das Vermögen beläuft sich auf 1004,59 Sesterzen, hinzu kommen diverse Waren.


    Zum Trost bleiben letztlich einzig die Worte der Weisen unserer Welt, so sprach denn schon Seneca: »Der Tod ist die Befreiung und das Ende von allem Übel, über ihn gehen unsere Leiden nicht hinaus, der uns in jene Ruhe zurückversetzt, in der wir lagen, ehe wir geboren wurden.«


    M.F.G.


    Marcus Decimus Corbulo, Mogontiacum, Provincia Germania


    Decemvir litibus iudicandis Manius Flavius Gracchus Marco Decimo Corbuloni s.d.


    Tiefes Mitgefühl über den Verlust deines Vaters Lucius Decimus Philippus sei dir mit diesem Schreiben versichert. Die Erinnerungen an jene Zeit, welche wir mit ihnen teilen durften, sind sicherlich das Wertvollste, was die Verstorbenen uns zurücklassen. Doch obwohl es dir im Augenblicke womöglich unerheblich erscheinen mag, so hat dein Vater dennoch gleichsam weltliche Güter hinterlassen, deren Verteilung unter den Erben meine Aufgabe als Decemvir litibus iudicandis ist. Das Vermögen des Lucius Decimus Philippus wird zu gleichen Teilen unter seinen drei noch lebenden Kindern, Decima Pulchra, Marcus Decimus Corbulo und Titus Decimus Verus, aufgeteilt.


    Der dir somit zukommende Erbanteil beläuft sich auf 316,12 Sesterzen.


    Zum Trost bleiben letztlich einzig die Worte der Weisen unserer Welt, so sprach denn schon Seneca: »Der Tod ist die Befreiung und das Ende von allem Übel, über ihn gehen unsere Leiden nicht hinaus, der uns in jene Ruhe zurückversetzt, in der wir lagen, ehe wir geboren wurden.«


    M.F.G.

    Augenscheinlich traf die Nachricht Antonia völlig unvorbereitet und Gracchus schalt sich nun, dass er nicht im Voraus in Erfahrung gebracht hatte, was sein Gattin wusste und was nicht, denn wäre er sich dessen bewusst gewesen, der Überbringer nicht nur der Erbbenachrichtigung, sondern gleichsam der Todesnachricht zu sein, so hätte er ob dessen einen anderen Ort gewählt und sich vor allem besser auf seine Worte vorbereitet. Nun auch wurde ihm ihre Reaktion auf die Nachricht des Dahinscheidens ihres Bruders Imperiosus erst gänzlich und einleuchtend gewahr, denn während er durch seine Unterlagen beeinflusst, in welchen Donatus längst nicht mehr aufschien, davon ausgegangen, dass ihr jegliche Familie bereits abhanden gekommen war, so hatte sie doch nur ihren ohnehin nicht besonders wertgeschätzten Adoptivbruder dahinscheiden sehen, im Glauben daran, Donatus sei wohlauf. Doch für solcherlei Überlegungen wie dies alles in jenem tatsächlichen Falle zu handhaben war, war es bereits zu spät, die Misere vor Augen und kaum mehr zu ändern. Nie zuvor hatte Gracchus seine Gattin solchermaßen aufgelöst erlebt, denn obgleich ihre Reaktion nicht allzu heftig ausfiel, so war es doch mehr, als er ansonsten an Gefühlsregung von ihr zu Gesicht bekam, so dass er mit jener neuen Situation ein wenig überfordert war. Einem natürlichen Instinkt folgend drängte es ihn danach, sie zu berühren, ihr durch seine Nähe Trost zu spenden und ihr aufzuzeigen, dass trotz allem sie nicht alleine war, so wie er dies in Ansätzen schon vor Tagen versucht hatte, doch nach ihrer letztigen Zurückweisung befürchtete er gleichsam, damit alles nur mehr zu verschlimmern. Er blieb darum sitzen, legte seine Hände vor sich auf den Tisch und nickte leicht.
    "Es ist sicher. Seine Asche wurde bereits nach Mantua überführt."
    Womöglich würde seine Gattin zum Familiensitz reisen wollen, auch schon deswegen, die Ländereien zu prüfen und deren ordnungsgemäße Verwaltung sicher zu stellen.
    "Es tut mir Leid, Antonia. Wenn du nach Mantua reisen möchtest, so werde ich dich begleiten ... sofern dies deinen Wünschen entspricht."

    Den Kopf ein wenig schief gelegt betrachtete Gracchus seinen Vetter eine ganze Weile schweigend, so lange, dass es beinahe schon unangenehm wurde.
    "Du solltest deine Absicht noch einmal überdenken, Vetter. Ein Sonderermittler wird dich mehr kosten, als überhaupt Gegenstand dieses Falles ist. Ich habe die genaue Zahl nicht im Kopf, doch das Vermögen des Helvetius lag unter 1000 Sesterzen, weiters hinterlässt er nur zwei minderwertige Stücke Land. Wenn ein Mann nicht in der Lage ist, ein ordnungsgemäßes Testament zu verfassen, so sollte er dies unterlassen und der gesetzlichen Erbfolge den Vorzug geben oder sich von einem Anwalt beraten lassen. Es kann doch nicht im Sinne unseres Staates sein, herauszufinden, welche Männer mit Namen Agrippa ein alter Mann mit seinen letzten Worten bedacht haben könnte, der möglicherweise schon ein wenig wirr im Kopf war. Was wirst du tun, wenn sich mehr als ein Agrippa findet? Wenn auch nur die geringste Information hierüber an die Öffentlichkeit dringt, und dies wird sie sobald du eine Sonderermittlung einleitest, werden sich wahscheinlich mehr Agrippae im Haushalt des Helvetius einfinden, als er zu seinen Lebzeiten Freunde hatte. Willst du dann einem jeden von ihnen einen Anteil des Erbes zusprechen?"

    Bis seine Gattin sich dazu bequemte zu erscheinen, hatte Gracchus mehr als genügend Zeit, die Aufstellung der Vermögenswerte mehr als ausreichend zu begutachten.
    "Antonia."
    Eine extensivere Begrüßung blieb ihm im Halse stecken, als sie seinen Praenomen auf jene Art und Weise aussprach, wie nur sie dazu in der Lage zu sein schien, welche seine Bedeutsamkeit zu der eines winzigen Staubkornes degradierte, sein Antlitz dem einer Gorgo anglich und seiner Person jegliches Anrecht auf Existenz absprach, völlig zu schweigen von seim Anrecht als Ehegatte. Gerade hatte er seine Sinne wieder sortiert, als Antonia ihre Frage stellte und ihn damit vollends aus jeglichem Konzept brachte. Verwirrt öffnete er den Mund leicht um etwas zu sagen, wusste doch augenblicklich nichts zu antworten, blinzelte während er gleichsam den Mund wieder schloss und nahm schließlich die Tabula auf, um sich an etwas festhalten zu können.
    "Todesfall."
    Als er das Wort, ausgesprochen durch seine eigene Stimme, in seinen Ohren nachhallen hörte, zwang er sich dazu, die Beherrschung über sich selbst zurück zu gewinnen.
    "Ein erneuter Todesfall."
    Um nicht mehr sagen zu müssen, reichte er ihr die Tafel und nicht zuletzt das leichte Zittern seiner Hand verriet die Regungen in seinem Innersten.




    Decimus Claudius Donatus


    Stand: sui iuris
    Berechtigte Erben: Claudia Antonia, Schwester
    Erbmasse:
    ~ 250 Sesterzen
    ~ ca. 1 Heredium Grundbesitz (Italia)


    ~ Tage später ~


    Noch immer trieb der Mandelbaum seine Blüten weit in den Himmel und flutete mit seinem unaufdringlichen Odor den Garten der Villa Flavia. Gracchus konnte nicht genug davon bekommen, hatte darum seinen Arbeitsplatz erneut in den Garten verlegt, denn der Duft nach Mandel war der Duft nach einem gewissen Öl und damit gleichsam nach Caius, und obgleich dies nicht forwährend in seinen Gedanken Platz fand, so schwebte die sublime Emfpindung doch über allem, ließ eine fortwährende Remineszenz in ihm anklingen, welche ihn mit einem Gefühl der Zufriedenheit belegte. Selbst die sich ständig repetierenden Vorgänge der Abarbeitung der Lectio konnten seine Laune nicht trüben, unermüdlich kämpfe er sich Name um Name, Tabula um Tabula vor, prüfte Stammbäume und Abstammungen, verteilte akkurat Vermögen und Besitz, mochte er noch so gering oder enorm sein. Doch schlussendlich gelangte er zu einem Namen, welcher ihn stutzen ließ. Der Gedanke an ein Dejavu stieg in ihm auf, als er sich des Namens vergewisserte und die Linien der Verwandtschaft im entsprechenden Stammbaum prüfte.
    "Wie kann dies sein?"
    Er hob die Tabula und hielt sie seinem Leibsklaven Sciurus, in diesem Falle seinem Sekretär, hin.
    "Warum wurde er nicht bei der letztigen Erbverteilung berücksichtigt?"
    Der Sklave prüfte den Namen mit einem kurzen Blick. "Er galt zu diesem Zeitpunkt bereits als vermisst. Ich habe mir erlaubt, Nachforschungen bezüglich seines Todes anzustellen. Er verstarb anscheinend auf einer Reise, sein Leichnam wurde in der Fremde traditionsgemäß verbrannt und die Asche erreichte erst vor kurzem samt der Nachricht das Anwesen in Mantua."
    "Tatsächlich? Wie deplorabel. Nicht, dass er traditionsgemäß ... einerlei. Geh und suche meine Gattin. Spute dich und sage ihr, ich muss sie in dringender Angelegenheit sprechen."
    Eine Hand erhoben und die Unterlippe knetend ließ Gracchus versonnen seinen Blick durch den Garten schweifen. Die familäre Situation seiner Gattin war augenscheinlich nicht so deplorabel gewesen, wie es zuletzt für ihn den Anschein gehabt hatte - nur hintergründig schalt er sich des Versäumnisses, so schlecht über diese Familienverhältnisse seiner Gattin informiert zu sein - doch nun war sie es tatsächlich. Da er sich jedoch zuletzt schon um Beruhigung ihrerseits bemüht hatte, was nicht vonnöten gewesen war, so würde er sich dies am heutigen Tage sparen können, gleichsam da sie ohnehin schon von jenen Ereignissen informiert zu sein schien, es vermutlich nur versäumt hatte, ihm davon zu berichten. Er beugte sich vor und griff nach der Tabula mit den Vermögenswerten, gefasst auf jeden noch so marginalen Betrag.

    Schweigend harrte Gracchus weiter bis Helvetius Falco das Officium verlassen hatte, und bedachte seinen Vetter, der eigentlich sein Neffe war, schließlich mit einem nachdenklich musternden Blick. Hätte ein anderer seiner Vettern, einer von jenen, die tatsächlich seine Vettern waren, vor ihm gesessen, womöglich hätte er eine Ahnung über dessen Gedanken von seinem Antlitz lesen können, doch Furianus' Gedanken waren ihm so fremd wie die seines Bruders.
    "Äußerst eigenartig, in der Tat."
    Wie Gracchus die Tatsachen auch beleuchtete, es mochte ihm nicht völlig schlüssig einleuchten, wie ein Sinn in jener Angelegenheit zu finden war, obgleich sich ihm ein Gedanke aufdrängte, welcher jedoch gänzlich absurd war.
    "Ohne voreilige Schlüsse ziehen zu wollen, doch es scheint mir beinahe wie ein Fall versuchter Subreption, obgleich sich mir nicht gänzlich erschließen will, wer in dieser Causa sich wovon genau einen Vorteil verspricht. Womöglich ist es ein Fall von Bestechung?"

    Mit einem freundlichen Nicken grüßte Gracchus auch Durus' Verwandten.
    "Salve, Tiberius. Es ist mir eine Freude, dich kennen zu lernen."
    Bisherig hatte er von jenem Vertreter der Tiberia zwar noch nichts gehört, doch früher oder später mochte dies der Fall werden.
    "Es geht mir hervorrangend, danke", wandte er sich wiederum Durus zu. "Meine Pflichten erfüllen mich mit vollster Zufriedenheit."
    Zumindest der nachfolgende Satz entsprach zweifelsohne durchaus der Wahrheit, wenn auch ersterer nicht von vollster Aufrichtigkeit zeugte. Doch übriges Empfinden denn jenes öffentliche war zu diesem Anlass weder angebracht, noch angemessen, und ohnehin kaum im Interesse des Tiberiers gelegen.
    "Meine Gattin befindet sich gleichermaßen wohl. Der Frühling lässt alle Blumen erblühen, hierbei ist sie keine Ausnahme. Sie bat mich, dir ebenfalls ihre Glückwünsche zu deiner Berufung auszurichten."
    Genau genommen hatte Gracchus nicht den leisten Schimmer einer Ahnung wie das Befinden seiner Gattin war, doch er musste davon ausgehen, dass es gut war, denn anderenfalls hätte man ihn benachrichtigt, hinzukommend war auch in diesem Falle ihr tatsächliches Befinden marginal, ebenso wie jene Dinge, um welche sie ihren Gemahl gebeten hatte oder auch nicht, denn es gab Pflichten, welchen sie nachzukommen hatte, ob sie dies wollte oder nicht, und wenn dies Dinge waren, welche Gracchus ganz ohne ihr Zutun bewirken konnte, so tat er dies, denn dies war immerhin sein Recht.
    "Nun da du bereits deine ersten Sitzungen hinter dir hast, wie ist dein Eindruck vom Geschehen in der Curia Iulia?"

    Als er von einem der Türsklaven den Raum der kleinen Festivität betrat, registrierte Gracchus beiläufig das Arrangement und war noch im Zögern inbegriffen, ob er dies für äußerst gelungen oder beinahe ein wenig zu aufdringlich werten solle, kündete der Raum doch unmissverständlich vom Anlass des Mahles. Bis er zu Durus hin trat, hatte er sich dafür entschieden, die Kombination zwischen senatorischen Wänden und der Karnevalisierung dessen am Personal als durchaus gelungenes Ambiente einzustufen, welches jedoch nicht direkt weitere Beachtung erforderlich machte. Gracchus trat zu dem erst kürzlich ernannten Senator und dessen augenscheinlich ersten Gast, dessen er nicht bekannt war, wartete auf die Gelegenheit Durus zu begrüßen und reichte ihm dazu die Hand.
    "Senator Tiberius, salve! Meinen aufrichtigen Glückwuns zu deiner Erhebung in die Reihen der bedeutsamsten Männer Roms. Es ist mir eine mehr als große Ehre, dies überaus freudige Ereignis mit dir zelebrieren zu dürfen."

    Eine einfache Sänfte, welche weniger durch Prunk, denn durch subliminale Eleganz vom Stand ihres Besitzers kündigte, bog von vier nordisch anmutenden Sklaven getragen die Straße zur Villa Tiberia hin ein, ihr folgten noch einmal vier Sklaven, welche später am Abend für ausreichend Fackelschein Sorge zu tragen haben würden. Vor der Porta schließlich hielt der kleine Tross und Sciurus, einer jener Sklaven, welche der Sänfte folgten, trat an die Türe, um seinen Herrn, Flavius Gracchus zum Gastmahl des Tiberius Durus zu melden. Gracchus entstieg hinter ihm der Sänfte, ließ sich seine Kleidung zurecht zupfen - er trug eine Tunika von dunkelblauer Farbe mit bestickten Besätzen um Kragen, Ärmel und Saum, ebenfalls in Blau gehalten, doch ein wenig heller, dazu eine Toga von gleicher Farbe mit grauem Abschluss - und betrat schlussendlich die Villa, von einem bereitstehenden Sklaven in das Triclinium geleitet.

    Mit einem Blinzeln versuchte Gracchus seine Derangierung hinfort zu treiben, während sein Blick seiner so überaus hastig hinfort eilenden Gattin nach folgte. Er hatte wahrlich nicht das geringste Gespür dafür, was in ihr vor ging, was sie begwegte, geschweige denn, was sie wollte und wünschte. Augenscheinlich wünschte sie jedoch wieder seine Distanz, und obgleich dies tatsächlich nicht weiter verwunderlich war, so kamen doch erneute Zweifel in Gracchus auf, ob sie nicht doch seine Person, sein Wesen, respektive sein Äußeres abstieß, wiewohl sie jenes geleugnet hatte. Ein leiser Laut erhob sich tief aus seinem Bauch und entkam schlussendlich seiner Kehle - Mischung aus Verwunderung, Kummer, Missfallen, Verzweiflung, einen Hauch Ärger und ein Hauch Zufriedenheit - dann wandte er sich um und setzte sich zurück an den Tisch. Obgleich er in seiner Arbeit mit höchster Konzentration fort fuhr, so schaffte er es dennoch nicht, Antonia gänzlich aus seinen Gedanken zu vertreiben.

    Nach ihrem durchaus erfolgversprechenden Besuch im Archiv des Tabularium erreichten der Praefectus Classis Annaeus Florus und der Decmvir litibus iucandis Flavius Gracchus den Tempel der Venus Libitina, nahe der Porta Esquilina. Vor, um und im Tempel herrschte reges Treiben, denn gestorben wurde immer und obgleich ein jeder Mensch dies nur ein einziges mal an einem einzigen Tage tat, so wurde sein Leichnam doch über mehrere Tage hinweg betrauert, nicht nur von der Familie und Freunden, sondern mehr noch von angeheuerten Klageweibern, welche sich neben Leichenwäschern und -wärtern ebenfalls um den Tempel herum rekrutieren ließen, gleichsam wie auch die notwendigen Utensilien zu Aufbahrung und Bestattungsritus im Tempel erworben werden konnten. Doch obgleich Gracchus' Magistratsamt ein niederes war, so war es ein Amt des Cursus Honorum und reichte damit bei weitem aus, um sich in gewissen Bittstellerschlangen ein längeres Warten zu ersparen. So ließ er den Praefectus und sich selbst auf direktem Weg bei einem Sacerdos melden.

    Der Griff seines Vetters kam so unerwartet, dass Gracchus ob dessen zusammen zuckte, doch er stemmte sich nicht gegen ihn, ließ geschehen, was geschah und suchte Caius' Blick. Die Augen seines Freundes verrieten alles, ließen Gracchus bis tief in seine Seele hinein blicken, gleichsam wie seine eigenen Augen ebenfalls für seinen Gefährten ein offenes Fenster zu seinem Ich sein mussten.
    "Ich könnte mir keinen Menschen vorstellen, den ich lieber an meiner Seite hätte, Caius."
    Er tat einen Schritt, zog Aquilius näher und legte ihm den freien Arm um die Schulter, so dass sich ihrer beider Körper an der Brust berührten, einen Augenblick nur, ein Herzschlag, der ganz ihnen allein gehörte, Remineszenz für künftige Tage, Trost für verlorene Stunden. Womöglich konnte es trotz allem wieder sein wie früher, als zwischen ihnen nicht mehr und nicht weniger stand, doch sie sich beide dessen bewusst waren, wo sie zu stehen hatten, und mehr noch wo und wer bei ihnen stand, als die Hitze des ferventen Feuers zwischen ihnen ihre Herzen gewärmt, doch nicht ihre Leiber verbrannt hatte. Sanft, aber bestimmt, schob er seinen Vetter schließlich ein Stück von sich, legte seinen Kopf leicht schief und blickte ihn mit einem sublimen Lächeln an.
    "Aber nicht Marcus Antonius, mein Freund. Denn auch wenn ich nicht erhaben sein mag über Gier, über Eifersucht, Denunziation, Machtstreben und Eitelkeit, so sei dir dessen versichert, was auch immer geschehen mag, du wirst es nicht erleben, dass ich einer Cleopatra verfalle."
    Es geschah äußerst selten, dass Gracchus sein Antlitz auf so offensichtliche Weise nicht im Zaum halten konnte, doch es hatte niemals die Notwendigkeit bestanden, dies vor Aquilius zu tun, weshalb sich seine Mundwinkel weiter anhoben bis er seine Lippen zusammen presste um dem all zu eklatanten Schmunzeln entgegen zu wirken.
    "Womöglich sollten wir unsere Rollen tauschen. Nicht, dass ich dir das Anrecht auf den Platz des ersten Bürgers nehmen wollte, auch nicht auf ein langes Leben, doch du gibst viel mehr den Anschein eines Soldaten und vielleicht findest du eines Tages deine Cleopatra. Während mir Antonia viel eher das Potential einer Livia zu haben scheint."
    Tatsächlich befürchtete Gracchus an manch spätem Abend, seine Gattin würde eines Tages beginnen seine Lebensfäden aus dem Hintergrund heraus zu spinnen, doch obgleich der Gedanke sonst mehr dazu gehalten war, ihn zu beunruhigen, so gereichte er ihm in diesem Augenblick in jenem Gesamtbild doch eher zur Belustigung. Schlussendlich winkte er jedoch ab.
    "Nein, lass uns dies in seiner Gesamtheit noch einmal überdenken. Ich bin der Ansicht, wir sind über dieses Alter hinaus, in welchem wir uns in unserem jugendlichen Wahn die Historie biegen müssen, auf dass sie uns zur Freude gereicht. Und ich will nicht im Kampf gegen dich antreten und schlussendlich deinen Leichnam aufsammeln. Wie wäre es mit Alexander und Hephaistion? Ein großer Eroberer, dies passt zu dir, und ich könnte mich durchaus an den Gedanken gewöhnen, nach einem Trinkgelage dahinzuscheiden, denn an den Tagen nach übermäßigem Weinkonsum hatte ich noch ein jedes Mal das dumpfe Gefühl an den Folgen dessen auf solch unrühmliche Art und Weise verenden zu müssen."

    Sim-Off:

    In meiner Recherche habe ich eben festgestellt, dass augenscheinlich im Tempel der Venus Libitina historisch auch die Totenlisten geführt wurden.


    Nicht nur seine Arbeit als Decemvir litibus iucandis brachte ihn ab und an mit der Priesterschaft der Libitina in Berührung, auch vor seiner Amtszeit wäre Gracchus dieser Weg kein unbekannter gewesen, hatte er doch immerhin lange genug im Cultus Deorum gedient. Da ohnehin nur ennuyante Verwaltungsarbeit auf ihn wartete, welche zudem nicht dringlich war, und er den Dienst seiner Person gleichsam lieber den Lebenden zur Verfügung stellte denn den Verstorbenen, erklärte er sich bereit, Anneus zum Tempel zu geleiten, obgleich dies ein nicht geringer Weg war, über das gesamte Forum und um den Esquilin herum.
    "Ich werde dich gerne begleiten, Praefectus. Der Tempel steht unweit des esquilinischen Tores."

    Gracchus indes ließ sich nicht lange bitten. Als er seiner Schwester gegenüber trat, wurde er sich bewusst, welche Erleichterung es war, dass sie hier im Haus der Vestalinnen lebte, denn nirgendwo sonst könnte eine römische Frau sicherer sein.
    "Salve, Agrippina. Wie geht es dir?"
    Ein unscheinbares Nicken genügte, dass der Sklave die Liste präsentierte.
    "Ich benötige wieder die Überprüfung einiger Testamente. Doch ich bin nicht nur aus amtlichem Anlass hier."
    Er stockte und wusste nicht recht, wie er fortfahren sollte. Obgleich Agrippina rechtlich gesehen nicht mehr Teil der Flavia war, so gehörte sie dennoch zur Familie und da sie seine ältere Schwester war, fühlte sich Gracchus verpflichtet, ihr von den überaus unangenehmen Neuigkeiten zu berichten.
    "Nun, Minervina reiste vor einiger Zeit nach Hispania. Ich ... konnte sie nicht davon abhalten, diese unnütze Reise zu dieser Jahreszeit in diese derzeitig so zerrüttete Provinz zu unternehmen, obgleich ich es wahrhaftig versuchte, dies musst du mir glauben. Nachdem sie nichts von sich hatte hören lassen, kam nun unlängst eine Nachricht, welche dies erklärte."
    Sogleich hob er beschwichtigend die Hände, noch ehe er überhaupt zum Kern der Angelegenheit hervorgedrungen war.
    "Es geht ihr gut, den Umständen entsprechend zumindest. Sie wurde ... sie wurde entführt."
    Es kostete ihn einiges an Mühe, nicht erneut in Zorn zu geraten, ob dieser Dreistigkeit, und die Contenance zu wahren, welche nicht nur öffentlich von ihm erwartet wurde, sondern ebenfalls gegenüber Agrippina, die mehr noch als seine Schwester die Virgo vestalis maxima war.
    "Der Praefectus Praetorio Caecilius Crassus hat sie ausgelöst, frage mich nicht, wie es dazu kam, doch Minervina ist augenblicklich im Lager der kaiserlichen Garde in Hispania und obgleich ich nicht sehr glücklich darüber bin, so ist sie dort doch soweit in Sicherheit. Sobald meine Amtszeit vorüber ist und die Situation es erlaubt werde ich nach Hispania reisen und sie nach Hause holen. Ich wollte nur, dass du dies weißt bevor etwaige Gerüchte beginnen zu kursieren."

    Dem Iuppiter noch immer tief verbunden hatte Gracchus an diesem Tag seinen Weg hinauf zum Tempel des Iuppiter Capitolinus angetreten, um den Riten der Vinalia priora beizuwohnen. Es kommt ihm vor, als wäre es erst gestern gewesen, dass er selbst als leitender Sacerdos die Vinalia rustica zelebriert hatte und mit einem seltsamen Gefühl im Magen erinnerte er sich an die nachfolgende Feierlichkeit im Hause der Artoria. Wie der Wein selbst, eingeschlossen in seinen Fässern, so war auch Gracchus womöglich mittlerweile ein wenig gereift, selbst gleichwohl wenn nicht, so war seine Zeit als Sacerdos beendet und er nurmehr Partizipient, was dem Anlass der Zeremonie jedoch keinesfalls an Reiz nahm.

    Er hatte es vergessen. Die Erkenntnis fiel auf Gracchus hinab wie jener Felsen, welchen er erst kurz zuvor noch von seinem Herzen geschafft hatte, doch augenscheinlich war die Erde rund, der Felsen hinab und hinab gefallen, einmal um die Welt, um nun wieder über ihm zu schweben und auf ihn hinauf zu fallen und unter sich zu erdrücken. Zerbrechen in tausende Splitter von dunshafter Leichtigkeit, zermalmt werden unter Massen an drückendem Gestein - gab es denn keine Festigkeit wo Auflösung drohte, gab es denn keine Leichtigkeit unter der Last? Aquilius' Sätze wurden zu einem fernen Flüstern, seine Silhouette vor dem Fenster undeutlich, verschwommen, seine Worte verschwanden hinter einem dicken Regenschleier in Gracchus' Kopf. Es war alles verloren, der Wind hatte es hinfortgeweht, der Regen hinfortgespült und die Strömung mit sich hinfortgetragen, einzig was nicht sein durfte, war geblieben. Es war ein Fluch - was anderes konnte es sein, dass Caius sein Leben vergessen hatte, dass Caius seine Familie vergessen hatte, dass einzig er - Gracchus - und ihre unsägliche Liebe alles, was ihm noch geblieben war, er, der sein Unglück war, diese Liebe, die er nur hätte vergessen müssen um glücklich zu sein? Gracchus wollte zerbersten, wollte nicht mehr ertragen, wollte ein letztes mal zerspringen und zerbrochen am Boden verstreut bleiben, sich nie wieder zusammen setzen. Wie oft musste er das Leben seines Geliebten noch zerstören, bis dies ein Ende fand? Es war die Art, wie Aquilius stockte, als er von Gracchus' Ehe sprach, die Pause, welche daraufhin folgte und wie sich sein Körper versteifte, die Gracchus schlussendlich dazu trieb, seinem Vetter zu folgen, sich neben ihn zu stellen und seinen Blick mit ihm aus dem Fenster hinaus zu richten.
    "Es tut mir Leid, Caius. Du glaubtest hier einen Freund zu finden, mehr noch, doch alles, was ich dir je geben konnte war nur Unglück. Alles, was ich dir geben kann an Erinnerung wird nur weiteres Unglück sein. Ich wünschte, du hättest anstatt all der anderen Gedanken nur mich vergessen können, denn obgleich es mir das Herz zerbrochen hätte, du hättest dabei deine Freiheit gefunden."
    Es drängte ihn danach seinen Vetter zu berühren, nur eine Hand auf der Schulter, doch Gracchus zwang sich seine Hände bei sich selbst zu lassen, denn jede Berührung würde alles nur weiter verkomplizieren.
    "Der Dienst im Tempel ist gut. Irgendwann vielleicht werden uns die Götter verzeihen, irgendwann ..."