Ein breites Lächeln legte sich über Gracchus' Gesicht, als nicht seine Gattin, sondern seine Schwester den Raum betrat.
"Minervina, wie hinreißend du aussiehst. Ich glaube beinahe, man hat mir nicht meine Schwester aus Aegyptus zurück gesandt, sondern gar die verschollene Königin des Reiches. Nun, ich kenne die Speisewahl nicht, ich möchte mich überraschen lassen und habe mich davor gehütet, sie nachzufragen. Ich vertraue dir voll und ganz."
In diesem Augenblick führte der Ianitor auch bereits den Gast herein. Gracchus trat sogleich auf ihn zu und begrüßte ihn, nebenbei den äußerst passend gekleideten Sklaven bemerkend.
"Tiberius, welch eine Freude, dich in unserem Haus begrüßen zu dürfen. Darf ich dir meine Schwester vorstellen, Flavia Minervina."
Und zu Minervina gewandt.
"Minervina, dies ist der Aedilis Curulis, Manius Tiberius Durus."
Beiträge von Manius Flavius Gracchus
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Zitat
Original von Quartus Flavius Lucullus et Lucius Flavius Serenus
Es war nicht zu übersehen, dass Lucullus mit aller Kraft gegen das zermürbende Fieber ankämpfte. Gracchus würde für einen neuen Medicus Sorge tragen, denn auch wenn sein Bruder auf die Künste des jetzigen vertrauen mochte, Gracchus tat dies nicht. Womöglich konnte Leontias Leibarzt einmal vorbei sehen, zudem würde Gracchus seinen Sklaven in die Stadt schicken.
"Ich werde Apollon und seinen Sohn Aesculapius um Beistand bitten, dessen sei dir versichert. Wenn du sonst etwas brauchst, so zögere nicht, danach zu verlangen, es soll dir an nichts mangeln, Bruder."
In diesem Augenblick öffnete sich nach einem leisen Klopfen die Türe und ihrer beider Neffe Serenus steckte seinen Kopf in den Raum hinein. Gracchus wandte sich der Türe zu und winkte ab.
"Nicht jetzt, Serenus, deinem Onkel geht es nicht gut."
Er wollte sich bereits wieder seinem Bruder zuwenden, als ihm ein Gedanke kam.
"Geh und sag Sciurus, dass er ein Zicklein besorgen soll, ein weißes, und er soll sich sputen. Er weiß dann, was zu tun ist. Du, Serenus, warte hernach im Atrium auf mich, ich werde gleich bei dir sein."
Sodann blickte er zu Lucullus und ein aufmunterndes Lächeln legte sich auf seine Lippen.
"Besser jetzt, denn später. Bis spätestens zu den Parentalia musst du wieder auf den Beinen sein, ich werde mit etwas Glück dann Magistrat Roms sen und wir brauchen einen Sacerdos in diesem Haus, du weißt doch, einige unserer Vorfahren sind äußerst rastlos." -
In ausnehmend guter Laune betrat Gracchus das Triclinium, in welchem bereits alles für das Mahl vorbereitet war. Er war gekleidet in eine beigefarbene Tunika mit feinen orangeroten Mustern und aufwändig verzierten Borten, und ein dunkles, rotfarbenes Pallium. Mit einem amüsierten Lächeln griff er nach einem steinernen Skarabaeus auf dem Tisch und betrachtete ihn eingehend. Die Dekoration des Raumes war auf Minervinas aegyptisches Essen abgestimmt, tönerne Sphingen bewachten die Türe, neben den Skarabaeen waren kleine Pyramiden auf dem Tisch verteilt und dunkelhäutige, mit aegyptischem Schmuck behangene Sklaven hielten Palmwedel bereit, obwohl es trotz der Kohlebecken kaum so heiß werden, dass man ihrer Dienste bedürfen würde. Gracchus stellte die Figurine zurück auf den Tisch und bedachte die Sklaven mit musterndem Blick. Er hoffte nur, dass auch die Speisen so exquisit und dennoch bekömmlich sein würden, denn auch wenn er Tiberius zu seinem Bekanntenkreis zählen durfte, so sicherlich nicht zu seinem Freundeskreis, daher wäre es äußerst unangenehm, wenn irgend etwas an diesem Abend schief gehen würde. Ein wenig ungeduldig wandte er sich der Türe zu, mehr noch als um das Mahl sorgte er sich um seine Gattin Antonia.
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Dass Senator Vinicius ein Versäumnis bezüglich seiner Aufzählung entdeckt hatte, dies verwunderte Gracchus weder, noch war es blamabel, galt der Senator doch als Koryphäe bezüglich römischen Rechtes im gesamten Imperium Romanum. Da augenscheinlich die Lex Iulia et Papia nicht zur jener durch den Senator angesprochenen Überprüfung und Unterscheidung würde ausreichen, würde sich Gracchus dementsprechend noch einmal weiterbilden müssen.
"Bis zum Tage der Wahl wird es mir sicherlich möglich sein, meinen Mangel an diesbezüglichem Wissen auszumerzen. Einen Cursus Iuris habe ich noch nicht abgelegt, Senator." -
Ein wehmütiges Lächeln kräuselte Gracchus' Lippen, sein Blick richtete sich sehnsuchtsvoll in die Ferne.
"In der Tat ... Caius ... ihn habe ich vergessen ..."
Keinen Augenblick war er zu solcherlei Tat in der Lage, mochte Aquilius in noch so weiter Ferne weilen. Zuerst hatte Gracchus geglaubt, dies würde alles leichter machen, den Gefährten nicht ständig in seiner Nähe zu wissen, hatte geglaubt, dass es ihm so womöglich auch leichter werden würde, Antonia aufzusuchen. Doch nichts von all dem war geschehen, er sehnte sich nach Caius' Nähe, tagtäglich verzehrte er sich nach dessen Gesellschaft und je weniger er dies erlangen durfte, desto weniger wollte er an seiner statt seine Gattin um sich haben. Die Saturnalia gedachten den goldenen, den guten alten Zeiten, und Gracchus wünschte sich ebenfalls in diese Zeit zurück, denn dort wäre ihm alles einfacher. Doch die Zeit war unbarmherzig, ließ sich nicht zurückdrehen, nicht einmal anhalten und an keinem Tag war der Fluss genau so, wie noch einen Augenblick zuvor. Aristides' Worte holten Gracchus erneut zurück an den Tisch. Er kannte diesen Spruch, den sein Vetter zitierte, und er war sich sicher, dass dieser Spruch noch eine weitere Zeile hatte, irgend etwas mit der Liebesgöttin Venus, doch es wollte Gracchus nicht einfallen, wie dieses Ende war, noch, von welchem Dichter überhaupt die Zeilen stammten. So überging er dies und stimmte Aristides hinsichtlich seines Sklaven zu.
"Er will uns nicht nur verhungern lassen, sondern auch verdursten, wie mir scheint. Mein Sklave taugt heute zu gar nichts, und er hat Glück, dass er heute kein Sklave ist."
Mit einem amüsierten Blitzen in den Augen prostete Gracchus seinem Sklaven zu und leerte seinen Becher. Ein Fehler, wie er sogleich feststellte, denn Hannibals Worte erforderten ebenso ein Prosit. Darum wartete er nur kurz, bis der Becher gefüllt war, und erhob ihn sogleich erneut.
"Auf die Liebe! Was wäre die Welt nur ohne sie? Viel einfacher und weniger schmerzlich sicherlich ..."
Er erstickte ein schweres Seufzen mit dem nächsten Schluck Wein. Sodann besah er sich die Süßspeisen auf dem Tisch.
"Sind wir schon beim Nachtisch angelangt?"
So recht konnte er sich gar nicht mehr an die Hauptspeise erinnern, denn langsam bekam er ohnehin Schwierigkeiten mit der Auffassungsgabe und dem Erinnerungsvermögen.
"Hatte ich nicht noch ein Geschenk nach dem Essen zu verteilen?"
Sicher war er sich nicht, doch etwas dieser Art war noch in seinen Gedanken. Er wandte sich mit hilfesuchendem Blick an Sciurus.
"Habe ich?" -
Erschrocken wehrte Gracchus ab.
"Aber Leontia, ich sprach doch nicht von Mord! Ich würde niemals auch nur im Entferntesten an solcherlei in Bezug auf Antonia denken! Unsere Rechte gestatten es mir jederzeit, mich von ihr zu lösen, und wenn sie nicht dazu fähig ist mir einen Erben zu schenken, so wird dies womöglich eines Tages die letzte Lösung sein. Doch soweit ist es noch nicht. Nun, ich sprach von den Remedia amoris des Ovid, auch wenn jene sich eher an denjenigen wenden, der sich von seiner Liebe lösen möchte, so sind einige der Passagen sicherlich tauglich, auch bei jenem Verwendung zu finden, der sich allgemeinhin von seiner Beziehung lösen will. Im Übrigen lege ich dir nahe, dir diese und auch die Ars Amatoria in einer ruhigen Stunde durchaus einmal zu Gemüte zu führen, denn glaube niemals, was Männer über ein Werk schimpfen, die sich selbst tugendhaft und weise nennen. Ob jenes Werk tatsächlich skandalumwittert ist, dies wirst nur du alleine bestimmen können."
Ein hintergründiges Lächeln kräuselte seine Lippen, dann wandte sich Gracchus ihrer Frage bezüglich seiner Berufung zu.
"Der Cultus Deorum war bereits meine Bestimmung, noch bevor ich das Licht der Welt erblickte. Meine Eltern hatten sehr genaue Pläne bezüglich ihrer Nachkommen und sie wollten vermeiden, dass wir allzu sehr in Konkurrenz treten würden. Animus sollte in die Fußstapfen unseres Vaters treten, eines Tages ein bedeutendes Kommando führen, mir selbst war der Platz im Cultus vorgesehen, für Lucullus ein hohes Amt in der Verwaltung angedacht, möglicherweise im kaiserlichen Palast. Die Grundzüge unserer Ausbildungen waren natürlich ähnlich, doch sie waren ebenso sehr genau auf jene Wege abgestimmt. Als Kind konnte ich den Nutzen dieser Entscheidung lange Zeit nicht verstehen, ich sträubte mich regelrecht gegen den mir zugedachten Weg."
Ein wenig verlegen betrachtete Gracchus seine Finger.
"Ich wollte Soldat werden, wie mein Vater, eine Legion in den Sieg führen und als Triumphator nach Rom zurück kehren. Ich denke Aquilius hatte einen großen Anteil daran, dass ich von diesem Wunsch abstand nahm, mit ihm gemeinsam waren die Studien ein Leichtes und schließlich fand ich regelrechten Gefallen an Schriften, Philosophieen, Gedankengebäuden und der Aussicht, eines Tages ein Amt im Cultus Deorum zu bekleiden und damit dem Wunsch meines Vaters zu folgen. Dann jedoch ... nun ... du weißt ... Animus ... auf einmal geriet dieses ganze Gefüge ins Wanken. Meine Eltern haben ihn nie aus der Familie verstoßen, doch mit einem Mal musste alles so sein, als hätte es ihn nie gegeben. Was ich mir als kleiner Junge gewünscht hatte, sollte plötzlich mein Weg werden, Vater drängte mich in die Rolle des Erstgeborenen und bestand darauf, dass ich mich so bald als möglich einer militärischen Karriere zuwenden solle. Lucullus fiel es natürlich leicht, seinen Weg nun in den Cultus Deorum anzustreben, seien wir ehrlich, ein Leben als drittgeborener Sohn in der Verwaltung ist sicherlich eine Art der Pflichterfüllung, doch ob es ausfüllend sein mag, dies sei dahin gestellt. Doch ebenso ehrlich betrachtet war ich längst nicht mehr für eine Laufbahn in der Legion geeignet, nicht einmal für eine der städtischen Einheiten. Ein zeitliches Tribunat erachte ich als Chance, ich gedenke dies durchaus vielleicht einmal in meinen Weg einzufügen, doch dauerhaft in einer Einheit meinen Dienst zu tun, den ganzen Tag herumreiten, zu Feldzügen aus zu ziehen, in Zelten zu schlafen, Tote und Verwundete vor Augen, ich würde dies nicht lange aushalten, so deplorabel dieses Eingeständnis auch sein mag. Erzähle es niemandem, Leontia, ich bitte dich darum, doch Mut und Tapferkeit sind jene Tugenden, von denen ich befürchte, dass sie mir niemals zueigen sein werden."
Zudem wäre Gracchus nicht in der Lage Blut fließen zu sehen, nicht fremdes und erst recht nicht sein eigenes. Auqilius hatte ihn schon in Achaia damit geneckt, eines Abends hatte er ein Messer gezogen, sich in die Hand geschnitten und die blutende Wunde unter Gracchus' Nase gehalten, welchem daraufhin schwarz vor Augen geworden war. Ihr Gefährte Lucius und Aristides hatten sich bestens amüsiert, auch später am Abend noch, da Gracchus seinem Magen nicht mehr als trockenes Brot zumuten wollte.
"Nun, ich schob diese Entscheidung hinaus, grollte innerlich meinem Vater, dass er von mir verlangte, Anmius' Verfehlung zu korrigieren. Ich widmete mich mehr und mehr den Studien, verließ Achaia nicht und beantwortete alle Anfragen meines Vaters damit, dass die Zeit noch nicht reif sei. Dies tat ich so lange, bis er schleßlich starb, und selbst danach konnte ich mich zu keiner Entscheidung bewegen, weder zugunsten des Militärs, noch traute ich mich dem Cultus Deorum beizutreten, wonach alles in mir drängte. Dies war keine rühmliche Zeit, beileibe nicht, vorallem da ..."
Er zögerte, war sich nicht sicher, wieviel er davon Leontia anvertrauen konnte, und überhaupt sollte.
"Nun, die Götter erreichten schließlich, was meinem Vater nicht möglich war, sie erzwangen meine Entscheidung, verwoben mein Leben in ein verworrenes Netz, aus welchem es für mich schlussendlich nur noch einen Ausweg gab. Ich schrieb dir dies nie, doch ich verließ Achaia nicht, da meine Studien beendet waren, ich hatte sie schon lange zuvor abgeschlossen, so sie dies überhaupt jemals sind. Ich verließ die Provinz fluchtartig, legte mein Leben in die Hand Juppiters, legte einen Eid zu seinen Gunsten ab, damit er mich sicher nach Rom geleiten würde. Er tat nicht nur dies, sondern führte mich damit gleichermaßen auch dorthin, wo ich sein wollte, wohin mir jedoch die Pflicht als Sohn und die als Bruder den Weg versperrt hatten. Ich habe oft darüber nachgedacht seit ich wieder hier bin, vor allem auch seit Lucullus ebenfalls wieder in Rom weilt um seinerseits seinen Weg pflichtbewusst zu gehen. Mein Vater mag anderes vorgesehen haben, doch ich bin mittlerweile der Ansicht, dass ich Rom weit mehr dienen kann, indem ich mein Leben in den Dienst der Götter stelle, statt in den Dienst des Militärs. Und dies ist alles was zählt, denn Rom steht noch vor der Familie." -
Ihre Reaktion, ihre Worte waren für Gracchus wie ein Schlag ins Gesicht und es kostete ihn einiges an Mühe, Antonia nicht mit offen stehendem Mund und tumbem Gesichtsausdruck nur anzustarren. Sollte sie nicht auf seine Worte in erwarteter Weise reagieren, so hatte Gracchus mit Desinteresse wie bisher auch gerechnet, ein einfaches 'Ja, Manius', eisige Stille oder ähnliches. Doch ihr Gefühlsausbruch war so völlig unerwartet, dass er ihn durchaus beindruckte und zudem noch mehr verunsicherte, als er es ohnehin schon war. Dahin waren alle Vorsätze der Poesie und Nettigkeit, dahin waren alle Vorsätze des bestimmten Wortes, doch ebenfalls dahin war sie, die Mutlosigkeit, die ihn zur Flucht trieb. Würde er sich nun abwenden, so würde er seiner Gattin nie wieder unter die Augen treten können, dessen war er sich sicher.
"Ich ..."
Natürlich fiel es ihm schwer, in ihrer Nähe zu sein, jedoch nur, weil sie ihn dermaßen verachtete. Er schüttelte verwirrt den Kopf, es war ihm nicht mehr gegeben, seine Farce aufrecht zu erhalten, sie hatte ihn völlig derangiert.
"Es liegt mir fern, dich zu verspotten, Antonia, meine Worte waren mir durchaus ernst. Es mag sein, dass ich deine Nähe nicht unbedingt suche, doch dies kommt nur daher, da du mir fortwährend das Gefühl vermittelst, dass ich das Schlimmste bin, was dir je passiert ist. Bei den Göttern, es mag mir nicht leicht fallen, eine Frau zu berühren, doch wie soll ich dies tun, wenn sie mich ansieht, als wäre ich ein Ungeheuer, sobald ich nur in ihre Nähe komme? Weißt du, wie oft ich bereits vor deiner Türe stand? Wie oft ich vor dieser Türe stand mit der Absicht bei dir zu liegen? Ich mag nicht von Sinnen geraten bei diesem Gedanken, doch dein Körper ist makellos, wohlgestaltet wie der einer Staute, deine Haut ist weich wie die eines Pfirsichs, sie duftet nach teuren Ölen und sie schmeckt süßlich, und es gibt nichts daran, was abstoßend wäre und mich von der Erfüllung meiner Pflicht abhalten könnte, schon gar nicht, da dies einzig einen winzig kleinen Augenblick der Freiheit bietet, der sonst niemals in diesem Leben möglich ist. Doch ein jedes mal brannte mir dein stechender Blick schon durch das feste Holz auf der Seele, ich konnte deine eisige Stimme schon in meinen Ohren hören, und dies bewog mich dazu, wieder umzukehren. Es gefällt mir nicht im Geringsten so wie es ist, gegenteilig, es peinigt mich in meinen Gedanken und es demütigt mich Tag für Tag, du demütigst mich Tag für Tag und ich bin nicht mehr dazu bereit, dies hinzunehmen!"
Seine Stimme hatte langsam an Stärke zugenommen, doch letztlich ließ er nur seine Schultern sinken. Er ließ sich bereits viel zu sehr gehen, doch diese Frau war tatsächlich mehr als dazu in der Lage, ihn in emotionalen Aufruhr zu versetzen. -
Obwohl Gracchus beinahe befürchtete, dass Minervina bei der Zubereitung der Speisen nicht nur Anweisungen geben, sondern gar am Ende selbst in den Töpfen rühren würde, so sagte er nichts weiter dazu. Ein jeder Mensch hatte seine kleinen Schwächen und so sie nicht Überhand nahmen, konnte man sie durchaus tolerieren.
"Ich bin sehr gespannt, was du uns zubereiten lassen wirst."
Gracchus selbst hatte einen eher merkwürdig anmutenden Geschmack, er liebte Scharfes, gleichsam auch absonderliche Kombinationen, Süßes mit Saurem oder pikant gewürzte Süßspeisen. In Achaia hatte das Haus, in welchem er erzogen wurde, einst einen Koch aus den Tiefen der östlichen Gebiete beherbergt, bei welchem Gracchus voll und ganz auf seine Kosten gekommen war. Die Küche Roms, vor allem die der flavischen Villa, befand er dagegen meist für eher seicht und langweilig. Wie Gracchus an eben jenen Koch und dessen Künste dachte wurde er indes völlig überrumpelt durch Minervinas Umarmung.
"Bitte."
Es war mehr eine automatische Reaktion auf ihren Dank, denn ein bewusst gesprochenes Wort. Bevor er redoch weiter reagieren konnte, hatte sich seine Schwester bereits verabschiedet und Serenus platzte herein.
"Ich werde dir bezüglich des Termines Bescheid geben."
Nachdem Minervina den Raum verlassen hatte, bedachte Gracchus seinen Neffen mit einem äußerst missbilligenden Blick. Schließlich jedoch setzte er eine neutrale Miene auf, lehnte sich zurück und verschränkte seine Hände ineinander.
"Sei mir gegrüßt, Serenus. Weißt du, was es ist, das große Männer groß macht? Ich meine damit nicht die körperliche Größe, sondern jene des Geistes. Nun, ich will es dir sagen, es sind die Tugenden, welche uns von unseren Ahnen gegeben wurden, und das Streben danach. Waren diese Tugenden bereits Teil deiner Ausbildung, Serenus?" -
Gracchus neigte etwas den Kopf um ein Nicken anzudeuten. Dass ausgerechnet Vinicius eine Frage stellte und so seine Aufmerksamkeit auf sich zog, dies brachte Gracchus ein wenig ins Schwitzen, doch er hielt an sich und beantwortete die Frage umgehend.
"Nicht die Erbschaft an sich möchte ich als Banalität bezeichnen, Senator Vinicius, auch nicht das Erbrecht, sondern die Abarbeitung eines Erbfalles, denn andernfalls würde der Staat diese Aufgabe kaum einem Vigintiviren anvertrauen, von welchem er gleichsam nicht verlangt, auf dem Gebiet der Rechtsfragen die gleiche Sicherheit aufzuweisen, wie dies ein Praetor tun muss. Natürlich bedingen auch die Aufgaben eines Decemvir litibus iudicandis ein gewisses Maß an Eigenverantwortung, doch ist unser Erbrecht äußerst umfassend abgehandelt, so dass im Grunde sicherlich der überwiegende Anteil der Erbfälle guten Gewissens anhand der Gesetze abgearbeitet werden kann. Natürlich strebe ich dieses Amt dennoch, oder vielleicht auch gerade deswegen, nicht unvorbereitet an. Bereits im Vorfeld beschäftigte ich mich mit den Modalitäten des Erbrechtes, machte mich kundig bezüglich des Unterschiedes in der Verfahrensweise mit Erbmasse bezüglich eines Verstorbenen so er alieni iuris oder sui iuris stand, bildete mich hinsichtlich Intestat-Erbrechtes, Verteilung des Erbes unter Agnaten und der Verteilung der Dos bezüglich kinderloser oder kinderreicher Ehe weiter, und ließ mir eine Abschrift der Lex Iulia et Papia anfertigen. Das alles macht mich sicherlich noch zu keinem Experten auf jenem Gebiet, doch ich bin bereit mir jegliches weitere notwendige Wissen anzueignen." -
Aedilis Curulis M. Tiberius Durus , Villa Tiberia, Roma
M.F.G. M.T.D. S.P.D.
Es wäre mir eine Ehre, Dich ANTE DIEM V KAL FEB DCCCLVII A.U.C. (28.1.2007/104 n.Chr.) zu einem Mahl in der Villa Flavia in Roma begrüßen zu dürfen. Die Speisen werden ausgesucht sein durch meine Schwester Minervina und einen Hauch von Aegyptus in unsere winterliche Hauptstadt bringen. Sollte ein Erscheinen Deinerseits nicht möglich sein, so lasse mich dies bitte wissen.
Ave atque vale,
M. Flavius Gracchus -
Es war vollkommen gleich, wie Antonia seinen Namen aussprach, entweder es klang, als würde sie seine Person gleichzeitig durch einem Mühlstein mahlen, oder so wie an diesem Tage, als würde sie sich an seiner Person nicht nur verschlucken, sondern gleichsam daran ersticken. Was hatte er dieser Frau nur angetan, dass sie ihn so sehr verachtete? Den Rest des Abends würde er wieder bei jeglicher Nennung seines Praenomens in Erinnerung an ihre Stimme ein grauenhaftes Schaudern verspüren. Er hätte einen Sklaven schicken sollen. Sollte er sie nun bitten, oder ihr befehligen?
"Ich möchte dich um einen Gefallen bitten, Antonia. Es geht dabei nicht um mich, sondern um die Zukunft meiner Schwester Minervina."
Die Wahrheit war noch immer das beste Argument, und auch wenn diese gesamte Ehe aus einer einzigen Farce bestand, so mussten nicht zudem auch noch Lügen in ihr Geflecht eingewoben werden.
"Ich werde den Aedilis Curulis Tiberius zu einem Mahl laden, Minervina wird daran ebenfalls teilnehmen. Wir sind auf der Suche nach einem angemessenen Gatten für sie und es wäre ihr leichter, wenn du ebenfalls an diesem Abend deinen Platz an meiner Seite einnehmen würdest."
Was tat er nicht alles für seine Schwester. Ihm wäre an diesem Abend, seine Gattin so dich bei sich wissend, sicher nicht leichter. Er bemerkte, dass Antonia seinen Blick mied und ließ daraufhin seinen eigenen auf den roten Stoff gleiten, der in ihren Händen sanfte Falten warf. Bald würde auch er Falten werfen, wäre ein alter, gebeugter Mann und noch immer ohne Erben. Poesie, dies hatte Leontia geraten. So hob Gracchus seinen Blick und musterte seine Gattin von der Seite, die weichen Linien ihrer Wangen, die gerade Nase und das wellige Haar. Seine Stimme war kaum mehr als ein nachdenkliches Flüstern.
"Du, mein Leben, versprich mir, dass diese, unsere Liebe
zwischen uns angenehm sein wird und hält.
Große Götter, bringt sie dazu, die Wahrheit zu sagen
und dies ehrlich vom Grunde ihres Herzens zu sprechen,
so dass es uns gewährt ist, dass dieser ewige Bund unserer
geschützten Freundschaft für unser ganzes Leben anhält."
Einen Augenblick hielt er inne, horchte in die Stille hinein und auf seinen eigenen Atem, dann fuhr er fort.
"Catullus hat dies verfasst und manches mal glaube ich, dass der Schreiber ein äußerst begünstigter Mann gewesen sein muss. Ich habe viel über uns nachgedacht, Claudia Antonia, doch es will mir nicht in den Sinn kommen, worin der Fehler dieser Ehe liegt. Doch dass sie mit einem Makel behaftet ist, dies lässt sich kaum bestreiten. Ich bin kein Unmensch, Antonia, auch wenn ich mir in deiner Nähe manches mal vorkomme wie ein solcher, und ich will nicht auf Dinge bestehen, welche ohnehin nur nebensächlich sind. Diese Ehe mag so fortdauern, wie bisher, wenn es dies ist, was du dir wünschst, doch auf gewisse Punkte werde ich bestehen müssen."
Seine Stimme war noch immer leise, in gewissem Maße bedauernd. -
Zum ersten Mal in seinem Leben betrat Gracchus die Curia Iulia während sich dort die Senatoren versammelt hatten. Breits seit dem frühen Morgengrauen war er auf den Beinen und zugegebenermaßen war er nervös, nervöser, als er dies vor einem Gang auf die Rostra je sein könnte. An der Rednerbühne versammelte sich für gewöhnlich allerlei verschiedenartiges Volk, von stümperhaften Versuchen die Kandidaten zu verdrehten Aussagen zu führen, über wohlwollend eingreifende Nachfragen, bis hin zu ernst geführten Diskussionen konnte dort alles vorkommen. Hier im Senat jedoch saßen ausnahmslos in der Kunst der Rhetorik geschulte Männer, jedes Wort wurde mehr als einmal durchdacht, bevor es gesprochen wurde, auf Rede folgte Gegenrede, hier fielen keine unbedachten Äußerungen frei aus einer Laune heraus, hier wurde die Politik des Staates disputiert. Die Rostra war eine Spielwiese gewesen, doch dies, dies war die pure Macht Roms. Als der Consul ihn zur Rede aufforderte, erhob sich Gracchus und trat vor die Senatoren hin. Ein wenig fühlte er sich wie ein Supplikant, doch seine Haltung war aufrecht und seine Stimme klar und laut, als er zum Sprechen anhob.
"Salvete, Senatores!
Ich danke euch für die Gelegenheit, hier in diesem Gremium meine Ziele und Intentionen für die hoffentlich vor mir liegende Amtszeit eröffnen zu dürfen. Erlaubt mir kurz, mich für jene vorzustellen, welche mit meiner Person nur wenig verbinden können. Mein Name ist Manius Flavius Gracchus, ich entstamme der Familie des Titus Flavius Vespasianus, einst Praefectus Urbi, und der Diva Flavia Lacrima Nyreti, ehemalige Procuratrix der Provincia Aegyptus. Nach meiner Ausbildung in Achaia trat ich dem Cultus Deorum bei, um dem Staat zu Diensten zu sein, denn das Wohlergehen der Götter ist seit jeher eng verknüpft mit dem Wohl des Staates. Vor zwei Amtszeiten schließlich entschloss ich mich, mein Streben gänzlich dem Staat zu widmen und kandidierte erfolreich zur Quaestur. Jene absolvierte ich als Quaestor Principis, und ich möchte behaupten, dass ich meine Aufgaben dabei pflichtbewusst und ordnungsgemäß erfüllte. Auf Weisung des Imperator Caesar Augustus hin prüfte ich gemeinsam mit meinem Amtskollegen Tiberius Durus den Codex Universalis auf Makel hinsichtlich der Formulierungen, die Arbeiten an der Chronicusa Romana koordinierte ich und fasste selbst jene Teile für Roma und Hispania zusammen, zudem bemühte ich mich um die Ausrichtung von Feiertagen während meiner Amtszeit. Nach meiner Quaestur kehrte ich zum Cultus Deorum zurück, dem ich zur Zeit weiter als Sacerdos publicus angehöre.
Für die kommende Amtszeit nun ersuche ich euch darum, mir eure Zustimmung für ein Vigintivirat zu geben. Durch die Änderungen am Cursus Honorum fand ich mich nicht wie noch vor einigen Monaten am Anfang der Ämterlaufbahn stehend, sondern bereits auf gutem Wege zur goldenen Mitte. Ich wurde, wie die übrigen gewesenen Quaestores, vor die Entscheidung gestellt eine weitere Quaestur abzulegen, oder einen Schritt zurück zu tun und das Vigintivirat anzustreben.
Ich habe mich für Letzteres entschieden, denn ich halte es mitnichten für einen Rückschritt, bietet es doch unzählige Möglichkeiten, dem Staat zu Diensten zu sein. Auch wenn ich jedes Amt, welches der Senat mir überantwortete, mit all meiner Schaffenskraft ausfüllen werde, so möchte ich euch darum ersuchen, mir ein Amt als Decemvir litibus iudicandis zu übertragen. Erbschaftsangelegenheiten mögen zu den vielen kleinen Banalitäten unseres Staates gehören, doch unser Imperium gründet sich auf den Zusammenhalt und die Stärke der Familien, darum sollte es unser Bestreben zu sein, den Rechten jener Vorschub zu leisten, und dies bezieht den reibungslosen Ablauf von Erbschaftsangelegenheiten mit ein. Wie zuvor während meiner Quaestur, so wird mir auch während eines Vigintivirates die Ehrung der Götter weiterhin am Herzen liegen, darum werde ich mich dabei ebenso wiederum um die traditionelle Aufgabe der Magistrate sich um die Ausrichtung der Feiertage zu bemühen widmen, denn nichts wäre deplorabler, als jene vernachlässigt zu sehen.
In diesem Sinne bitte ich um eure Stimmen." -
Jene Aufforderung, welche durch die Türe hinaus an Gracchus' Ohren drang, klang beinahe, als wären sie bereits seit Jahren verheiratet, als wäre nichts natürlicher, als dass Gracchus Antonia am Abend in ihrem Cubiculum aufsuchte, und als würde sie ihn bereits erwarten. Zögerlich öffnete er die Tür, trat sodann jedoch fest entschlossenen Schrittes in den Raum hinein, schloss die Türe wiederum und ging noch einen weiteren resoluten Schritt auf sein Ziel zu. Dann jedoch blieb er jählings stehen, als würde er gegen eine Mauer laufen, als würden seine Füße am Boden festkleben, als gäbe es kein Vor und kein Zurück. Sein Blick fiel nur auf ihr dunkles, wallendes Haar, ihren geraden Rücken und die weiblichen Kurven, welche daran anschlossen, und doch verlor er in jenem Augenblick alle Vorsätze aus dem Sinn und jegliches Ziel aus den Augen. Die Einladung - er musste nur bezüglich der Einladung mit ihr sprechen, alles andere konnte warten. Warten. Nur ein Herzschlag, oder zwei. Womöglich einige mehr. Vielleicht bis an sein Lebensende. Warten. Noch in Jahren würde er in diesem Cubiculum stehen und keinen Schritt weiter sein. Kein Erbe. Keine Zukunft. Nur Warten. Sie war doch nur eine Frau. Irgendeine Frau. Beliebig. Jeder anderen Frau konnte er mühelos kleine Nettigkeiten zukommen lassen, wieso nicht auch ihr? Nur eine winzig kleine Nettigkeit.
Ihr könnt uns gar nicht oft genug sagen, wie schön wir sind. Auch wenn wir es mal nicht sind. Gerade dann. Dies waren die Worte Leontias gewesen.
Gracchus trat auf Antonia zu, stellte sich neben sie und betrachtete die aufgereihten Stolen auf ihrem Bett. Schließlich deutete er auf eines der Tücher.
"Nimm diese hier. Die weinrote Farbe harmoniert wunderbar mit dem strahlenden Glanz deiner Augen, zudem setzt sie den Hauch eines Akzentes zu deinem beigefarbenen Kleid, jedoch ohne die Aufmerksamkeit des Observanten von deinem eigenen Liebreiz abzuziehen." -
Gracchus nickte leicht.
"Dies ist eine vorzügliche Idee. Ich bin sicher, auch Antonia wird es munden. Du weißt doch, in der Flavia muss man auf alles gefasst sein, sicherlich hat sie dies längst herausgefunden."
Ein süffisantes Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab.
"Zudem wird es eine Abwechslung zum üblichen Speiseplan sein, der sich sicherlich auch Tiberius gerne widmen wird. Falls die Küche sich ungeschickt anstellen sollte, so sage es mir, wir können auch Hife von Außerhalb kommen lassen."
Genau genommen bedeutete dies nichts anderes, als dass die Küchensklaven in diesem Falle ausgewechselt werden würden. -
Die Türe zum Cubiculum seiner Gattin kannte Gracchus bereits äußerst genau, wenn auch nur von dern Außenseite. In der linken oberen Ecke befand sich ein kleiner Makel in der Maserung, der erste Ansatz eines Astloches möglicherweise, und mittig zur rechten Seite hin zogen sich die Linien des Holzes in einem äußerst filigranen Wellenmuster dahin. Mit viel Fantasie konnte man ebenfalls in den Mustern das Symbol des Priapus entdecken, eine Ironie des Schicksals, wie Gracchus fand. Doch am heutigen Abend stand er nicht vor dieser Türe, um sich an ihrer banalen Schönheit zu erfreuen. Im Grunde tat er dies nie, doch schlussendlich endete es nur immer damit. Heute jedoch war er fest entschlossen, zudem hatte er seiner Schwester sein Wort gegeben, darum zögerte er nur kurz, um dann fest an die Tür zu klopfen, fester, als dies seine Entschlossenheit war.
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"Tatsächlich?"
Gracchus stutzte. Doch es musste wahrlich so sein, nicht nur vor ihm verbarg sich Antonia, auch die übrigen Flavia mied sie so gut es ging.
"Sie wird teilnehmen, ich werde mit ihr sprechen."
Dies musste ohnehin getan werden und die Einladung des Aedilis Curulis bot immerhin einen guten Vorwand dafür.
"Gibt es einen bestimmten Tag, welcher dir recht, oder einen der dies nicht wäre?" -
Ein feines Lächeln zog sich über Gracchus' Lippen, als sein Vetter weiterhin versuchte mit seiner Sprache zu spielen. Wenn er sich bemühte, so konnte er durchaus den Anschein erwecken, dies zu beherrschen, obwohl seine Qualitäten unzweifelhaft auf anderen Gebieten lagen. Der Kommentar hinsichtlich keiner bestimmten Frau dagegen kam so mäßig wahrhaftig, dass Gracchus keinen Augenblick daran glauben konnte.
"Für keine bestimmte Frau scheint dir diese Frau, welche Hunderte von Meilen in einer anderen Provinz entfernt ist, während du umringt von Tausenden Männern im Castellum der Legio I sitzt, allerdings sehr nahe zu gehen. Doch du brauchst dich dessen nicht zu schämen, Marcus. Du lebst schon lange allein, wenn sie eine angemessene Verbindung darstellt, so hindert dich doch nichts daran, eine erneute Ehe einzugehen."
Bei Aristides' Neigungen würde jene Frau kaum eine angemessene Verbindung darstellen, doch über solcherlei mochte Gracchus an diesem Tage nicht urteilen. Zudem war Aristides bereits mit Nachwuchs und einem Erben gesegnet, er konnte es sich womöglich sogar leisten, in einer Ehe seinen Neigungen etwas mehr nachzugeben, als dies anderen Männern möglich war, solchen wie unter anderem ihm selbst, obwohl natürlich Gracchus' Neigungen für keinerlei Art von Ehe geeignet waren. Die Unzulänglichkeit seiner eigenen Ehe wurde Gracchus schmerzlich mit der Nennung Aquilius' Namens bewusst. Sehnsuchtsvoll dachte er an seinen Vetter, der ebenfalls fern in einer Provinz weilte, sich vermutlich in Arbeit stürzte oder in Verlangen verging, so wie Gracchus dies in Rom tat. Caius - allein sein Name brannte Gracchus schmerzlich auf der Seele und noch schmerzlicher im Herzen. Was war Liebe wert, wenn sie nicht gelebt werden konnte, nicht durfte?
"Caius ..."
Ohne sich dessen bewusst zu sein, sprach Gracchus den Namen aus wie das Wertvollste, was es auf der Welt zu Sprechen gab.
"Der Cultus Deorum hat ihn geschickt."
Dies entsprach in der Tat der Wahrheit, doch Gracchus wusste ebenso gut, dass der Cultus Deorum selten jemand in eine Provinz entsandte, sofern dieser nicht darum bat. Da Aquilius sich nichts hatte zu Schulden kommen lassen, musste er darum gebeten haben, doch verwunderlich war dies mitnichten, nicht nach allem, was vorgefallen war, nicht, nachdem er ihn aus seinem Leben verbannt hatte. Gracchus seufzte noch einmal, tief und lang, und in diesem Augenblick störte er sich nicht daran, denn seine Gedanken weilten fern des Tages und fern des Raumes. Seine Verfassung war dem zuträglich, sich nun in eine tiefe Melancholie hinein fallen zu lassen, und nur die Anwesenheit Aristides' verhinderte, dass Gracchus sich noch mehr sichtbar gehen ließ.
"Man muss tun, was getan werden muss."
Dies war sowohl Rechtfertigung für seine eigene Tat, als auch Ansatz des Exorzismus an Arrecina. War der Fluch zu tief in Rutger verwurzelt, so konnte er womöglich nur durch dessen Tod gelöst werden.
"Caius wird dies verstehen."
Eines Tages würde er dies womöglich tun, womöglich jedoch auch niemals und dies war es, wovor Gracchus sich am meisten fürchtete, davor und davor, dass er selbst einen Fehler begangen hatte, dass es für Aquilius nichts zu verstehen gab, sondern nur für ihn und an jenem Tag, an welchem er dies tun würde, alles zu spät war.
"Ich werde mich darum kümmern."
Bereits wieder auf dem besten Wege in Gedanken in eine völlig andere als die durch das Gespräch angedachte Richtung abzuschweifen, wurde Gracchus von Aristides' beinahe feierlicher Proklamation der Ratsuche zurück zum Kontext gerufen. Von Aristides noch vor dessen Mutter befragt zu werden, dies war wahrlich ein Ereignis, welchem durch die Zeitspanne eines Herzschlages in Stille gedacht werden musste. Als dieser Herzschlag vorüber war, holte Gracchus tief Luft.
"Früher oder später musst du dich deiner Pflicht stellen, Marcus. Selbst da du kaum größeres Interesse an der Politik hegst, du bist es deinem Sohn schuldig, einen dir angemessenen Platz im Senat anzustreben. Dazu brauchst du nicht gleich den curulischen Stuhl ins Auge fassen. Felix wird beim Imperator erwirken können, dass du auf der Kandidaturenliste landest, da bin ich mir sicher. Von dort aus wird es für einen Mann deines Namens nicht mehr schwer sein, und sobald die Wahl vorrüber ist, sind keinerlei Reden mehr gefragt, sondern Taten. Die Res Gestae am Ende der Amtszeit musst du nicht einmal selbst verfassen und für den Tag, da du dich auf die Rostra stellst, hast du deine eigene Klientel und die deines Patrons in der Menge, auf dass sie die richtigen Fragen stellen und von den falschen ablenken."
Für Gracchus war es nur eine Frage der Zeit, bis Aristides in die Politik ging, denn seiner Ansicht nach stand es jedem Patrizier nicht nur gut zu Gesicht, sich dorthin zu begeben, es war zudem eine regelrechte Verpflichtung, denn wofür sonst waren sie durch ihren Stand privilegiert, wenn nicht um die Geschicke des Imperiums zu lenken? -
"Ich werde alles dafür in die Wege leiten, du brauchst dich um nichts weiter zu kümmern, als schlussendlich am Mahl teilzunehmen."
Ein dünnes Lächeln zeichnete sich auf seinen Gesichtszügen ab.
"Lass uns mit Tiberius Durus beginnen. Ich legte meine Quaestur gemeinsam mit ihm ab, seine Einladung in unser Haus wird völlig unverbindlich sein. Sollte dir wider erwarten während des Essens unwohl werden, so werde ich den Abend in politischen Diskussionen auch alleine bestreiten können."
Alleine mit Antonia, doch das war ebenso gut wie alleine. -
Wieder einmal stand Gracchus vor einer der Türen der Villa Flavia und betrachtete stumm die Maserung des Holzes. Aus dem Cubiculum dahinter drang durch den Spalt der nicht ganz geschlossenen Türe leises Stöhnen, dann das Klappern einer auf einem Tisch abgestellten Schüssel, schließlich nur wieder Stille, die letzten Endes von sich leise nähernden Schritten durchbrochen wurde. Als die Tür sich öffnete und der Medicus heraus trat, hob Gracchus den Kopf. Der Medicus schüttelte leicht den seinen und zuckte mit den Schultern.
"Keine neuen Erkenntnisse, Herr. Das Fieber hat ihn noch immer fest im Griff, er behält kaum etwas im Magen. Wenn er etwas isst, erbricht er bald die Hälfte davon vermischt mit grünlichem Schleim, dazu ..."
Gracchus hob die Hand und winkte ab. Er wollte keine Details hören, die er ohnehin nicht deuten konnte. Die Medicina war ein Gebiet, welchem er sich nie gewidmet hatte, denn obwohl sie einen durchaus interessanten Wissensbereich bot, so graute es Gracchus vor dem Inneren des Körpers mit seinen Säften und Organen. Ein Tier auseinander zu nehmen, dies machte ihm nicht das Geringste aus, auch anatomische Studien am äußeren Erscheinungsbild eines Körpers hatten durchaus ihren Reiz, doch es hatte seinen Sinn, dass das Innere des Menschen hinter dessen Haut verborgen blieb.
"Wie lange wird es dauern, bis sich sein Zustand bessern wird?"
Er sprach leise, so dass man es im Inneren des Cubiculums nicht würde hören können. Doch zu Hören gab es ohnehin nichts, der Medicus zuckte nur wiederum ratlos mit den Schultern und schüttelte den Kopf. Gracchus schob ihn unwirsch zur Seite und trat in den Raum hinein. Die Luft war kalt, der Medicus hatte darauf bestanden, die Fenster weit zu öffnen um das Übel hinaus zu wehen, dennoch glänzten dicke Schweißtropfen auf Lucullus' Stirn. Gracchus trat zu seinem Bruder hin, der von dicken Decken bedeckt in seinem Bett lag, die Augen glasig, das Gesicht angespannt. Nicht viel verband Gracchus mit seinem Bruder außer seine Herkunft und womöglich ein Teil ihrer Profession, dennoch schmerzte es ihn, Lucullus in diesem Zustand zu sehen. Er zog sich einen Stuhl an das Bett und setzte sich an die Seite seines Bruders.
"Wie geht es dir?"
Er wusste nicht, ob Lucullus in seinem Fieber aufnahmefähig war, doch viel mehr, als mit ihm zu sprechen, konnte Gracchus ohnehin nicht für ihn tun. -
Es war ein hin und her, so schien es Gracchus, und das einzige, dessen er sich sicher war, war die Tatsache, dass er die Frauen einfach nicht verstand. Er hatte nicht den leisesten Schimmer davon, was ihr Begehren war und in welchen Maßstäben sie dachten, selbst nach seinem Gespräch mit Leontia blieb ihm dies ein Rätsel. Doch Minervinas Zusage reichte ihm vorerst aus, um weitere Schritte in die Wege zu leiten. Auf ihre Frage hin schüttelte er leicht den Kopf.
"Meine Kontakte in die Provinzen sind nicht sonderlich gut. Doch wenn dies kein Grund gegen einen Mann ist, so werde ich Sciurus ein wenig nachforschen lassen, ob es fern von Rom noch passable Kandidaten gibt. Spontan kommt mir niemand in den Sinn."