Zufriedenheit legte sich über Gracchus' Gesicht, als der Junge seinen Hund fort führte, und er griff nach dem vor ihm stehenden Becher und trank einen Schluck Wein, bis sich Serenus wieder auf seine Kline gelegt hatte. Die Beschreibung des Imperators mochte aus der Sicht eines Kindes beinahe zutreffen. Welche Vorstellung hatte ein Kind schon von Größe, Breite und Muskelaufbau, als die, dass alles, was seinen eigenen Körper übertraf groß, breit und muskulös war?
"Die Frauen fallen in Ohnmacht beim Anblick des Imperators, und die Männer erblassen vor Neid. Ja, ich kenne diese Geschichten, vorwiegend stammen sie von besiegten Völkern, welche ihre Niederlage nur dadurch erklären können, dass sie von einem Heer unter dem Banner eines übermächtigen Halbgottes besiegt wurden. Von Spartacus behauptete man ebenfalls lange Zeit, dass er ein Hühne von Mann sei, solange zumindest, bis er schließlich in der Schlacht am Silarius durch Crassus vernichtet wurde. Die Feinde Roms, welche ihre Truppen gegen uns anstacheln müssen dagegen behaupten, unser Imperator wäre nur ein alter, schmächtiger Greis, gelenkt von den Sentoren, ebenfalls alte, schmächtige Greise ohne Sinn und Verstand. Du siehst also, Gerüchte und Geschichten hängen nicht selten von der Perspektive des Betrachters ab. Ich versicher dir, dass die Wahrheit irgendwo dazwischen liegt, wenn auch näher am Bild eines Hercules. Er ist ein alter Mann, doch weit von dem entfernt, was man als Greis bezeichnen würde. Seine Größe ist nicht außergewöhnlich, doch sein Körper ist für einen Mann seines Alters tatsächlich in äußerst guter Form. Seine Erscheinung, abgerundet durch seinen außergewöhnlich guten Geschmack - oder den seines Cubicularius - ist wahrlich dazu geschaffen, bei einem öffentlichen Auftritt alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, und dies ist nur gut so, immerhin sollte dies einem Kaiser zustehen. Die Praetorianer um ihn halten sich bedeckt, meist fallen sie kaum auf, obwohl sie immer und überall sind, wo auch er ist. Doch sie bedürfen keiner übermäßigen Zahlen, ein einziger Praetorianer reicht aus, wo der einfache Mann fünf Leibwächter benötigt. Die Schwarzröcke genießen eine vorzügliche Ausbildung und unterliegen strengen Pflichten, und es ist nicht mit ihnen zu spaßen, vor allen dann nicht, wenn sie hier in die Villa kommen."
Dass Gracchus weniger von einem Besuch des Imperators in Begleitung der Garde sprach, denn von ihren mannigfaltigen Ermittlungen in diesem Hause, verschwieg er. Er lehnte sich auf das Kissen zurück, welches seinen Rücken stützte, und seufzte leise.
"Die Flavia sind längst nicht mehr so bedeutend, wie sie es sein könnten, Serenus. Dein Onkel Felix verbringt viel Zeit auf seinen Landgütern, und auch wenn der Kaiser seinen Rat noch immer schätzt, die Distanz zu unserem Geschlecht zeigt sich immer wieder."
Sinnierend blickte Gracchus in den Himmel hinauf, an welchem bereits Sterne funkelten. Eher abwesend beantwortete er Serenus' Fragen.
"Wir werden sehen, was die Antwort deines Vaters bringt. Ich habe in den nächsten Tagen ein großes Opfer vorzubereiten, dabei kann ich dich ohnehin kaum gebrauchen. Doch danach kannst du mich begleiten, wenn du möchtest. Für heute solltest du dich besser in dein Bett begeben, denn um die schöne Roma mit allen Sinnen erkunden zu können, musst du ausgeschlafen sein."
Mit keinem Gedanken dachte Gracchus darüber nach, ob es angemessen wäre, den Jungen allein mit einigen Sklaven auf Rom los zu lassen. Er war es gewöhnt, dass die Bewohner der Villa für sich selbst Sorge trugen und es kam ihm nicht in den Sinn, dass dies bei Serenus aufgrund dessen Alters anders sein mochte.